Aus dem Lautsprecher auf dem Demonstrationswagen kam von irgendjemandem die Ansage, daß der Rechtsstaat kapituliert habe und die Versammlung aufgelöst sei. Danach wurde wie ein lästiger letzter Tagesordnungspunkt noch die Nationalhymne abgesungen, bevor sich die zuvor noch an der Spitze stehenden Parteioberen durch eine Rettungsgasse schnellen Schrittes als erste entfernt haben.
Ich stand mitten in der Menge und mußte Beschimpfungen meiner Partei anhören, die ich hier besser nicht wiedergebe. Fakt ist: Die polizeiliche Anweisung war Willkür. Nichts hat den Abbruch der Veranstaltung gerechtfertigt. Es waren genug Polizeikräfte und genug schweres Gerät in der Stadt, um unser Demonstrationsrecht durchzusetzen und den neulinken Staatsfeinden Manieren beizubringen.
Wenn nun aber die Herrschaft des Unrechts nicht mehr gegen die Rechtsbrecher vorgeht, müssen wir sie zwingen, gegen die rechtstreuen Bürger vorzugehen, damit sie sich so zur Kenntlichkeit entstellt und für jedermann sichtbar wird. Die Herrschaft des Unrechts geht im Schein der Rechtsstaatlichkeit einher; unsere Aufgabe ist, ihr die Maske vom Gesichts zu reißen. Eine Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt, aber im Angesichts des Unrechts keine Alternative mehr zu bieten und sogar nichts Besseres zu tun hat, als das Unrecht eilfertig zu befolgen, gefährdet ihre Substanz.
Die kleine Ordnung verletzen, um die große Ordnung zu erhalten, so hat es Götz Kubitschek einmal genannt. Ziviles Ungehorsam zeigen und Ordnungswidrigkeiten in Kauf nehmen, um die Auflösung unseres Staates zu verhindern. Ein Strahl aus dem Wasserwerfer bringt bei Temperaturen um die 18 Grad niemanden um. Wie viele 68er haben es nicht zu ihrer Zeit darauf angelegt, mittels unmittelbarem Zwang polizeilich entfernt zu werden, bevor sie dann problemlos in Amt und Würden gelangten? Es hätte viele gewaltlose Alternativen gegeben. Von einem Sitzstreik bis hin zur sofortigen Anmeldung dutzender Spontandemonstrationen wäre viel möglich gewesen. Alles, alles, nur nicht diese achselzuckende Kapitulation, die zu allem Überfluß in einer unschönen Anwandlung von Politikerunehrlichkeit sofort anderen in die Schuhe geschoben wurde. Der Rechtsstaat hat schon lange vor Chemnitz kapituliert. Das wurde in Chemnitz nur einmal mehr deutlich.
Die Strategie der Deutschlandabschaffer war klar: Der Zug mußte gestoppt werden. Die Protesthandlung durfte nicht vollzogen werden. Egal wie. Die Begründung mit der verstrichenen Demonstrationszeit ist kreativ. Ich habe bis gestern jedenfalls noch nie erlebt, daß eine Demonstration wegen „verstrichener Demonstrationszeit“ aufgelöst wurde. In Zukunft wird die Polizei unliebsame Demonstrationen so lange schikanieren, bis die Demonstrationszeit abgelaufen ist. Um das zu verhindern, müssen die Vorgänge vor Gericht und in den Landtag gebracht werden. Chemnitz darf kein Präzendenzfall werden. Das ist jetzt die Aufgabe der AfD-Sachsen: Schadensbegrenzung.
Das Ziel der Regierung war: Zu einem zweiten Dresden durfte es nicht kommen. In Chemnitz durfte sich nichts verfestigen. Am Beginn sollte kein Erfolg stehen, sondern eine Frustration. Und diese Strategie ist leider aufgegangen. Trotz Aufruf von AfD und Pegida waren weniger gekommen als bei der ersten großen Demonstration am Montag. Und schon kurz nach dem Stoppen des Zuges war ein gewisser Abfluß von Demonstranten bemerkbar, über den sich niemand wundern soll und der denen, die gegangen sind, nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.
