Antje Schmelcher: Feindbild Mutterglück

Antje Schmelcher: Feindbild Mutterglück. Warum Muttersein und Emanzipation kein Widerspruch ist, Zürich: Orell Füssli. 208 S., 16.95 €

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Frau Schmel­cher hat ihrem Buch hüb­sche Zei­len einer Lie­der­ma­che­rin vor­an­ge­stellt: Ein Hoch auf die Frei­heit / und das Unvoll­kom­men­sein / Ein Hoch auf ein­fach mal nach drau­ßen gehen /und erst spä­ter fra­gen wie­so. Ja! »Ein­fach mal nach drau­ßen gehen«, das heißt im Kon­text die­ses Buches unge­fähr: Krieg ein Kind, nimm dir die Frei­heit! Laß dir kei­ne Angst ein­re­den, laß dich nicht ein­span­nen vom Gere­de der Vie­len! Aber im Unter­ti­tel des Buchs dräut bereits wie­der Ver­ein­bar­keits­ge­döns: Mut­ter­sein und das E‑Wort in einem Päckchen.

Es muß wohl sein, schon allein mar­ke­ting­tech­nisch. Dabei spricht Frau Schmel­cher über­haupt nicht von Eman­zi­pa­ti­on, allen­falls von Femi­nis­mus. Des­sen Prot­ago­nis­tin­nen – heu­te oft staat­lich bestallt – hät­ten eine bedeut­sa­me Kli­en­tel ver­ra­ten: die Müt­ter. Müt­ter wür­den heu­te als »größ­te Bau­stel­le auf dem Arbeits­markt und in der Gleich­stel­lungs­po­li­tik« ange­se­hen. Müt­ter, da zeit­wei­se nicht voll erwerbs­fä­hig, gäl­ten als defi­zi­tär, Mut­ter­schaft als Makel, der schnellst­mög­lich aus­ge­gli­chen wer­den müs­se. Es sind meist weib­li­che Ent­schei­der, die pro­kla­mie­ren, daß das »ver­schenk­te Poten­ti­al« (Jut­ta All­men­din­ger) rasch nach der Geburt wie­der auf den Markt getra­gen wer­den müsse.

Schmel­ch­ers Stand­punkt ist ein libe­ra­ler. Sie plä­diert für Ent­schei­dungs­frei­heit und stellt den Wunsch nach außer­häus­li­cher Tätig­keit nicht in Fra­ge. Was sie in neun Kapi­teln beklagt, ist die sys­te­ma­ti­sche Abwer­tung der müt­ter­li­chen Erzie­hungs­leis­tung. Nicht in jedem ein­zel­nen Punkt mag man ihr fol­gen (wie Eva Her­man, die Schmel­cher gleich­wohl eine »dump­fe Tra­di­tio­na­lis­tin« nennt, sieht sie das Mut­ter­bild des Natio­nal­so­zia­lis­mus als Quel­le elter­li­cher Kalt­her­zig­keit, was ein wenig so ist, als sähe man in Her­mans Erfolgs­bü­chern den Extrakt der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Erzie­hungs­vor­stel­lun­gen der Nuller­jah­re), aber doch in den aller­größ­ten Teilen.

Eine Stär­ke des Buches ist es, daß die FAS-Autorin in einem nüch­ter­nen, auf schwes­ter­li­che »Wir Müt­ter« – Anre­de und her­zi­ge Anek­do­ten ver­zich­ten­den Ton schreibt. Ihre Sät­ze sind kurz und äußerst prä­gnant, sie kennt sämt­li­che the­men­be­zo­ge­nen Debat­ten, Bücher und poli­ti­schen Win­kel­zü­ge. Ihre punkt­ge­naue Nüch­tern­heit und ihre Ankla­ge der feh­len­den weib­li­chen Soli­da­ri­tät, die von einer Ankla­ge­men­ta­li­tät unter Frau­en (»Was? Du bist immer noch zu Hau­se?!«) flan­kiert wer­de, bedeu­tet nicht, daß Frau Schmel­cher nicht auch lei­den­schaft­lich vom Leder zie­hen kann. Näm­lich gegen jene Arbeits­markt­fe­mi­nis­tin­nen, die mas­siv ver­un­si­chern­de Bot­schaf­ten unter Müt­ter brin­gen und Droh­ku­lis­sen (»Krip­pe mei­den heißt Bil­dung ver­hin­dern«) aufbauen.

Unver­brämt geht die Autorin mit von der Ley­en ins Gericht, mit Kar­rie­re­pre­di­ge­rin­nen wie Liz Mohn und Maria Furtwäng­ler, mit den »schmal­lip­pi­gen und kin­der­lo­sen Chef­re­dak­teu­rin­nen« der taz, mit der Psycho-Kory­phäe Lie­se­lot­te Ahnert (deren Buch­ti­tel Wie­viel Mut­ter braucht ein Kind? nur dann wis­sen­schaft­lich klän­ge, wenn man »Mut­ter« durch»Butter« ersetz­te) und mit der Über­mut­ter klas­sisch-moder­ner Femi­nis­tin­nen, Simo­ne de Beau­voir, die auf der Höhe der sta­li­nis­ti­schen Säu­be­rungs­wel­len die Ver­hei­ßun­gen der rus­si­schen Revo­lu­ti­on pries.

Frau­en müß­ten zum Brot­er­werb gezwun­gen wer­den, bereits den Fötus sah sie als »zeh­ren­den Para­si­ten«. Das 1919 erschie­ne­ne ABC des Kom­mu­nis­mus tute­te ja ins glei­che Horn: »Der Gesell­schaft gehört auch das fun­da­men­tals­te Recht der Kin­der­er­zie­hung. Von die­sem Stand­punkt aus müs­sen die Ansprü­che der Eltern, durch die Hau­ser­zie­hung in die See­le ihrer Kin­der ihre eige­ne Beschränkt­heit zu legen, nicht nur abge­lehnt, son­dern auch ohne Erbar­men aus­ge­lacht werden«.

Die heu­ti­ge SPD sähe das übri­gens ganz ähn­lich. Das Umfeld von Mut­ter und Kind wer­de dort »fami­li­en­po­li­ti­sches Idyll« genannt: gemeint als Schimpf­wort. »In Wirk­lich­keit«, so Frau Schmel­cher zum Man­tra »Kin­der, Kita & Kar­rie­re«, gebe es »nur Ver­ein­ba­run­gen zuguns­ten der einen und zu Las­ten der ande­ren Sei­te. Der Rest ist Propaganda«.

Feind­bild Mut­ter­glück von Ant­je Schmel­cher kann man hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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