Am 28. Januar 2016 sitzt Jim Palmer, CEO von Campbell Edward, einer großen amerikanischen Werbeagentur, an seinem Schreibtisch und fühlt sich erstmals in seiner beeindruckenden Karriere machtlos. Bereits am nächsten Tag wird er arbeitslos sein. War Jim Palmer ein mächtiger Mann? Wirtschaftlich betrachtet: ja. Er war einflußreich, glaubte an die Macht des Geldes und verachtete wahrscheinlich die »unproduktiven« Ideologen und Geisteswissenschaftler an den Unis. Doch an diesem Tag zeigte ihm genau diese Gruppe, was Macht sei: Es war die eMail-Einladung zu einer Kostümparty, versandt von einem engen Mitarbeiter, die Palmer zu Fall brachte. Das Thema der Party hieß »Ghetto-Life«, und das Design spielte mit jenen Gangster-Stereotypen, die von Schwarzen selbst gerne in Rap- Videos verbreitet werden.
Palmer bearbeitete diese Einladung nicht mit der angemessenen »Sensibilität«, das heißt: Er verurteilte sie nicht scharf, brachte den Fall nicht an die Öffentlichkeit und entließ seinen Mitarbeiter nicht. Die Einladungsmail sowie Palmers Versäumnis wurden öffentlich. Das reichte, um die gesamte Macht Palmers zu zerstören. Die »antirassistische Agenda«, die wirtschaftlich unbedeutende Social justice warriors in häßlichen Hörsälen ausgebrütet hatten, konnte die Karriere eines Wirtschaftskapitäns in Augenblicken beenden. Ein Entrüstungssturm in den linken Medien – schon fürchteten Palmers Stakeholder um ihr Geld. Seine Verdienste galten nichts mehr, er mußte gehen.
Mit Max Weber gesprochen, bedeutet Macht »jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht«. Es gibt verschiedenste Grundlagen für Macht – von sozialem Druck über vertragliche Einigung bis hin zum staatlichen Oberbefehl. Das Beispiel Jim Palmers zeigt: Auch die größte ökonomische Macht besteht nur im Rahmen der und bei stiller Duldung durch die metapolitische Macht. Die kulturelle Hegemonie, das ist für mich der Ausgangspunkt jeder ernsthaften Analyse, ist das Zentrum der politischen Macht.
Kein Netzwerk und Vermögen kann so groß sein, daß es einen Ver- stoß gegen das moralische Regelwerk ermöglicht. Der metapolitische Canossagang Heinrichs IV., der gegen die damalige »kulturelle« Hegemonie aufbegehrte, findet heute tagtäglich statt. Die Hypermoral des Westens hat dies zur Tagesordnung gemacht. Der Rahmen des Sagbaren ist schnei- dend eng, eine machtvolle »Priesterherrschaft« der multikulturellen Intelligenzija führt die scheinbaren Potentaten am Gängelband. Was Antonio Gramsci in seinem Vergleich mit den westlichen-bürgerlichen Gesellschaften und dem feudalistischen Rußland herausarbeitete, hat sich verschärft. Wir sprechen heute von einem »Infokrieg«. Das Machtzentrum der europäischen Demokratien liegt nicht bei der Armee, der Polizei, dem Staat und auch nicht bei der Wirtschaft. Es liegt in der öffentlichen Meinung. Macht haben diejenigen, die sie in Fernsehsendungen, Zeitungsartikeln, Vorlesungen, Theaterstücken und Popsongs erzeugen.
Es war Alain de Benoist, der in seinem bahnbrechenden Werk die linke Kulturhegemonie als Hauptfeind und die Eroberung derselben als Hauptaufgabe einer Neuen Rechten erkannt hat. Doch was der Neuen Rechten weitgehend fehlte, war eine strategische Handreichung für ihre Aktivisten. Wie »kämpft« man als aktivistische Gruppe am besten in die- sem Infokrieg?
Im August 2015 sitzt ein junger Mann in einer Gefängniszelle in South Carolina und verfaßt auf einem Schreibblock sein »Manifest«. Es ist Dylann Storm Roof. Die Zeilen sind in ungelenker Blockschrift zu Papier gebracht. »We have no skinheads, no real KKK, no one doing anything but talking on the internet. Well someone has to have the bravery to take it to the real world, and I guess that has to be me.« Was der 21jährige »White Nationalist« tat, war ein Amoklauf in einer Kirche in Charleston, bei der neun Schwarze starben.
