Hartmut Buchner (1927–2004) dürfte nur wirklichen Heidegger-Kennern ein Begriff sein, da er zu Lebzeiten außer seiner Dissertation, die sich mit Platon befaßt, keine Monographie veröffentlicht hat und seine wenigen Aufsätze an entlegenen Orten erschienen.
Buchner studierte seit 1950 in Freiburg und lernte dort Martin Heidegger kennen, der ihn schon bald zur Mitarbeit und Korrektur bei der Herausgabe seiner Werke heranzog. Von 1958 bis 1962 war er als Lektor und Dozent in Japan tätig, wo er sich vor allem als Vermittler der Philosophie Heideggers einen Namen machte. Seit der Rückkehr nach Deutschland war er als Herausgeber an den Gesamtausgaben von Hegel und Schelling beteiligt, unterbrochen von einer Assistentenzeit bei dem Heidegger-Schüler Max Müller in München. Daneben hat er sich sein Leben lang mit Heideggers Werk beschäftigt, das offenbar das entscheidende geistige Ereignis für Buchner gewesen ist. Durch seine exklusiven Seminare, erst an der Universität München und später in privatem Kreis, prägte er das Heideggerbild zahlreicher Studenten.
Ein besonderes Augenmerk lag, biographisch bedingt, auf der japanischen Rezeption Heideggers. Buchner hat dazu 1989 im Auftrag der Stadt Meßkirch zum 100. Geburtstag Heideggers das Buch Japan und Heidegger herausgegeben, das die dortige Wertschätzung für Heidegger schön veranschaulicht. (Wer weiß schon, daß Heideggers sogenannte Rektoratsrede von 1933 im dortigen Deutschunterricht Verwendung fand!) Heidegger selbst hat das Gespräch mit zahlreichen Japanern geführt und dabei bedauert, daß das Interesse so ungleich verteilt sei und sich Deutschland kaum dem japanischen Geist öffne.
Daß der vorliegende Band wiederum einen ähnlichen Titel trägt, ist kein Zufall. Fünf der elf Texte sind bislang nur auf japanisch erschienen. Die Texte selbst sind von einem seltenen Willen bestimmt, Heideggers Frage nach der Wahrheit des Seins ernst zu nehmen. Da es Heidegger schon schwerfiel, für diese Fragestellung die richtigen Worte zu finden, beschränkt sich Buchner auf einzelne Textpassagen Heideggers oder streng umgrenzte Themen, die es ihm erlauben, dieses Fragen beispielhaft verständlich zu machen. Es handelt sich also um kleine Bausteine zum Heidegger-Verständnis, die in der Heidegger-Literatur durchaus selten sind. Sie zielt oft auf das Ganze und verfehlt es.
Die Texte beschäftigen sich mit der Sprache, der Metaphysik, der Heimat, dem Abendland oder dem Christentum, immer in bezug auf Heidegger. Wenn Buchner »Heidegger und das Christentum« untersucht, behandelt er damit ein Thema, an dem sich bis heute die Geister scheiden. Nicht zuletzt, weil sich bei Heidegger sowohl rabiate Ablehnung als auch einfühlsame Äußerungen zum Christentum finden. Buchner führt das auf Heideggers Unterscheidung zwischen Christentum als platonisch-metaphysisch überformte Erscheinung (Kirche) und Christlichkeit als neutestamentliche Gottesoffenbarung zurück. Ein christliches Leben bedürfe nicht unbedingt des Christentums – was es als legitim erscheinen läßt, die Frage nach Heidegger und dem Christentum auf die fromme Frage nach der Wahrheit des Seins zurückzuführen.
Während Buchner hier großzügig über manche Unstimmigkeit in den Äußerungen Hei-deg-gers hinwegsieht, um zu einer Konklusion zu kommen, ist das bei den späteren Texten Buchners anders. Zunehmend wird jedes Wort Heideggers, und sei es im Gespräch gefallen, als unverrückbar angesehen. Das macht die Lektüre nicht weniger lohnend, allerdings gibt es keine Antworten mehr, sondern neue Fragen. Ganz getreu dem Motto des Meisters, der seine Gesamtausgabe nicht ohne Grund mit »Wege – nicht Werke« überschrieben hat.
Heidegger und Japan – Japan und Heidegger von Hartmut Buchner kann man hier bestellen.