Frau Schmelcher hat ihrem Buch hübsche Zeilen einer Liedermacherin vorangestellt: Ein Hoch auf die Freiheit / und das Unvollkommensein / Ein Hoch auf einfach mal nach draußen gehen /und erst später fragen wieso. Ja! »Einfach mal nach draußen gehen«, das heißt im Kontext dieses Buches ungefähr: Krieg ein Kind, nimm dir die Freiheit! Laß dir keine Angst einreden, laß dich nicht einspannen vom Gerede der Vielen! Aber im Untertitel des Buchs dräut bereits wieder Vereinbarkeitsgedöns: Muttersein und das E‑Wort in einem Päckchen.
Es muß wohl sein, schon allein marketingtechnisch. Dabei spricht Frau Schmelcher überhaupt nicht von Emanzipation, allenfalls von Feminismus. Dessen Protagonistinnen – heute oft staatlich bestallt – hätten eine bedeutsame Klientel verraten: die Mütter. Mütter würden heute als »größte Baustelle auf dem Arbeitsmarkt und in der Gleichstellungspolitik« angesehen. Mütter, da zeitweise nicht voll erwerbsfähig, gälten als defizitär, Mutterschaft als Makel, der schnellstmöglich ausgeglichen werden müsse.
Es sind meist weibliche Entscheider, die proklamieren, daß das »verschenkte Potential« (Jutta Allmendinger) rasch nach der Geburt wieder auf den Markt getragen werden müsse. Schmelchers Standpunkt ist ein liberaler. Sie plädiert für Entscheidungsfreiheit und stellt den Wunsch nach außerhäuslicher Tätigkeit nicht in Frage.
Was sie in neun Kapiteln beklagt, ist die systematische Abwertung der mütterlichen Erziehungsleistung. Nicht in jedem einzelnen Punkt mag man ihr folgen (wie Eva Herman, die Schmelcher gleichwohl eine »dumpfe Traditionalistin« nennt, sieht sie das Mutterbild des Nationalsozialismus als Quelle elterlicher Kaltherzigkeit, was ein wenig so ist, als sähe man in Hermans Erfolgsbüchern den Extrakt der bundesrepublikanischen Erziehungsvorstellungen der Nullerjahre), aber doch in den allergrößten Teilen.
Eine Stärke des Buches ist es, daß die FAS-Autorin in einem nüchternen, auf schwesterliche »Wir Mütter«-Anrede und herzige Anekdoten verzichtenden Ton schreibt. Ihre Sätze sind kurz und äußerst prägnant, sie kennt sämtliche themenbezogenen Debatten, Bücher und politischen Winkelzüge. Ihre punktgenaue Nüchternheit und ihre Anklage der fehlenden weiblichen Solidarität, die von einer Anklagementalität unter Frauen (»Was? Du bist immer noch zu Hause?!«) flankiert werde, bedeutet nicht, daß Frau Schmelcher nicht auch leidenschaftlich vom Leder ziehen kann.
Nämlich gegen jene Arbeitsmarktfeministinnen, die massiv verunsichernde Botschaften unter Mütter bringen und Drohkulissen (»Krippe meiden heißt Bildung verhindern«) aufbauen. Unverbrämt geht die Autorin mit von der Leyen ins Gericht, mit Karrierepredigerinnen wie Liz Mohn und Maria Furtwängler, mit den »schmallippigen und kinderlosen Chefredakteurinnen« der taz, mit der Psycho-Koryphäe Lieselotte Ahnert (deren Buchtitel Wieviel Mutter braucht ein Kind? nur dann wissenschaftlich klänge, wenn man »Mutter« durch»Butter« ersetzte) und mit der Übermutter klassisch-moderner Feministinnen, Simone de Beauvoir, die auf der Höhe der stalinistischen Säuberungswellen die Verheißungen der russischen Revolution pries.
Frauen müßten zum Broterwerb gezwungen werden, bereits den Fötus sah sie als »zehrenden Parasiten«. Das 1919 erschienene ABC des Kommunismus tutete ja ins gleiche Horn: »Der Gesellschaft gehört auch das fundamentalste Recht der Kindererziehung. Von diesem Standpunkt aus müssen die Ansprüche der Eltern, durch die Hauserziehung in die Seele ihrer Kinder ihre eigene Beschränktheit zu legen, nicht nur abgelehnt, sondern auch ohne Erbarmen ausgelacht werden«.
Die heutige SPD sähe das übrigens ganz ähnlich. Das Umfeld von Mutter und Kind werde dort »familienpolitisches Idyll« genannt: gemeint als Schimpfwort. »In Wirklichkeit«, so Frau Schmelcher zum Mantra »Kinder, Kita & Karriere«, gebe es »nur Vereinbarungen zugunsten der einen und zu Lasten der anderen Seite. Der Rest ist Propaganda«.
Feindbild Mutterglück von Antje Schmelcher kann man hier bestellen.