Ich kann die Antifa nicht wirklich ernst nehmen. Eine Gruppe, die das »Anti« im Namen trägt und sich daher aus dem »Dagegen« definiert, wirkt auf mich immer erbärmlich. Es ist die Perspektivlosigkeit, das letzte und verzweifelte Ideologie- Minimum einer einst gewaltigen ideengeschichtlichen Kraft, das aus diesem »Anti« spricht. Das politische Projekt der Linken ist tot. Der Anspruch auf eine wirklich linke Staatspolitik ist längst ad acta gelegt. Die Linke übernimmt im von ihr so heiß gehaßten Liberalismus die Rolle des moralischen Feigenblatts und geistigen Kammerjägers. Ihre politische Theorie ist am Ende. Ihre Geschichtsphilosophie greift nicht mehr. In der Vergangenheit liegen nur Zusammenbrüche, die Gegenwart wird nicht verstanden und vor der Zukunft hat man Angst.
»Daß Auschwitz sich nicht wiederhole« ist der letzte Imperativ einer ideen‑, strategie- und visionslosen Selbsthilfegruppe. Wenn sie nicht vorhanden sind, werden die Hitler-Wiedergänger einfach erfunden. Dieser allgegenwärtige und tatsächlich lebensbedrohliche Nazivorwurf wirkt nun wie ein Katalysator auf die rechte Theoriebildung. Es waren die Attacken der Antifa, ihr ständiger Druck, die aus dem Flickwerk nationaler Gruppen, aus den Überresten des europäischen Faschismus und Nationalismus die Gründung einer Neuen Rechten hervortreiben mußten. Diese ist, wenn sie wirklich neu und wahrhaftig, das heißt von der Seinsfrage angesprochen ist, immer auf dem Weg zu einer vierten politischen Theorie. Sie ist notwendig von der »linken«, aber auch von der »liberalen« Kritik beeinflußt, hat sie aufgesogen, umgewandelt und stimmig gemacht.
Und so führten die geistige Anstrengung und die aufrichtige Suche beim Versuch einer Neuergründung und Neuformulierung nationaler Identität jenseits der obigen Vorwürfe notwendig zu einer radikalen Kritik der Moderne. Diese Kritik geht über die verkürzte und verblendete Modernekritik des NS und des Faschismus hinaus. Sie muß zuletzt auch in den geistigen Vorläufern der realexistierenden Nationalismen und Faschismen mit Heidegger die Machenschaft, den Nihilismus und neuzeitlichen Subjektivismus orten und kritisieren. Man muß, wie der Denker sagte, auch gelegentlich »unbarmherzig gegen die Traditionen« sein.
Blickt man nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte zurück, so erkennt man die Rollen und Aufgaben von Liberalismus, Sozialismus und Nationalismus in der Moderne. Den großen Anspruch, die untergegangene christliche Glaubenswelt durch eine politische Religion zu ersetzen, hat letztlich keine politische Theorie eingelöst, und wer heute aktiv eine politische Entscheidung sucht, wird sich nicht mehr wohlüberlegt in die Tradition einer dieser großen ideologischen Entwürfe stellen können.
Die Antifa, die letztlich – gerade in ihrer antideutschen Prägung – nichts anderes ist als der verselbständigte Selbstekel des »Volksgeistes«, hat die wichtige Aufgabe, die kritischen Geister aus der stickigen Zwischenwelt der Postmoderne wieder in die Ideengeschichte zurückzutreiben. Daß diese kritischen Geister sich heute notwendig im »rechten« Lager finden, sich dort in »neurechten« Kreisen sammeln, von denen aus sie auf die Suche nach sich selbst gehen, ist der geistesgeschichtlichen Lage geschuldet.
Als Menetekel und Hürde, als Prüfstein und Gegner ist sie, auf geistiger Ebene weit mehr als auf der Straße, eine fruchtbare intellektuelle Herausforderung. Der Tag ihrer Verwindung wird der sein, an dem es uns, den »Neurechten«, gelingt, eine neue bewegende Vision zu finden, die nicht nur die bereits Erreichten und Überzeugten, sondern auch die Gewohnheitslinken, am Ende eben unser ganzes Volk, ins Mark trifft und da- mit der Antifa jede Unterstützung entzieht.
Die Unterstützung, die sie im linksintellektuellen Lager hat, der Ekel der Jakob Augsteins vor und der Haß gegenüber dem eigenen Volk ist nicht nur ein neuartiges, pathologisches Phänomen. Er hat ein gewisses geschichtliches Herkommen und vielleicht sogar den Kern einer Berechtigung. Er ist vielleicht eine ideologisch entfremdete Entartung der bitteren Worte Hölderlins und Nietzsches über »ihre« Deutschen. Was würden die Dichter heute sagen, wenn sie ihre Deutschen in all ihrer Dekadenz, Traditionsvergessenheit, in ihrem sinn- und ziellosen Dasein sehen könnten?
Ich möchte der Antifa herzlich danken: Sie war die scharfe Peitsche, die mich und andere aus der geistigen Trägheit einer Szene getrieben und uns zu einer Bewegung gemacht hat, die sich den Herausforderungen der Zeit stellt.
