Sonntagsheld (77) – A day in the life

"Auge um Auge, Stein um Stein"

5:45 Uhr, irgend­wo im preu­ßi­schen Com­mon­wealth: Zu den sanf­ten Klän­gen des Hohen­fried­ber­gers erhebt sich unser Held aus dem schnee­wei­ßen Lin­nen, das für weni­ge Stun­den sei­nen drah­ti­gen Kör­per deck­te. Nach einer kur­zen kal­ten Dusche tritt er vor den aus­la­den­den Gründerzeitspiegel.

Mit weni­gen, rou­ti­nier­ten Zügen sind die stahl­far­be­nen Haa­re zu einer zuver­läs­si­gen Bürs­ten­fri­sur gerich­tet, ein schar­fer Rasie­rer befreit die mar­kan­ten Wan­gen­kno­chen von den düs­te­ren Stop­peln, sodass sie in einem nüch­ter­nen Beam­ten­grau erstrahlen.

Mit erns­ten Schrit­ten tritt er anschlie­ßend vor den geräu­mi­gen Klei­der­schrank, in dem rei­hen­wei­se makel­los gebü­gel­te Hem­den hän­gen. Als er die Woh­nung ver­lässt bleibt sein Blick kurz am Spie­gel der Flur­gar­de­ro­be hän­gen – „Die­se Welt braucht Dich“ flüs­tert unser Held und blickt sich dabei in die kla­ren Augen.

Wenig spä­ter betritt er – nach kur­zer Auto­fahrt in einem Die­sel­fahr­zeug –  sein Büro; auf dem ele­gan­ten Eichen­holz­schreib­tisch war­tet bereits die Post und das Mon­tags­brie­fing. Schwer lie­gen die buschi­gen Brau­en auf sei­ner Stirn als er die Nach­rich­ten des Tages liest – es steht schlimm um das Wohl der Nati­on, das wird ihm in die­sen Stun­den immer beson­ders bewusst. Mit düs­te­ren Gedan­ken sor­tiert er die Post:

Ver­trie­be­nen­ver­bän­de, eine Otto-von-Bis­marck-Gesell­schaft, ein Rund­schrei­ben der RWE AG an ihre Aktio­nä­re, aber­mals Ver­trie­be­nen­ver­bän­de, eine Reser­vis­ten­zei­tung, ein Jagd­ma­ga­zin; mit­ten­drin: Die Quar­tals­zah­len für den haus­ei­ge­nen Buch­ver­sand. Zufrie­den geht er die Tabel­len durch – der neue Sarazz­in läuft klas­se, es ist ja auch ein her­vor­ra­gen­des Buch. Gera­de will er den Bogen weg­le­gen, als er eine plötz­li­che Erschüt­te­rung der kon­ser­va­ti­ven Mit­te spürt: Zwi­schen einer Ade­nau­er-Bio­gra­phie und einem Buch gegen Gen­der­main­strea­ming sticht ein Reiz­wort aus den sau­be­ren Tabel­len hervor.

Der gro­ße Mund, aus dem unser Held nicht müde wird zu mah­nen, zieht sich säu­er­lich zusam­men, die star­ken Schul­tern, mit denen er sich stets schüt­zend vor das von allen Sei­ten ver­ächt­lich gemach­te Bür­ger­tum stell­te, span­nen sich an: Die Papie­re ver­zeich­nen her­vor­ra­gen­de Ver­kaufs­zah­len zu einem klei­nen Bänd­chen namens „Marx von rechts“ – Der Chef einer Wochen­zei­tung für Debat­te greift zum Tele­fon, der freie Markt wird sich die­ses Pro­blems annehmen.

Nach einem kur­zen Gespräch ist das Ärger­nis ent­fernt – kryp­to­kom­mu­nis­ti­sche Lite­ra­tur, die zur pro­duk­ti­ven Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Mas­sen­mör­der Karl Marx auf­ruft, wird es in sei­nem Buch­dienst nicht geben. Zu jung die Frei­heit, um sie den raff­gie­ri­gen Hän­den der Ent­eig­ner zum Fraß vor­zu­wer­fen. Die­ses Buch, da ist er sicher, es ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die von der ent­grenz­ten Markt­wirt­schaft profitieren.

