Freiheit! – Vortrag zur Sommerakademie

Im Rahmen der Sommerakademie referierte Gábor Tallai, der stellvertretende Leiter der ungarischen Stiftung Terror Haza in Schnellroda.

Er trat damit einen im Mai ver­ein­bar­ten Gegen­be­such an, denn im Frühsom­mer hat­te Götz Kubit­schek in Buda­pest in der Stif­tung vor­ge­tra­gen, und zwar zum The­ma: »Deutsch­land – eine zer­ris­se­ne Nati­on.« Kubit­schek beschrieb in sei­ner Vor­re­de zu Tal­lais Refe­rat sei­nen Besuch in Buda­pest als Lehr­stun­de. Ihm sei in den Gesprächen mit Jour­na­lis­ten und Wis­sen­schaft­lern und auf den Gängen durch die Stadt klar­ge­wor­den, daß es sich beim »unga­ri­schen Weg« unter Orban zugleich um ein poli­ti­sches Mini­mum und Maxi­mum hand­le – für Deutsch­land eben­so not­wen­dig wie wohl bereits unerreichbar.

Gabor Tal­lai trug in Schnell­ro­da zum The­ma »Frei­heit« vor und bein­druck­te durch jenes lässi­ge Selbst­be­wußtse­in, das denen zuei­gen ist, die lan­ge gewar­tet und hart gear­bei­tet haben und nun wis­sen, daß ihre Zeit gekom­men ist. Er stell­te sei­ne Vor­trag ein Mot­to von Albert Camus vor­an: Ich glau­be an die Wahr­heit, doch mei­ne Mut­ter ist mir wich­ti­ger.

 

 

Text­fas­sung des Vor­trags von Gábor Tallai

 Frei­heit. An die­sem Wort, die­sem Begriff haf­tet für einen Ungarn und die Bür­ger Ost- und Mit­tel­eu­ro­pas ins­ge­samt nicht der kleins­te Hauch von Abs­trak­ti­on. Frei­heit ist für uns zum Bei­ßen, sie ist wie unser täg­lich‘ Brot. Als die kom­mu­nis­ti­sche Dik­ta­tur nach einem hal­ben Jahr­hun­dert end­lich zusam­men­brach, das sowje­ti­sche Reich wie durch einem Zau­ber sei­ne ersti­cken­den Kon­tu­ren ver­lor, war das in den Augen der Ost- und Mit­tel­eu­ro­pä­er ein lang­ersehn­ter, wun­der­vol­ler Moment der Rück­kehr – einer Rück­kehr zur Nor­ma­li­tät und in die nie ver­ges­se­ne Welt von Mög­lich­kei­ten, einer Rück­kehr zur wah­ren Selbst­be­stim­mung, sowie zur faß­ba­ren, per­sön­li­chen Ver­ant­wor­tung. Es war eine Rück­kehr in die Welt der Vor­vä­ter. Auch die Geschich­te selbst ist von den Völ­kern jen­seits des eins­ti­gen Eiser­nen Vor­han­ges nie als eine Abs­trak­ti­on wahr­ge­nom­men wor­den. Sie ist geblie­ben, was sie in Wirk­lich­keit immer war und sein wird: die Geschich­te der Ahnen, Eltern, Ver­wand­ten, Freun­de und Mit­glie­der der auf his­to­ri­schem Boden wach­sen­den kul­tu­rel­len und natio­na­len Gemeinschaft.

Spricht ein Poli­ti­ker oder His­to­ri­ker in War­schau oder in Buda­pest über den Ver­lust von Sou­ve­rä­ni­tät, die Beset­zun­gen des jewei­li­gen Lan­des durch Fremd­mäch­te, den Holo­caust, den Gulag, die Zwangs­ver­trei­bung, die Kol­lek­ti­vie­rung, die Ver­staat­li­chung des Pri­vat­ei­gen­tums, die auf men­schen­feind­li­chen Ideo­lo­gien basie­ren­de Ver­nich­tung, die Ver­fol­gung und Aus­gren­zung von Mit­bür­gern, das Schwin­den der Mei­nungs­frei­heit, den vehe­men­ten Haß gegen­über dem christ­li­chen Glau­ben und den von ihm ableit­ba­ren, aus ihm erwach­se­nen Wer­ten, also über die Zer­stö­rung des Indi­vi­du­ums par excel­lence, so ste­hen für die meis­ten von uns knall­har­te Schick­sa­le und Fami­li­en­ge­schich­ten dahin­ter. Das ertra­ge­ne Leid hat nichts Sub­ti­les, es ist so kon­kret, der­ma­ßen faß­bar, daß vie­le unse­rer Lands­leu­te auch heu­te noch mit den Trä­nen kämp­fen oder vor Wut die Fäus­te bal­len, wenn sie dar­an denken.

Genau­so müß­te es im Fal­le des wie­der­ver­ein­ten Deutsch­lands sein. Die­se Nati­on gehört näm­lich eben­falls zu den här­tes­ten Frei­heits­kämp­fern Euro­pas. Deut­sche anti­kom­mu­nis­ti­sche Hel­den waren es, die als ers­te im Som­mer 1953, kurz nach dem Tode Sta­lins, dem Sowjet­reich die Stirn boten. Sie for­der­ten freie Wah­len. 1.400 poli­ti­sche Gefan­ge­ne wur­den befreit. In 650 Orten kam es zu teils mas­si­ven Pro­tes­ten. Wer­den die Namen die­ser Män­ner und Frau­en samt ihrer Schick­sals­ge­schich­ten im Unter­richt behan­delt? Fünf­zig Frei­heits­kämp­fer wur­den ermor­det, 13.000 kamen ins Gefäng­nis, min­des­tens 1.600 von ihnen wur­den ver­ur­teilt. Wie vie­le Stra­ßen und Plät­ze sind heu­te nach ihnen benannt? Ich weiß, in Ber­lin gibt es die Stra­ße des 17. Junis, doch wie vie­le Stra­ßen und Plät­ze tra­gen die Namen anti­kom­mu­nis­ti­scher Hel­den in die Zukunft? Liest man auf der Home­page der Gedenk­stät­te Ber­lin-Hohen­schön­hau­sen die Lis­te inhaf­tier­ter und hin­ge­rich­te­ter DDR-Bür­ger samt Bio­gra­phien, dann bekommt man ein ähn­li­ches Bild, wie im Fal­le Ungarns. Neben den vie­len ursprüng­li­chen Anti­kom­mu­nis­ten sind in hoher Zahl auch ehe­ma­li­ge Befür­wor­ter und Kol­la­bo­ra­teu­re des Ter­ror-Regimes zu Frei­heits­kämp­fern gewor­den, ihre Schick­sals­ge­schich­ten sind der mas­si­ve Beweis für die unzer­stör­ba­ren ethi­schen Maxi­men unse­rer Kul­tur, für demo­kra­ti­sche Ent­schlos­sen­heit und für das ewi­ge Ver­lan­gen nach Gerech­tig­keit im orgi­nä­ren Sinne.

In Ungarn haben die Frei­heits­kämp­fer von 1956, die soge­nann­ten „Pes­t­er Jungs und Mädels“ ihren Platz im Pan­the­on der unga­ri­schen Geschich­te ein­ge­nom­men. Gut, es hat gedau­ert, aber vor etwa zwei Jah­ren war Ungarn voll mit Groß­pla­ka­ten mit jun­gen Gesich­tern und ihren Namen, alle­samt anti­kom­mu­nis­ti­sche Hel­den, die einst ihr Leben für unse­re Frei­heit gege­ben haben. Auch der bevor­ste­hen­de 30. Jah­res­tag der anti­kom­mu­nis­ti­schen Revo­lu­ti­on von 1989 und 1990 soll in Ungarn gebüh­rend gefei­ert wer­den, denn die Frei­heit ist auch damals nicht vom Him­mel gefal­len. Eben­so wie in Deutsch­land! Erin­nert man hier­zu­lan­de im Unter­richt an die unglaub­lich tap­fe­ren Bür­ger der Mon­tags­de­mons­tra­tio­nen vom Herbst 1989? Hun­dert­tau­sen­de nah­men an ihnen teil, es waren Deut­sche, die den ein­fa­chen Satz präg­ten: „Wir sind das Volk!”. Ich ken­ne kein schö­ne­res Glau­bens­be­kennt­nis für Frei­heit und Demo­kra­tie. Und doch nennt man die Gescheh­nis­se von 1989 in der Bun­des­re­pu­blik oft nur „Wen­de”, benutzt also einen abwer­ten­den, nichts­sa­gen­den Begriff, der in aller Eile von Egon Krenz, einem Erz­kom­mu­nis­ten, ein­ge­führt wor­den war. Hört man die­ses Wort als Ungar oder Pole, emp­fin­det man es als schänd­li­che Demü­ti­gung aller anti­kom­mu­nis­ti­schen Frei­heits­kämp­fer ein­schließ­lich ihrer Opfer. Daß die Kom­mu­nis­ten nichts mit 1989 und 1990 anfan­gen konn­ten, ist ver­ständ­lich, denn das Aus­ein­an­der­fal­len ihrer Uto­pie, die sich als Alp­traum ent­puppt hat­te, traf sie so hart wie ein böser Zau­ber. Bezeich­nen­der Wei­se hat­te aber auch ein beacht­li­cher Teil der west­deut­schen Eli­te enor­me men­ta­le Schwie­rig­kei­ten beim Deu­ten der Ereig­nis­se. Erin­nern Sie sich an Otto Schi­lys Ges­te, als er im März 1990 den unge­bro­che­nen Frei­heits­wil­len und die demo­kra­ti­sche Bestän­dig­keit einer gan­zen Nati­on mit dem Auf­zei­gen einer Bana­ne diffamierte?

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Mei­ne Damen und Herren!

