Der Angriff des Politischen

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Wie aber könn­ten sol­che Kon­se­quen­zen aus­se­hen? Im Jahr 2016 sieht sich Deutsch­land mit einem zen­tral orga­ni­sier­ten, inter­na­tio­nal ope­rie­ren­den Feind kon­fron­tiert, der die inne­ren Wider­sprü­che der libe­ra­len Frei­heits- und Men­schen­rechts­ideo­lo­gie kennt und weid­lich aus­nutzt. Wie die hys­te­ri­schen Reak­tio­nen auf die Anschlä­ge im Juli gezeigt haben, ste­hen die Ent­schei­dungs­trä­ger der Bedro­hungs­la­ge ahnungs- und hilf­los gegen­über: Die eil­fer­ti­gen Bekannt­ma­chun­gen, die Atten­tä­ter hät­ten kei­ner­lei IS-Ver­bin­dun­gen, berück­sich­ti­gen weder die längst bekann­te, von al-Adna­ni pro­kla­mier­te »Einsamer-Wolf«-Strategie der Isla­mis­ten noch das Wesen des IS an sich, in des­sen Namen und Sin­ne sehr wohl auch Sym­pa­thi­san­ten ohne »Mit­glieds­aus­weis« oder Füh­rungs­of­fi­zier agieren.

Die pazi­fi­zier­te und pazi­fi­zie­ren­de Bun­des­re­pu­blik, die allem »har­ten« Vor­ge­hen schein­bar abge­schwo­ren hat, stößt hier an ihre ope­ra­ti­ven Gren­zen, denn das Pro­blem ist nicht auf behörd­li­chem – also poli­zei­li­chem – Wege zu lösen. Die Bedro­hung ist kei­ne kri­mi­nel­le, son­dern eine exis­ten­ti­el­le, und zwingt damit zu genu­in poli­ti­schem Han­deln, also einer Feind­be­stim­mung und Klä­rung der Machtverhältnisse.

Eine dezi­diert poli­ti­sche Ant­wort könn­te als Sofort­maß­nah­men die sofor­ti­ge Grenz­schlie­ßung und Aus­wei­sung aller ille­gal ein­ge­wan­der­ten Per­so­nen beinhal­ten. Wei­ter­hin sind umfas­sen­de Maß­nah­men gegen »Rück­keh­rer« sowie Sym­pa­thi­san­ten des IS bis hin zu Paß­en­t­zug und Inhaf­tie­rung auf Grund­la­ge der §§ 89a und 109h StGB denk­bar; Prä­ze­denz­fäl­le lie­gen bereits vor. Ein ähn­li­ches Vor­ge­hen könn­te auch auf gesamt­eu­ro­päi­scher Ebe­ne eine Opti­on sein, sofern die inef­fi­zi­en­ten und schlech­t­or­ga­ni­sier­ten Insti­tu­tio­nen der EU – allen vor­an Fron­tex – von einer rei­nen Ver­wal­tungs­funk­ti­on Abstand näh­men. Men­schen­rechts- und Reli­gi­ons­frei­heits­pro­sa haben in der Sphä­re des tat­säch­lich Poli­ti­schen kei­nen Platz, wo es in einer laten­ten Kriegs­la­ge neu­en Typs um Sein oder Nicht­sein geht.

Daß die der­zei­ti­ge Bun­des­re­gie­rung sol­chen Ent­schei­dun­gen gewach­sen ist, darf ernst­lich bezwei­felt wer­den – man den­ke an den »Skan­dal« um das Ein­tre­ten des Staats­recht­lers Otto Depen­heu­er für die Not­wen­dig­kei­ten staat­li­cher Selbst­be­haup­tung im Rah­men der Debat­te um das Luft­si­cher­heits­ge­setz 2007.

Mit­tel­fris­tig auf dem Spiel steht der inne­re Frie­de; auf­grund der damit untrenn­bar ver­bun­de­nen Legi­ti­mi­täts­fra­ge lang­fris­tig nichts weni­ger als die Exis­tenz des deut­schen Staa­tes. Ob der Wil­le zur Selbst­be­haup­tung vor­han­den ist, ist eine von Legis­la­tur­pe­ri­oden unab­hän­gi­ge Ent­schei­dung, die sich nicht auf­schie­ben läßt. Die Bedeu­tung ihres Ergeb­nis­ses läßt sich – in Anleh­nung an Schmitts Begriff des Poli­ti­schen – wie folgt formulieren:

»Dadurch, daß ein Volk nicht wil­lens oder in der Lage ist, poli­tisch zu han­deln, bleibt die­sem Volk die Poli­tik nicht erspart. Sie wird nur von ande­ren bestimmt werden.«

Nils Wegner

Nils Wegner ist studierter Historiker, lektorierte 2015–2017 bei Antaios, IfS und Sezession und arbeitet als Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)