Das bleiche Neonlicht schimmert gespentisch auf dem kahlrasierten Schädel, als Tenzin G. zu sprechen anhebt. Seine Worte wählt er vorsichtig und gewissenhaft wie ein Politiker; der Mann, der von seinen Jüngern mit einem Fantasietitel angesprochen wird, weiß genau was er sagen darf und was nicht. Der Zuschauerraum ist längst prall gefüllt, seit einigen Jahren wächst die Zahl derer, die sich von seinen Worte begeistern lassen. Seine Reden finden großen Anklang in dieser Zeit, und das obwohl, oder gerade, weil sie das gesellschaftliche Klima anheizen.
Ein paar Jahre ist es her, da fiel G., der selbst einen Fluchthintergrund hat, das erste Mal mit fremdenfeindlichen Äußerungen auf: “Zu viele” Flüchtlinge seien demnach nach Europa gekommen, das “kein arabisches Land werden solle”. Mit einem Lächeln fügte er damals hinzu: “Deutschland ist Deutschland” – eine Tautologie als ultimative Absage an die Komplexität der Welt.
Über die Menschen, die nach Europa flüchten, sagt er: “Das Ziel sollte sein, dass sie zurückkehren und beim Wiederaufbau ihrer eigenen Länder mithelfen” – wie das etwa bei syrischen Oppositionellen funktionieren soll, die bei einer Rückkehr in Assads Terrorregime Verfolgung, Folter und Giftgasangriffe befürchten müssen, lässt er offen. Lösungsansätze, das lernt man schnell aus den Interviews, die G. gibt, sind nicht seine Sache.
Dabei versteckt sich hinter dem Mysterium seines Lächelns eine knallharte Agenda. Was er über seine Anhänger sagt, lasst einem dabei das Blut in den Adern gefrieren: “Am Anfang werden sie emotional sein. Aber solange ich lebe, kann ich ihnen noch das Gehirn waschen. Mit Argumenten, nicht mit Unterdrückung, wie es die Kommunisten tun” – eine kalte Intelligenz, ein eisiges Lachen.
Kühl und berechnend auch sein Verhältnis zur Gewalt. Über bewaffnete Aufstände lässt er sich mit den Worten zitieren “Ich dachte, ein paar Bazookas bringen nicht viel”; als er gefragt wird, wann Gewalt legitim sei, rechnet er seinem Gesprächspartner stoisch vor, weshalb es in Ordnung ist, einen Menschen zu töten, um 499 zu retten.
Es sind Gedankengänge wie diese, die an diesem Tag Dutzende in die schwedische Stadt Malmö gelockt haben. G. spricht dort auf einem Kongress, im Publikum finden sich nur wenige Kritiker. Über allem liegt der noch frische Eindruck der erschreckenden Rekordwerte, die die islamfeindlichen Schwedendemokraten drei Tage zuvor bei der Parlamentswahl erreichten.
Überwältigend hingegen ist die Zahl der Unterstützer, die seinen rechtspopulistischen Thesen lauschen. Thesen, die stets so eingebettet in belanglose Nettigkeiten und große Symbolworte wie “Frieden”, “Liebe” und “Freiheit” aus den feinen Lippen des Vortragenden kommen, dass man die eingestreuten verbalen Enthemmungen kaum bemerkt.
Es bleibt auch heute dabei: Das Lächeln gewinnt. Und das obwohl mit jedem Satz deutlich wird, wie wenig sich die Positionen des Vortragenden, der als “Dalai Lama” das Cover der TIMES zierte und sogar den Friedensnobelpreis bekam, noch von denen der Salvinis, Straches, Orbans und Höckes dieser Welt unterscheiden: “Europa gehört den Europäern” – diese Worte sind es, die hängen bleiben nach seiner Rede. Das ist dann eigentlich auch nichts anderes mehr als “Deutschland den Deutschen.”
Lotta Vorbeck
Betrifft die Überschrift: "Sonntagsheld (76) – Der lachende Mann"
Absicht oder Zufall, die Wahl dieser Überschrift? - Mit "Der lachende Mann" ist eine aus dem Jahre 1966 stammende Produktion des DDR-Fernsehens betitelt.
Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=NB9gyyVrbxk