 

Wie dem auch sei, die Vor­ge­schich­te der glor­rei­chen anti­kom­mu­nis­ti­schen Revo­lu­tio­nen in unse­rer Regi­on samt ihrer zahl­rei­chen Teil­neh­mer­lis­ten zeigt, daß trotz des erup­ti­ven Cha­rak­ters der Ereig­nis­se all das, was vor gut 30 Jah­ren geschah, nichts mit einem Zau­ber zu tun hat. Die Frei­heit wur­de erkämpft, der jahr­zehn­te­lan­ge Weg zu ihr beschenk­te uns mit Hel­den und Mär­ty­rern! Er gab uns Stär­ke, Selbst­be­wußt­sein und Ver­trau­en. Die Völ­ker Ost­eu­ro­pas klam­mer­ten sich näm­lich an ihr his­to­ri­sches Bewußt­sein, an ihre demo­kra­ti­schen, kul­tu­rel­len und natio­na­len Wer­te: es war das ein­zi­ge, was ihnen blieb, und es half ihnen, den soge­nann­ten inter­na­tio­na­len Sozia­lis­mus, also den Kom­mu­nis­mus, zu über­ste­hen. Jeder war und ist sich in unse­rer Regi­on Alex­an­der Sol­sche­ni­zyns Wahr­heit bewußt: „Die Nati­on ist ein Schatz der Menschheit”.

Spiel­te also die unga­ri­sche oder die deut­sche Natio­nal­elf, waren die Sta­di­en in den ’50-ern und ’60-ern, aber auch spä­ter voll! Es war näm­lich der ein­zi­ge Platz, an dem man unge­straft und aus vol­ler Keh­le „Hajrá magyarok!”, das heißt „Es leben die Ungarn!” oder „Deutsch­land vor, noch ein Tor!” rufen durf­te. Kei­ner der bei­den Anfeue­rungs­ru­fe bedeu­te­te, daß ande­re Natio­nen nicht leben sol­len, sie bedeu­te­ten ein­fach, daß wir, Ungarn, oder Sie, Deut­sche, zusam­men­ge­hö­ren, daß uns alle etwas ver­bin­det, daß wir ein­an­der ken­nen und ein­an­der mögen. Letzt­end­lich bedeu­te­ten sie, daß die Haß­leh­ren der tota­li­tä­ren Dik­ta­tu­ren und das aggres­si­ve Gebot der künst­li­chen Auf­spal­tung unse­rer Gesell­schaf­ten in sich ein­an­der ant­ago­nis­tisch gegen­über­ste­hen­den Klas­sen die his­to­risch-kul­tu­rel­le Iden­ti­täts­ge­mein­schaft der Natio­nen nicht zer­stö­ren kön­nen, und dass wir gera­de durch die­ses Gefühl der Zusam­men­ge­hö­rig­keit unse­re gesun­de Offen­heit gegen­über der Welt bewah­ren kön­nen. Was gesun­de Offen­heit ist, brach­te der Kaba­ret­tist Chris­ti­an Wall­ner auf den Punkt: „Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.” (Zitat Ende) Gut, ich muss zuge­ben, die Ungarn waren für den Sieg der deut­schen Natio­nal­elf 1954 in Bern nicht all­zu offen, aber wie wich­tig er für das Zurück­er­lan­gen deut­scher Iden­ti­tät und deut­schen Selbst­ver­trau­ens war, zeigt Rai­ner Wer­ner Fass­bin­ders Film, »Die Ehe der Maria Braun«. Die letz­te Sät­ze lau­ten: „Aus. Aus. Deutsch­land ist Welt­meis­ter, schlägt Ungarn mit 3:2 in Bern.”

All das, was also 1989 und 1990 geschah, war zwei­fel­los eine Rück­kehr, denn auch wenn West­eu­ro­pa sein his­to­ri­sches Gedächt­nis ver­lo­ren hat – bes­ser gesagt: den letz­ten Rest davon noch ver­lie­ren will, besit­zen vie­le Län­der Ost­eu­ro­pas eine lan­ge und tie­fe his­to­ri­sche und demo­kra­ti­sche Tra­di­ti­on, und in eini­gen Fäl­len, wie etwa in Ungarn und Deutsch­land, ist die­se weit­aus rei­cher und schwer­wie­gen­der als in eini­gen west­li­chen Staa­ten unse­res Kon­ti­nents. Und ja, Frei­heit ist bei unse­ren Völ­kern stets mit Sou­ve­rä­ni­tät ver­bun­den, mit natio­na­ler Unab­hän­gig­keit. So besitzt bei den von tota­li­tä­ren Dik­ta­tu­ren gequäl­ten mit­tel- und ost­eu­ro­päi­schen Staa­ten natio­na­le Iden­ti­tät einen abso­lut posi­ti­ven Klang! Sie bedeu­tet Frei­heit. Frei waren die Ungarn und auch die Deut­schen immer dann, wenn sie ohne Prä­senz frem­der Besat­zungs­mäch­te nach ihren Sit­ten, ihrem Glau­ben und ihren eige­nen Wer­ten leben konn­ten. Bei bei­den Län­dern han­delt es sich um Gesell­schaf­ten, die über ein jahr­tau­sen­de­al­tes sou­ve­rä­nes Iden­ti­täts­be­wusst­sein ver­fü­gen, und über eine his­to­risch-kul­tu­rel­le Erfah­rungs­ba­sis, die sogar noch etwas älter ist.

Alles, was ich Ihnen bis­lang vor­trug, ist für einen Ungarn, und soll­te für einen deut­schen Staats­bür­ger auch ohne Uni­ver­si­täts­ab­schluss, ein­ge­brann­tes Grund­wis­sen sein, was jedoch kei­nes­wegs bedeu­tet, dass es sich um abge­schmack­te, belang- und ein­fluss­lo­se Ste­reo­ty­pen han­deln wür­de. Um über mei­ne Hei­mat zu berich­ten: alle wesent­li­chen Namen, wel­che die Ungarn ihrer Zukunft wei­ter­ge­ben, sind in ers­ter Linie Figu­ren der natio­na­len Frei­heit. Haben Ungarn näm­lich etwas Her­aus­ra­gen­des, Emi­nen­tes aus ihrer Geschich­te gelernt, so kann es mit einem ein­zi­gen Satz for­mu­liert wer­den: Sind wir unab­hän­gig und frei, bestim­men wir selbst über unser Schick­sal, dann haben men­schen­feind­li­che Ideo­lo­gien und über­na­tio­na­le Macht­kämp­fe kei­ne Chan­ce, und die natür­li­chen Kon­flik­te des Zusam­men­seins über­schrei­ten nie die Gren­ze der unvoll­kom­me­nen, doch jeder­zeit lebens­wer­ten Normalität.

Die Tat­sa­che, dass sich unse­re Regi­on der Euro­päi­schen Uni­on ange­schlos­sen hat, und sogar offe­nen Her­zens anschlie­ßen woll­te, zeigt also die Ent­schlos­sen­heit, den guten Wil­len und die brü­der­li­che Zunei­gung die­ser Län­der. Denn hät­ten sie sich aus­schließ­lich durch ihre his­to­ri­schen Erfah­run­gen lei­ten las­sen, dann hät­ten sich der Bei­tritt und die mit ihm ver­bun­de­ne Auf­ga­be von Tei­len unse­rer Sou­ve­rä­ni­tät kei­nes­wegs als logisch erwie­sen. Es war näm­lich kei­ne auf Gleich­be­rech­ti­gung basie­ren­de Ver­ei­ni­gung Euro­pas! Die Eli­ten der älte­ren und wirt­schaft­lich stär­ke­ren Mit­glie­der­staa­ten hat­ten alle Bedin­gun­gen – einem Dik­tat gleich – im Vor­aus fest­ge­legt, die­se muss­ten strikt erfüllt wer­den, es gab kein Wenn und Aber, kein Ver­han­deln, kei­ne Eini­gung – was geschah, war viel­mehr einem merk­wür­di­gen Anschluß ähn­lich. Im Fal­le der mit­tel-euro­päi­schen Staa­ten sah es so aus: „Ihr dürft bei­tre­ten, erfüllt alle For­de­run­gen, öff­net eure Märk­te, macht den Weg für unse­re Fir­men frei und im Gegen­zug las­sen wir eure Bür­ger erst ein­mal auf den frei­en Fluss von Arbeits­kräf­ten war­ten, wir kau­fen die bes­ten Stü­cke eurer Wirt­schaft auf, rui­nie­ren einen Teil eurer tra­di­tio­nel­len Pro­duk­ti­on samt Land­wirt­schaft, um unse­ren Pro­duk­ten einen siche­ren Markt zu beschaf­fen, schau­feln das Geld in unse­re Ban­ken, und ja, ihr bekommt im Gegen­zug Mit­tel aus dem Kohä­si­ons­fonds, seid also kei­ne Net­to­zah­ler. Punkt.” Doch sei­en wir ehr­lich, auch die­se För­der­mit­tel wur­den statt von ein­hei­mi­schen Fir­men größ­ten­teils von den rasch gegrün­de­ten Toch­ter­fir­men west­eu­ro­päi­scher Unter­neh­men abge­ru­fen. Die­se bau­ten und bau­en auch heu­te einen wesent­li­chen Teil unse­rer Infra­struk­tur auf, kor­rum­pie­ren bis heu­te unse­re Poli­tik, wobei der Gewinn ohne zu zögern zurück in den Wes­ten fließt. Busi­ness as usual.

