Felix Wemheuer (Hrsg.): Linke und Gewalt. Pazifismus, Tyrannenmord, Befreiungskampf, Wien: Promedia 2014. 176 S., 12.90€
Obwohl in einschlägigen Medien regelmäßig vor »rechter Gewalt« gewarnt wird, gibt es faktisch keinen Gewaltdiskurs von rechts. Die heutige Rede von der »rechten Gewalt« meint denn auch nur Gewalt von Deutschen an Ausländern aus vermeintlich fremdenfeindlicher Absicht, nicht aber eine interne Auseinandersetzung mit explizit politischen Strategien.
Das ist auf der diskursfreudigen Linken ganz anders, existiert doch hier seit Ende des 19. Jahrhunderts eine sehr kontroverse Diskussion zum Einsatz von politischer Gewalt. Unterschiede zwischen Rechts und Links finden sich dabei sowohl grundsätzlich als auch qualitativ.
War der Linken, ganz im Sinne Clausewitz’, die Gewalt stets ein Mittel, um den eigenen politischen Zielen und der Machterlangung zu dienen, so lagen bei der radikalen Rechten andere Beweggründe vor. Der Kampf an sich wurde, etwa bei Mussolinis Anknüpfung an Georges Sorel, als Mittel ewiger Auslese und Balsam gegen die moderne Dekadenz verherrlicht.
Das ist spätestens seit 1945 beendet, und jeder Ansatz eines rechten Gewaltdiskurses versiegte endgültig. Ob aus Läuterung, eigener Schwäche oder der strengen Beobachtung durch die Staatsmacht, wäre noch zu diskutieren. Rechts mäßigte man sich jedenfalls, gründete Parteien und war schon weitgehend damit überfordert, gelegentliche friedliche Demonstrationen und Veranstaltungen abhalten zu können.
Der Diskurs der Linken zur Gewaltfrage geht indes munter bis in die Gegenwart weiter. Felix Wemheuer, ein regelmäßiger Autor der Jungle World, hat nun einen Band zum Thema mit vielen historischen Originaltexten herausgegeben, der die ganze Bandbreite der linken Diskussion seit 1881 anschaulich darbietet. Gemeinsamer Nenner vieler Texte ist, daß sich ohne Gewalt die politischen Machtverhältnisse im Kapitalismus nicht beseitigen ließen. Der differierende kulturelle und zeitliche Kontext muß allerdings beachtet werden: Lenins Konzept der militärischen Gewalt unterscheidet sich deutlich von der Forderung Martin Luther Kings nach zivilem Ungehorsam. Die der Einschüchterung dienenden Mordanschlagphantasien des Anarchisten Johann Most und die »pädagogisch« begründeten Erschießungen Trotzkis stehen im deutlichen Widerspruch zu Gustav Landauers Ablehnung von Selbstjustiz als unanarchistisch.
Wemheuer verschweigt nicht, daß sich manche Konzepte, etwa Maos klassische Partisanentaktik, in Zeiten neuer militärtechnischer Entwicklungen, Drohnen und Satellitenüberwachung, überlebt haben. Und er gibt das generelle Scheitern der sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Modelle zu, billigt ihnen aber trotzdem »große Errungenschaften« bei der Beseitigung des Nationalsozialismus, des Kolonialismus und der Rassentrennung zu. Doch bleibt er dabei so kritisch, »die häßlichen Seiten des menschlichen Wesens« und den »roten Terror« der Bolschewiki offen beim Namen zu nennen.
Linke und Gewalt. Pazifismus, Tyrannenmord, Befreiungskampf von Felix Wemheuer kann man hier bestellen.