Es gibt einen Psychokrieg zwischen Linken und Rechten, dem wir nicht entgehen können. Alle Bemühungen um einen »rationalen politischen Dialog« sind auf einer irrationalen, tieferen Schicht der Auseinandersetzung unterminiert. Unterminiert von kommunikativen Spielchen, die den Gegner erledigen sollen. Die Rechten halten die Linken für dumm, die Linken halten die Rechten für böse. Wer es mit Linken zu tun hat, sei es auf der politischen Bühne, im Arbeitsleben, in der Familie oder gar innerhalb einer Beziehung, gewinnt irgendwann den Eindruck, daß die Bösartigkeit eher links angesiedelt ist.
Es ist nicht das finstere, abgeklärte, schonungslose Böse der Rechten, sondern ein verstecktes, sich menschenfreundlich und dialogbereit gebendes Böses. Leicht gerät man in die erdrückende Umarmung, wenn man nicht annimmt, daß sie eine Waffe im Psychokrieg ist, sondern sie für authentisch hält. Baltasar Gracián hat im 17. Jahrhundert Maximen für den weltklugen Mann im Krieg gegen das Böse (Militia contra malicia) ausgegeben: »Aber die beobachtende Schlauheit ist auf ihrem Posten, strengt ihren Scharfblick an und entdeckt die in Licht gehüllte Finsterniß: sie entziffert jenes Vorhaben, welches je aufrichtiger, desto trügerischer war.« (Hand-Orakel und Kunst der Weltklugheit).
Heute können wir solche Maximen aus der amerikanischen Psychologie, aus Ratgebern für Töchter narzißtisch gestörter Mütter, von Dating- und Männerseiten, antifeministischen und AltRight-Blogs nehmen oder von Donald Trump selbst lernen. Längst sind es nämlich keine speziellen therapeutischen Fachbegriffe mehr oder Handwerkszeuge erfolgversprechender Kommunikationstrainer, sondern: von der amerikanischen AltRight lernen heißt siegen lernen. Hilft nichts fürs deutsche Eigene, das müssen wir schon selbst finden und verteidigen, hilft aber viel beim Zusammenstoß mit der globalisierten Linken. Sieben überlebenswichtige englischsprachige Begriffe enthält mein Glossarium für diesen Psychokrieg, übersetzt, er- klärt und an typischen Beispielen illustriert.
Agree and amplify
Linken Irrsinn erkennt man meist schnell. Ihn mit faktenbasierten Argumenten zu widerlegen, ist zum Scheitern verurteilt, weil irrsinnige Behauptungen mit den Mitteln der rationalen Widerlegung nicht zu fassen sind. Am besten stimme man also dem Gesprächspartner zu, so daß er sich »wirklich gehört fühlt«, und dann übertreibe man seine Aussage bis ins Grenzenlose. Diese Strategie zielt darauf, linke Absurditäten zu übernehmen und dann auf den Punkt zuzutreiben, wo plötzlich für jedermann sichtbar wird: Das ist doch absurd! Agree and amplify (zustimmen und übertreiben) ist mehr als die klassisch-rhetorische Reductio ad absurdum, weil es eben die emotionale Erpressung mit ad absurdum führt.
A: »Es ist ein Gebot der christlichen Nächstenliebe, alle Asylsuchenden aufzunehmen, ohne Grenzen im Kopf und im Herzen. Du mußt doch einsehen, daß wir alle Menschen sind! Stell’ dir vor, du mußt mit deiner Familie flüchten!«
B: »Oh je. Es gibt so viele erschütternde Einzelschicksale in Syrien, Afghanistan, dem Irak und in ganz Afrika, alles Menschen, die wir aufnehmen müssen. Sie leben unter viel schlechteren Bedingungen, das ist doch ungerecht. Eine Million Syrer allein, dazu die Million Afghanen, Iraker, die Milliarde Afrikaner, alle müssen in Deutschland Asyl finden, das sind wir ihnen schuldig. Daß dabei dann Deutschland verschwindet, ist das eigentlich Christliche. Auf uns kommt’s ja sowieso nicht an.«
Cuck/Uncucking
Der Cuck (von Cuckold) ist der Feigling, der Hahnrei, der gehörnte Gatte, er gehört in die Rubrik »Warum haben linke Männer keine Eier?« (Welt). Ein Cuck schaut auch erstaunlich oft so aus: ganzkörperlieb, etwas ungeschickt, nett, Brille, Halbglatze, Kumpeltyp. Richtig alternative Attribute wie den Herrendutt, Goaklamotten oder Latschen hat er gar nicht nötig, dazu wäre er sogar zu feige. Denn der Cuck kann auch cuckservative sein, er gibt sich so lange durchaus mal markig rechts, bis es darauf ankommt, Position zu beziehen. Dann kneift er den Schwanz ein, ist lieber »liberalkonservativ« und signalisiert dem politischen Gegner seine Gutartigkeit ( Virtue signalling), unter anderem dadurch, daß er auf Leute eintritt, die rechts von ihm stehen.