An die­sem Tag wird unser Held bis in die Abend­stun­den im Büro blei­ben, er grü­belt an einem erns­ten Pro­blem: Wie kann er eine VS-Beob­ach­tung der AfD ver­hin­dern? Nach lan­gem Über­le­gen, ana­ly­ti­schem Abwä­gen, eini­gen Anru­fen bei alten Weg­ge­fähr­ten und einer Tas­se Kaf­fee kommt ihm end­lich der ret­ten­de Ein­fall, die Lösung ist kom­plex: Die Par­tei muss sich von denen, die eine grund­sätz­li­che Ver­än­de­rung wol­len, lösen und end­lich wie­der zu einer Par­tei des gesun­den Men­schen­ver­stands werden!

Wenn sie sich nicht von den Sozi­al­ro­man­ti­kern und Popu­lis­ten trennt, wird sie sich sonst in den Augen der kon­ser­va­tiv-bür­ger­li­chen Wäh­ler­schaft end­gül­tig des­avou­ie­ren. Das hat­te er bereits zu Lucke-Zei­ten pro­phe­zeit, die aktu­el­len Umfra­ge­er­geb­nis­se geben ihm Recht.

Als er zu spä­ter Stun­de auf die ver­reg­ne­ten Stra­ßen der Haupt­stadt tritt, frös­telt er – es ist Herbst gewor­den in der Repu­blik, die er so liebt. Mit klam­men Fin­gern schlägt er sei­nen Kra­gen hoch und geht mit raschen Schrit­ten in Rich­tung Auto – in den Pfüt­zen spie­gelt sich sein Man­tel, der wie ein Cape im Wind flattert.

An der Haus­tür ver­ab­schie­den wir uns von unse­rem Hel­den. Er wird nicht mehr lan­ge wach blei­ben, viel­leicht ein Glas Wein trin­ken, noch ein biss­chen im Grund­ge­setz schmö­kern und sich dann zur Ruhe bege­ben in dem Wis­sen, wie­der ein­mal die Welt vor den Fein­den der Frei­heit geret­tet zu haben.

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Kommentare (18)

Der_Juergen

23. September 2018 21:19

Einer der bisher besten Beiträge von Till-Lucas Wessels.

Ich habe diesen "Stein" stets für einen Bremser gehalten, der alles tut, um das Hochkommen einer authentisch patriotisch-sozialen Rechten zu verhindern. Zum Buch "Marx von rechts" kann ich mich vorderhand nicht äussern, da ich es noch nicht gelesen habe, doch warum sollte ein Rechter bei Marx (oder bei Gramsci, oder bei sonstigen linken Ikonen) nichts Positives und heute noch Brauchbares entdecken dürfen? Solche dogmatischen Denkverbote haben in der freien Debatte, für die wir uns einsetzen, nichts verloren.

Vor ein paar Tagen las ich im Netz einen Beitrag über Finnlands Umgang mit den "Rechtspopulisten", der Partei "Wahre Finnen". Die Regierung in Helsinki hat das Problem gelöst, indem sie diese Partei an der Regierungsverantwortung beteiligte, unter der Bedingung, dass sie von "radikalen" Forderungen abrückte. Als Reaktion darauf verliessen die "Radikalen" die Partei. Somit sind die "wahren Finnen" als authentisch nationale Oppositionspartei ausgeschaltet.

Nach diesem Muster werden die intelligenteren Vertreter des deutschen Regimes auch mit der AFD umgehen wollen: Da man die Partei nicht zum Verschwinden bringen kann, wird man versuchen, sie in das antideutsche Kartell einzubetten, nachdem man sie gezwungen hat, sich von nicht korrumpierbaren Idealisten wie Björn Höcke zu trennen. Gelingt dieser Plan, ist die AFD keine Alternative für Deutschland mehr und kann bestenfalls ein paar kosmetische Korrekturen an der Politik der Deutschlandvernichter bewirken.

Auf die Unterstützung charakterlose Opportunisten wie Dieter Stein wird das Regime bei solchen Bestrebungen zählen können. Wir werden sehen, ob sich die AFD-Spitze umgarnen lassen wird.

Der Feinsinnige

23. September 2018 21:20

Die Idee, Karl Marx von rechts bzw. von konservativer Seite zu lesen, ist nicht so ganz neu.

