Unter den mittlerweile zahlreichen Büchern, die sich mit unserer nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichteten Familienpolitik beschäftigen, ist dies eines der besten. Es mag weh tun, dies als (flankierenden) Beleg ins Feld zu führen: Rainer Stadler ist mitnichten ein Konservativer, er ist Redakteur des Magazins der Süddeutschen Zeitung.
Wer noch einen winzigen missionarischen Eifer verspürt, sollte dieses Buch an zeitgenössisch sozialisierte junge Eltern verschenken, denn hier schreibt ein in ideologischer Hinsicht völlig Unverdächtiger. Einer, der noch dazu ein großes Herz für Frauen hat, der nicht müde wird, die Väter ob deren Erziehungsmüdigkeit und Karrieresucht zu geißeln. Stadler faßt die Debatte in fünfzehn Kapiteln (etwa »Frauen in die Produktion?«, »Ideologie statt Wissenschaft«, »Verschulte Kindheit«) pointiert und stilsicher zusammen.
Unsereins mag es für naiv halten, daß sich ein längst erwachsener Mensch darüber wundert, daß Grüne und Sozialdemokraten eine »outgesourcte« Kindheit als Fortschritt betrachten, daß »ausgerechnet« das linksalternative Milieu den Ausbau von Betreuungseinrichtungen fordert. Stadler unterstützt den Protestbrief einer grünen Lokalpolitikerin, wonach von ihrer Partei »einer Gelbbauchunke mehr Respekt entgegengebracht werde als einem weinenden Kleinkind oder einer Mutter, die mit ganzer Seele Mutter ist.« Er kennt sämtliche relevanten Studien zur frühkindlichen Fremdbetreuung, er stellt sie kritisch dar und wettert nicht, fragt sich aber, was mit einer Klientel los sei, die auf Helm und Gurt, auf Ökoessen und Frühenglisch höchsten Wert lege, aber vor lauter Effizienzdenken die Tiefenschichten der kindlichen Entwicklung zur Seite schiebe.
Stadler räumt gründlich mit jenen Frauenzeitschriftslogans auf, wonach eine »zufriedene Mutter« (die am Arbeitsplatz ihre Ruhe hat und sich nicht mit den oft redundanten Tätigkeiten der Nestpflege aufhalten muß) am besten für das Kind sei. Er spricht von einer geradezu systematischen »Entmutterung« und verschweigt nicht den Verrat der Frauenbewegung an den Müttern.
Hart geht er mit der seit Jahren praktizierten Familienpolitik ins Gericht, die durch das Elterngeld allein die Doppelverdienerehe begünstige. Hervorragend ist das Kapitel über die Nobelpreisträger Alva und Gunnar Myrdal, die das fadenscheinige Modell des schwedischen Sozialstaats und seines Kinderbetreuungssystems initiierten. Den Myrdals ging es um die von elterlicher Prägung befreiten Kinder, die im Rahmen einer staatlichen Rundumbetreuung sich »geschmeidig ins Arbeits- und Gesellschaftsleben einfügen« sollten.
Statt auf Bestrafung wurde auf »soziale Mißbilligung« gesetzt, damit ein »ganzes System sozialer Tabus« heranwachse, dem sich die Kinder als einer selbstverständlichen Sache unterwerfen. An zahlreichen Stellen spricht Stadler vom propagandistischen Druck, der auf die Wissenschaft ausgeübt werde. Wer Karriere machen wolle, müsse der Politik nach dem Munde reden. Erwähnen muß man in diesem Atemzug allerdings, daß auch Stadler, der wirklich alles gelesen hat, ausgerechnet Birgit Kelles Bestseller Dann mach doch die Bluse zu nicht erwähnt, obwohl dort vieles vorgekaut wurde, was Stadler nun eloquent wiederholt.
Vater Mutter Staat. Das Märchen vom Segen der Ganztagsbetreuung von Rainer Stadler kann man hier bestellen.