Einstweilen in die Jahre gekommen, pflegt Hermann Gremliza noch immer das Image eines Schmuddelkindes, mit dem keiner spielen will. Dabei hat der Herausgeber der linksradikalen und tapfer antideutschen Zeitschrift konkret schon von sich aus immer größten Abstand zum journalistischen Mainstream gewahrt und auch seine periodischen Sammlungen von Kolumnen und Glossen bislang stets in seinem kleinen Hausverlag herausgegeben.
Demgegenüber ist sein neues Buch Haupt- und Nebensätze, dessen Titel auf die marxistische Unterscheidung von Haupt- und Nebenwidersprüchen des Kapitalismus anspielt, in der edition suhrkamp erschienen, und es könnte beinahe so scheinen, als habe Gremliza nur die geschliffensten Perlen seiner Publizistik aus den letzten Jahrzehnten darin versammelt, um in jenem Juste milieu wieder vorstellig zu werden, in dem seine journalistische Laufbahn einmal begonnen hatte.
1940 in Köln geboren, studierte Hermann Ludwig Gremliza in Tübingen und Berlin Geschichts- und Politikwissenschaften, bevor er sich ab 1966 beim Spiegel zum leitenden Redakteur für das Politikressort emporarbeitete. Nach einem ergebnislosen Streit mit Rudolf Augstein um ein höheres Maß an redaktioneller Mitbestimmung verließ Gremliza indessen das nur »im Zweifel links« stehende Blatt, um 1974 das von Klaus Rainer Röhl gegründete linkslibertäre Männermagazin konkret zu übernehmen und zu einem stramm kommunistischen und anfangs noch entschieden antifeministischen Organ umzurüsten.
Aufgrund des praktischen Ausfalls eines revolutionären Arbeitersubjekts band der zu einer rein theoretischen Donquichotterie verkommende Klassenkampf freilich nicht alle Kräfte, und so lieferte sich konkret immer wieder Scharmützel mit dem alten Schlachtroß Emma. Später jedoch besann sich Gremliza eines Schlechteren und öffnete sein Blatt für eine intersektionalistisch diversifizierte Antidiskrimierungspolitik, nicht ohne für die Mobilisierung multipler Opferpersönlichkeiten auch politisch jungfräuliche Genderamazonen einzuspannen.
Jedenfalls erfüllt es Gremliza noch heute mit größtem Stolz, daß sein erklärtermaßen staatsfeindliches Organ auch vom Verfassungsschutz so eingestuft wird, wohingegen der Umstand, daß die von ihm propagierte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegenüber Deutschen von staatlicher Seite als völlig unbedenklich angesehen wird, ihn noch nie ins Nachdenken über sein kritisches Hofnarrentum gebracht hat.
Gleichwohl steht Gremlizas Name für eine nicht nur verbalradikale, sondern auch in der Sache kompromißlose Gesellschaftskritik, die schon stilistisch das große Vorbild Karl Kraus verrät. Mit dem legendären Wiener Satiriker verbindet Gremliza überdies die Liebe zur deutschen Literatur und insbesondere zu Goethe, die ihn einmal darüber klagen ließ, daß selbst jene Deutschen, die immerzu von der Kulturnation tönen, nicht mehr wüßten, wie die weibliche Hauptfigur des Faust II heißt. Seine tiefe Verbundenheit mit der deutschen Sprache hat ihn sogar zu einem regelrechten Beckmesser werden lassen, der die bürgerliche Presse, diese »Cloaca maxima der öffentlichen Meinung«, notorisch für ihr schlechtes Deutsch maßregelt.
Wenn Gremlizas pointierte Polemiken zuweilen ihrerseits in krude Kalauereien abgleiten und obendrein noch ranzige Ressentiments verbreiten, so ist an seiner Sprachmächtigkeit indessen nicht zu zweifeln. Denn nicht einem Mangel an Begabung ist es geschuldet, was ihm mitunter den Stil zu verderben droht, sondern einem Übermaß an Gesinnung, welche nach der Implosion der großen Illusion des Kommunismus in eine ebensogroße Depression verfallen mußte.