Unser Volk und die Völker Europas kranken an etwas Tieferem, das letztlich auch den Beweggrund aller linken Straßenaktivisten ausmacht, denen ich mich immer verbundener fühlte als linksliberalen Maulhelden: Es sind der Nihilismus und die Frage nach einem sinnvollen und guten und gerechten Leben in einer Welt, die nicht mehr dieselbe wie vor 100 Jahren ist. Wo der raumvergessene linke Universalismus mit seiner neurotischen Ausblendung nicht auf das Erwachen der Kulturen und Identitäten reagieren kann, verfehlt die Alte Rechte mit Nationalismus und/ oder Biologismus das, was als ethnokulturelle Identität überepochal auch das »Nationale« ausmacht.
Die eigentliche Frage nach dem Telos und nach einem Lebenssinn beantworten die Linken mit einer in der Realität kraft- und farblos gewordenen One-World-Utopie, die nur mehr in den Kindergarten-Malbüchern bunt ist. Die altrechten Nationalisten kennen hier nur einen dumpfen Darwinismus, die »Lebensweitergabe um des Lebens willen«, welche niemals in der gesamten bekannten Geschichte einem Volk den notwendigen Antrieb zum Daseinserhalt gab.
Auch die dritte und vielleicht wichtigste Frage in der heutigen hypermoralischen Gesellschaft, die Frage nach dem »richtigen Leben«, wird von beiden falsch beantwortet. Die Linken predigen einen widersprüchlichen moralischen Universalismus, der heute an seiner verantwortungslosen Grenzenlosigkeit zerbricht und als einzigen Antrieb den pathologischen Schuldkult kennt.
Die Altrechten und Nationalisten wollen eine Rückkehr zum engen Horizont einer tribalistischen Ethik und verkennen dabei, daß wir in einer Epoche leben, in der unumkehrbare Informationsfortschritte und technische Möglichkeiten eine gesellschaftliche Gleichgültigkeit für den Rest der Welt ausschließen. Am Ende steht hinter beiden Ideologien der neuzeitliche Subjektivismus, dessen Brille jede Daseinsfrage nach
Herkunft, Gemeinschaft, Solidarität, Menschlichkeit, persönlicher Freiheit und Endlichkeit ideologisch verzerrt.
Als ich erfuhr, daß die Präsidentschaftswahl in Österreich wiederholt werden soll, war ich zuerst euphorisch und in Eroberungsstimmung. Langsam wurde mir aber wieder eine Sache bewußt: Egal, wer gewinnt, das Land bleibt gespalten. Die Hofer-Wähler und die Bellen-Wähler werden einander nicht loswerden. Wir werden miteinander leben müssen. Wir werden mit ihnen leben müssen. Ja mehr: Wir werden sie aus ihrer eigenen geistigen Einbunkerung retten müssen! Sie hatten ihr ’68. Jetzt ist der Ball bei uns.
Wer sind wir und was wollen wir? Natürlich führt die Zuspitzung, die Europa heute erlebt, auch zu einer Stärkung der Alten Rechten und ihrer nationalistischen, tribalistischen und chauvinistischen Ideologie. Wenn unsere Länder überschwemmt und islamisiert, unsere Frauen und Töchter vergewaltigt werden und unsere Volkswirtschaften zusammenbrechen, ist das Klima für ein nationalistisch-rassistisches Revival denkbar günstig.
Doch es ist klar, daß auch ein Nationalismus redivivus niemals das ganze Volk hinter sich sammeln, niemals die Studenten, die Kulturszene, die Journalisten etc. für sich gewinnen könnte. Der Grund dafür ist eben nicht nur »Umerziehung«, sondern die ideengeschichtlich bedeutende Rolle der Kritik, die sie vertreten. Sie sind damit notwendig Komparsen und Korrektive, nicht aber die Akteure einer Veränderung. Diese kann nur entstehen, wenn der Druck und die Wut der materiellen Verschärfung der Lage in einer geistigen Verschärfung gesammelt werden. Eine geistige Verschärfung, die von der taktisch-strategischen Ebene auch auf die weltanschaulich-philosophische umschlägt.
Die deutschen und französischen Neuen Rechten und vielleicht insbesondere wir in Österreich haben hier eine ausgezeichnete Aufgabe. Als Erben des extremsten Nationalismus, als Enkel derjenigen, die alles auf die Spitze getrieben haben, stehen wir in einem besonderen historischen Gefüge. Wir sind Erben einer seltsamen Tradition aus Geist und Barbarei, Archaischem und Modernem. Unsere Vorfahren haben Unvorstellbares erlitten und unvorstellbar leiden lassen. Sie haben nie Dagewesenes geleistet und sich nie Dagewesenes geleistet.