Doch wie­der sol­len wir nüch­tern und ehr­lich sein: Zwar wur­de all dies von den mit­tel- und ost­eu­ro­päi­schen Bür­gern rela­tiv früh wahr­ge­nom­men, man hat damit leben kön­nen. Es gibt einen recht vul­gä­ren, aber deut­li­chen unga­ri­schen Spruch: „Az erő­sebb kutya bas­zik”. Ich über­tra­ge ihn etwas zurück­hal­tend: „Der stär­ke­re Hund schafft es halt”. Es han­delt sich um einen ange­bo­re­nen geschichts­be­ding­ten Prag­ma­tis­mus: Ever­y­bo­dy knows, that’s how it goes. Die Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands und die Inte­gra­ti­on der neu­en Län­der in die Bun­des­re­pu­blik ver­lie­fen mei­nen Infor­ma­tio­nen nach ähn­lich, mit dem Unter­schied, dass unheim­lich schnell unglaub­li­che Sum­men in den Neu­auf­bau der ver­kom­me­nen Infra­struk­tur inves­tiert wor­den sind. Doch die knapp 17 Mil­lio­nen Staats­bür­ger der ehe­ma­li­gen DDR wur­den zu Bür­gern zwei­ter Klas­se, alle wich­ti­gen Posi­tio­nen in Poli­tik, Bil­dung, Wirt­schaft fie­len rasch in die Hän­de der aus West­deutsch­land ein­ge­trof­fe­nen, ein­ge­schiff­ten Eli­te. Es war, wie man bei den zahl­rei­chen Begeg­nun­gen erfah­ren muss­te, die drit­te oder gar vier­te Gar­ni­tur, es waren also nicht unbe­dingt die hells­ten Köp­fe. Um der Sache per­sön­li­ches Gewicht zu schen­ken (ich stam­me aus einer deutsch-unga­ri­schen Ehe): Mein ost­deut­scher Vater muß­te über ein Jahr lang kämp­fen, damit sein Mit­te der ’70-er Jah­re erwor­be­ner Uni­ver­si­täts­ab­schluß als gül­tig aner­kannt wird. Er war Inge­nieur auf dem Fach­ge­biet Kyber­ne­tik (!) und hat­te in Mag­de­burg stu­diert. So schlecht konn­te sei­ne Aus­bil­dung nicht sein, denn die Sowjets haben ihn des Öfte­ren „ein­ge­la­den“, weil er in gut gehü­te­ten For­schungs­la­bo­ren für sie pro­gram­mie­ren soll­te. Er war kein Mit­glied der kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, nach 1990 durf­te er erfah­ren, daß er im Fal­le eines Aus­nah­me­zu­stan­des samt Fami­lie inter­niert wor­den wäre. Aber gut, er war halt ein Ossi.

Und so kom­men wir zum wah­ren Kon­flikt­punkt, zum schmerz­haf­ten Riss, der sich mit­ten durch Euro­pa zieht und auch Deutsch­land zwei­teilt. All das, was nach dem wun­der­vol­len Jahr 1989 geschah, was ich gera­de zu schil­dern ver­such­te, hät­ten die Völ­ker Mit­tel- und Ost­eu­ro­pas mei­ner Auf­fas­sung nach in Kauf genom­men. Doch dass sich die west­li­chen Part­ner und ihre Eli­ten unse­rer Lei­dens­ge­schich­te, unse­ren his­to­ri­schen Erfah­run­gen ver­schlos­sen haben, dass sie die Opfer der kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tu­ren igno­rier­ten und sogar klein­re­de­ten, dass sie den Kom­mu­nis­mus selbst nur als fehl­ge­schla­ge­nen, jedoch durch­aus akzep­ta­blen Ver­such zur Welt­ver­bes­se­rung deu­te­ten, und dabei stän­dig unse­re demo­kra­ti­sche Ent­schlos­sen­heit in Fra­ge stell­ten – das war und ist ein Ver­rat aller Wer­te, die unse­re gemein­sa­me euro­päi­sche Geschich­te durch Jahr­tau­sen­de lan­ges Rin­gen, durch viel Blut und Schmerz her­vor­ge­bracht hat. Wird also in Trier, im Her­zen Euro­pas eine über fünf Meter hohe Karl Marx-Sta­tue errich­tet (die Skulp­tur ist ein Geschenk der kom­mu­nis­ti­schen Volks­re­pu­blik Chi­na!), lobt der Vor­sit­zen­de der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on und ein deut­scher Kar­di­nal das Lebens­werk einer Per­son, die den prä­zi­se und kon­se­quent durch­ge­führ­ten Bau­plan unse­rer Qua­len erar­bei­tet hat, dann bleibt nicht viel Gemein­sa­mes übrig. Das Argu­ment, Marx ist 1888 ver­stor­ben und sei somit nicht ver­ant­wort­lich für die Gräu­el­ta­ten sei­ner geis­ti­gen Kin­der ist maka­ber und eröff­net ein wei­tes Feld: der abso­lu­te Wahr­heits­an­spruch, die die tra­di­tio­nel­le Gemein­schaft der Bür­ger tren­nen­de Klas­sen­kampf­leh­re samt ihrer töd­li­chen Dicho­to­mien, die Akzep­tanz von Gewalt beim Weg zur Macht, sowie die gewalt­sa­me Auf­lö­sung des Pri­vat­ei­gen­tums und somit die Ver­nich­tung der Selbst­be­stim­mung des Indi­vi­du­ums, und ja, auch die Wur­zeln des moder­nen Anti­se­mi­tis­mus’ – all das ist die pure Essenz von Karl Marx.

Spre­chen wir also über die Zukunft Euro­pas, über die Zukunft der Euro­päi­schen Uni­on, ist man als Ost­eu­ro­pä­er – und als Ungar mehr denn je – dazu gezwun­gen, mit die­sen ein­lei­ten­den Gedan­ken für ein wenig Platz für Empa­thie zu sor­gen. Ohne den Begriff der kogni­ti­ven Dis­so­nanz weit­ge­hend zu erör­tern – es han­delt sich im Grun­de genom­men um ein psy­cho­lo­gi­sches Phä­no­men der per­ma­nen­ten Rea­li­täts­leug­nung – kön­nen Per­so­nen, wel­che die­sem unter­lie­gen nur durch eine lang­an­dau­ern­de und kom­ple­xe The­ra­pie behan­delt wer­den. Betrach­ten Sie die­se Ein­lei­tung als eine ers­te und kos­ten­lo­se Sit­zung für Betroffene.

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Mei­ne Damen und Her­ren! Lie­be Freunde!

 

Euro­pa war in sei­ner lan­gen Geschich­te nie ein Schmelz­tie­gel ver­schie­de­ner Iden­ti­tä­ten, son­dern viel­mehr ein Brut­kas­ten von neu­en. Erwar­tet also jemand, dass nach dem Mus­ter der Ver­ei­nig­ten Staa­ten in eini­gen Jahr­zehn­ten auf Grund der viel­fa­chen digi­ta­len, vir­tu­el­len und glo­ba­len Ver­bun­den­heit eine den alten Kon­ti­nent beherr­schen­de pan­eu­ro­päi­sche Iden­ti­tät ent­ste­hen könn­te, dann wird er mei­nes Erach­tens nach ent­täuscht. Die uns inter­na­tio­nal ver­bin­den­den Netz­wer­ke sind zwar neben ihrem star­ken wirt­schaft­li­chen Cha­rak­ter weit­ge­hend kul­tu­rel­ler Natur, doch zugleich sind sie äußerst emp­find­sam, wie eine dün­ne Haut. Wird es ernst, und ernst wird es immer, so geschieht das, was Atti­la József, ein glän­zen­der unga­ri­scher Dich­ter ein­mal kris­tall­klar for­mu­liert hat: „Die Kul­tur fällt von mir, wie ande­ren das Kleid in der reins­ten, lau­t­ers­ten Lie­be”. (Zitat Ende) Was dann bleibt, ist stär­ker und tie­fer! Es ist das Ver­lan­gen nach dem Innigs­ten, nach Sicher­heit, nach Zusam­men­ge­hö­rig­keit, nach Urver­trau­en und nach dem jahrhundert‑, oder sogar jahr­tau­sen­de­al­ten Wis­sen der Vor­fah­ren. Wird es ernst, dann hilft nur die tra­gen­de Kraft einer wah­ren Iden­ti­tät. Wer bin ich? Zu wem gehö­re ich? Wer gehört zu mir? Wer ver­steht mich? Wem bin ich wich­tig, wer ist bereit, für mich Opfer zu brin­gen und für wen bin ich bereit das­sel­be zu tun? Ein Mensch ohne Iden­ti­tät ist ein äußerst gefähr­li­ches Phä­no­men, denn ihn ver­bin­det nichts mit der Gemein­schaft, so ist er stets bereit, für sei­ne momen­ta­nen und eigen­nüt­zi­gen Zie­le alles ande­re zu opfern, da ihm die­ses Ande­re, samt des­sen Ver­tre­tern nicht viel bedeu­ten. Berüh­ren wir also das The­ma der euro­päi­schen Zukunft, dann geht es viel­mehr um den Ver­lust an Iden­ti­tät, um einen bru­ta­len Kul­tur­bruch und um das Erbe tota­li­tä­rer Dik­ta­tu­ren und ihrer lan­gen Nachwirkung.

Die­se Nach­wir­kung betrifft para­do­xer Wei­se West­eu­ro­pa weit­aus här­ter! Der bri­ti­sche His­to­ri­ker Tony Judt schrieb dazu: „1989 hat­te eine viel zerstöreri­sche Aus­wir­kung auf West­eu­ro­pa, als auf den Osten. Den Ost­eu­ropäern war es nämlich bis dahin weit­ge­hend klar, dass sie in einer Welt der Lügen leb­ten, und dass die offi­zi­el­le Deu­tung ihrer Geschich­te kaum im Ein­klang mit ihren persönli­chen Erfah­run­gen standdie Bürger des Wes­tens hin­ge­gen wur­den mit dem gan­zen Sys­tem von Illu­sio­nen und Ver­schwei­gen kon­fron­tiert.” (Zitat Ende) In die­ser Aus­sa­ge ver­birgt sich jedoch noch eine beklem­men­de­re Deu­tungs­di­men­si­on. Der Wes­ten hat näm­lich samt sei­ner poli­ti­schen und intel­lek­tu­el­len Eli­ten zur Zeit der bipo­la­ren Welt­ord­nung nicht wenig von der kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tur gelernt. Durch das zwangs­mä­ßi­ge Neben­ein­an­der­le­ben der bei­den Sys­te­me kam es natür­li­cher­wei­se zur Koope­ra­ti­on und ja, auch zur Kol­la­bo­ra­ti­on. Durch die lan­ge Koexis­tenz sind die Metho­den und Vor­ge­hens­wei­sen anti­de­mo­kra­ti­scher Regime sei­tens der „West­ler” erlernt wor­den. Rück­bli­ckend auf die soge­nann­te Wie­der­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands, auf die Auf­nah­me­pro­ze­dur neu­er EU-Staa­ten, soll­te end­lich ein­ge­stan­den wer­den: gera­de die durch die ’60-er Jah­re gepräg­ten neu­en Eli­ten West­eu­ro­pas – die soge­nann­ten 68-er, mit all ihren einst so stol­zen Mar­xis­ten, Trotz­kis­ten, Anar­chis­ten und Mao­is­ten – gehör­ten zu den emi­nen­tes­ten Schü­lern kom­mu­nis­ti­scher Dik­ta­tu­ren und ver­stan­den beacht­lich rasch, wie effi­zi­ent poli­ti­sche Gegen­spie­ler, Ver­tre­ter ande­rer Mei­nun­gen oder tra­di­tio­nel­le Iden­ti­täts­ge­mein­schaf­ten aus­ge­schal­tet wer­den kön­nen, wie man mit anti­de­mo­kra­ti­schen Mit­teln Vor­tei­le von Macht flä­chen­de­ckend aus­baut und ausübt.

