Schmittiana. Neue Folge. Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts, Bd. II

Schmittiana. Neue Folge. Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts, Bd. II, hrsg. von der Carl-Schmitt-Gesellschaft, Berlin: Duncker & Humblot 2014. 316 S., 59.90 

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Die haupt- und neben­amt­li­chen Schmitt-Enthu­si­as­ten haben dies­mal einen Band der Schmit­tia­na vor­ge­legt, der sich durch zwei Schwer­punk­te aus­zeich­net. Zum einen geht es um die Vor­ge­schich­te der Köl­ner Antritts­vor­le­sung vom 20. Juni 1933 »Reich – Staat – Bund«, zum ande­ren um Schmitts Ver­hält­nis zu zeit­ge­nös­si­schen Phi­lo­so­phen, wie es sich in den Brief­wech­seln wider­spie­gelt. Dane­ben gibt es die übli­chen Brief­wech­sel mit Fach­kol­le­gen (u.a. mit Kurt Wol­zen­dorff und Wal­ter Jel­li­nek), die the­ma­tisch, wie immer bei Schmitt, den Rah­men der Rechts­wis­sen­schaft spren­gen (ohne in den vor­lie­gen­den Fäl­len beson­de­re Per­len zu offenbaren).

Das ist bei den Brief­wech­seln mit den Phi­lo­so­phen etwas anders, wenn­gleich es auch hier ein Pro­blem gibt. Kaum jemand scheint sei­nen Nach­laß so gehü­tet zu haben wie Schmitt, sodaß wir in vie­len Fäl­len nur Brie­fe an Schmitt vor­lie­gen haben und von sei­nen Brie­fen nichts oder nur Brief­ent­wür­fe (aus sei­nem Nach­laß) exis­tie­ren. Unter der Über­schrift »CS im Gespräch mit Phi­lo­so­phen« sind Kor­re­spon­den­zen mit habi­li­tier­ten Phi­lo­so­phen bis 1933 versammelt.

Inter­es­sant sind die Brie­fe von Edu­ard Spran­ger (bis 1932), der vom Her­aus­ge­ber der Brie­fe, Rein­hard Meh­ring, als »einer der ein­fluß­reichs­ten und bedeu­tends­ten Uni­ver­si­täts­phi­lo­so­phen der Zwi­schen­kriegs­zeit« bezeich­net wird. Spran­ger schätz­te die Schrif­ten Schmitts außer­or­dent­lich und bringt das in über­schweng­li­chem Maße zum Aus­druck. Die Bri­sanz der Bezie­hung bezieht sich auf die fol­gen­den Jah­re, in denen der mon­ar­chisch gesinn­te Spran­ger auf Distanz zum NS-Regime ging und 1945, von den Rus­sen als Rek­tor ein­ge­setzt, die Ber­li­ner Uni­ver­si­tät ent­na­zi­fi­zie­ren soll­te (damit auch Schmitt).

Nach­dem es vor­her immer »Lie­ber Herr Kol­le­ge« gehei­ßen hat­te, schreibt Spran­ger Schmitt am 27. Juni 1945 als »Sehr geehr­ter Herr Staats­rat!« an und damit als Rat eines Staa­tes, den es nicht mehr gab. Schmitt hat das Ver­hält­nis zu Spran­ger wohl auch des­halb noch beschäf­tigt und in sei­ner Schrift Ex Cap­ti­vi­ta­te Salus (1950) dar­über reflektiert.

Jeweils ein Brief an Alfred Baeum­ler und einer von Mar­tin Heid­eg­ger betref­fen Neben­säch­lich­kei­ten und haben trotz der zeit­wei­li­gen Über­schnei­dung im NS-Enga­ge­ment kei­ne Fort­set­zung gefun­den. Eine spä­ter ver­tief­te Kri­tik an der Freund-Feind-Gegen­über­stel­lung im Begriff des Poli­ti­schen fin­det sich in einem Brief von Leo Strauss (1932), der Schmitt vor­wirft, daß er das Rang­ver­hält­nis zwi­schen dem Poli­ti­schem und dem Staat miß­ach­te: ers­te­res sei zwar Bedin­gung, aber kein kon­sti­tu­ti­ves Prin­zip. Die Brief­wech­sel mit Eric Voe­gel­in und Joa­chim Rit­ter (des­sen Schü­ler alle eine gro­ße CS-Affi­ni­tät hat­ten und in des­sen Col­lo­qui­um Schmitt refe­rie­ren konn­te) sind umfang­rei­cher und fin­den vor allem in der Bun­des­re­pu­blik statt.

Der Vor­trag »Reich – Staat – Bund« ist vor allem des­halb inter­es­sant, weil Schmitt ihn im ers­ten Halb­jahr 1933 mehr­fach gehal­ten und immer wie­der über­ar­bei­tet hat. Das ers­te Mal hielt er ihn noch vor der Ernen­nung Hit­lers zum Reichs­kanz­ler. Schmitt hat ledig­lich die Fas­sung vom 20. Juni ver­öf­fent­licht, die er als die »end­gül­ti­ge« Fas­sung bezeich­ne­te, die durch sei­ne Erfah­run­gen bei der Mit­ar­beit am Reichs­statt­hal­ter­ge­setz bestimmt sei. Durch Zufall wur­de die Fas­sung vom 22. Febru­ar als typo­gra­phi­sche Mit­schrift auf­ge­fun­den und hier erst­mals abge­druckt. Der Titel lau­te­te damals noch »Bund, Staat und Reich« und zeigt, daß Schmitt inner­halb des hal­ben Jah­res Zutrau­en in die Zie­le der neu­en Füh­rung, die Schaf­fung ech­ter Staat­lich­keit des Rei­ches, gefaßt hatte.

Abschlie­ßend wer­den Noti­zen prä­sen­tiert, die sich Schmitt für die Geburts­tags­an­spra­chen zu sei­nem 60. und 65. Geburts­tag gemacht hat: »Die Ver­fol­ger grei­fen ins Lee­re; sie schie­ßen immer an eine Stel­le, an der ich längst nicht mehr bin …«. Gewid­met ist der Band Hans Geb­hardt (1925–2013), dem »Meis­ter der Gabels­ber­ger Ste­no­gra­phie«, ohne den es nicht gelun­gen wäre, die eben in die­ser Kurz­schrift ver­faß­ten Tage­bü­cher Schmitts zu ent­zif­fern. Denn offen­bar gibt es nie­man­den mehr, der die Gabels­ber­ger beherrscht. Damit dürf­te die wei­te­re Erkun­dung des Schmitt-Nach­las­ses deut­lich zeit­auf­wen­di­ger, wenn nicht teil­wei­se unmög­lich werden.

Schmit­tia­na. Neue Fol­ge. Bei­trä­ge zu Leben und Werk Carl Schmitts, Bd. II her­aus­ge­ge­ben von der Carl-Schmitt-Gesell­schaft kann man hier bestel­len.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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