Ulrike Draesner: Sieben Sprünge vom Rand der Welt

Ulrike Draesner: Sieben Sprünge vom Rand der Welt. Roman, München: Luchterhand 2014, 559 S., 21.99 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Es ist so, daß Ulri­ke Draes­ner eine wirk­lich renom­mier­te Autorin, Essay­is­tin und Lyri­ke­rin ist. Lite­ra­tur­prei­se en mas­se wur­den auf sie gehäuft. Sie hat sym­pa­thi­sche Stü­cke geschrie­ben. Auch ihr neu­er Roman Sie­ben Sprün­ge vom Rand der Welt wur­de all­seits hoch­ge­lobt, mit Abstri­chen zwar – wegen der Län­gen. Draes­ners volu­mi­nö­ses Buch mach­te des­halb neu­gie­rig, weil sie ein Ver­trie­be­nen­kind ist und weil das Leben mit »Luft­wur­zeln« und epi­ge­ne­ti­schen Defi­zi­ten – ganz kon­kret geht es um die Ver­trei­bung des Vaters aus Nie­der­schle­si­en – Kern­the­ma des Romans ist.

Eine der neun Stim­men aus vier Gene­ra­tio­nen, die die­se Geschich­te spre­chen, die eigent­li­che Prot­ago­nis­tin, ist Simo­ne. Sie hat am glei­chen Tag wie ihre Autorin Geburts­tag, bio­gra­phi­sche Par­al­le­len lie­gen nah. Ja, es gibt ein­zel­ne Per­len in die­sem Roman­ko­loß, die schim­mern und fun­keln, ein Dut­zend, viel­leicht zwan­zig. Allein, die­se Glanz­stel­len tra­gen nicht über fünf­hun­dert­neun­und­fün­fig Sei­ten vol­ler Gefüh­lig­kei­ten, unüber­seh­ba­rer Frau-denkt-sich-in-Män­ner­hirn-Ver­su­che, Plau­de­rei­en, Sei­ten­strän­ge, lyri­scher Ver­satz­stü­cke, kon­ven­tio­nel­ler und wenig sub­ti­ler Metaphorik.

Mit zuneh­men­der Müdig­keit han­gelt man sich von Perl­chen zu Perl­chen und stol­pert dabei lau­fend über Miß­grif­fe und Unnö­tig­kei­ten. Simo­nes grei­ser Vater Eusta­chi­us (auch als Stach, Jus­titsch, Opsi benannt, das soll die Viel­stim­mig­keit ver­deut­li­chen) ist – wie sei­ne Toch­ter Simo­ne – Affen­for­scher. Er liebt die Pri­ma­ten, weil er den Men­schen miß­traut. Das ist sein Ver­trei­bungs­er­be. Simo­ne ver­liebt sich erst in die Radio­stim­me des Psy­cho­lo­gen Boris (Arbeits­schwer­punkt: Ver­trei­bung), dann in den rea­len Menschen.

Auch Boris’ Fami­lie wur­de ver­trie­ben: Aus Lem­berg in die »deut­schen Ost­ge­bie­te«. So hat jeder zu kau­en an Ver­gan­ge­nem, an Ver­schwie­ge­nem, an Tabui­sier­tem, an ent­gan­ge­nen Chan­cen. Hier wird nichts ange­deu­tet, es wird aus­ge­deu­tet, zu Tode geschwatzt, auf immer län­ger wer­den­den Sei­ten. Schade.

Ulri­ke Draes­ners Sie­ben Sprün­ge vom Rand der Welt kann man hier bestel­len. 

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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