Wegen dem Europa Nostra Festival in Dresden war ich von Samstag auf Sonntag rund 34 Stunden am Stück wach gewesen, schlief den Montag durch, wachte am Dienstag auf und sah auf die Nachrichten: Der rechte Mob tobt durch Chemnitz und John McCain ist tot! Kann mich mal einer kneifen?
Wieder ernsthaft: Die beiden Ereignisse haben mehr gemeinsam, als die zeitliche Nähe. Aus ihnen spricht eine neue Härte in Umgang und Ton.
McCains Tod wurde von seinen politischen Gegnern gefeiert! Keine Sorge, die linke Presse überschlug sich auf beiden Seiten des Atlantiks mit Lobliedern und Totenklagen (für die Bundesrepublik wird Wolfgang Schäuble zum Begräbnis reisen). Aber jeder, der an der Globalstrategie des „invade the world, invite the world“ auch nur das Geringste auszusetzen hatte, ließ die Korken knallen. Jared Taylor hat sich noch um Anstand bemüht.
Die meisten anderen weniger:
https://twitter.com/MikeEPeinovich/status/1033532059745230850
Das Gejohle über das Ableben des verhaßten Mannes kommt auch keineswegs überraschend. Schon seine Krebserkrankung wurde nicht nur Rechtsaußen begrüßt. Das Sterben Senator John McCains wurde zu einem öffentlichen Drama, in dem die Linien zwischen Freund und Feind einer neuen politischen Konstellation durch Tabubrüche abgesteckt wurden.
Anfang Mai diesen Jahres schloß der Nevertrumper McCain den amtierenden Präsidenten von seinem Begräbnis aus. Kurz darauf verweigerte Trumps Weißes Haus offizielle eine Entschuldigung für die Bemerkung einer Angestellten, McCain sei irrelevant, da sowieso bald tot.
Nach McCains Tod und der Veröffentlichung eines Abschiedsbriefes, der einen einzigen Angriff auf Donald Trump darstellt (vom Spiegel selbstverständlich übersetzt und veröffentlicht), strich letzterer den bereits vorbereiteten Nachruf und ließ die Flagge über dem Weißen Haus keine Sekunde länger als notwendig auf Halbmast wehen.
My deepest sympathies and respect go out to the family of Senator John McCain. Our hearts and prayers are with you!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) August 26, 2018
(Und da sage mal jemand, Trumps Twitter mangle es an Subtilität.)
Für die Nachwelt: John McCain war ein ganz außergewöhnlicher Drecksack. Aber daß die Totenwürde so mit Füßen getreten wird, ist neu. Als Präzedenzfall könnte man allenfalls den Jubel der britischen Linken über den Tod Margaret Thatchers anführen. Aber auf der Rechten ist das neu. Man kann diesen Verlust an Benimm beklagen, aber die neuen Verhältnisse sind zunächst einmal festzustellen.
Ginge es nur um überbordende Leidenschaft angesichts existentieller politischer Streitfragen, selbst dann ließe sich das nicht abtun. Doch der Jubel über John McCains Tod entspringt zu einem guten Teil der Erkenntnis, daß sich Anstand nicht mehr lohnt.
„Anstand muß sich wieder lohnen!“, das klingt wie etwas, daß sich die WerteUnion ausgedacht haben könnte.
Nein, es geht um etwas anderes, als verlotterte Sitten. Auf der politischen Rechten setzt sich die Erkenntnis durch, daß nicht nur der Knigge, sondern allgemeiner die Angewohnheit auch im Feind den Menschen zu achten, zu einer Falle geworden ist.
Das bisherige konservative Spiel ging immer wie folgt: Wenn es ihrer Agenda nützt, fordert die Linke selektiv Mitgefühl, Respekt, Rücksicht, was immer ein anständiger Mensch eben für selbstverständlich hält. Selbstverständlich erwidert die Linke diese Höflichkeit nicht. Doch will man Gleiches mit Gleichem vergelten, kommen sofort die konservativen Benimmonkel daher, denen die Form des Betragens ein Gut an sich ist. Gleichgültig, ob man damit gewinnt oder verliert und vor allem gleichgültig, ob sich die Gegenseite auch daran hält.
Weil der Konservative im Herzen feige ist und sein Anstandsempfinden instinktiv an den Machtverhältnissen ausrichtet, wird er sogar den linken Tabubruch weit weniger schwer empfinden als den rechten.
Diese alles lähmende Geistesverwirrung bröckelt langsam ab. In den Staaten kann man das bereits auf höchster Ebene beobachten: Im Juni diesen Jahres saß Trumps ehemaliger Wahlkampfleiter Corey Lewandowski in einer Talkshow. Gesprochen wurde über die Trennung der Kinder illegaler Einwanderer von ihren Eltern, wenn letztere ins Gefängnis wandern. Die Presse hatte daraus eine Menschenrechtsverletzung von historisch einmaliger Grausamkeit gemacht.