Hoffnungen und Träume, Verrat und Enttäuschungen – wir leben in den Nachwehen einer emotionalen Eruption, die eine gewisse generative Lethargie und Antriebslosigkeit der Nachkommen durchaus rechtfertigt. Aber wir müssen uns erneut stellen. Unsere Flucht in die Geschichtslosigkeit endete im Jahr 2015, als die Geschichte in Form der Refugees in unser Land »flüchtete«. Anders als der englischsprachige Raum, dessen rechte Intelligenz fast ausschließlich in den altrechten Mustern des White nationalism auf die Lage reagiert, und die slawischen Völker, denen man einen postsowjetischen Revanche-Nationalismus nicht vorwerfen kann, sind wir diejenigen, die aus dem ganzen Wahnsinn der aufgestauten Emotionen, Wünsche und Abgründe, der endlosen Langeweile und Sehnsucht nach einem Ereignis einen neuen Mythos erfahren können, in dem sich erst eine neue Thymosspannung bilden kann.
Dieser Mythos muß als Erzählung an unsere geistige Tradition anknüpfen, die Geschichte in ihren Höhen und Tiefen, Herrlichkeiten und Verbrechen annehmen und sich in der denkerischen Höhe jener befinden, deren Metaphysik (d. h. Welt- und Menschenbild) heute global geworden ist: Kant, Hegel, Nietzsche, Freud und Marx.
Das alles erschließt und eröffnet sich uns nur über den größten Denker der Moderne, Martin Heidegger. Peter Trawny bemerkte bei einem Vortrag, daß in Heideggers Denkweg die Gefahr des Philosophischen, sein Selbstverrat an die Ideologie lebe. Was auch sonst? Abenteuerliches Denken kennt keine Tabus und muß sich auch der Gefahr des Irrtums aussetzen. Alles andere mündet in der geistigen Entropie eines kritischen Rationalismus und einer erstickenden, politisch korrekten Sozialtechnik.
Wir selbst kommen doch geschichtlich gesehen aus dieser »Irre«, und das spannende Chaos, das wir aus ihr mitbringen, ist vielleicht das letzte, was das Abendland wieder in Bewegung setzen könnte. Eine Bewegung, die zu einer Besinnung führt, die Machenschaft beendet, statt sie als »Jude« oder »Nazi« personalisiert »vernichten« zu wollen, und – ja, so weit gehe ich – ein menschenwürdiges Leben für alle anstrebt, ohne dabei den Weltstaat und die Lüge Menschheit zu propagieren. Letztlich keine perfekte und befriedete Welt, aber eine, in der man »ohne Angst verschieden sein kann«.
All diese Ideen und Visionen gären derzeit in einigen Wenigen, von denen sich die meisten in der Identitären Bewegung sammeln. Die haben noch nicht zum Begriff gefunden. Auch die IB ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluß, sondern eine Leitersprosse. Ich weiß nur, daß es, flüchtig und verborgen, eine uneingelöste und hochtrabende europäische Sehnsucht gibt, deren »Aufenthaltswahrscheinlichkeit« heute im neurechten Lager am höchsten ist. Ihre Umsetzung in Taten, Bilder und Worte wird sich gegen den Prüfstein der Antifa durchsetzen.
Wie Walter Benjamin im Einklang mit Nietzsche erkennt, ist es notwendig, daß diese ersten Schritte unzeitgemäß, lächerlich und absurd erscheinen. Sie sind nämlich das »ganz Andere« zum gewohnten Einerlei. Nur eine gesunde Prise Ironie und eine gewisse Unschärfe und Ablehnung der endgültigen Systematik, eine gewisse Unordentlichkeit sind vielleicht zu dieser Aufklärung über die Endlichkeit der Aufklärung in der Lage. Darin kommt vielleicht den traditionell unphilosophischen, unsystematischen und schlampigen Österreichern und ihrer Vereinigung von barocker Geistigkeit und östlicher Ungeformtheit eine besondere Rolle zu.
All diese Gedanken und Ideen verführen, überfallen mich immer dann, wenn ich sie nicht durch konkreten Aktivismus bändigen kann. Am Ende sind es jedoch Fragen, die nicht nur rein denkerisch beantwortet werden können. Hugo von Hofmannsthal, der Stifter des Begriffs »konservative Revolution«, der in der IBÖ gerade wiederentdeckt wird, sagt: »Der Glaube an Europa ist das geistige Fundament unseres geistigen Daseins. Ihn mit deutlichen Worten zu verleugnen, hätte niemand den Mut, so kommt alles darauf an, daß er durch aufbauende Taten immer wieder bekannt werde.«
Da ich und andere diesen Taten treu bleiben werden, werden wir der Antifa auch weiterhin auf der Straße begegnen. Es kommt aber darauf an, daß wir ihr auch geistig begegnen und uns mit ihr auseinandersetzen. In dieser Begegnung gilt es, tiefer zu sehen als sie und sich trotz aller Niedrigkeit und Bosheit nicht auf ihr Spiel einzulassen, bis zuletzt die Offenheit und Gesprächsbereitschaft zu bewahren. Denn sie ist ein Teil von uns. Drieu la Rochelle schrieb, kurz bevor er sein eigenes Leben beendete, dies: »Ihr werdet mir nicht entkommen, ich werde euch nicht entkommen.« So ist es, Antifa.