Dylann wollte mit dieser Tat einen »Rassenkrieg« auslösen. Der Race war und »Tag X«, also eine große jähe Wende, war lange die Sehnsucht nationalistischer Aktivisten. Dieser Äquivalentmythos zum kommunistischen Generalstreik offenbart ein falsches Verständnis von Macht. Sie wird unreflektiert mit Gewalt gleichgesetzt. Fast alle rechtsextremen Gruppen, die nach politischer Macht strebten, waren daher gewalttätig und traten militant auf. Die ganze Bildsprache, das Auftreten und das Selbstverständnis entsprachen dem des Straßenkämpfers und politischen Soldaten.
Diese Idolisierung der offenen und »ehrlichen Gewalt« läßt sich bis auf Georges Sorel zurückführen. Doch dieser Fetisch ist ein schlechter Berater für die politische Strategie von Autorität heute. Hannah Arendt hilft uns, dieses Mißverständnis zu überwinden. Gewalt ist nach Arendt nicht das Substrat der Macht; Gewalt ist eine Defizienzform politischer Herrschaft, die in ihr Vakuum wuchert. Diese zeichnet sich stets durch Autorität und ein gewohnheitsmäßiges und unhinterfragtes Gehorchen aus. Autorität erfordert eine Akzeptanz der Position des Befehlshabers im Rahmen einer größeren gesellschaftlichen Ordnung, die Machthaber und Machtunterworfene gleichermaßen umfaßt.
Die wahre Macht hat daher den Quell der Legitimation bestimmt, aus dem sich auch die Grenzen der »politischen Korrektheit« ergeben. Der Referenzpunkt dieser Korrektheit ist die herrschende Ideologie. Arendts Text, der zur Basislektüre jedes leitenden Aktivisten gehören sollte, zieht auch die richtigen Schlüsse aus dieser Erkenntnis: »Revolution als Folge des bewaffneten Aufstands ist ein Märchen. […] Erst, wenn der Zusammenbruch der Staatsmacht offenkundig ist, beginnen Rebellen, sich zu bewaffnen.«
Gewalt spielt in vielen revolutionären Veränderungen eine Rolle, aber nicht die entscheidende. Nur im Rahmen eines reinen militärischen Szenarios, in der Konfrontation zweier Armeen, zählt primär die Gewalt. Arendt stellt klar: »Die Kluft zwischen staatlichen Gewaltmitteln und dem, womit sich das Volk notfalls bewaffnen kann – von Bierflaschen und Pflastersteinen bis Molotow-Cocktails und Schußwaffen – ist enorm.«
Bewaffnete Verbände, Mobs, Sicherungs- und Schlägertruppen sind immer nur Randfiguren in politischen Konflikten. Wer sich auf diese Methoden beschränkt, erledigt meist nur die »Drecksarbeit« des Regime change, wie das offenbar der ukrainische »Rechte Sektor« tat. Gewalttätige Aktionen führen in der Regel sogar zu einer Festigung eines schwankenden Systems. Tatsächlich muß jeder, der die politische Lage verändern will, mit der Fließrichtung der Macht arbeiten. Identitäre Schulungen zu diesem Thema arbeiten dazu mit einem Diagramm vom »Kreislauf der Macht«.
Der normale Staat herrscht und hat Macht nur aufgrund seiner Legitimation, aus der seine Autorität resultiert. Das Volk akzeptiert diese Ideologie als Wahrheit – und damit die Herrschaft. Machtausübung ohne Legitimation wird von den Regierten als Gewalt und Willkür wahrgenommen. Man muß sie dann mittels Repression zum Gehorsam zwingen, was weiteren Widerstand erzeugt. Geht ihrerseits nun der Widerstand gewalttätig gegen den Staat und seine Organe vor, arbeitet er gegen den Fluß der Macht.
Echte politische Arbeit setzt hingegen als Subversion bei der herrschenden Ideologie an. Fallen nämlich deren Ideen und Begriffe, wird das ideologische Handeln der Herrschenden als illegitim wahrgenommen.