Die kom­mu­nis­ti­sche Dik­ta­tur sah in den his­to­risch fun­dier­ten Iden­ti­tä­ten den ärgs­ten Feind, sei es die natio­na­le oder die christ­lich- oder jüdisch-reli­giö­se Iden­ti­tät! Iden­ti­tät ist näm­lich unter ande­rem mit tra­di­tio­nel­len Wer­ten, ein­ge­spiel­ten Hand­lungs­ab­läu­fen ver­bun­den und ver­hin­dert so den schnel­len, tota­len Umbau einer Gesell­schaft. Die Tat­sa­che, dass unse­re Iden­ti­täts­tra­di­tio­nen durch lan­ges und müh­sa­mes Sam­meln von Erfah­run­gen und Wis­sen fast aus­schließ­lich dem Erhalt des Lebens und dem Wohl­erge­hen der Gemein­schaft dien­ten, wird weit­ge­hend igno­riert oder ver­schwie­gen. So wird zum Bei­spiel der Ers­te sowie der Zwei­te Welt­krieg dem blut­rüns­ti­gen, dem die Welt auf­tei­len­den und auf­rei­ben­den Natio­na­lis­mus zuge­schrie­ben, trotz der bereits offen­sicht­li­chen Erkennt­nis­se, dass es sich um ein impe­ria­les Rin­gen inter­na­tio­nal agie­ren­der Groß­mäch­te han­del­te, ein Rin­gen, das eine ein­zi­ge Fra­ge zu beant­wor­ten ver­such­te: wer herrscht über Euro­pa? Es ist die glei­che Fra­ge­stel­lung wie bei den napo­leo­ni­schen Krie­gen, mit dem Unter­schied, dass der Wie­ner Kon­gress und die Frie­denschlüs­se aus den Jah­ren 1814 und 1815 bei­nah 100 Jah­re Bestand hat­ten. Das 20. Jahr­hun­dert bescher­te uns wie­der­um – anhand des uner­mess­li­chen und sei­tens der Poli­tik nicht begründ­ba­ren Lei­dens zwi­schen 1914 und 1918 – ein neu­es und gefähr­li­ches Mus­ter des poli­ti­schen All­tags. Der durch intel­lek­tu­el­le und poli­ti­sche Eli­ten ver­tre­te­ne Welt­ver­bes­se­rungs­wahn, des­sen Wur­zeln bis ins 18. Jahr­hun­dert zurück­rei­chen, sah näm­lich in der Ver­gan­gen­heit, in den his­to­risch-kul­tu­rel­len Tra­di­tio­nen euro­päi­scher Natio­nen eine ver­hass­te Not­brem­se! So began­nen alle bekann­ten Dik­ta­tu­ren tota­li­tä­rer Natur mit dem zen­tral-orga­ni­sier­ten Auf­lö­sungs­ver­such alter Iden­ti­tä­ten. Der inter­na­tio­na­le Sozia­lis­mus, das heißt der geis­tig in Deutsch­land erar­bei­te­te und dann aus Russ­land her­aus­wach­sen­de Kom­mu­nis­mus und der deut­sche Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­lie­fen alle nach einem äußerst ähn­li­chem, sich sehr nahe­ste­hen­dem Denk- und Hand­lungs­mus­ter. Zu die­sem gehör­te neben dem abso­lu­ten Wahr­heits­an­spruch die kol­lek­ti­ve Feind­de­fi­ni­ti­on, die Ver­nich­tung tra­di­tio­nel­ler Iden­ti­täts­ge­mein­schaf­ten, die Aus­schal­tung ver­hass­ter Gegen­spie­ler (poli­ti­sche Oppo­si­ti­on, Kir­che, zivi­le Bewe­gun­gen, Orga­ni­sa­tio­nen etc.). Wenn dies nicht aus­rei­chend funk­tio­nier­te, dann kam es zum gewalt­sa­men Ver­such, die­se alt­be­währ­ten Iden­ti­täts­grup­pen ein­fach umzu­ge­stal­ten, um sie so in das tota­li­tä­re Macht­ge­we­be ein­bin­den zu kön­nen. Kom­mu­nis­mus und für eine weit­aus kür­ze­re Zeit auch der Natio­nal­so­zia­lis­mus waren bei­de der­ma­ßen „erfolg­reich”, dass sie im Hand­um­dre­hen nicht nur die abso­lu­te Deu­tungs­ho­heit über die Rea­li­tät selbst erwer­ben konn­ten, son­dern auch die Spra­che samt Sprach­ge­brauch ver­ein­nah­men. Gro­ße Hil­fe leis­te­ten dabei die intel­lek­tu­el­len Eli­ten Euro­pas – ohne ihr effi­zi­en­tes Mit­wir­ken hät­ten tota­li­tä­re Regime nie einen so durch­schla­gen­den Erfolg erzie­len kön­nen. Liest man unter ande­rem André Gide, G. B. Shaw, György Lukács, Karl Radek, Niko­lai Bucha­rin, Jean Paul Sart­re, Lou­is Ara­gon, H. G. Wells oder den deut­schen Joseph Goeb­bels sowie den nor­we­gi­schen Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ger Knut Ham­sun, ist es regel­recht erdrü­ckend, mit wel­cher Wucht sich die Welt der Gebil­de­ten men­schen­feind­li­chen Zie­len zur Ver­fü­gung stell­te und dabei ande­re, die wah­re Natur die­ser Sys­te­me erken­nen­de Autoren wie unter ande­rem Geor­ge Orwell, Arthur Koest­ler, Albert Camus aus dem öffent­li­chen Dis­kurs zu ver­ban­nen versuchte.

Gestat­ten Sie mir, mei­nen Deu­tungs­ver­such bezüg­lich der Zukunft Euro­pas nun auf den Punkt zu brin­gen. Wenn wir die Dis­kus­sio­nen unse­rer Zeit über die Zukunft unse­res Kon­ti­nents ver­fol­gen, den Sprach­ge­brauch aus dem Blick­win­kel gesell­schaft­li­cher, geo­po­li­ti­scher und ideo­lo­gi­scher Debat­ten unter­su­chen sowie die Anpran­ge­rungs- und Aus­gren­zungs­ver­su­che wie auch die Stig­ma­ti­sie­rung poli­ti­scher und intel­lek­tu­el­ler Gegen­spie­ler auf dem euro­päi­schen Mei­nungs­feld betrach­ten, dann fällt es einem Ost­eu­ro­pä­er mit dem Erfah­rungs­schatz zwei­er tota­li­tä­rer Regime rela­tiv leicht, par­al­le­le Erschei­nun­gen zu unse­rer qual­vol­len Ver­gan­gen­heit zu fin­den. Das 20. Jahr­hun­dert ver­folgt uns immer noch, es fließt sozu­sa­gen in unse­ren Adern, wor­über man sich kei­nes­wegs wun­dern soll­te. Der lan­ge Schat­ten der Dik­ta­tu­ren wird nicht ein­fach nur unter­schätzt, er wird gar nicht wahr­ge­nom­men. Da sich jedoch der freie Wes­ten die unter die Haut schlei­chen­den tota­li­tä­ren Denk- und Hand­lungs­mus­ter teil­wei­se ange­eig­net hat (wobei die soge­nann­te 68-er Gene­ra­ti­on eine immense Rol­le spielt) und die Erfah­run­gen Ost­eu­ro­pas bis zum heu­ti­gen Tage weit­ge­hend igno­riert, sind wir an einem Schei­de­weg ange­langt. Im Gegen­satz zu den Bür­gern Mit­tel- und Ost­eu­ro­pas ist ein beacht­li­cher Teil der poli­ti­schen und intel­lek­tu­el­len Eli­te des soge­nann­ten Wes­tens näm­lich noch immer ein Gefan­ge­ner des 20. Jahr­hun­derts. Es han­delt sich um eine men­ta­le Gefan­gen­schaft mit ernst­haf­ten Fol­gen. Die­se Eli­te glaubt – so wie die ehe­ma­li­gen Kom­mu­nis­ten – nicht an die Demo­kra­tie und nicht an das Prin­zip des Mehr­heits­wil­lens. Gelingt eine Abstim­mung nicht nach ihrem Wunsch und Wil­len, so wird die­se igno­riert (Frank­reich, 2005) oder es wird nach einer neu­en Abstim­mung ver­langt (Brexit), wobei die Wäh­ler stig­ma­ti­siert und dif­fa­miert wer­den. Auch an der Mei­nungs­frei­heit und der Frei­heit des Gewis­sens liegt die­ser Eli­te nicht viel. Aus den Ver­tre­tern his­to­risch fun­dier­ter Iden­ti­täts­ge­mein­schaf­ten, wie Fami­lie, Nati­on und christ­li­che Glau­bens­ge­mein­schaf­ten hat die­se Eli­te ein kol­lek­ti­ves Feind­bild erschaf­fen, wobei sie sich Tag für Tag vom jüdisch-christ­li­chen Kul­tur­kreis samt sei­nes Wis­sens­gu­tes distan­ziert, und bereits ner­vös wird, wenn sich jemand tra­di­tio­nell als Mann oder Frau bekennt. Und weil die­se Eli­te – wie­der­um den ehe­ma­li­gen Kom­mu­nis­ten gleich – an sich und an den legi­ti­men Erhalt der eige­nen Posi­ti­on nicht mehr glau­ben kann, sucht sie nach etwas Tota­li­tä­rem, nach etwas Unanfechtbarem.