Ein am Nebentisch belauschter Cuck sagte zu seiner weiblichen Begleitung: »Also ich find’ ja Sexismus nicht gut, wär’ total schlimm für mich als Mann, wenn mich eine Frau sexistisch fände.« Frauen finden Cucks notwendig unattraktiv, idiotischerweise glauben diese jedoch, durch ranschmeißerisches Getue bei ihnen besonders zu punkten. Männliche Feministen und Feministinnengatten sind mit Gewißheit Cucks, das flamboyant Unmännliche ist charakteristisch.
Cucks sind oft äußerst gefährliche Gesprächspartner und verfügen über das gesamte Arsenal linker Psychotechniken: Projektion eigener Probleme auf den Gegenüber (»Du kannst das nicht trennen!«), passive Aggression (»Also ich kann ja damit umgehen, hier so angegriffen zu werden«), Tugendterror, Virtue signalling, Gaslighting, Emotionalisieren (Hannes Stein: »Trump hat gesiegt. Unser Sohn, unser Sohn, sagte ich weinend zu meiner Frau und hielt meine Hände über ihn«), Kontaminieren von nicht zusammengehörigen Themen, Derailing). Es gibt Chancen, daß sich der Cuckservative nach einigen Realitätserfahrungen allmählich uncucked, nämlich wenn er konkret herausgefordert wird, ein Mann zu sein, der zu seinem Wort, seinem Volk, seinem Geschlecht steht. Einen passiv-aggressiven Cuck von der Gutmenschensorte aufzufordern, sich endlich mal zu uncucken, ist nur rhetorisch gemeint.
Derailing
Entgleisungsmanöver (Derailings) sind volle Absicht, z. B. unvermittelt ein anderes Thema anzuschneiden, das Thema des Gegenübers als »hier nicht das Thema« hinzustellen, die Redeweise oder psychische Verfaßtheit des Gegenübers zu thematisieren, kurzum: auf einer Metaebene die Gesprächsschienen (Rails) zu manipulieren. Derailing ist im Gegensatz zum Gaslighting eine Gesprächsführungs‑, keine echte Psychotechnik. Deswegen ist es (durchschaut man in einem Gespräch das Derailing) leicht möglich, es explizit zu machen und damit zu verderben, etwa so:
»He, du lenkst jetzt ab!« oder: »Das ist sehr wohl das Thema, darüber will ich hier und jetzt sprechen« oder: »Ich habe kein emotionales Problem, sondern sehe es ganz sachlich« oder:
»Trennen wir zwischen dem Entstehungszusammenhang meiner Aussagen – ja, ich bin ein weißer Mann – und dem Geltungszusammenhang, für den diese Tatsache keine Rolle spielt.«
Klassisch fühlen sich Linke selbst als Opfer rechter, männlicher, strategischer Entgleisungsmanöver. Das liegt daran, daß sie durch die Bank effeminierte Männer oder ohnehin Frauen sind. Aber in Wirklichkeit sind sie es, die Dialoge entgleisen lassen. Derailing findet meist dann statt, wenn man es mit einem Typus von Linken zu tun hat, der sich als minderwertig empfindet (»ausgegrenzte Minderheit ohne Stimme in dieser Gesellschaft«) oder demonstrativ für Minoritäten eintritt (Virtue signalling).
Solche Linke haben aus der Gendertheorie und verwandten Minderheiten-Studienfächern (Critical whiteness; Queer, Postcolonial etc. studies) gelernt, daß Herrschaft ein Diskursphänomen ist: diskriminierende Sprache übt Gewalt aus. Durch Derailing holen sie sich diese Gewalt zurück und knallen dem Gesprächspartner seine »Privilegien« um die Ohren. Wer mit Fakten argumentiere, reflektiere seine Herrschaftsposition dabei nicht und lenke davon ab. Der Ruf »Derailing!« funktioniert aus der Benachteiligtenperspektive als Killerargument gegenüber dem »männlichen« oder »privilegierten« Argument.
