Da lachen sie, lächeln, grinsen. Entspannt (2 ×), angespannt (1 ×), verspannt (1 ×). Wir sehen von links nach rechts: Elke Ferner, Heiko Maas, Andrea Nahles, Barbara Hendricks. Frau Ferner ist (gemäß eigener Netzseite) »unsere Kraft in Berlin«. In die Waagschale wirft sie dies: Sie ist Staatssekretärin bei der Bundesfamilienministerin und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen. Ferner ist 58 Jahre alt, kinderlos, ausgebildete EDV- Kauffrau.
Die Papstrede im Bundestag (Ratzinger 2011) hatte sie boykottiert. Von der dazu passenden Körperhaltung hat sie, wie man hier überdeutlich sieht, seither nicht gelassen. Bedeut- sam mag scheinen, daß Frau Ferner die Arme nicht »einfach so« verschränkt, sondern daß sie dies in Überbrusthöhe tut. Das ergibt eine herr- schaftliche, fast bockige Geste. Dazu paßt die Abwendung des Blickes von der Gruppe, optimistisch und siegessicher in die, nomen est omen, Ferne gerichtet.
Zugute halten müssen wir, daß der mutmaßlich störrische Impetus aus simp- len physiologischen Gründen herrührt, hier aus dem Verhältnis zwischen Armlänge und Thoraxbreite. Vielleicht trügt auch diese Vermutung: Einer Psycho-Netzseite (für den Hausgebrauch) entnehme ich: »Oftmals denken wir, daß eine Person, die die Arme vor uns verschränkt, nicht mit dem was wir denken oder sagen einverstanden ist. Doch manchmal ist die einfachste Erklärung die richtige: uns ist schlichtweg kalt.« Dazu paßt, daß Frau Ferner sich ein Halstuch umgewickelt hat. Und der Abstand, den sowohl die Ferner als auch die gegenseitige Dame zum coolen Herrn in ihrer Mitte halten. Umgibt ihn eine Eiseskälte? Die ausstrahlt?
Dieser kühle Mann ist Heiko Maas. Bundesjustizminister, 50 Jahre alt, katholisch, von der Ehefrau getrennt, zwei Kinder, liiert mit einer bekannten Schauspielerin. Die Maassche Haltung mutet ein wenig astronautisch an. Es wirkt, als würde die Erdanziehungskraft – vulgo: Bodenhaftung – hier nicht vollends greifen. Mißtrauischer, alerter Seitenblick. Die zweite Frau, die sich mit souveräner Geste (hier: lachend) ab- wendet vom mußmaßlichen Schwebeeisbrocken Maas, ist Andrea Nahles. Frau Nahles ist 46, Bundesarbeits- und Sozialministerin. Ein Kind, schwerbehindert (Hüftleiden), getrenntlebend, Katholikin wie Maas.
In ihrer Abiturzeitung soll Frau Nahles bezüglich ihres Berufswunsches geäußert haben: »Hausfrau. Oder Bundeskanzlerin.« Wer würde negieren, daß sie sich in die un- übersichtliche Gemengelage dazwischen gut ein- gepaßt hat? Barbara Hendricks hingegen, mit dem gewohnt heiteren Loriot-Gesichtsausdruck, wenngleich augenscheinlich ebenfalls leicht fröstelnd, ist Bundesumweltministerin. 64 Jahre alt, lebt in eingetragener Partnerschaft mit einer Frau. Katholisch und kinderlos.
Was verbindet diese offenkundig unter- schiedlich gelaunten Leute, was trennt sie?
Verbindend: Sie sind allesamt, wie man frü- her gern sagte, Espe Ditter. Diese Benamsung ist heute so unpopulär, daß Google sie kaum findet. Als SPDitter werden (gerade in katholischen Gefilden) Leute tituliert, die sich per Parteibuch für die Belange der sogenannten kleinen Leute einsetzen, für soziale Gerechtigkeit, für irgend- wie linke Ideale. Weiter zum Verbindenden: Alle vier sind Hosenträger. Alle sind mehr oder weniger pragmatisch frisiert. Selbst das Halblang- haar von Frau Nahles zeigt sich unprätentiös gestaltet, ein Vergleich mit – nur beispielsweise – der Urlinken Olympe de Gouges erübrigt sich.