Meiner sicheren Erinnerung nach habe ich vor Jahrzehnten bereits von Konrad Adam (wohl noch in der FAZ) gelesen, daß Marx in seiner Geschichtsanalyse in weiten Teilen richtig gelegen habe, nicht jedoch in seinen Schlußfolgerungen, ein Gedanke, der mich damals sehr nachdenklich gemacht hat, gerade weil er von einem dezidiert konservativen Publizisten kam und ich bis heute eine (mir als Wessi durchaus anerzogene) Hemmschwelle gegenüber Karl Marx bewahrt habe.

Auch Günter Rohrmoser hat sich ausführlich mit Karl Marx auseinandergesetzt, z.B. im Buch „Der Ernstfall“ (1994). Rohrmoser schreibt unter anderem, daß es Marx um „die wahre Wissenschaft von der Geschichte“ gegangen sei und daß Marx angenommen habe, „das Rätsel der Geschichte“ gelöst zu haben. (S. 34), dagegen nicht etwa ein Modell einer sozialistischen Gesellschaft entwickelt zu haben (S. 42). Die „Idee des Sozialismus“ (im Unterschied zu der von ihm beabsichtigten Wissenschaft) habe er als „utopischen Sozialismus“ abgelehnt (S. 34).

Schon angesichts der beiden genannten Autoren halte ich die Idee, die Marx´sche Philosophie nunmehr auch von „neu rechts“ zu betrachten, für völlig unspektakulär, jedoch für durchaus spannend. Nachdem nun ausgerechnet die JF das Buch „Marx von rechts“ aus ihrem Angebot gestrichen hat, beginne ich, mich ernstlich dafür zu interessieren.

Gustav Grambauer

23. September 2018 21:32

"Nach langem Überlegen, analytischem Abwägen, einigen Anrufen bei alten Weggefährten und einer Tasse Kaffee ..."

Es ist nicht einfach eine "Tasse" sondern eine im Showroom des Flagship Store der KPM in Auftrag gegebene Prätiose mit den an "FR" (für Fridericus Rex) stilistisch angelehnten Initialen des Helden, die auf der Vorderseite die Glaskuppel des Bundestages im Reichstagsgebäude mit Quadriga und auf der Rückseite ein ebenfalls handlasiertes ovales Abbild des Antlitzes des Helden zieren, und deren satt-doublégeränderte Untertasse mit dem Motto der Garnisonenkirche geschmückt ist: "Üb immer Treu und Redlichkeit!", angemessen in Fraktur und von Lorbeer mit Quasten umkränzt, in einem raffinierten und künstlerisch anspruchsvollen Crossover von Klassizismus III, Gründerzeit II und Postmoderne. Außenstehende, zumal Anhaltiner, können niemals die identitätsstiftende und seelenstabilisierende Emotionalität des KPM-Porzellans, selbstverständlich 100 % Made in Germany und Premium-Segment, für die in der Republik - jawohl! - angekommenen Kulturträger des Preußentums ermessen, geschweige denn deren existentielles Durchleben all der wirtschaftlichen Höhen und Tiefen dieser Porzellanmanufaktur als Bastion des Konservatismus im rotgrün-versifften Berlin! Es ist für einen Preußen, der noch etwas auf sich hält, nicht nur eine Ehre sondern geradezu eine patriotische Pflicht, die Jacobs-Krönung aus Berlin-Neukölln, ja: sehr wohl Berlin-Neukölln!, aus einer standesgemäßen KPM-Tasse zu genießen, auch z. B. sonntags beim Picknick mit Gleichgesinnten in den Gärten der SPKB, wo man besonders wirklichkeitsnah über KPM-Porzellan fachsimpeln kann!

Haben die am Hohenzollerndamm eigentlich damals die Listung von "Wie der Stahl gehärtet wurde" mit dem Vorwort von Benedikt Kaiser bei Antaios zufällig mitbekommen? Wenn ja: irgendwie müssen die die Nachricht davon ja überlebt haben ...

- G. G.

Frieda Helbig

23. September 2018 21:46

Dafür, daß Herr Stein so brav ist, hat ihn nun Liane lieb. Na, wenn das nichts ist...

Mich verwundert vielmehr, daß er damit ja seinem Stammautor Benoist in den Rücken fällt, wenn er das Buch via Twitter als Armutszeugnis beschreibt...