Das geis­ti­ge Fun­da­ment der Kom­mu­nis­ten basier­te laut Theo­rie auf der absur­den Leh­re abso­lu­ter Gleich­heit auf Erden und der Abschaf­fung von Unter­drü­ckung und Aus­beu­tung. End­ziel war angeb­lich die Befrei­ung der Arbei­ter­klas­se und die Schaf­fung einer klas­sen­lo­sen Gesell­schaft und des Welt­frie­dens. Punkt. Was dar­aus wur­de, wis­sen wir. West­eu­ro­pa samt sei­ner sich nach 1945 bil­den­den Füh­rungs­schich­ten – lei­der egal ob sie sich momen­tan als christ­lich- oder sozi­al­de­mo­kra­tisch, links, grün oder als libe­ral defi­nie­ren – beruft sich im Jah­re 2018 auf das sich bis an die Gren­zen des Son­nen­sys­tems erstre­cken­de Gemein­wohl, das im Gegen­satz zur US-Ver­fas­sung weit­aus gewich­ti­ger und bestim­men­der ist, als die Frei­heit des ein­zel­nen Indi­vi­du­ums. Ein gro­ßer Unter­schied! Wei­te­re Eck­pfei­ler des west­li­chen Wer­te­ko­de­xes sind die bis ins Abso­lu­te gestei­ger­ten und auf die­se Wei­se regio­na­le Eigen­in­ter­es­sen am Erhalt von Sta­bi­li­tät und Wohl­erge­hen einer demo­kra­tisch orga­ni­sier­ten Gemein­schaft igno­rie­ren­de Men­schen­rech­te. Auch das untrag­ba­re Prin­zip der offe­nen Gesell­schaft samt obli­ga­to­ri­scher Viel­falt wird akzep­tiert und sogar ver­ab­so­lu­tiert. Im Kom­mu­nis­mus wur­de jeder ver­dammt, der die inter­na­tio­na­le Arbei­ter­be­we­gung und die unzer­brech­li­che Bru­der­schaft unter kom­mu­nis­ti­schen Staa­ten und ihren Par­tei­en nicht als Richt­schnur für sei­nen düs­te­ren All­tag betrach­te­te. Nun haben wir fol­gen­de Situa­ti­on: Folgt man dem psy­cho­lo­gi­schem Urmus­ter und liebt sei­ne Mut­ter mehr als die gan­ze Mensch­heit, die ver­ab­so­lu­tier­ten Men­schen­rech­te, die ver­bind­li­che Viel­falt und das abso­lu­te Gemein­wohl, dann gehört man zur alten und ver­hass­ten Welt des Blut­ver­gie­ßens. Und so sind wir schon bei der Geschich­te ange­kom­men, die als etwas Frem­des, als etwas Gefähr­li­ches wahr­ge­nom­men wird. Der weit­ver­brei­te­te Begriff der Stun­de Null, also des Jah­res 1945 hat schon von Wei­tem einen bit­te­ren Neben­ge­schmack, denn nach dik­ta­to­ri­schen Richt­li­ni­en wird der Beginn aller als wesent­lich ein­ge­stuf­ten Ereig­nis­se immer auf ein kon­kre­tes Datum redu­ziert: bei den Kom­mu­nis­ten war es das Jahr 1917, jetzt soll es das Jahr 1945 sein. Die an den euro­päi­schen Uni­ver­si­tä­ten so popu­lä­ren Leh­ren eines Jür­gen Haber­mas’ sind in mei­nen Augen des­halb die ein­deu­ti­ge Essenz neu­to­ta­li­tä­ren Den­kens. Ist näm­lich 1945 die Stun­de Null und soll unser gesell­schaft­li­ches Zusam­men­le­ben durch eine „post­na­tio­na­le Iden­tität” auf einer „post­na­tio­na­len Ebe­ne” ersetzt wer­den, dann wächst uns als Ost­eu­ro­pä­er ein schlech­tes und wohl­be­kann­tes Gefühl im Magen. Frank Füre­di, der unga­risch-bri­ti­sche Sozio­lo­ge war mei­nes Wis­sens nach einer der ers­ten, der die­se Pro­ble­ma­tik in sei­nem Buch „Ungarn im Faden­kreuz” (eng­li­scher Titel: Popu­lism and the Euro­pean Cul­tu­re Wars: The Con­flict of Values bet­ween Hun­ga­ry and the EU, 2017) tief­ge­hend unter­sucht hat­te. Die Haber­mas-The­se, wonach unse­re his­to­ri­schen – sei­ner Deu­tung nach „nicht mehr hin­ter­frag­ba­ren” – Tra­di­tio­nen samt der gan­zen geschicht­li­chen Kon­ti­nui­tät direkt nach Ausch­witz füh­ren und daher untrag­bar sei­en, ist eine bru­ta­le Fehl­deu­tung mit schwe­ren Fol­gen. Frank Füre­di zitie­rend „hat­te nämlich der Holo­caust und die mörde­ri­sche Natur des gesam­ten Nazi-Regimes nichts mit unse­rer his­to­ri­schen Tra­di­ti­on zu tun, ganz im Gegen­teil. Wie Han­nah Are­ndt es in ihrer wich­ti­gen Stu­die »Ele­men­te und Ursprünge tota­ler Herr­schaft« so ein­leuch­tend beschrieb, bedeu­te­te gera­de der Tota­li­ta­ris­mus einen Bruch mit der his­to­ri­schen, tra­di­tio­nel­len Kon­ti­nuität des Wes­tens”. Füre­dis Schluss­fol­ge­rung lau­tet: „Wenn etwas, so ist es gera­de die Tragödie des Holo­caust, die nach einer Wie­der­her­stel­lung der durch den Tota­li­ta­ris­mus zerstörten Tra­di­ti­on in der europäischen Geschich­te for­dert.” (Zitat Ende)

Ver­zei­hen Sie mir, dass ich hin und her sprin­ge, ohne die Absicht, Ihnen eine stren­ge Argu­men­ta­ti­ons­ket­te mit Pos­tu­la­ten, The­sen, tro­cke­nen, jedoch nüch­ter­nen Schluss­fol­ge­run­gen dar­zu­bie­ten. Ich bin mir sicher, vie­le von Ihnen haben längst begrif­fen wovon ich zu reden ver­su­che. Auch ich ver­tre­te näm­lich die Mei­nung des schüch­ter­nen Kolum­bia­ners: es sei „unnütz, jeman­den einen Gedan­ken erklären zu wol­len, dem eine Anspie­lung nicht genügt. (Nicolás Gómez Dávila) Unser Kon­ti­nent wird nicht wei­ter­kom­men, solan­ge er sei­ne Ver­gan­gen­heit samt Erfol­gen und Miss­erfol­gen, samt Tugen­den und Sün­den nicht akzep­tiert. Solan­ge er sei­nen ein­zig­ar­ti­gen, aus dem anti­ken und jüdisch-christ­li­chen Kul­tur­kreis her­aus­wach­sen­den Cha­rak­ter samt des­sen Wer­ten nicht wahr­neh­men will, blei­ben wir ste­cken. Solan­ge wir uns den Leh­ren der Geschich­te ver­schlie­ßen, solan­ge wir in pri­mi­ti­ven Dicho­to­mien den­ken, solan­ge wir die Wer­te unse­rer alten und jeder­zeit zur Wie­der­ge­burt, zur Renais­sance fähi­gen euro­päi­schen Kul­tur stur ableh­nen, Uto­pien pflan­zen, aus denen durch unse­re Unvoll­kom­men­heit nur Dys­to­pien wach­sen kön­nen, solan­ge gibt es kaum Hoff­nung. Zuerst müs­sen Grund­sät­ze geklärt wer­den. Es ist nicht der ers­te Kul­tur­kampf auf euro­päi­schem Boden. Auch die­ser wird nicht ein­fach sein, denn wir ste­hen jetzt dem Erbe des 20. Jahr­hun­derts gegen­über. Es ist das unheim­li­che Erbe tota­li­tä­rer Dik­ta­tu­ren, wel­ches bis heu­te den Geist unse­rer Gesell­schaf­ten und Eli­ten ver­gif­tet. Um die­sen und sei­ne Befür­wor­ter bezwin­gen zu kön­nen, soll­ten wir den ers­ten Schritt wagen: wir müs­sen uns selbst wie­der mögen, ja sogar lie­ben ler­nen. Der zwei­te Schritt: wir müs­sen erwach­sen wer­den, erwach­sen wer­den wol­len. Erwach­sen zu sein bedeu­tet vie­les, in ers­ter Line aber die Fähig­keit, Ver­ant­wor­tung über­neh­men zu kön­nen und Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Als Alexis de Toc­qe­ville sich gegen 1840 Gedan­ken über die Merk­ma­le eines zukünf­ti­gen Des­po­tis­mus mach­te, beschrieb er mit unglaub­li­cher Prä­zi­si­on die Umstän­de unse­rer Zeit. Zitat: „…ich erbli­cke eine Men­ge ein­an­der ähnli­cher und gleich­ge­stell­ter Men­schen, die sich rast­los im Krei­se dre­hen, um sich klei­ne und gewöhnli­che Ver­gnügun­gen zu ver­schaf­fen, die ihr Gemüt ausfüllen. Jeder steht in sei­ner Ver­ein­ze­lung dem Schick­sal aller ande­ren fremd gegenüber: sei­ne Kin­der und sei­ne persönli­chen Freun­de verkörpern für ihn das gan­ze Men­schen­ge­schlecht; was die übri­gen Mitbürger angeht, so steht er neben ihnen, aber er sieht sie nicht; er berührt sie, und er fühlt sie nicht; er ist nur in sich und für sich allein vor­han­den, und bleibt ihm noch eine Fami­lie, so kann man zumin­dest sagen, dass er kein Vater­land mehr hat.