Von depressiver Ausgebranntheit zeugt bereits Gremlizas vulgärmarxistisch verkümmerte Anthropologie, welche dem Menschen nur die niedersten Instinkte und schnödesten Interessen zutraut. Zur Verteidigung dieses selbst von Stammlesern als zynisch und misanthropisch empfundenen Menschenbildes redete sich Gremliza gern auf Karl Marx heraus, der hinter den »Charaktermasken« des vernichtungswürdigen Klassenfeindes auch keine Menschen mehr vermutete. Hinsichtlich der realen Klassenvernichtungen im kommunistischen Machtbereich legte Gremliza denn auch durchweg eine linksrevisionistische Doppelmoral an den Tag: So tief empfunden seine Betroffenheit über die singulären Untaten der Nationalsozialisten war, so abgebrüht verharmloste er zugleich die Massenverbrechen des eigenen Lagers: In der Debatte um das Schwarzbuch des Kommunismus rechnete Gremliza die zig Millionen Opfer von Stalinismus und Maoismus so schamlos herunter, wie es in Bezug auf die Opferzahlen des Dritten Reiches allein von einem Lunatic fringe bekannt ist.
Doch nur dadurch, daß Gremliza sich seinen ideologischen Starrsinn als revolutionäre Charakterstärke schönredete, konnte in konkret auch nach dem Untergang der real existierenden Sozialismen alles weiter seinen sozialistischen Gang gehen. Dies sollte frei nach Lenin allerdings »einen Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück« bedeuten: von einem maskulinen Marxismus zu einem nicht selten megärenhaften Moralismus, der sich auf keinerlei reale Triebkräfte der Geschichte mehr berufen konnte und den Marx gewiß als »utopischen Sozialismus« verspottet hätte.
Zu intelligent jedoch, um sich in einen apolitischen Humanismus zu flüchten, bildete Gremliza statt dessen jenen für ihn so charakteristischen Zynismus aus, der im Grunde nur ein verrotteter Idealismus war. So fiel ihm in dem Desillusionsroman der westdeutschen Linken schließlich die Rolle eines roten Werwolfs zu, der »Autonomen«, »Antifaschisten« und anderen Menschen mit Aggressionsproblemen ideologische Munition lieferte, um deren verbaler wie physischer Gewalt gegen alles, was irgend »rechts« oder »deutsch« ist, eine höhere Legitimation zu verschaffen. Nach dem unausgesprochenen Motto »Wer Nazi ist, bestimme ich!« fällt Gremliza noch heute seine inquisitorischen Urteile, und nur bei den wenigsten Deutschen läßt er Gnade vor Unrecht ergehen.
Gremlizas Deutschenhaß, der den scharfsichtigen Gesellschaftskritiker in einen stumpfsinnigen Kollektivbeschuldiger des auserwählten deutschen Tätervolkes verwandelte, konnte sich immerhin auf die von Hitler, Churchill und Roosevelt einvernehmlich vertretene Sonderwegsthese stützen, im Nationalsozialismus sei das deutsche Wesen zu seiner wahren Erscheinung gelangt, welcher ausgerechnet Stalin eine Absage erteilte: »Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk aber, der deutsche Staat aber bleibt.«
In Gremlizas durchaus unmarxistischer Sicht ließ jedoch gerade der Fortbestand des deutschen Volkes die Zerschlagung des Deutschen Reiches als bloßen Pyrrhussieg erscheinen, über den ihn allenfalls die Berliner Mauer hinwegtrösten konnte, die er daher zum einzig würdigen Holocaust-Memorial verklärte. Nur um so verzweifelter suchte er nach der deutschen Wiedervereinigung, die der russisch-amerikanischen Doppelhegemonie über Deutschland ein Ende gesetzt hatte, eine ideologische Nachhut heranzubilden, welche die »antifaschistische« SU-Indoktrination mit der »antideutschen« US-Reeducation verschmelzen würde, um die Deutschen dem propagandistischen Trommelfeuer eines zu integraler Deutschenfeindlichkeit ausgeweiteten Antifaschismus auszusetzen.