Max Piccolomini

23. September 2018 23:00

Sarkasmus hatten wir bisher noch nicht in dieser Reihe, oder? Da werden wir also in Zukunft bei der Zählung der Sonntagshelden immer -1 hinzudenken müssen.

Lotta Vorbeck

23. September 2018 23:28

Es begann damit, daß er "eine neue deutsche Nation" zu erfinden müssen glaubte. - Mag Mamor und Eisen auch brechen, Stein mit seinem Wochenblatt für cuckservatives Opportunistentum bleibt sich treu!

Stil-Bluete

24. September 2018 12:19

'//Die Steine, ach, so schwer sie sind//, die Steine/.
Sie haben nicht Ruh bei Tag und Nacht
//sind stets auf Wanderschaft bedacht//
//die Steine//...'

Ganz schön kryptisch, 'Stein & Bein schwören'? Doch noch dahinter gekommen. Aber - hat der Stein Ellen Kositza nicht den 'Löwenthal-Preis' verliehen'?

Auch wenn es die geliebten Beatles sind, die 'A day in the life' geprägt haben: Müssen diese Zitate auf Englisch sein?

Der_Juergen

24. September 2018 12:55

@Stil-Bluete

Ich weiss nicht, ob Ellen Kositza heute noch einen Preis aus den Händen von Dieter Stein entgegennehmen würde, insbesondere einen Löwenthal-Preis. An Löwenthals ZDF-Magazin der siebziger Jahre erinnere ich mich noch gut. Damals war ich strammer Antikommunist und Franz-Josef-Strauss-Fan, und Löwenthals Sendung erschien mir als willkommene Alternative zu linken Programmen wie "Panorama".

Inzwischen habe ich dazugelernt. Natürlich liefen Sendungen wie das ZDF-Magazin darauf hinaus, den kalten Krieg und damit die Abhängigkeit der BRD von der amerikanischen Hegemonialmacht sowie die
Spaltung Deutschlands zu verewigen. Zugleich diente die antikommunistische Berieselung der herrschenden Schicht der BRD, die damals natürlich um Längen besser war als heute, als ideologische Rechtfertigung zur Zementierung ihrer Macht. Wem ständig unter die Nase gerieben wurde, wie schrecklich unfrei doch die Deutschen jenseits der Mauer waren, der geriet kaum in Versuchung, einmal der Frage nachzugehen, wie frei die politische Debatte eigentlich im Westen war. Dort wurde nämlich genau so manipuliert und gelogen wie im Osten, nur unendlich viel subtiler.

W. Wagner

24. September 2018 13:02

Muss das wirklich so weitergehen? Dieses Sticheln von der einen wie von der anderen Seite? Bei der JF sammeln sich jene, um Sezession die anderen, lassen wir es doch dabei - Überschneidungen gibt es sowieso. Es gibt wahrlich andere Aufgaben, als sich gegenseitig immer neu anzugehen.
Und zu „Marx von rechts“ muss man sagen, dass es einen hervorragenden Text zum Verständnis des Themas von Benedikt Kaiser gibt, dass aber der Text von Diego Fusaro, der in Italien eine wichtige Rolle zwischen rechts und links und selbst im Fernsehn spielt, so schlecht übersetzt wurde, dass er eigentlich unverständlich bleibt. Fusaro ist von Bedeutung, in der Buchladenkette Feltrinelli hat er unter den Philosophen sein eigenes Namensschildchen, auf YouTube findet man viel von ihm. Seine Bekanntmachung in „Marx von rechts“ ist zunächst für Deutschland leider misslungen.
Sticheleien verletzen, aber der Klügere nimmt die Kritik auf, wandelt sie um; Selbstkritik hilft dabei auch. Ansonsten bin ich auf Wessels erstes Buch gespannt ...

Benedikt Kaiser

24. September 2018 15:05

@Der Freisinnige:

Danke für Ihre Ergänzung. In meinem einleitenden (vielleicht ein wenig zu ausführlichen) Exkurs über konservative/rechte Marx-Rezeption in »Marx von rechts« habe ich einige – längst nicht alle – Auseinandersetzungen "unseres" Feldes mit Marx skizziert. Leider stieß ich erst nach der Niederschrift des Buchbeitrags auf das wunderbare Buch »Zur Tyrannei der Werte« von Eberhard Straub. Das hätte ich gerne noch berücksichtigt.