Über die­sen erhebt sich eine gewal­ti­ge, bevor­mun­den­de Macht, die allein dafür sorgt, ihre Genüsse zu sichern und ihr Schick­sal zu über­wa­chen. Sie ist unum­schränkt, ins Ein­zel­ne gehend, regelmäßig, vor­sorg­lich und mild. Sie wäre der väter­li­chen Gewalt gleich, wenn sie wie die­se das Ziel ver­folg­te, die Men­schen auf das rei­fe Alter vor­zu­be­rei­ten; statt des­sen aber sucht sie bloß, sie unwi­der­ruf­lich im Zustand der Kind­heit fest­zu­hal­ten…” (Über die Demo­kra­tie in Ame­ri­ka, 2. Band, 1841, übers. von Hans Zbin­den, Zürich, 1987, S: 141–150) (Zitat Ende)

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Lie­be Freunde!

 

Um in der Zukunft Euro­pas ein neu­es und erfolg­rei­ches Kapi­tel eröff­nen zu kön­nen, und das sage ich als Ungar, brau­chen wir die Kraft, das Wis­sen und die Erfah­run­gen der gan­zen deut­schen Nati­on. Wer Ihre his­to­ri­schen Tra­di­tio­nen auf die Gräu­el­ta­ten des Drit­ten Rei­ches redu­ziert, wer in jedem Deut­schen einen direk­ten Nach­fah­ren der Natio­nal­so­zia­lis­ten sieht, benutzt die Instru­men­te tota­li­tä­rer Dik­ta­tu­ren samt kol­lek­ti­vem Feind­bild und gene­tisch ver­erb­ba­ren Sün­den. Gera­de der anti­kom­mu­nis­ti­sche Wider­stand der ehe­ma­li­gen DDR-Bür­ger, ihr Wis­sen und ihr Erfah­rungs­schatz zwei­er tota­li­tä­rer Regime macht Sie zu etwas Beson­de­rem. Bau­en Sie darauf!

Es gibt so Vie­les, was uns ein­zig­ar­tig und wert­voll macht. Auch ohne ein gläu­bi­ger Christ zu sein, spürt jeder Euro­pä­er, wie stark und lie­be­voll uns das Chris­ten­tum geprägt hat. Auch die Eman­zi­pa­ti­ons­pro­zes­se Euro­pas sind ein­zig­ar­tig und mit Blick auf ihre Erfolgs­ge­schich­te schier unglaub­lich. Der Kom­mu­nis­mus konn­te den Arbei­ter weder zufrie­den, geschwei­ge denn glück­lich machen. Und heu­te? Die Mehr­zahl der euro­päi­schen Arbeit­neh­mer erlebt einen Wohl­stand und eine sozia­le Sicher­heit, die es noch nie zuvor gab. Im 19. Jahr­hun­dert durf­ten Frau­en nur begrenzt erben, sie hat­ten kein Wahl­recht, wur­den in vie­len Län­dern unse­res Kon­ti­nen­tes noch als Eigen­tum betrach­tet, ein Uni­ver­si­täts­ab­schluss kam für sie nicht in Fra­ge! Doch seit 1971 haben Frau­en auch in der Schweiz ein Wahl­recht, in Frank­reich seit 1949. Na gut, in Ungarn seit 1919 und in Deutsch­land seit 1918.

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Mei­ne Damen und Her­ren! Lie­be Freunde!

 

Wie es mit der Geschich­te Euro­pas wei­ter­geht, hängt in ers­ter Linie von den Fra­gen ab, wel­che wir uns stel­len, denn eine fal­sche Fra­ge­stel­lung ist der sichers­te Weg zu fal­schen Ant­wor­ten. Aus ost­eu­ro­päi­scher Sicht: Fra­ge­stel­lun­gen tota­li­tä­rer Natur füh­ren zu tota­li­tä­ren Ant­wor­ten. Um die sich als „libe­ral” bezeich­nen­de, in Wirk­lich­keit jedoch tota­li­tä­re Ideo­lo­gie und ihre all­ge­gen­wär­ti­ge Deu­tungs­ho­heit über­win­den zu kön­nen, muss zuerst die Spra­che zurück­ge­won­nen wer­den. Dik­ta­tu­ren aller Art fan­gen näm­lich mit Ver­bo­ten und der Ver­ein­nah­mung der Spra­che an. Frei­heit soll wie­der das bedeu­ten, was sie ist. Nach all den Qua­len die uns über­na­tio­nal agie­ren­de Impe­ri­en gebracht haben, soll die Nati­on, die­ser erprob­te, anthro­po­mor­phe und erfass­ba­re Rah­men für Demo­kra­tie und Mei­nungs­frei­heit, für die Frei­heit des Gewis­sens, für das Recht auf Selbst­be­stim­mung kein Schimpf­wort mehr sein. Der soge­nann­te libe­ra­le Kanon hat den Begriff Frei­heit näm­lich aus­ge­höhlt. Der ansons­ten intel­lek­tu­ell attrak­ti­ve Satz – „Jeder hat das Recht auf die freie Ent­fal­tung sei­ner Persönlich­keit, soweit er nicht die Rech­te ande­rer ver­letzt“, hat sei­ne wah­re Bedeu­tung ver­lo­ren. Denn wer wird dar­über ent­schei­den, ab wann mei­ne Rech­te ver­letzt wer­den? Da nie­mand damit beauf­tragt ist, dies zu beur­tei­len, ent­schei­det unse­ren Erfah­run­gen nach in die­ser Fra­ge immer das Leben. Im Klar­text: es ist der Stär­ke­re, der die­se Ent­schei­dung trifft, wobei der Schwä­che­re per­ma­nent auf der Streck­te bleibt. Ich emp­feh­le ihnen einen ande­ren Ori­en­tie­rungs­punkt zur Defi­ni­ti­on von Frei­heit. Gut, er stammt aus unse­rem christ­li­chen Erbe, aber er ist weit­aus trag­fä­hi­ger. “Was du nicht willst, dass man dir tu, das fügauch kei­nem andern zu.” (Tobi­as 4:16).

 

Es blei­ben Fra­gen, die nach einer Ant­wort verlangen:

  • Was ist Deutsch­lands Rol­le in der Euro­päi­schen Union?
  • Gehört Deutsch­land zum Wes­ten oder ist es ein Land des Ostens? Oder gehört es zur glei­chen Zeit dem Wes­ten und dem Osten zu?
  • Wel­che Berei­che sind in der Euro­päi­schen Uni­on dazu geeig­net, sie gemein­sam zu ver­wal­ten und wel­che nicht?
  • Wie kön­nen legi­ti­me Sou­ve­rä­ni­täts-Bewe­gun­gen inner­halb euro­päi­scher Staa­ten gehand­habt werden?
  • Was waren die tra­di­tio­nel­len Stär­ken des euro­päi­schen Zusam­men­le­bens ver­schie­de­ner Natio­nen, die unse­ren Kon­ti­nent jahr­hun­der­te­lang so erfolg­reich mach­ten und auf die wir auch im 21. Jahr­hun­dert bau­en sollten?
  • Wie steht die Euro­päi­sche Uni­on den neu­en Macht­zen­tren der Welt gegen­über? Was sind unse­re emi­nen­tes­ten Inter­es­sen als euro­päi­sche Gemeinschaft?
  • Hat der Islam in sei­ner unsä­ku­la­ri­sier­ten Form einen Platz in Europa?
  • Wie kön­nen wir einen Inte­gra­ti­ons­pro­zess ande­rer Kul­tu­ren inner­halb unse­rer Län­der erwar­ten, wenn wir unse­re eige­ne Kul­tur nicht als wert­voll betrachten?
  • Wie kön­nen wir unse­ren Kin­dern ein Iden­ti­täts­ge­fühl geben, dass ihnen Selbst­ver­trau­en und Stolz schenkt?

 

Das sind aber schon The­men eines ande­ren Vor­tra­ges. Dan­ke für Ihre Aufmerksamkeit!

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Kommentare (16)

Das blaue Quadrat

27. September 2018 20:57

Marx von Ungarn aus lesen. Danke. So knapp und doch präzise kann formuliert werden, was in der nebenan laufenden Debatte über den ollen Kalle und seinen Krampf nicht auf den Punkt kommt.

Immer noch S.J.

27. September 2018 21:14

Ich freue mich, dass dieser Rede Platz eingeräumt wurde. Hier bündelt sich im Wesentlichen das, was im gesamten Kontext der Rede als europäische Identität greifbar ist und sein sollte - vorausgesetzt, es liegt dem Rezipienten etwas an einem Europa der vertrauten Gestalt.

Thomas Martini

28. September 2018 07:20

"Die Völker Osteuropas klammerten sich nämlich an ihr historisches Bewußtsein, an ihre demokratischen, kulturellen und nationalen Werte: es war das einzige, was ihnen blieb, und es half ihnen, den sogenannten internationalen Sozialismus, also den Kommunismus, zu überstehen."

Demokratische Werte in Osteuropa, der war gut. Welche Erfahrung mit der Demokratie, hatten die osteuropäischen Völker denn vor 1989?

Damit man mich nicht falsch versteht: Man kann den Ausführungen von Gábor Tallai gut folgen. Das Loblied, das er auf die Demokratie singt, fügt sich stringent in die ablehnende Haltung gegenüber dem Kommunismus und totalitären Systemen im Allgemeinen.