Diese ideologische Verschärfung hatte im übrigen auch einen weltpolitischen Hintergrund. In spiegelbildlicher Entsprechung zu Kaiser Wilhelm, der in seinen Balkonreden vor dem Ersten Weltkrieg keine Parteien
mehr kannte, sondern nur noch Deutsche, hatte Gremliza im Vorfeld des Zweiten Golfkrieges das Erweckungserlebnis, daß auch die deutschen Linken nur häßliche Deutsche waren: Als er die Intervention der USA im Israel mit Vernichtung drohenden Irak scheinbar bellizistisch verteidigte, reagierten die pazifistischen Genossen weithin mit blankem Entsetzen und einer unbändigen Wut, die aus ihrem ehrbaren Antizionismus einen ehrlichen Antisemitismus hervortrieb. Im Gegenzug attackierte Gremliza unerschrocken die linksnationale Identifizierung mit den auch als Palästinenser bekannten Heimatvertriebenen des Nahen Ostens, deren erster Anführer die »Endlösung der Judenfrage« begrüßt hatte, und erteilte all jenen, die viel lieber in den israelischen Juden die »neuen Nazis« sehen wollten, eine gründliche Lektion in Sachen »linker Antisemitismus«: Seitdem zeugen die vormals so kultigen Palästinensertücher nicht mehr bloß von schlechtem Geschmack, sondern zumal von einer üblen Gesinnung.
Im Zuge dieser programmatisch von konkret eingeleiteten und später auch von Jungle World und Bahamas mitgetragenen antideutschen Wende verkehrte sich ein ganzes Ensemble linker Positionen ins genaue Gegenteil: Waren die alten »Antiimperialisten« proarabisch, antiisraelisch und antiamerikanisch aufgestellt, so brachten sich die neuen »Antideutschen« dezidiert antiarabisch, proisraelisch und proamerikanisch in Stellung. Im Vergleich mit einem maßgeblich von Deutschland gesteuerten »EU-Imperialismus« nahm sich der ehemals verhaßte »US-Imperialismus« als das kleinere Übel aus, und so bewährten sich antideutsche Publizisten und Aktivisten zeitweilig als gesinnungstüchtige Zuarbeiter und nützliche Idioten des neoliberalen Globalkapitalismus.
Die aktuelle »Flüchtlingskrise« schließlich bot den Antideutschen einen willkommenen Anlaß, ihre amerikanischen Hosen herunterzulassen: Indem sie alle »Refugees welcome!«-Rufe mit ihrem »Deutschland verrecke!«-Geschrei noch übertönten, gaben sie mit der Schamlosigkeit von Idioten preis, daß sich ihre narzißtisch zur Schau getragene Fremdenliebe letztlich von einem pathologischen Selbsthaß nährt. Für die historische Schuld der monorassischen »Aufnordung« Europas sollte Deutschland nunmehr durch seine multiethnische »Absüdung« Sühne leisten.
Dieser antinationale Imperativ verpflichtete sogar zum Stillschweigen darüber, daß Deutschland auf seinem migrationspolitischen Sonderweg den zuvor von den Nationalsozialisten in die arabische Welt exportierten Antisemitismus im großen Stil wieder reimportierte. Und obschon für bislang alle in diesem Jahrhundert innerhalb Europas begangenen Judenmorde muslimische Täter ermittelt worden sind, prangert der bekennende Philosemit Gremliza weiterhin unbeirrt Angela Merkels »rassistisches Abschieberegime« an, als läge ihm der Kontrollverlust des deutschen Staates immer noch mehr am Herzen als die nur staatlich zu gewährleistende Sicherheit der Juden, von denen einige bereits wieder die Koffer packen.
So bestätigte Gremliza, dieser hochsensible Seismograph eines allzeit drohenden Furor teutonicus, durch seine hochselektive Wahrnehmung antisemitischer Gefahrenlagen nur Adornos Diktum, daß die halbe Wahrheit schon die ganze Lüge ist. In ihrer vorsätzlichen Ignoranz gegenüber migrantischen, aber auch autochthon linksextremen Gewaltdelikten, deren hohe Zahl im einen wie im anderen Fall die rechtsextreme Gewaltbilanz in den Schatten stellt, unterscheidet sich die Gremliza-Presse von der etablierten Lückenpresse lediglich durch ihre größere Konsequenz.
Aus solchem Realitätsverlust läßt sich zumindest so viel lernen, daß die Epoche des Faschismus eine Vergangenheit ist, die nicht vergehen will, weil sie nach dem Willen der ewig Gestrigen der linken Front eben nicht vergehen darf. Einem naheliegenden Mißverständnis entgegen mahnt Gremliza nämlich mitnichten bloße Defizite der deutschen »Vergangenheitsbewältigung« an, sondern er beargwöhnt diese insgesamt als das Ansinnen, einen »Schlußstrich« zu ziehen. Nur folgerichtig zielt seine eigene schwarze Volkspädagogik einzig darauf ab, das deutsche Schuldtrauma in seiner ganzen Virulenz zu chronifizieren.
