Die Reaktionen der Regierungsstellen wie auch der deutschen Medien auf die islamistischen Anschläge vom Juli dieses Jahres waren Offenbarungen. Sie zeigten den Unwillen, nach der Herausforderung durch den Islamischen Staat (IS) – die teilweise rundheraus bestritten wurde – genuin politisch zu handeln. Diese Haltung der Schwäche hat logischerweise keinen Bestand: Die Pflicht zum Politischen verschwindet nicht dadurch, daß man sie ignoriert. Es offenbart sich also die völlige Verkennung der Lage auf der Führungsebene unseres Staates – die Verkennung des faktischen Kriegszustands mit einem politischen Akteur neuen Typs, auf den die »westliche Welt« nicht vorbereitet zu sein scheint.
Tatsächlich besteht eine Tiefenanalyse der Problematik bereits seit bald 30 Jahren. In der Oktoberausgabe 1989 der amerikanischen Marine Corps Gazette erschien pünktlich zum beginnenden Zusammenbruch des Ostblocks ein Artikel, den der (zivile) Militärtheoretiker William Lind zusammen mit Stabsoffizieren der US-Armee und des Marine Corps verfaßt hatte. Inspiriert von Schriften des Generalleutnants der Bundeswehr und Militärhistorikers Franz Uhle-Wettler und unter dem Eindruck technologischer Quantensprünge postulierten die Autoren, daß die Aufgabe des Soldaten in Friedenszeiten darin bestehe, sich bestmöglich auf den nächsten Krieg vorzubereiten – und dies erfordere ein gründliches Umdenken in Sicherheitspolitik wie Militär.
Der Artikel entwickelte ein in einander überlappende Generations of warfare (GW) aufgeteiltes Modell der modernen Kriegführung. Ausgangspunkt war dabei der Westfälische Friede von 1648, der das staatliche Monopol auf den Krieg etabliert und diesen dadurch von einer diffusen, meist von Söldnern ausgetragenen Fehde zwischen Familien oder Städten zu einem genuin politischen Instrument gemacht hatte. Die dieser Zeit gemäße erste Generation der Kriegführung (1GW) war von der Taktik der Linieninfanterie gekennzeichnet, die mit ineffizienten Musketen ausgerüstet war und sehr geordnet, wenngleich langsam, manövrierte. Dieses Vorgehen erforderte strengsten Drill und klare Hierarchie, war aber stellenweise auch ideologisch motiviert, besonders in den Kolonnen der französischen Revolutionsarmee, die Bürger neben Bürger stellte.
2GW setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein, als die Einführung von Hinterladern mit gezogenen Läufen und Maschinengewehren sowie insbesondere der neuentwickelte Stacheldraht die Linienformationen der Heere zu Todesfallen werden ließen.