Sie ersetzen den klassischen Kapitalisten aus der Karikatur, den Großindustriellen und praktischerweise auch die ungreifbaren internationalen Konzerne und Banken. Mittlerweile bilden sie die Zielscheibe schlechthin für farbige, weibliche und homosexuelle Aktivisten der „bunten“ Linken.
Bemerkenswert ist die Existenz von Männern, welche sich einer Bewegung, die Diskriminierung gegen das eigene Geschlecht mit Diskriminierung gegen die eigene Kultur und Hautfarbe effizient verbindet, mit großem Elan anschließen.
Es lohnt sich, einen Blick auf diese Mitläufer zu werfen. Seit einiger Zeit tritt hier ein Männertypus hervor, der, obwohl er nicht aus dem konservativen Lager stammt, a konto seiner penetrant milden Rhetorik der Gattung der „cucks“ zugerechnet werden kann. Er ist gewissermaßen dessen Steigerungsstufe.
Der „ally“ von linkspolitisierten Frauen und PoC duckt sich nicht beschämt oder vorsichtig zur Seite, wenn die Konversation auf politisch vermintes Gelände führt. Nein, der Quadratcuck (oder Cuck hoch zwei) ist ein geländegängiges Modell und auf diesem Terrain zu Hause, das er durch vollständige Anpassung bravourös meistert. Der Verbündete erweckt dabei den Eindruck tiefster Aufrichtigkeit, und muß die vermutlich auch empfinden, um die exorbitante Selbstverleugnungsleistung zu vollbringen, die sein Verbündetenstatus von ihm verlangt.
Ein Beispiel (auch schon von Lichtmesz in seiner Tour d’horizon angesprochen) bot neulich das Magazin der „Süddeutschen Zeitung“. Der Krimiautor und Kolumnist („Wie der Abwasch die Partnerschaft belastet“) Till Raether reitet eine Attacke gegen alte weiße Männer, denen er sich selbst zurechnet. Der Text ist wunderbar exemplarisch, weil er in nichts von den für dieses Thema mittlerweile obligatorischen Mustern abweicht.
Dreh- und Angelpunkt der Argumentation ist das verquere Konzept des weißen (und männlichen) Privilegs – und wie man dieses loswird oder abbüßt. Der ganze Diskurs entfaltet sich vor dem Hintergrund von etwas, was man schwer anders bezeichnen kann als eine Mystik des Privilegs. (Auf Twitter ruft der Hashtag #checkyourprivilege Bußfertige zur ständigen Selbstüberprüfung auf.).
Raether beschwert sich tatsächlich darüber, daß er in seiner Biographie keine Diskriminierung erlebt hat. „Nie hat damals jemand zu mir etwas Negatives gesagt oder mich schlecht behandelt, weil ich weiß und männlich war.“ Er ist mit diesem Schicksal nicht allein:
„Mir ist dabei erst kürzlich klargeworden, daß meine Sozialisation zum Feministen vor allem mit Privileg und damit mit meiner Privilegiertheit zu tun hat. Ich bin als weißer, heterosexueller cis-Mann, der in Deutschland lebt und arbeitet, Teil einer der privilegiertesten Gruppen von Menschen, die es weltweit gibt. Im Gegenteil: Ich bin mehr Teil der Ursache von Diskriminierung als Teil der Lösung. Vermutlich dauerte es aus diesem Grund auch erheblich länger, bis ich erkannte, daß ich das, was ich für richtig und wichtig halte, auch auszusprechen in der Lage war: Ich bin Feminist.“
Das Zitat stammt von einem männlichen Beiträger der Seite pinkstinks.de, deren Hauptanliegen der Kampf gegen sexistische Werbung ist, die aber mittlerweile die ganze Palette fashionabler feministischer und queerer Themen abdeckt. Und nur diese.
Mansplaining, manspreading und #MeQueer werden mit großer Empathie abgehandelt, Einlassungen zu Zwangsehen und Ehrenmorden oder zum Los von Homosexuellen etwa in Ghana sucht man vergebens. Wenn es der AfD „ernst wäre mit ihrer Forderung nach mehr Sicherheit für Deutschland“ dann müßte sie „konsequenterweise Obergrenzen für Männer fordern“. Chefredakteur ist wiederum ein Mann.
Die Mystik des Privilegs entfaltet sich in drei Schritten. Zunächst ist da die Vorstellung, daß jemand „Vorteile“ hat, die anderen demnach per definitionem abgehen; in einem auf radikale Egalität fixierten Umfeld können diese unterstellten Vorteile nur unrechtmäßig erworben sein, müssen sie auf Betrug, Gewalt, der Hautfarbe oder dem Patriarchat beruhen; und schließlich folgt daraus, die Notwendigkeit, sich von dem unrechten Gut des Privilegs zu befreien.
Über diese Vorteile und wie wir sie abgeben können, müssen wir reden. (Raether).
Das ist faszinierend, denn Politik ist ihrem Wesen nach Interessenvertretung. Hier stehen wir vor einem neuen Typus von (Symbol)politik, der durch das überzeugte Handeln gegen die eigenen Interessen gekennzeichnet ist, bislang allenfalls bekannt von Heiligen und Kamikaze-Fliegern. (Jedenfalls vordergründig dagegen, denn auch hier muss ein Interesse bedient werden, das allerdings definitiv nicht das der eigenen Ethnie ist.).
Das Abgeben von Privilegien besteht für den Weißen darin, auf die Macht der Sprache und seine eigene Erfahrung zu verzichten. Er soll sich in die Rolle des Zuhörers begeben, quasi des Schülers, der andächtig zu Füßen seines Lehrers sitzt oder des Stifters, der auf mittelalterlichen Altarbildern als winzige Figur vor seinem Heiligen oder der Madonna dargestellt ist:
… wie wäre es dann mit Zuhören? Damit habe ich als Mann in den letzten Jahren sehr gute Erfahrung gemacht. Denn obwohl es tatsächlich in erster Linie eine Frauen*bewegung ist, kann ich als Mann sie stärken, indem ich zuhöre und Platz mache, indem ich sensibel bin und mich nicht verhalte wie ein Platzhirsch. Das funktioniert!
Nahezu identisch ist der Topos des Lauschens bei #MeTwo, allenfalls wird mit noch etwas mehr Tremolo gemahnt.
Sich zurücknehmen, sich verkleinern, sich zusammenziehen, schrumpfen, auf diese Forderungen läuft die Kampagne gegen weiße Männer hinaus. Körperliche und sprachliche Raumnahme werden dabei gleichermaßen stigmatisiert. Die Angriffe auf „Manspreading“ und „Mansplaining“ zielen parallel auf die Verminderung physischer und sprachlicher Präsenz von Männern in der Öffentlichkeit und im Privaten – verändert werden soll die männliche Selbstwahrnehmung und darüber der Charakter männlicher Anwesenheit.
Sollte dieses Umerziehungsprogramm auf breiterer Front greifen, würde es einen echten Kulturwandel zu einer entmännlichten Gesellschaft darstellen.
quarz
"Jedenfalls vordergründig dagegen, denn auch hier muss ein Interesse bedient werden, das allerdings definitiv nicht das der eigenen Ethnie ist."
Diese Unterstellung setzt die intakte Funktionalität der Akteure voraus. Man bedenke aber die Möglichkeit pathologischer Dysfunktionalität.