Das therapeutische Desaster eines solchen Historisierungsverbots hat seine Spuren an Gremliza selbst hinterlassen. Was nicht erinnert, wiederholt und durchgearbeitet wurde, ist auch bei ihm ein traumatischer Fremdkörper geblieben und darüber zu einem paranoiden Verfolger geworden, der sich nur noch exkrementell ausstoßen läßt. Vielsagend hat Gremliza seine aktuellen Lesungen unter das Motto »Scheiß Deutschland!« gestellt und auch in seinen Haupt- und Nebensätzen nicht mit fäkalsprachlichem Vokabular gespart, dessen Symptomwert ihm entgeht.
Wiewohl der »wilde Psychoanalytiker« Klaus Theweleit, der die Auflösungsängste »soldatischer Männer« angesichts der »roten Flut« des Kommunismus freizulegen suchte, zu seinen Freunden zählt, hat Gremliza sich jede Mutmaßung darüber verboten, ob nicht in seinen eigenen Affekten gegenüber einem weiblich und fäkalisch konnotierten »braunen Sumpf« nur seitenverkehrt dieselben »Männerphantasien« am Werke sind. Tat- sächlich agiert der antideutsche Entlarver vermeintlich deutscher Pathologien in seinen Panikattacken gegen »völkischen Dreck« und andere »tödliche Seuchen« allemal selbst hysterische Phobien und paranoide Säuberungsphantasien aus, welche eine projektive Identifizierung mit dem Verfemten verraten.
Wie einstmals Hitler von der panischen Angst be- herrscht war, es könnte jüdisches Blut in seinen Adern fließen, so muß Gremliza den »Nazi in sich« immer wieder nothaft exorzieren. Daher ist, was ihm in seinen Tagesphantasien als omnipräsenter Nazismus von außen begegnet, nichts anderes als was ihn von innen her bedroht und woran er geradezu inzestuös gefesselt geblieben ist.
Auf den Vorwurf deutschen Selbsthasses hat Gremliza mit koketter Naivität erwidert, daß er sich doch nicht selbst hassen müsse, nur weil er die Deutschen verachte; allerdings hat er damit auf ganz andere Weise recht als er vermeint. Denn worin Gremliza sich in der Tat von all jenen innerlich zerknirschten Politikern, Publizisten und anderen Pfaffen unterscheidet, die Luthers theologische Lehre von der menschlichen Erbschuld beflissen zur deutschen Kollektivschuld nationalisierten, ist die von ihm beispielhaft vorgeführte Externalisierung des eigenen Deutschseins und dessen Projektion auf »Rechte« und »Nazis«.
Doch weit gefehlt, damit irgend dem Zeitgeist die Stirn zu bieten, bilden Gremliza und seine Antideutschen vielmehr dessen Speerspitze: Immerhin verheißt eine solche Verkehrung des deutschen Masochismus in einen antideutschen Sadismus der dritten Generation nach dem Dritten Reich eine Entlastung, wenn nicht eine Erlösung von der Last des Deutschseins, unter dem die zweite Generation noch neurotisch zu leiden hatte. Der neue, perverse Sünden- stolz auf singuläre Täterschaft, die es gegen ausländische Täterkonkurrenz eifersüchtig zu hüten gilt, erklärt sich hieraus ebenso wie die deutsche Gründlichkeit, mit der die heutigen Deutschen daran arbeiten, sich als Staatsvolk aufzulösen, um auf dem Weg in eine pausbäckig »bunte« Kindergartenrepublik ihrer internalisierten Kollektivschuld zu entfliehen.
Insofern ist, was als milieuspezifische Kleingruppenparanoia begann, längst zur Normalpathologie des linkskonformistischen Juste milieu geworden.
Als dem Paten dieser allzudeutschen-antideutschen Gesinnungsmafia tritt mithin auch Gremliza in seinem »Feind« immer nur »die eigne Frage als Gestalt« entgegen. In Anbetracht seiner obsessiven Fixierung auf den Nationalsozialismus gerät man freilich unweigerlich ins Grübeln, ob bei dem seinem neuen Buch vorangestellten Goethe-Wort, welches bewußt auf ihn selbst als Wortführer der Antideutschen gemünzt scheint, nicht zumindest unbewußt der allseits verhaßte »Führer« der Deutschen mitgemeint ist: »Ein Kerl den alle hassen / Der muß was sein.« ¡