Als ein anderer Talkshowgast von einem Mädchen mit Downsyndrom erzählte, das so von seiner Mutter getrennt wurde, antworte Lewandowski mit „Womp Womp“.
Keine Entschuldigung, keine Erklärung daß man ja liebend gerne allen helfen würde, aber die Linken völlig unverantwortlich wären, wenn sie tatsächlich alle einladen … nein: Womp Womp.
Du tischst mir irgendein Rührstück auf, Womp Womp. Ich weiß nämlich genau, daß du dich einen feuchten Dreck um die Folgen deiner Politik scherst. Tausend Opfer importierter Bandenkriminalität scheren dich nicht den Dreck unter dem Fingernagel. Also: Womp Womp.
Dieselbe Einstellung treibt alle, die John McCain ins Grab hinterherspucken. Warum sollten sie auch Respekt heucheln vor dem Tod eines Mannes, der in ihnen Zeitlebens nur Müll sah und dessen Ableben noch eine einzige Propagandakampagne gegen ihre bloße Existenz war?
Auch in Deutschland nähern wir uns diesem Punkt, an dem ein großer Teil der „Menschen da draußen im Lande“ sich einfach nicht mehr darum schert, welche Ansprüche die Medienberichte oder die Mahnworte verräterischer Parteibonzen noch an sie richten.
Politische Organisatoren, Anmelder von Demonstrationen, Politiker der AfD etc. werden deshalb noch oft genug auf glühenden Kohlen sitzen. Polarisierung und Politisierung der Gesellschaft bedeutet Instabilität, und es wird immer wieder Szenen geben, bei denen man den Kopf gegen die Wand hämmern will.
Dennoch überwiegen die Vorteile ganz eindeutig die Nachteile. Denn der Zerfall der, sowieso vom Feind manipulierten, Benimmregeln gibt unserem Öffentlichkeitsauftritt bereits jetzt dringend benötigte Robustheit gegenüber Pannen.
Womit wir wieder auf Chemnitz zurückkommen. Der Zusammenhalt und die Solidarität aus verschiedensten Teilen des rechten Spektrums, daß wir trotz einiger hitlergrüßender Idioten so einig sind, gehört zum Ermutigensten seit langem.
Noch vor zwei Jahren hätte alles, was Rechts ist, über nichts anderes geredet, als darüber, wie sehr man diese Deppen verurteilt und daß man gar nichts mit denen zu tun hat etc. etc. ad infinitum. Unsere Sache wäre darunter untergegangen. Heute ist es immer mehr Leuten einfach egal und daß wir nicht mehr durch diese Reifen springen ist ein großer Schritt vorwärts, der für unsere Massentauglichkeit unbedingt erforderlich ist.
Denn der betrunkene Trottel mit Hitlergruß wird immer dabei sein. Aus einer Kaderorganisation von einigen hundert Leuten kann man ihn fernhalten, aber nicht von einer spontanen Kundgebung von einigen tausend. Doch selbst ohne ihn wird es immer wieder häßliche Szenen geben. Dagegen hilft keine Prävention, sondern nur Resilienz, denn das eigentliche Ausmaß dieser häßlichen Szenen ist für das mediale Echo vollkommen gleichgültig.
Irgendetwas finden die immer, daß sie aufbauschen können. Zur Not nehmen die auch die Gewalt der Antifa. Wir müssen das überstehen können. Wir müssen und werden an den Punkt kommen, an dem sich keiner mehr deswegen ins Bockshorn jagen läßt.
Dies geschieht nur durch Verhärtung und Verbitterung, ein gutes Stück Scheißegal-Haltung. Dann erst wird die Hauptwaffe von Multikulti, die eingeimpften Reaktionen des Wie-Kannst-Du-Nur stumpf. Deshalb haben seine Anhänger solche Angst. Sie beginnen zu merken, daß wir mit dieser Verrohung vielleicht nicht leben wollen, sie aber damit nicht leben können.
Die Verhärtung der Öffentlichkeit ist nicht schön. Aber sie ist notwendig und sowieso nicht zu vermeiden. Das sind die Folgen, wenn einer ganzen Kultur, einer ganzen Rasse das Existenzrecht abgesprochen wird. Zurück geht es sowieso nicht mehr.
Das wurde so bestellt, das wird jetzt so gegessen:
Durendal
"Auf der politischen Rechten setzt sich die Erkenntnis durch, daß […] die Angewohnheit auch im Feind den Menschen zu achten, zu einer Falle geworden ist."
Vielleicht denken die in diesem Satz beschriebenen Teile der Rechten ja noch einmal nach und verzichten auf den als Erkenntnisgewinn dargestellten Austritt aus der abendländischen Kultur.