Diese Strategie nun wiederum als Derailing zu erkennen, als schlichte Projektion des eigenen Verfahrens auf den anderen, versetzt in die Lage, es zu thematisieren. Damit ist Derailing zumindest für diese Diskussion tot. Es ist nämlich auf dem Niveau Rumpelstilzchens anzusiedeln: Man nennt seinen Namen, und es fährt wutentbrannt in den Boden.
Frame /Reframing
Die Metapher Frame (Rahmen) geht davon aus, daß Weltwahrnehmung immer vorgegeben sei durch die Rahmen, die unseren Blick begrenzen. Begriffsrahmen erzeugen einen eingeengten Blick, den man von allein nicht verlassen kann. Der Blick von Linken auf Rechte beinhaltet eine ganze Menge voll funktionsfähiger Frames, z. B. die Zentralperspektive auf den Nationalsozialismus, »einfache Lösungen für komplexe Probleme« zu haben, der »autoritäre Charakter« der Rechten, »Populismus«, »Rassismus«, »völkische« Reinheitsphantasien usw.
Man kann niemandem sein Frame ausreden, weil derjenige es einfach hat, ohne es zu kennen. Er würde gar nicht verstehen, was Metakritik überhaupt soll, ja würde sie in sein Frame einbinden: »Aha, du hast also was dagegen, daß ich das ›rassistisch‹ nenne, kein Wunder, du Rassist!« Das Falscheste, was man gegen einen linken framebasierten Vorwurf tun kann, ist, sich zu rechtfertigen, warum man doch gar kein Nazi, Rassist etc. sei. Nützt gar nichts, Frames sind ziemlich vereinnahmend – der Gegenüber hätte gewonnen, weil man innerhalb seiner Leitmetapher strampelt.
Reframing ist die Gegenstrategie: das Umdeuten, Neudefinieren. Diese läuft nicht begrifflich und niemals explizit. Die Ansage »Lassen Sie mich das kurz reframen« läßt den Gegner tief in das eigene Arsenal hineinschauen. Nach allzu schlichtem Derailing darf es auch nicht ausschauen.
Ein profil-Redakteur fragt nach der »Ästhetik der identitären Bewegung«, sein Frame ist in etwa: »faschistische Ästhetik« und »entartete Kunst«. Er fragt: »Welche Kunst und Kultur ist abzulehnen?«
Antwort: »Ästhetisch mißglückte natürlich. Das bedeutet wohlgemerkt noch lange nicht, daß man schlechte Kunst verbieten soll, genausowenig aber sollte sie von inkompetenten Entscheidungsträgern staatlich gefördert werden. Die Frage hat übrigens mit der Aktion der IB im Audimax der Uni Wien und ihren Absichten nur sehr wenig zu tun. Der Protest richtete sich schließlich nicht gegen etwaige ästhetische Defizite des Stücks und seiner Inszenierung.«
Er fragt weiter: »Was soll mit Texten passieren, die dem widersprechen?« Antwort: »Nichts.« Den unterstellten faschistischen Frame ins Leere laufen zu lassen, einen neuen Blickrahmen zu entwerfen (nämlich die politische Indienstnahme von Kunst auf seiten der Linken) und auf das Irreführende der Fragestellung hin- zuweisen – das ist Reframing.
Gaslighting
In der Psychologie wird es als Gaslighting bezeichnet, den Gegenüber systematisch in den Wahnsinn zu treiben. Diese Metapher entstammt dem gleichnamigen Film (dt. Gaslicht) von 1940, in dem ein Ehemann seine Frau durch Manipulation an ihrer gesamten Wirklichkeits- und Selbstwahrnehmung nach und nach ins Irrenhaus bringen will und ihre Juwelen an sich.
Meinem Gegenüber geht es darum, Vorgefallenes als Ungeschehenes zu kommunizieren (»Wieso? Es war doch gar nichts!«), meine Wahrnehmung komplett zu leugnen (»Das siehst du nur so!«), mir Persönlichkeitsveränderungen einzureden (»Irgendwie kommt es mir vor, als wenn du in letzter Zeit …«), bis hin dazu, meine Existenz in Abrede zu stellen und nach und nach tiefe Unsicherheit zu erzeugen, ob mit mir vielleicht wirklich etwas nicht stimme.