Old Linkerhand

24. September 2018 15:46

Vorbei sind die Zeiten als die Burgfrolleins noch mit ihrem Teddybär Dieter Stein spielten. Vorbei auch die Zeiten als die junge Junge Freiheit - noch in Potsdam sitzend - ihren kläglichen, aber treuen 2000 Abonnenten halbjährlich schriftlich dankte. Damals gab es die JF mit wenig Seiten und schwarz/weiß
( meistens kam sie Donnerstag in den Briefkasten, oftmals auch nicht... ), aber immer mit immenser geistiger Sprengkraft. Und nicht wenige Leser machten Doris Neujahr euphorische Heiratsanträge. Heute sitzt man am Eichentisch und betreibt Weltpolitik und wenn es zur Weltpolitik nicht reicht, gibt es immer noch Wirtschaft, Kernenergie, Westbindung und BRD- Strebertum.

Halenberg

24. September 2018 15:50

Was für ein Kinderkram.

@ Juergen: Die Patriotische Plattform beantragt Selbstauflösung, so kann man lesen.
Eine Nachricht, die man gerne hört.

Thomas Martini

24. September 2018 16:57

"Vorbei sind die Zeiten als die Burgfrolleins noch mit ihrem Teddybär Dieter Stein spielten. Vorbei auch die Zeiten als die junge Junge Freiheit - noch in Potsdam sitzend - ihren kläglichen, aber treuen 2000 Abonnenten halbjährlich schriftlich dankte."

"Was die AfD politisch anfassen möchte, faßt die JF als publizistisches Organ nun auf der anderen Seite an. Sie geht auf die AfD zu, das ist unbestreitbar so, sie entkleidet sich des Images, ein Szeneblatt zu sein. Sie kann mit dieser Szene nichts anfangen, sie macht sich nicht gemein mit dieser Szene. Geht nicht auf Messen und Zusammenkünfte dieser Szene, deren Mutterschiff sie eigentlich ist. Sie hat kein Interesse, sich mit Verlagen zu treffen, die das jetzt nicht so machen wie die JF. Und so weiter, und so fort. Es ist soweit, daß die JF sagt, man verabschiedet sich von einem politischen Maximalziel und zielt jetzt auf ein Machbares. Man argumentiert nicht mehr fundamental, sondern realpolitisch. Und damit stellt sich die Frage, ob aus dieser Perspektive ein Sarrazin, eine AfD eine Ausweitung der Kampfzone sind - oder doch vor allem Kantenscheren, die bestimmen, was noch debattierbar ist und was nicht." (Götz Kubitschek, Tristesse Droite - Die Abende von Schnellroda, S. 127)

Man kann davon ausgehen, daß die AfD absolut kein Interesse daran hat, Marx von rechts zu begreifen. Die Verbindung JF und AfD sollte man in diesem Zusammenhang also nicht außer acht lassen.

Solution

24. September 2018 19:58

Die JF ist der "rechte" Flügel der Systempresse. Stein ist in einigen Punkten bereits ein politischer Gegner. Dennoch plädiere auch ich dafür, sich nicht zu verfeinden. Vielleicht sollte man sich einfach gegenseitig ignorieren. Über die laue JF kommt so mancher zu uns, der mehr sucht, als das, was Stein ihm bietet.

Das Buch "Marx von rechts" kann ich nach dessen Lektüre nur empfehlen. Ein Freund, dem ich ein Exemplar schenkte, sieht das auch so.

Ebenso empfehle ich die Originallektüre von Marx. Wie will man denn mitreden, wenn man seinen Gegner nicht genauestens studiert?

Bevor man sich ein Urteil bildet, muß man ergebnisoffen alle Argumente wägen. Wir sind den Linken gerade darin überlegen, daß wie beide Seiten lesen. Daß wir uns für die rechte entschieden haben, ist der Realität geschuldet. Daß die Linke uns nicht liest, ist ihr Problem, denn dadurch sind wir immer im Vorteil.

Nach der Lektüre des Buches wird wohl kaum jemand Marxist werden. Dennoch war er ein Denker, der eine enorme Wirkung bis heute hat und alleine schon als Übung für den Verstand nützlich ist.