Ganz wichtig erscheint mir in diesem Kontext der Gleichheitsfreunde: die lokale Herkunft, die hier nur subkutan spürbar ist! Es existiert wohl kaum ein Photo, das Bundespolitiker zeigt, die eine westlichere Herkunft zeigen als diese Viererbande. Frau Hendricks repräsentiert das Äußerste, geboren in Kleve, Längengrad 6,1. Da- zwischen Herr Maas (Saarlouis, 6,7). Am »öst- lichen Ende« finden wir Frau Ferner, geboren in der rheinland-pfälzischen Edelsteinstadt Idar- Oberstein, Längengrad 7,3. Dresden, Görlitz, Zittau beispielweise finden sich auf den Längen- graden 13,8 bis 15: Viel Volk und Raum liegen zwischen dem bundesdeutschen Osten und eben diesen prominenten Volksvertretern. Vom Betrachter einer Landkarte aus gesehen: Die vier kommen von weit links.
Zum Trennenden: Ausgerechnet dem Mann, diesem Hahn-im-Korb des Bildes, ist die Bodenständigkeit abhanden gekommen. Resolut und entschieden stehen hingegen die SPDitterinnen da: mal lässig mit Standbein/ Spielbein, mal deutscheeichestämmig wie Frau Ferner. Die Ladies halten die Arme verschränkt, was (las- sen wir mal die Fröstel-Hypothese beiseite) den beinmäßig vorgegebenen Eindruck verstärkt: Ich! Mir! Mich! Frau Ferner (mit hochgerecktem Kinn und türsteherartiger Armballung) treibt die Mir-kann-keiner-Geste zur Vollendung: Napoleona! Lässig, managerhaft und machtbewußt hingegen Hendricks und Nahles. Klar, daß destabilisierendes Schuhwerk (High-Heels, was jenseits des elften Längengrads »Hackenschuhe« heißt) hier unbotmäßig wirkten!
Das Photo wäre perfekt für die uralte Stern- Kolumne »Luftblasen – Prominenten in den Mund geschoben«. Dort – man befindet sich habituell auf mittlerem Niveau – würde Herr Maas sagen: »Hoppla! Bißchen Luft entfleucht. Merkt hoffentlich keiner. Und auf’s Steißbein, aua, ging der Hopser auch …« Frau Ferner würde die Nase rümpfen: »Bäh … Aber Kopf hoch! Die Lufthoheit über Kinderbetten haben wir schon, und wir werden siegen!« Derweil Nahles/ Hendricks einen frauensolidarischen Witz über peinliche kleine Männer äußern, der auf die fröhliche Pointe »… viel Rauch um nichts!« endet. Aber was für ein Niveau wäre das denn? Bodenlos!
Ich möchte hingegen weiter auf Herrn Maas eingehen. Der Mann ist zur Haßfigur geworden, aber wie jede Medaille hat auch diese zwei Seiten. Maas, der hier so sichtlich verunsichert die Beine baumeln, die Rockschöße flattern läßt und die Fingerchen spreizt, dabei die Lippen spannt, als ginge es gleich ans Eingemachte, jener Minister, den manche als »Maas-Männchen« brandmarken und höhnen: »Maas macht mobil!«, hat durchaus seine Meriten! Was für eine Steigerung der Lobpreise! 2014 wurde ihm der Israel-Jacobson-Preis der Union Progressiver Juden verliehen, 2015 die »Gabe der Erinnerung« des Internationalen Auschwitz Komitees und 2016 gar die Auszeichnung für den »bestangezogenen Mann«, verliehen und verkündet von der tonangebenden Männerzeitschrift Gentlemen’s Quartely.
Nun wurde auf einschlägigen Netzseiten viel schwadroniert über eine angeblich augenfällige Parallelität der Gesichtsanatomie von Heiko Maas zu der von Adolf Eichmann. Ich habe diesen Fingerzeig jahrelang für eine Unverschämtheit gehalten und auf eine Gegenüberstellung verzichtet. Nun: Ich hab’s getan. Die Ähnlichkeit – Frisur/ Jochbogen/ Mundspannung/ Brille – ist frappierend. Nein, das ist, bitte, kein Lookism! Keine Diskriminierung qua Äußerlichkeit! Neben Eichmann hätten wir keine anzugtragenden Ladies im Siegergestus gefunden.
»Hatespeech« ist das maasgeschneiderte Codewort. Herr Maas hat sich der »Haßsprache« in zweierlei Hinsicht angenommen: erstens, um »Haßredner« zu dechiffrieren, zu stigmatisieren und strafrechtlich zu verfolgen; zweitens, um sie selbst (als Lingua Imperii Merkelae) zu praktizieren. Etwa, indem er Asylkritiker als »unterirdisch« und als »Schande für Deutschland« titulierte. Hannah Arendt über den Eichmann-Prozeß: »Es konnte jeder sehen, daß dieser Mann kein ›Ungeheuer‹ war, aber es war in der Tat sehr schwierig, sich des Verdachts zu erwehren, daß man es mit einem Hanswurst zu tun hatte.« Völlig losgelöst.