Die Mainstreammedien betreiben auf der politischen Ebene flächendeckendes Gaslighting. Abweichende Realitätswahrnehmung wird pathologisiert, diffamiert, geleugnet. Der Große Austausch wird wahlweise frenetisch begrüßt oder als inexistent dargestellt. »Probleme« mit der Abschaffung der weißen Rasse werden als psychische Probleme von Rassisten thematisiert, mit denen man sich doch bitte nicht identifizieren möge. »Was du sagst, ist doch krank, Caroline, das glaubt doch niemand außer dir, ich mach’ mir echt Sorgen, wie du so abrutschen konntest.« Das ist keine Gesprächsführungstechnik mehr, sondern pure Aggression, getarnt als Freundlichkeit. Gaslighting ist die linkeste der linken Psychowaffen, weil sie jede Argumentationsbasis unterläuft und alles in Frage stellt.
Shit testing
Die Shit test theory (etwa: Pöbelprobe) stammt aus der »Manosphere« des Internets. Angefangen hat es mit Dating- und Aufreißtips für Männer, davon ausgehend, daß Menschen biologische Wesen sind, die sich erfolgreich fortpflanzen wollen. Deshalb suchen die egoistischen Gene von Frauen zielstrebig nach Alphamännern, ganz egal, was die Gendertheorie dazu sagt. Frauen testen Männer durch verbale Angriffe auf ihre Männlichkeit, auf ihr Frame, sie verhalten sich bitchy: zickig, anspruchsvoll, beleidigt oder beleidigend. Je nachdem, wie er reagiert – gefällig oder fordernd, wankend oder un- nachgiebig, verunsichert oder gelassen – wird er als Alpha oder Beta eingestuft.
Politische Shit tests funktionieren nach demselben Schema. Da sitzt z. B. ein Moderator auf dem Podium, der eindeutig bitchy ist: keine Frage ohne Unterton, ständige Angriffe auf den sozialen Status, kleine Beleidigungen ad hominem, hergeholte Unterstellungen. Wie beim Reframing: Durch Rechtfertigungen verlieren Sie alle Punkte beim Publikum, die Sie bis da- hin aufgebaut haben.
Springen Sie niemals über ein Stöckchen, das man Ihnen hinhält. Akzeptieren Sie insinuierende Fragestellungen nicht. Die beste Art, mit einem Shit test umzugehen, ist, ihn einfach zu ignorieren. Das geht natürlich nicht immer. Wenn es nicht geht, dann stimmen Sie einfach zu und übertreiben den Shit test bis ins Absurde hinein ( Agree and amplify) oder greifen zu einer anderen Form des Reframings. Beispiel: In einer Flirtsituation kommt die Frage:
»Hast du schon mal die FPÖ gewählt oder daran gedacht, es zu tun?« – »Nein, die ist mir nicht rechts genug!«
Virtue signalling
Kein Mensch stellt sich hin und sagt: »Ich bin gut«, sondern versteckt diese Botschaft in indirekten Aussagen über sein Handeln, seine Handlungsalternativen (was er Schlimmeres hätte tun können, was andere Menschen tun würden etc.) und seine moralisch hochstehenden Werte.
Tugendbotschaften abzusetzen (Virtue signalling) dient normalerweise der Befestigung des eigenen sozialen Status in einer Gruppe Gleichgesinnter. Die Gruppe festigt ihren moralischen Zusammenhalt als »wir Guten«, indem sie »die Bösen« definiert. Das Schema funktioniert grundsätzlich in jeder Gruppe, links wie rechts. Sich zur inneren Statusfestigung nach außen zu distanzieren, ist typisch Cuck, rechte »Distanzeritis« ist ebenfalls Virtue signalling.
Virtue signalling wird spätestens dann zur erkennbaren Kriegsstrategie, wenn die Tugendhaftigkeit der Linken sie blind für Empathie macht. Offenbar fällt es so manchen besonders »guten« Linken nicht unangenehm auf, wie es wirkt, wenn die Tugendbotschaften dem Bösen direkt ins Gesicht klatschen. Der Klartext des signalisierten Guten ist ausgesprochen gehässig: Leute wie dich wollen wir nicht.
»Engagement« oder »Einsatz« zu betonen, ist eine typische Tugendbotschaft. Interessant wird es dann, wenn im selben Atemzug die Konditionen oder Konsequenzen mitgenannt werden. Die Rhetorik der »Anständigen« legt sich dadurch selber frei. Nicht mehr und nicht weniger soll dieses Glossarium befördern: die Rhetorik der »Anständigen« freizulegen und überlebenswichtige neue Frames für den Psychokrieg zu liefern.