Übrigens: Wo bleibt denn die Unterstützung der "Kapitalisten", der Reichen und Vermögenden für die Rechte? Sie rühren keinen Finger für uns. Sie sind die wahren Systemprofiteure und sehen uns als gefährliche Unruhestifter. Da, wo das Nationale und das Soziale zusammenkommen, wird es für die Systemprofiteure eng.

Simplicius Teutsch

24. September 2018 22:12

Eine unterhaltsame, amüsante Glosse für Insider des rechten Spektrums, aber ich stimme @W.Wagner zu: Wir (die Kommentatoren) sollten die Sticheleien nicht übertreiben. Dieter Stein will sein Flaggschiff JF von gefährlichen Klippen fern- und unter allen(!) Umständen über Wasser halten. Ich nehme an, er geht bei seinen Überlegungen davon aus, dass dem linken medial-politischen Regime, wenn seine Akteure es für notwendig halten, jede moralisch verwerfliche Sauerei recht ist, um ihre Übermacht zu erhalten.

Ja, Dieter Stein darf stolz auf seine bisherige Lebensleistung sein, wenngleich ich seine erhobenen Zeigefinger-Kommentare gar nicht so gern lese. Was dürfen wir von ihm erwarten? Was kann er schon viel erreichen, bei einer Reichweite von wöchentlich 30.000 gedruckten JF-Exemplaren, die dann doch immer wieder die gleichen, wenigen Leute lesen? Allerdings kommt noch JF-online mit seinen teils relativ aktuellen, das Realitätsgeschehen ergänzenden Berichten hinzu, und der JF-Bücherverlag.

Ich finde die JF eine hervorragende Wochenzeitung und wünsche ihr von ganzem Herzen die 100-fache Auflage, um eine starke Öffentlichkeit für rechte Themen herzustellen. Ich muss nicht jedem Autor und Artikel zustimmen können.

Und es ist ja nicht nur der Durchblicker Thorsten Hinz, der alleine das JF-Abo wert ist. Kürzlich stand auf Seite 2 – nur als ein Beispiel von sehr vielen - ein echt guter Artikel von KURT ZACH über die hinterfotzigen, mittlerweile aus der Verzweiflung geborenen Motive der etablierten Parteien, die Kandidaten, Mitglieder und Wähler der AfD einzuschüchtern und mit der Kriminalisierung durch den „Verfassungsschutz“ abzuschrecken. Nachzulesen im Internet: https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2018/verzweifelte-attacke/

Ich habe keinen Grund Herrn Kubitschek zu schmeicheln. Aber er hat eigentlich immer Recht. Solche einfachen Erkenntnisse sind es, die mich immer wieder automatisch auf seiner Seite stehen lassen: „Kurze Gedächtnisübung: Der Gegner befindet sich außerhalb der Partei. Außerhalb! AUSSERHALB!!“ - Von eingeschleusten U-Booten und Profilneurotikern natürlich abgesehen. Man denke nur an die Giftschlange Frauke Petri.

Andrenio

25. September 2018 08:17

Ich gebe zu: Als neulich soundsoviel Wochen JF zusammen mit Sarrazin für wenig Geld angeboten wurde, juckte der Finger an der Taste.
Ich gehörte zu den ersten Abonnenten, schon vor dem Umzug nach Berlin.

Dann aber ließ ich den Verrat Steins an seinen frühen Weggenossen Revue passieren, die Affaire um die Criticon-Nachfolge/Konservative Bibliothek, den unverschämten Wehl-Artikel u.v.a.m. und schon zog ich,den Finger weg vom Überweisungsknopf.

Dass Stein bei der AfD mehrmals in der falschen Schublade fingerte, das habe ich ihm herzlich gegönnt. Erst sich bei Lucke anbiedern, dann um Frauke herumschwänzeln...

Roi Henry

25. September 2018 15:42

Die SiN verkommt zu einer Postille. Man spricht über Menschen wie Stein. Wie billig ist das? Fontane und Raabe sind um Meilen besser. Ich bin entsetzt.

Das blaue Quadrat

25. September 2018 19:21

Wohlan denn. Beginnen wir mit dem wohlwollenden Ignorieren. Die Bezugsgebühr ist vermutlich als Spende bei 1 % ebenso gut aufgehoben, wenn nicht gar... Aus, wohlwollend haben wir gesagt!

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