14. September 2018 – Ministerpräsident Kretschmar war im Rahmen üblicher Bürgerspräche in einer sächsischen Schule, höre ich. Ich vernehme es im Radio, und die Journalistin spricht mit hörbar hochgezogenen Augenbrauen.
Denn, was fragten ihn die Schüler so? Gar nichts mit rechts und links, mit Mob, Mord und Zivilcourage, sondern blöde Sachen wie: „War es eigentlich schon immer ihr Traum, mal Ministerpräsident zu werden?“
Die Jugend, die Jugend! Entweder verzogen oder vollends entpolitisiert! – denke ich mir. Mit was beschäftigen sich denn Jugendliche heute? Nur mit Computerspielen und Instagram-accounts?
Freitag nachmittag hole ich meine Kinder vom Internat ab. Eine hervorragende Schule. Hier leisten alle mehr als das Nötige, gewinnen Sprachwettbewerbe und Jugend-forscht-Preise. Soziales Engagement wird nicht nur auf dem Papier wertgeschätzt.
Ich frage: „Und, was sagt Ihr so zum Thema Sachsen? Was wird bei Euch darüber geredet? Tenor?“
„Sachsen? Wieso? Was?“ – Ich: „??! Kann doch nicht wahr sein! Daß Ihr nichts mitbekommen habt?!“
Kinder: „Nö. Hat niemand drüber geredet. Und W‑Lan war wie immer schwach. Was war denn da?“
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15. September 2018 – Meine allerliebste Freundin aus dem Brandenburgischen schickt mir eine nette Mail:
„(…) Und weil wir es doch neulich mit dem Kulturpessimismus hatten und dem Elend damit: Kopf hoch, Ellen, es gibt auch Heiteres:
Unsere neue Klassenlehrerin [Grundschule, E.K.], 24 Jahre und frisch von der Uni, ist ein echtes Blitzmädel modernen Zuschnitts. Klar ist sie im Kern gehirngewaschen wie alle. Wie sollte es anders sein. Aber doch frisch, straff und streng. Sie rügte sofort Eltern (alle mindestens eine Generation älter als das Fräulein), die zu Beginn der Klassenversammlung noch tuschelten.
Es gibt nun einen echten Strafenkatalog für „kindliches Fehlverhalten“, sehr schön. Ein Schüler hat bereits eine Rote Karte bekommen, und die beinhaltet eine echt ätzende Abschreibübung. Es war übrigens meiner lieber M., der sie erhalten hat. Eins seiner Vergehen, die Liste hing nämlich aus: “Hat gelacht, als eine Mitschülerin auf dem Pausenhof stürzte.” Gut, das das jetzt geahndet wird!
Dann wurde ein Infoblättchen mit Terminen ausgegeben, guck mal, hier: 08.02.2019: Ausgabe HJ-Zeugnisse. Im Anschluß Sportwettkampf, Motto: Gemeinsam sind wir stark!
Ich mußte grinsen, als ich es las. Natürlich fragte die Strenge gleich: “Frau L., sie amüsieren sich? Gibt es einen Fehler?” Soo süß!
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16. September 2018 – Seit längerem finde ich meine Reitkappe nicht. Oben ohne mach ich nicht. Leihen kann ich mir keine, das liegt an meinem Dickkopf. Wer hat schon Hutgröße 60? Drum reite ich mit Fahrradhelm aus, und mit was für einem! Ein Sperrmüllfund von annodazumal, womöglich ist es sogar ein alter Mofa-Helm, die Meinungen dazu gehen auseinander.
Normalweiser sieht mich ja keiner bis auf die Tiere in Wald und Flur. Heute wurde ich allerdings gesehen, aus einem Omnibus heraus, und die Bemerkungen wurden sogleich von einem Mitreisenden kolportiert. Junge eins: „Guck mal, die, auf’m Pferd. Total kraß. Wie das aussieht!“ – „Ach, die. Kubitschek. Halbcool, halb beknackt. Denen ist völlig egal, was man von denen denkt. Die wollen Hauptsache auffallen.“
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17. September 2018 – Apropops „Hauptsache auffallen“: Stimmt ja gar nicht! Beispielsweise: Grade hat unsere erste Tochter geheiratet. Im Vorgespräch mit der würdigen Standesbeamtin entschied sich das Brautpaar unter den zur Auswahl stehenden Begleitmusiken für: gar keine. Nein, kein Loving can hurt, kein Love ist the answer und auch kein I will always love you. Ein kleiner familiärer Chor werde singen.
Na gut, seufzte die Beamtin, aber leise Hintergrundmusik während der Zeremonie m ü s s e sein. – „Och nee, lieber nicht.“ –„Ganz ohne Musik?? Das ist ja abartig!“ (wörtlich!)
Also gut, kleinbeigegeben. Bloß nicht dauernd auffallen. Es liefen eine hochdramatische Version von Guns and Roses („November Rain“), Richard Claydermans „Por Adeline“ etc. Meine einzige Sorge galt jener Tochter, die zu wilden Lachanfällen neigt, derer sie selten Herr wird.
Nun, die konfektionierte Gefühlsmusik dudelte und wurde in den mit Bedacht gesetzten Nachdenkpausen etwas lauter. Ich sah die Gesichter der Töchter sich röten, sah es zucken in den Gesichtern – aber, puh, keine fiel aus der Rolle.
Ich lobte die heikle Tochter hernach, daß sie die Contenance wahren konnte. „Ja. aber schau, hier.“ Sie zeigte ihre Handfläche, darin eine Art Loch, tiefrot. Sie hatte sich eine Viertelstunde lang die Stimmgabel ins Fleisch gebohrt, „sonst wär‘s nicht gegangen.“ Bloß nicht auffallen!
H. M. Richter
Ach, wie gut doch diese Episoden tun in ansonsten recht ernsten Zeiten ...
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Viel Glück und viel Segen dem jungen Brautpaar zur Vermählung !
Zunächst hatte ich doch wirklich gedacht, es handele sich um jene - weitaus jüngere ... - Tochter, die erst kürzlich den Vater telephonisch befragte: „Hallo Papa. Eine sehr wichtige Frage. Was würdest Du sagen, wenn ich [...]?"
Aber auch wenn in Schnellroda die Uhren anders gehen als im Rest des Landes, so schnell gehen sie dann doch nicht. Nicht einmal dort ...