Auf das Heute bezogen: Fällt die Kulturhegemonie des Refugees welcome, werden die Grenzöffnungen, der Asylheim-Bauwahn und die Remigrationsverweigerung als das wahrgenommen, was sie – juristisch betrachtet – bereits sind: Verbrechen. Die Zerschlagung der Multikulti-Ideologie bedeutete das Ende des sanften Totalitarismus, der unsere Rechtsordnung gekapert und den Arm des Gesetzes ausgerenkt hat. Die Schwächung der dominierenden Begriffe und Bilder entlarvt das Handeln der Herrschenden genau dort, wo es nicht mehr Recht und Gesetz schützt, sondern einer Ideologie folgt. Kurz gesagt: Erst wenn sich die öffentliche Meinung zur Masseneinwanderung ändert, werden sich die Gesetze dazu ändern. Erst wenn der ideologische Bunker um die Mainstreammedien gefallen ist, wird eine Festung Europa aufgebaut werden können.
Diese Erkenntnisse stellen uns erneut vor die Frage: »Was tun?« Welches Ziel und welchen Auftrag gibt man jungen Menschen »mit Temperaturerhöhung«, die das brennende Gefühl haben, »etwas« tun zu müssen? Erneut geben uns hier linke Denker Antworten, wie sie auch Alain de Benoist für seine Machtanalyse bei Gramsci fand.
Am 12. Januar 2000 sitzt der linke serbische Aktivist Srdˉa Popovic in seinem Büro und schreibt an einer Rede, die er am Abend vortragen wird. Es ist der serbisch-orthodoxe Neujahrsabend, und seine Bewegung OTPOR hat zu einer Versammlung aufgerufen. Tausende werden kommen. OTPOR begann als eine kleine Gruppe aus verträumten Studenten. Durch gezielte und klug eingesetzte Taktiken der Nonviolent action gelang es ihnen, die Masse zu gewinnen und zu aktivieren. Ihr Ziel ist ein Regime change. Miloševic soll verschwinden. Die Aktivisten werden moralisch und finanziell vom Westen untersttützt, aber die Arbeit vor Ort müssen sie alleine tun.
An diesem Abend wird OTPOR ihre finale Kampagne lancieren. Ein Jahr später ist Miloševic abgesetzt und die politische Wirklichkeit in Serbien eine andere. Gezielt hat OTPOR das Regelwerk der Nonviolence angewandt: »Dispersionstaktiken«, »Laughtivism«, »Anti-Repressionstechniken«, »symbolische Konfrontationen«, »Widerstandsbranding«. Ziel: die Autorität des Regimes zu schwächen und seine gewalttätigen Reaktionen anzuprangern. Mit jeder Aktion wuchsen das Gelächter über die Herrschenden und die Anzahl der OTPOR-Mitstreiter. Die Studenten haben das alles nicht erfunden. Sie hatten ein Handbuch. Es stammt von Gene Sharp.
Sharp gilt als theoretischer Vater der Nonviolent action (NVA). Der Politikwissenschaftler hat Widerstandformen (vom Ruhrkampf über Gandhi und Martin Luther King bis zum »Arabischen Frühling«) kategorisiert, ihre Taktik und ihre Grand strategy strukturiert und eine Art »Anleitung für den Regime change« geschaffen.
Das Konzept der NVA verläuft in zwei Phasen:
- In der »Dispersionsphase« werden über spektakuläre Aktionen, die Aktivisten und Sympathisanten rekrutieren, der Protest »gebranded« und die besten Elemente der Opposition geeint. Sobald die Bewegung kampagenenfähig ist, werden mit größeren »metapolitischen Operationen« gezielt die tragenden Ideen und Begriffe der herrschenden Ideologie untergraben. Es kommt zu Legitimitätsverlust auf der einen und Akten des zivilen Ungehorsams auf der anderen Seite.
- In der »Konzentrationsphase« wird nach einem akuten »Autoritätsvakuum« mit vereinten Kräften ein Platz besetzt, mit der Forderung, daß die Regierung zurücktreten müsse. Über den gesamten Prozeß hinweg gibt es keinerlei Anwendung von Immer müssen die mächtigen Gegner »den ersten Schlag« setzen und werden mit Provokation und Subversion aus der Reserve gelockt.Mit Schützenhilfe des Westens wurde das Verfahren in zahlreichen sogenannten Farbrevolutionen angewandt.
