Die haupt- und nebenamtlichen Schmitt-Enthusiasten haben diesmal einen Band der Schmittiana vorgelegt, der sich durch zwei Schwerpunkte auszeichnet. Zum einen geht es um die Vorgeschichte der Kölner Antrittsvorlesung vom 20. Juni 1933 »Reich – Staat – Bund«, zum anderen um Schmitts Verhältnis zu zeitgenössischen Philosophen, wie es sich in den Briefwechseln widerspiegelt. Daneben gibt es die üblichen Briefwechsel mit Fachkollegen (u.a. mit Kurt Wolzendorff und Walter Jellinek), die thematisch, wie immer bei Schmitt, den Rahmen der Rechtswissenschaft sprengen (ohne in den vorliegenden Fällen besondere Perlen zu offenbaren).
Das ist bei den Briefwechseln mit den Philosophen etwas anders, wenngleich es auch hier ein Problem gibt. Kaum jemand scheint seinen Nachlaß so gehütet zu haben wie Schmitt, sodaß wir in vielen Fällen nur Briefe an Schmitt vorliegen haben und von seinen Briefen nichts oder nur Briefentwürfe (aus seinem Nachlaß) existieren. Unter der Überschrift »CS im Gespräch mit Philosophen« sind Korrespondenzen mit habilitierten Philosophen bis 1933 versammelt.
Interessant sind die Briefe von Eduard Spranger (bis 1932), der vom Herausgeber der Briefe, Reinhard Mehring, als »einer der einflußreichsten und bedeutendsten Universitätsphilosophen der Zwischenkriegszeit« bezeichnet wird. Spranger schätzte die Schriften Schmitts außerordentlich und bringt das in überschwenglichem Maße zum Ausdruck. Die Brisanz der Beziehung bezieht sich auf die folgenden Jahre, in denen der monarchisch gesinnte Spranger auf Distanz zum NS-Regime ging und 1945, von den Russen als Rektor eingesetzt, die Berliner Universität entnazifizieren sollte (damit auch Schmitt).
Nachdem es vorher immer »Lieber Herr Kollege« geheißen hatte, schreibt Spranger Schmitt am 27. Juni 1945 als »Sehr geehrter Herr Staatsrat!« an und damit als Rat eines Staates, den es nicht mehr gab. Schmitt hat das Verhältnis zu Spranger wohl auch deshalb noch beschäftigt und in seiner Schrift Ex Captivitate Salus (1950) darüber reflektiert.
Jeweils ein Brief an Alfred Baeumler und einer von Martin Heidegger betreffen Nebensächlichkeiten und haben trotz der zeitweiligen Überschneidung im NS-Engagement keine Fortsetzung gefunden. Eine später vertiefte Kritik an der Freund-Feind-Gegenüberstellung im Begriff des Politischen findet sich in einem Brief von Leo Strauss (1932), der Schmitt vorwirft, daß er das Rangverhältnis zwischen dem Politischem und dem Staat mißachte: ersteres sei zwar Bedingung, aber kein konstitutives Prinzip. Die Briefwechsel mit Eric Voegelin und Joachim Ritter (dessen Schüler alle eine große CS-Affinität hatten und in dessen Colloquium Schmitt referieren konnte) sind umfangreicher und finden vor allem in der Bundesrepublik statt.
Der Vortrag »Reich – Staat – Bund« ist vor allem deshalb interessant, weil Schmitt ihn im ersten Halbjahr 1933 mehrfach gehalten und immer wieder überarbeitet hat. Das erste Mal hielt er ihn noch vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Schmitt hat lediglich die Fassung vom 20. Juni veröffentlicht, die er als die »endgültige« Fassung bezeichnete, die durch seine Erfahrungen bei der Mitarbeit am Reichsstatthaltergesetz bestimmt sei. Durch Zufall wurde die Fassung vom 22. Februar als typographische Mitschrift aufgefunden und hier erstmals abgedruckt. Der Titel lautete damals noch »Bund, Staat und Reich« und zeigt, daß Schmitt innerhalb des halben Jahres Zutrauen in die Ziele der neuen Führung, die Schaffung echter Staatlichkeit des Reiches, gefaßt hatte.
Abschließend werden Notizen präsentiert, die sich Schmitt für die Geburtstagsansprachen zu seinem 60. und 65. Geburtstag gemacht hat: »Die Verfolger greifen ins Leere; sie schießen immer an eine Stelle, an der ich längst nicht mehr bin …«. Gewidmet ist der Band Hans Gebhardt (1925–2013), dem »Meister der Gabelsberger Stenographie«, ohne den es nicht gelungen wäre, die eben in dieser Kurzschrift verfaßten Tagebücher Schmitts zu entziffern. Denn offenbar gibt es niemanden mehr, der die Gabelsberger beherrscht. Damit dürfte die weitere Erkundung des Schmitt-Nachlasses deutlich zeitaufwendiger, wenn nicht teilweise unmöglich werden.
Schmittiana. Neue Folge. Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts, Bd. II herausgegeben von der Carl-Schmitt-Gesellschaft kann man hier bestellen.