Der Schweigemarsch war eine schöne Idee, läßt sich aber nicht verordnen. Wir haben lange genug den Mund gehalten und die Faust in der Tasche geballt. Das Dahinvegetieren dieser Republik bis zu jenem Jahr 2014, als Pegida und die AfD auf den Plan traten, war doch schon ein einziger Schweigemarsch. Die Bürger wollen nicht mehr den Mund halten und sie wollen sich nicht mehr aufhalten lassen.
Die Wut wächst, aber in Chemnitz wird sie sich so schnell nicht mehr entladen. Lernen wir unsere Lektion daraus!
Ulrike
DER HELD VON CHEMNITZ
Weil ich hierzu in der gesamten Berichtestattung noch nichts gehört habe, möchte ich einen Mann erwähnen, dem ich hier ausdrücklich meine Hochachtung aussprechen will. Er hat uns Demonstranten dazu verholfen, daß wir überhaupt noch den Tatort erreichten.
Die Veranstalter haben auf Befehl des Merkelstaates die Demonstration beendet und sogar noch die Hymne singen lassen. Die AfD-Leute sagten, wenn die Teilnehmer nicht zum Tatort durchkämen, sollten sie die Blumen einfach am AfD-Büro ablegen! Die AfD-Prominenz Höcke, Kalbitz u. a. verließ dann die Demonstration. Bei ihrem Rückzug wurden sie nicht nur beklatscht, sondern von der Menge auch ausgebuht und ihnen wurde hinterher gerufen: "Wir haben euch gewählt und jetzt verratet ihr uns!" Ab da stand die Menschenmasse ohne Führung ganz verlassen da. Die Mehrheit der Demo-Teilnehmer folgte dem Rückzugsbefehl und verließ den Ort. Zurück blieben jedoch viele unkoordinierte größere und kleinere Gruppen, die nicht bereit waren, sich von der Merkelpolizei drangsalieren und demütigen zu lassen.
In dieser Situation handelte ein Mann, der für mich der Held des Tages wurde. Er versuchte zunächst, den Leiter des Ordnungsamtes anzurufen, mit der Absicht, eine Spontandemo anzusagen. Der Leiter des Ordnungsamtes war aber nicht erreichbar. Dann erhielt der Mann aber einen Rückruf und es gelang ihm, in einem schier endlosen Telefonat die Behörde davon zu überzeugen, die Demo-Teilnehmer einzeln zum Tatort durchzulassen. Nach weiterer endloser Warterei, begleitet von Lügen des Polizeisprechers, die Demo sei illegal (Darauf kamen Rufe aus der Menge "Kein Mensch ist illegal!") zogen sich die Polizei-Büttel zurück und die Demonstranten, die noch ausgeharrt hatten, gelangten geschlossen zum Tatort. Dort waren nur Polizei und Presse in der Nähe, keinerlei Linke.
Meine Hochachtung vor diesem Mann. Er hat gegenüber den Behörden intelligent und durchdacht argumentiert,trotz der hitzigen Armophäre. Er hat auch am Tatort mit stimmungsvollen Worten das Gedenken an den ermordeten Daniel Hillig eingeleitet (dies ist auf einem Video von RT am Ende ganz leise zu hören). Er forderte die Demonstranten dazu auf, daß sie sich nie wieder nach Hause schicken lassen dürfen, sondern daß sie ihre Rechte wahrnehmen müssen.
Ich habe gestern das erste Mal unsere deutsche Nationalhymne nicht mitgesungen - das war der Moment, an dem die AfD die Veranstaltung beendet hatte. Im Angesicht der Feigheit vor dem Feind war das nicht möglich. Unsere Hymne haben wir dann in der Dunkelheit an dem Ort gesungen, an dem Daniel Hillig zu Tode kam.