Uns in Westeuropa steht ein sanfter Totalitarismus gegenüber, dessen Herrschaft fast ausschließlich in der öffentlichen Meinung liegt, weswegen unser Kampf vor allem in ihren Medien stattfindet.Die Kernfrage von Popovic und Sharp schließt an die Erkenntnisse von Arendt an: »Wenn du gegen Mike Tyson antreten müßtest, welches Feld würdest du wählen? Den Boxring oder ein Schachbrett?« Das Schlagwort Sharps, das er Ghandi entlehnt, ist die »Nonkooperation«, die »Nichtteilnahme«.Genaugenommen wird die »metapolitische Wirkung« einer Aktion durch ihren »gewaltfreien« Aspekt erzielt. Gezielte Nadelstiche gegen die Nervenstränge der herrschenden Elite sind wirkungsvoller und nachhaltiger als Straßengewalt. Bild und Parole stehen im Vordergrund. Während militantes Vorgehen immer zur strengen Geheimhaltung und der Bildung eines Untergrunds zwingt, ermöglicht das gewaltlose Vorgehen eine Transparenz der eigenen Ziele und ihrer Akteure, was ihre Breitenwirkung und Anschlußfähigkeit massiv steigert.Erica Chenoveth, eine amerikanische Militärstrategin, hat in einer wissenschaftlichen Studie die Erfolge gewaltloser und gewaltsamer Bewegungen verglichen. Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Aufs Ganze gesehen, waren zwischen 1900 und 2006 gewaltlose Gruppen doppelt so häufig erfolgreich wie militante. Chenoveth sieht den Vorteil gewaltfreien Vorgehens in der geringeren Schwelle für die Teilnahme und der dadurch größeren People power. Sie steigt mit der Anzahl der Teilnehmer, welche in die Widerstandsbewegung involviert sind. Wenn drei Prozent der Bevölkerung in die Bewegung ein- und damit aus der herrschenden Ideologie ausgestiegen sind, besteht nach Chenoveths Untersuchungen eine statistische Erfolgschance von rund 80 Prozent.Statt eine jähe Entscheidung am Tag X zu ersehnen, arbeiten die gewaltlosen Aktivisten Schritt für Schritt an einem langfristigen, strategischen Projekt: an der Steigerung und Kultivierung der People power und der Austrocknung der Machtquellen der herrschenden Ideologie. Deren Vertreter wissen das und werden versuchen, mit Repression von oben und linkem Terror von unten Oppositionsbewegungen zu radikalisieren und auf den Pfad der Gewalt zu drängen. Dagegen gibt Gene Sharp als Losung die »gewaltlose Disziplin« vor. Diese erfordert meist mehr Schulung, Willenskraft und Idealismus und ist kein Ausdruck von Schwäche, sondern von Souveränität und Disziplin. Drei Thesen dazu:- Gewaltfreiheit ist nicht gleich Pazifismus. Gewaltloses politisches Vorgehen kann, aber muß nicht Ausgang einer ideologischen Ablehnung jeder Gewalt Es geht ihm um dasselbe wie jedem anderen politischen Handeln: um Machtgewinn.
- Gewaltfreiheit ist erfolgreicher. Gegen den sanften Totalitarismus und die Kulturhegemonie eines hypermoralischen Staats ist gewaltloser Aktivismus nachweisbar die praktikable
- Gewaltfreiheit ist neurechts. Die Idee der »Kulturrevolution von rechts«, mit der Benoist Gramscis metapolitisches Konzept übernahm, führt konsequent zu einer Strategie der gewaltlosen Aktion – Ist die kulturelle Hegemonie als Hauptproblem erkannt, ist ein gewaltloser Infokrieg die logische Konsequenz.
Diese unbedingte Gewaltlosigkeit einer neurechten, aktivistischen Avantgarde ist daher nicht Ausdruck eines weltfremden Pazifismus. Sie will mit zivilem Ungehorsam die »kleine Ordnung« stören, die Diskursregeln der herrschende Ideologie brechen und so den Arm des Gesetzes wieder einrenken. Mit ihren Straßentheatern, symbolischen Okkupationen und ästhetischen Interventionen hat sich die Identitäre Bewegung bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erworben. Es kommt jetzt darauf an, die Dis- persionsphase erfolgreich abzuschließen, kampagnenfähig zu werden und, unbeeindruckt von Kriminalisierungsversuchen und linksextremem Terror, den Weg des gewaltlosen Widerstands einzuhalten.