Rainer Stadler: Vater Mutter Staat. Das Märchen vom Segen der Ganztagsbetreuung

Rainer Stadler: Vater Mutter Staat. Das Märchen vom Segen der Ganztagsbetreuung – Wie Politik und Wirtschaft die Familie zerstören, München: Heyne 2014. 272 S., 19.99 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Unter den mitt­ler­wei­le zahl­rei­chen Büchern, die sich mit unse­rer nach öko­no­mi­schen Gesichts­punk­ten aus­ge­rich­te­ten Fami­li­en­po­li­tik beschäf­ti­gen, ist dies eines der bes­ten. Es mag weh tun, dies als (flan­kie­ren­den) Beleg ins Feld zu füh­ren: Rai­ner Stad­ler ist mit­nich­ten ein Kon­ser­va­ti­ver, er ist Redak­teur des Maga­zins der Süd­deut­schen Zei­tung.

Wer noch einen win­zi­gen mis­sio­na­ri­schen Eifer ver­spürt, soll­te die­ses Buch an zeit­ge­nös­sisch sozia­li­sier­te jun­ge Eltern ver­schen­ken, denn hier schreibt ein in ideo­lo­gi­scher Hin­sicht völ­lig Unver­däch­ti­ger. Einer, der noch dazu ein gro­ßes Herz für Frau­en hat, der nicht müde wird, die Väter ob deren Erzie­hungs­mü­dig­keit und Kar­rie­re­sucht zu gei­ßeln. Stad­ler faßt die Debat­te in fünf­zehn Kapi­teln (etwa »Frau­en in die Pro­duk­ti­on?«, »Ideo­lo­gie statt Wis­sen­schaft«, »Ver­schul­te Kind­heit«) poin­tiert und stil­si­cher zusammen.

Unser­eins mag es für naiv hal­ten, daß sich ein längst erwach­se­ner Mensch dar­über wun­dert, daß Grü­ne und Sozi­al­de­mo­kra­ten eine »out­ges­ourc­te« Kind­heit als Fort­schritt betrach­ten, daß »aus­ge­rech­net« das links­al­ter­na­ti­ve Milieu den Aus­bau von Betreu­ungs­ein­rich­tun­gen for­dert. Stad­ler unter­stützt den Pro­test­brief einer grü­nen Lokal­po­li­ti­ke­rin, wonach von ihrer Par­tei »einer Gelb­bau­chun­ke mehr Respekt ent­ge­gen­ge­bracht wer­de als einem wei­nen­den Klein­kind oder einer Mut­ter, die mit gan­zer See­le Mut­ter ist.« Er kennt sämt­li­che rele­van­ten Stu­di­en zur früh­kind­li­chen Fremd­be­treu­ung, er stellt sie kri­tisch dar und wet­tert nicht, fragt sich aber, was mit einer Kli­en­tel los sei, die auf Helm und Gurt, auf Öko­es­sen und Früh­eng­lisch höchs­ten Wert lege, aber vor lau­ter Effi­zi­enz­den­ken die Tie­fen­schich­ten der kind­li­chen Ent­wick­lung zur Sei­te schiebe.

Stad­ler räumt gründ­lich mit jenen Frau­en­zeit­schrift­slo­gans auf, wonach eine »zufrie­de­ne Mut­ter« (die am Arbeits­platz ihre Ruhe hat und sich nicht mit den oft red­un­dan­ten Tätig­kei­ten der Nest­pfle­ge auf­hal­ten muß) am bes­ten für das Kind sei. Er spricht von einer gera­de­zu sys­te­ma­ti­schen »Ent­mut­te­rung« und ver­schweigt nicht den Ver­rat der Frau­en­be­we­gung an den Müttern.

Hart geht er mit der seit Jah­ren prak­ti­zier­ten Fami­li­en­po­li­tik ins Gericht, die durch das Eltern­geld allein die Dop­pel­ver­die­ner­ehe begüns­ti­ge. Her­vor­ra­gend ist das Kapi­tel über die Nobel­preis­trä­ger Alva und Gun­nar Myrd­al, die das faden­schei­ni­ge Modell des schwe­di­schen Sozi­al­staats und sei­nes Kin­der­be­treu­ungs­sys­tems initi­ier­ten. Den Myrd­als ging es um die von elter­li­cher Prä­gung befrei­ten Kin­der, die im Rah­men einer staat­li­chen Rund­um­be­treu­ung sich »geschmei­dig ins Arbeits- und Gesell­schafts­le­ben ein­fü­gen« sollten.

Statt auf Bestra­fung wur­de auf »sozia­le Miß­bil­li­gung« gesetzt, damit ein »gan­zes Sys­tem sozia­ler Tabus« her­an­wach­se, dem sich die Kin­der als einer selbst­ver­ständ­li­chen Sache unter­wer­fen. An zahl­rei­chen Stel­len spricht Stad­ler vom pro­pa­gan­dis­ti­schen Druck, der auf die Wis­sen­schaft aus­ge­übt wer­de. Wer Kar­rie­re machen wol­le, müs­se der Poli­tik nach dem Mun­de reden. Erwäh­nen muß man in die­sem Atem­zug aller­dings, daß auch Stad­ler, der wirk­lich alles gele­sen hat, aus­ge­rech­net Bir­git Kel­les Best­sel­ler Dann mach doch die Blu­se zu nicht erwähnt, obwohl dort vie­les vor­ge­kaut wur­de, was Stad­ler nun elo­quent wiederholt.

Vater Mut­ter Staat. Das Mär­chen vom Segen der Ganz­tags­be­treu­ung von Rai­ner Stad­ler kann man hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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