Wolf Schneider: Der Soldat – Ein Nachruf

Eine Rezension von Martin Böcker 

Wolf Schnei­der: Der Sol­dat – Ein Nach­ruf: Eine Welt­ge­schich­te von Hel­den, Opfern und Bes­ti­en, Rein­bek: Rowohlt 2014. 544 S., 24.95 €

Wolf Schnei­der, der 89jährige Jour­na­list und Sprach­stil­leh­rer, hat einen Nach­ruf auf den Sol­da­ten geschrie­ben. Denn mit die­sem gehe es zu Ende: Er wer­de ersetzt – und sei zum Teil schon ersetzt wor­den – durch Droh­nen, Atom­bom­ben, Spe­zi­al­ein­hei­ten und den Pro­gram­mie­rern eines cyber­war. Den Sol­da­ten defi­niert er als jeman­den, »der den regu­lä­ren Streit­kräf­ten eines Staa­tes ange­hört« – und schon hier beginnt die laut­star­ke The­se sei­nes 544 Sei­ten star­ken Buches zu brö­ckeln. Denn auch Droh­nen­be­die­ner, Bom­ber­pi­lo­ten und Kom­man­do­sol­da­ten sind sol­che Ange­hö­ri­gen regu­lä­rer Streitkräfte.

Selbst wenn man sei­ne Defi­ni­ti­on des Sol­da­ten enger faßt, sich also nur auf die nor­ma­len Män­ner mit ihren stau­bi­gen Gesich­tern in den Grä­ben und Feld­la­gern, in Gefech­ten oder auf Patrouil­len bezieht, wirkt Schnei­der wenig über­zeu­gend. Spe­zi­al­ein­hei­ten brau­chen für ihre Aktio­nen die äuße­re Siche­rung, das Feld­la­ger, den Nach­schub und die Etap­pe: Das alles wird von nor­ma­len Sol­da­ten gestellt. Ein kur­zer Blick auf die Ein­sät­ze der Bun­des­wehr reicht aus, um Schnei­der zu wider­spre­chen: Mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit wird sie auch in Zukunft für »Sta­bi­li­sie­rungs­ope­ra­tio­nen« ein­ge­setzt wer­den, und die­se sind ohne Fuß­trup­pen nicht möglich.

Kuri­os trotz der Dürf­tig­keit der Haupt­the­se: Das Buch ist lesens­wert! Schnei­der berich­tet, wie der Krieg aus Men­schen­jagd und Zwei­kampf her­vor­ging, wie sich dabei die Waf­fen­tech­nik ent­wi­ckelt hat und aus wel­chen Grün­den Män­ner sich für ein Leben als Sol­dat ent­schie­den. Schnei­der hat selbst gedient und es in der Wehr­macht bis zum Unter­of­fi­zier gebracht. Wahr­schein­lich sind sei­ne Über­le­gun­gen dar­über, wofür Sol­da­ten star­ben, und die Beschrei­bun­gen, wie sie »ver­reck­ten«, gera­de des­halb beson­ders eindrucksvoll.

Mit dem Gewicht die­ser Erfah­rung will Schei­der sei­ne Über­zeu­gung legi­ti­mie­ren, das sol­da­ti­sche Opfer sei für sich genom­men sinn­los und die Bereit­schaft dazu nur das Ergeb­nis von fal­schen, alber­nen oder sinn­lo­sen Vor­stel­lun­gen – was für die Idea­lis­ten unter den Sol­da­ten bedrü­ckend klin­gen muß. Die logi­sche Kon­se­quenz zieht er im abschlie­ßen­den Kapi­tel, »Wie man viel­leicht über­le­ben kann«, indem er gro­ßes Ver­ständ­nis für den Deser­teur zeigt: Die­ser hand­le »von den Moti­ven her … so ver­werf­lich wie ein Vogel, der dem Käfig entflattert«.

Schnei­der erin­nert gleich­zei­tig dar­an, daß der Frie­den nicht der Natur­zu­stand des Men­schen, daß der Mensch kein pri­mär fried­lie­ben­des Wesen sei, ja, daß der Frie­den auf Erden – mit Carl Fried­rich von Weiz­sä­cker gespro­chen – »eine der düs­ters­ten Epo­chen der Mensch­heits­ge­schich­te« wer­den kön­ne: »So fie­le denn auf die grau­si­ge drei­tau­send­jäh­ri­ge Geschich­te des Sol­da­ten zuletzt doch noch ein klei­ner Son­nen­strahl«, been­det er sei­nen Nach­ruf auf den Sol­da­ten mit einem ver­meint­lich posi­ti­ven Fazit.

Töten und Ster­ben also nur als abs­trakt sinn­vol­les Opfer? Damit es kei­nen tyran­ni­schen Frie­den auf Erden gibt? Wenn er damit recht hät­te, dann wären die Sol­da­ten, die aus idea­lis­ti­schen Grün­den zur Armee gehen, tat­säch­lich die armen Nar­ren, die nicht für ihr Volk und des­sen Ideen antre­ten, son­dern sich unfrei­wil­lig für die Ver­hin­de­rung einer tyran­ni­schen One World opfern, indem sie Krie­ge am Lau­fen hal­ten. Die­se Drauf­sicht Wolf Schnei­ders ist außer­or­dent­lich inter­es­sant, viel inter­es­san­ter als die schwa­che Haupt­the­se des »Nach­rufs«. Er gibt dem Sol­da­ten, eigent­lich jedem Kämp­fer die­ser Erde, eine höhe­re Wei­he: Das ist eine gedank­li­che Spur, die man wei­ter ver­fol­gen kann – und sollte.

 Der Sol­dat – Ein Nach­ruf: Eine Welt­ge­schich­te von Hel­den, Opfern und Bes­ti­en von Wolf Schnei­der kann man hier bestel­len. 

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