Dann aber zitiert er später Alexis de Tocqueville, der "sich gegen 1840 Gedanken über die Merkmale eines zukünftigen Despotismus machte" und "mit unglaublicher Präzision die Umstände unserer Zeit" beschrieb. Alles richtig, vor allem die Erkenntnis, daß Toqueville hochaktuell ist. Nur eines ist grundfalsch: Alexis de Tocqueville schrieb nämlich nicht über den "Despotismus" in Amerika, sondern über die Demokratie! Sonst hätte er sein Buch nicht so betitelt.

Meiner Ansicht nach, sind Länder wie Polen und Ungarn deshalb Widerstandsnester gegen den globalen Demokratismus, weil diese Staaten vergleichsweise lange vom Segen und Glück des demokratischen Füllhorns verschont blieben und, wie Tallai richtig bemerkt, der Wille zur nationalen Selbstbehauptung stark ausgeprägt ist. Das Letzte, worauf sich dieser Wille zurückführen lässt, sind demokratische Werte.

Echte Demokraten bezeichnen Viktor Orbáns Regierungsstil übrigens nicht von ungefähr als autokratisch, anti-demokratisch oder totalitär.

RMH

28. September 2018 08:09

"Demokratische Werte in Osteuropa, der war gut. Welche Erfahrung mit der Demokratie, hatten die osteuropäischen Völker denn vor 1989? "

@T. Martini,
den selben Einwand könnten Sie jetzt auch gegenüber unseren mitteldeutschen Bürgern erheben und er beinhaltet zugleich die Unterstellung, dass es im Westen ja ach so demokratisch zugegangen ist. Liest sich auf den ersten Blick zwar schlüssig, aber es gab auch eine Zeit vor 45 und selbst die k.u.k. Monarchie war zuletzt eine konstitutionelle, mit Parlamenten etc., gut, in Ungarn nur mit Zensuswahlrecht, aber immerhin. Wenn man Demokratie aber von Demos ableitet, kommt es auf die Organisationsform dieser "Volksherrschaft" nicht mehr im Detail an. Es kommt vielmehr darauf an, dass es im Demos einen starken Willen zur Selbstbestimmung, zur Eigenherrschaft und Eigenverwaltung gibt - und das kann man den osteuropäischen Völkern und auch den mitteldeutschen Mitbürgern nun wahrlich nicht in Abrede stellen. Das ist ja auch gerade der Grund, warum die globalistischen Demokratisten keine Völker mehr wollen, denn die sind nur zu widerborstig und stur und sperren sich, das süße Joch der geordneten, neuen Welt aufzunehmen.

@Das blaue Quadrat,
Zustimmung!

Michael B.

28. September 2018 10:28

Der Einwand von T. Martini liegt eigentlich auf der Hand. Es gibt andere Gesellschaftsformen, die ihre Berechtigungen haben. Die spielen auf von gegenwaertigen Demokratiebegriffen als vorgeblich nur ihr eignenden Feldern dann auch durchaus einmal besser als diese. Insofern lohnt es sich, den Begriff einer grundlegenderen Revision zu unterziehen. Zumal man im heutigen Gebrauch des Wortes aehnlich wie die 'Nazikeule' immer oefter nur noch ein ideologisches Disziplinierungselement findet, das dringend seiner demagogischen Funktion entkleidet werden muss.

Vergleiche z.B. diesen Artikel zum mittelalterlichen Venedig und seine Bemerkungen zu funktionierender Gewaltenteilung ohne Demokratie:

https://www.marcogallina.de/traktate/die-vorteile-des-venezianischen-aemtersystems/

Brettenbacher

28. September 2018 11:31

Großartig! DerMann. Die Rede. Schnellroda.

Der_Juergen

28. September 2018 13:14

Bei all dem vielen Richtigen und Guten, was diese Ansprache enthält, vermag sie mich nicht vom Stuhl zu reissen. Abgesehen davon, dass Gabor Talai dem unter Konservativen leider weitverbreitetem Irrtum verfällt, von einer "christlich-jüdischen" (oder "jüdisch-christlichen") Kultur zu sprechen, befriedigt das Herumhacken auf dem klassischen Totalitarismus von vorgestern heute intellektuell nicht mehr. Es versperrt den Blick darauf, dass die heutige "Demokratie" in ihrer westeuropäischen Variante ungleich verheerendere Folgen hat als die totalitären Regime der Vergangenheit, weil sie die Völker in eine unumkehrbare Katastrophe führt.

Eine schlechte Wirtschaftspolitik, Unterdrückung der individuellen Freiheit - all das ist korrigierbar. Sind die Einheimischen in einem Land jedoch erst einmal in der Minderheit, so ist der Zug abgefahren, und auch wenn es nicht so weit kommt, afrikanische und muslimische Bevölkerungsgruppen jedoch in einem europäischen Land eine grosse Minderheit bilden, bedeutet das für letzteres endlose ethnische und kulturelle Konflikte, die es nicht mehr zur Ruhe kommen lassen werden. Das hat der Dresdener Politologe Patzold (ein gescheiter Mann, bei dem man nicht begreift, was ihn noch in der CDU hält) ja kürzlich auf Deutschland bezogen festgehalten.

Dass die Ungarn, die Tschechen, die Slowaken und die Polen den Immigrationswahnsinn Gott sei Dank nicht mitmachen, liegt bestimmt nicht daran, dass sie ab 1989 demokratisch wurden. Sie können, konsequent gedacht, sogar froh sein, dass sie 1945 unter die sowjetische Herrschaft gerieten, die nur ein rundes Jahrzehnt lang wirklich schrecklich war und auch in ihren finstersten Zeiten die biologische Existenz dieser Völker nicht bedrohte. Wären sie von den Amerikanern statt von den Russen "befreit" worden, sähe es in Budapest, Prag, Bratislava und Warschau heute vermutlich so aus wie in London, Rotterdam, Paris und Berlin.

Das Herumreiten auf dem Totalitarismus und seinen (teils wirklichen, teils erfundenen) Greueln ist objektiv Propaganda zur Stützung des "demokratischen" Systems, auch wenn dieses Ziel subjektiv nicht verfolgt wird. Das heisst wohlverstanden nicht, dass die Ungarn der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft nicht würdig gedenken sollten. Es heisst nur, dass der Blick auf das Übel von gestern den Blick auf das noch weit grössere Übel von heute nicht versperren darf.

Andreas Walter

28. September 2018 17:02

Diese lange aber was ich jetzt schon gelesen habe glaube ich sehr schöne Rede lese ich lieber später in Ruhe. Einen Satz möchte ich nur jetzt schon ergänzen, nachdem ich folgenden gelesen habe:

"Deutsche antikommunistische Helden waren es, die als erste im Sommer 1953, kurz nach dem Tode Stalins, dem Sowjetreich die Stirn boten."

Deutsche antikommunistische Helden haben schon viel früher dem Marxismus die Stirn geboten, nur hiess er da noch nicht so.

Thomas Martini

28. September 2018 18:19

"Das Herumreiten auf dem Totalitarismus und seinen (teils wirklichen, teils erfundenen) Greueln ist objektiv Propaganda zur Stützung des "demokratischen" Systems, auch wenn dieses Ziel subjektiv nicht verfolgt wird."

Vor allem legitimieren Demokraten damit ihre eigene Kriegs- und Interventionspolitik. Es wird immer so getan, als haben nur die vermeintlich totalitären Systeme viele Opfer auf dem Gewissen. In Wahrheit aber, hat der demokratische Export zig Millionen Todesopfer in aller Welt gefordert. Anders als Kommunisten oder Nationalsozialisten, müssen sich Demokraten nicht einmal dafür schämen, wenn sie Menschen massenhaft abschlachten und ganze Städte einem Bombenterror unterziehen. Es ist schließlich für den "guten" Zweck, die Demokratie.

Ein nüchterner und klarer Blick auf die Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg, sollte jeden erkennen lassen, daß Demokratie mitnichten friedlich, tolerant und gewaltfrei daherkommt. Demokratische Interessen werden brachial und ohne Rücksicht auf Verluste durchgesetzt.

Als die UNO berichtete, dass die Sanktionen des Clinton-Regimes gegen den Irak den Tod von 500.000 irakischen Kindern zur Folge hatten, wurde die amerikanische Außenministerin von Lesley Stahl in der nationalen Fernsehsendung "60 Minutes" gefragt, ob die Sanktionen den Tod von einer halben Million Kindern wert seien. Madeleine Albright sagte: "Der Preis ist es wert."

https://www.antikrieg.eu/aktuell/2018_06_06_dermangel.htm

Demokratie um jeden Preis, so lautet die Devise.

"@T. Martini,
den selben Einwand könnten Sie jetzt auch gegenüber unseren mitteldeutschen Bürgern erheben und er beinhaltet zugleich die Unterstellung, dass es im Westen ja ach so demokratisch zugegangen ist. Liest sich auf den ersten Blick zwar schlüssig, aber es gab auch eine Zeit vor 45 und selbst die k.u.k. Monarchie war zuletzt eine konstitutionelle, mit Parlamenten etc., gut, in Ungarn nur mit Zensuswahlrecht, aber immerhin."

Ist von demokratischen Werten die Rede, dann ist damit nicht gemeint, "dass es im Demos einen starken Willen zur Selbstbestimmung" gibt. Demokratische Werte sind Pressefreiheit, Religionsfreiheit, und der ganze Menschenrechtsquark. In Westeuropa ist klar ersichtlich, wohin uns diese Werte geführt haben. Nicht zuletzt sind diese Werte ein Instrument, mit dem sich die Völker erpressen lassen. Daß Altdemokraten nicht in der Lage sind das zu erkennen, und sich "ihre" Demokratie immer wieder schön reden, lässt sich wohl nur auf eine ideologische Verklärung zurückführen.

Andreas Walter

29. September 2018 06:50

Freiheit ist nicht verhandelbar. Genauso wenig wie die Freie Rede. Auch Deutschland ist in der Beziehung ein Unding. Ich habe auch die ersten 15 Jahre meiner Kindheit/Jugend an einem anderen Ort verbracht als Deutschland. Ein freier Mensch ist man trotzdem nur selten. Es sei denn du bist der grösste Hund im Rudel - oder ein Eremit. Die meisten Menschen wie auch Nationen müssen sich daher auch einer Rangordnung unterwerfen. Das gilt ebenso für Organisationen, Parteien, Konzerne und Unternehmen. Territorial- und Rangordnungskämpfe um wirklich alles sind daher Alltag, die ständige wirkliche Wirklichkeit. Wenn Don Dinero nämlich jemand nicht kaufen kann lo elimina. Es sei denn man hat wirklich mächtige und gute Freunde auf seiner Seite. Oder versteht sich darauf die Dinge immer so zu sagen, dass es einem niemand wirklich übel nimmt. Was ein Glück, dass meine Mutter darum nicht mehr lebt. Frei bin ich deswegen trotzdem nicht. Weil ich es nicht gelernt habe, es mir niemand beigebracht hat, mir selbst zu vertrauen. Darum vertrauen mir auch andere nicht. Das gleiche Problem hat aber auch Deutschland. Deutschland fehlt es an Selbstvertrauen. Damit meine ich nicht den Narzissmus und Grössenwahn eines Adolf Hitler und ähnlichen Figuren. Deswegen glaube ich auch nicht, dass diese Leute tatsächlich die Fäden gezogen haben. Das Geld für die Bolschewisten hat Stalin ja auch nicht allein durch Banküberfälle zusammenbekommen. Die wahren Drahtzieher der Geschichte sind darum andere Leute. Darum ist es auch seltsam, warum manche auch dem deutschen Volk Vorwürfe machen. Wir werden doch auch jetzt ständig getäuscht, über den Kosovo, Kuwait, Syrien, Afghanistan, die Ukraine, aber auch über Kernkraft, Erneuerbare Energien, Klimaerwärmung.
Die meisten haben doch auch jetzt keine Ahnung, wissen nichts, ausser das was sie glauben sollen. Eine kleine Handvoll Leute haben es darum auch schon 1915 hinbekommen, eine ganze Nation gegen uns aufzubringen, die sich sogar für ihre Pressefreiheit rühmt. Zum Glück hat Deutschland heute aber auch Freunde sogar in den VSA, und wie man sieht auch in Ungarn. Das ist eigentlich das Schönste an dieser Rede. Das wir, die Neue Rechte es sind, die Europa zusammenbringt. Stratfor würde sich daher auch sicher freuen, wenn wir nächstes Jahr auch noch Polen und Ukrainer zu Gast hätten. Europa ging ja früher mal per Definition sogar bis zum Ural. Alexander Dugin wäre in so einer Runde daher auch sicher interessant. Deutschland ist ja keine isolierte Insel mitten im Atlantik, womöglich sogar exakt über dem Mittelatlantischen Rücken, auf der es darum zischt und brodelt, und die darum auch auseinanderbricht. Das wäre für ganz Europa nicht gut.

Ihr Deutsch ist übrigens hervorragend, Herr Tallai, und ihre Stimme sehr harmonisch, angenehm, sympathisch.

Stil-Bluete

29. September 2018 10:25

Die Rede fand ich, so lange ich sie gelesen habe, sympathisch. So sympathisch, daß mir erst beim Lesen der Kommentare auffiel, daß ich die ganze Zeit über auf etwas wartete, nämlich die Demokratie als einzige bestimmende Gesellschaftsform auf Grund früherer anderer gelungener Reiche und dem jetzigen negativen Erscheinungsbild der Demokratie zu relativieren.

Auch erscheint mir das Logo von 'Terror Haza' - schon der Name - optisch und semantisch fragwürdig, ein duales System eines aggressives Kreuzes mit Pfeilen in alle Himmelsrichtungen und auf schwarzem Quadrat ein roter 5zackiger r o t e r Stern. Ich kenne mich mit den Symbolen der Freimaurer nicht aus. Aber der rote Stern war und ist doch deutlich ein starkes kommunistisches Zeichen. Oder?

Imagine

29. September 2018 12:26

Die Ungarn haben die Geschichte anders erfahren.
Deren schlimmste Zeit war, als sie unter Fremherrschaft standen.

Hingegen wurden die Deutschen in ihren schlimmste Zeiten - WKI, Faschismus, WKII - Opfer von rücksichtslosen, raffgierigen und räuberischen Herrschenden, die ethnisch aus Deutschen bestanden.

Auch Merkel & Co. sind echte Bio-Deutsche. Allerdings ist Merkel in einem Teil Deutschlands sozialisiert worden, das fast 200 Jahre nur Diktatur kannte.

Ruewald

30. September 2018 11:01

Herr Gábor Tallai spricht ein hervorragendes Deutsch mit geschliffenen Formulierungen, die man sich zum Teil als Zitate notieren kann. Welch ein geistiger Klassenunterschied zum politischen "Führungs"personal der Bundesrepublik!

@ Der_Jürgen
Allerdings kann der Unterschied, auf den der Der_Jürgen hinweist, nicht oft genug unterstrichen werden: einerseits die i.w. reversiblen Folgen bei den Völkern unter dem kommunistischen Herrschaftsbereich und andererseits die irreversiblen Folgen des aktuell langfristig forcierten Großen Austauschs. Sarrazin hat das treffend als das größte Sozialexperiment seit der Russischen Revolution genannt. Ob er aber auf den großen Unterschied hingewiesen hat, weiß ich nicht. Das kommunistische Experiment basierte auf der falschen biologischen Lamarck-Lyssenko-Theorie der Vererbung erworbener Eigenschaften. Die Züchtung des Neuen Sowjetmenschen durch Indoktrination scheiterte an der Biologie. Demgegenüber jedoch würde das laufende Experiment der propagierten Rassen- und Völkervermischung letztlich zu weltweiten Zufallsrekombinationen verschiedenster Gene führen, einem genetischen Mischmasch, der nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ein Großexperiment, zu dem grundsätzlich kein Plan B möglich ist. Man denke an den Entropiesatz der Physik.
Ein solches Experiment, als größtes Verbrechen in der gesamten Weltgeschichte, würde sämtliche Völker- und Massenmorde der Geschichte in den Schatten stellen.

Ruewald

30. September 2018 19:18

Korrektur: es muß natürlich Lamarck heißen

Valjean72

1. Oktober 2018 08:44

@Jürgen:
“Das Herumreiten auf dem Totalitarismus und seinen (teils wirklichen, teils erfundenen) Greueln ist objektiv Propaganda zur Stützung des "demokratischen" Systems, …“
---

Das ist auch letztlich der Grund des ewigen Herunterbetens der Missetaten vergangener totalitärer Regime: die real existierende, parlamentarische Demokratie in einem helleren Licht erscheinen zu lassen, weil es sonst zunehmend an eigener Strahlkraft mangelt. Womit sich sogleich die Gretchenfrage unserer Zeit anschließt: wie halten wir es mit dieser Demokratie, welche die Völker Kern-Europas einer existenziellen Katastrophe entgegen führt?

Richard Coudenhove-Kalergi schrieb 1925:
“Heute ist Demokratie Fassade der Plutokratie: weil die Völker nackte Plutokratie nicht dulden würden, wird ihnen die nominelle Macht überlassen, während die faktische Macht in den Händen der Plutokraten ruht“
(Quelle: Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi – „Praktischer Idealismus“; Wien/Leipzig 1925; S.39)

Das war 1925, heute ist das natürlich ganz anders …

Nun, die Frage wird jeder für sich beantworten und viele von der Union enttäuschte Konservative sehen die Lösung der Probleme in einer neuen CDU, der AFD, die alt-bundesrepublikanische Verhältnisse wiederherstellt, garniert mit Volksentscheiden gemäß dem hochgelobten Schweizer Vorbild. Beim letzteren genügt es, sich die Zusammensetzung der Schweizer Fußballnationalmannschaft zu vergegenwärtigen oder nach Bildern von Grundschulklassen Schweizer Großstädte zu „googeln“.

Zitat von Thomas Martini:
Außenministerin von Lesley Stahl in der nationalen Fernsehsendung "60 Minutes" gefragt, ob die Sanktionen den Tod von einer halben Million Kindern wert seien. Madeleine Albright sagte: "Der Preis ist es wert."

Dies war Ende der 1990er Jahre und man führe sich einfach mal diese Kaltblütigkeit vor Augen mit der der Tod, das Krepieren von 500.000 Kindern von der US-Außenministerin lapidar kommentiert wird.

Eine US-Whistleblowerin (Ex-CIA-Mitarbeiterin) sprach später davon, dass noch viel mehr Kinder/Jugendliche aufgrund der Sanktionen gestorben seien aber die UN letztlich überzeugt wurde, nicht mehr weiter zu zählen.

Und schließlich die Zerschlagung Libyens vom „demokratischen Westen“, die einen weiteren „failed state“ hinterließ und den Migrationsdruck auf Europa abermals erhöhte. Ein Nebeneffekt?

Cacatum non est pictum

2. Oktober 2018 00:55

@Valjean72

"...

... garniert mit Volksentscheiden gemäß dem hochgelobten Schweizer Vorbild. Beim letzteren genügt es, sich die Zusammensetzung der Schweizer Fußballnationalmannschaft zu vergegenwärtigen oder nach Bildern von Grundschulklassen Schweizer Großstädte zu 'googeln'."

Sie haben - wie sooft - recht. Im Hinblick auf die schweizerischen Grundschulen habe ich soeben die Probe aufs Exempel gemacht. Erstaunlich! Das ist aber eigentlich nur ein Beleg dafür, daß Systemfragen für die politische Wirklichkeit von geringer Relevanz sind: parlamentarische oder direkte Demokratie, Monarchie oder Diktatur - da geht es um Verfahrenswege und Verteilung von politischem Einfluß. Das ist nicht unbedeutend, wird aber weithin überschätzt. Alle Herrschaftsformen können katastrophale Resultate zeitigen, wie wir wissen. Viel wichtiger ist die materielle Frage: die der geistigen Haltung eines Volkes (als politisches Subjekt). Wer in Dekadenz schwelgt und keinen Selbstbehauptungswillen aufbringt, den kann auf Dauer das stabilste System nicht retten.

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