Es ist ein Dr. Ingo Elbe, der seit geraumer Zeit bei linken Seminaren über den »faschistischen Rechtsphilosophen« Carl Schmitt desinformiert und dabei ausführt, daß dessen kritische Relektüre von »links« nicht fruchtbar gemacht werden könne, wolle man sich nicht selbst mit menschenfeindlichem Gedankengut kontaminiert sehen. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Elbe, Privatdozent an der Universität Oldenburg, Chantal Mouffe (geb. 1943) und Ernesto Laclau (1935 –2014) zu seinen persönlichen wie ideenpolitischen Gegnern innerhalb des – im weitesten Sinne – eigenen Lagers stilisieren mußte.
Denn wie etwa zahlreiche Autoren des postmarxistischen Traditionsverlags Merve vor ihnen haben auch die linken Denker Mouffe und Laclau Schmitt als politischen Theoretiker entdeckt, als Fundgrube für eine gegenwarts- und zukunftsbezogene Kritik der liberal- demokratischen Misere. Schlimmer noch: Laclau und Mouffe sehen daneben in der linken Abkehr vom »Volk« eine Gefahr, ja affirmieren gar einen Populismus des einfachen Volks gegen das aufzubrechende Kartell aus politischer und wirtschaftlicher Oligarchie.
Entsprechend aufgeschreckt reagiert die antifaschistische Geistige-Hygiene-Fraktion um Dr. Elbe. In einer Veranstaltung der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung mit dem Titel »Die postmoderne Querfront« griff Elbe im Juni Laclau und Mouffe als Vordenker des Linkspopulismus an, als »Irrationalisten« mit Schmitt im Handgepäck, als »ideologische Querfront«. Querfront! – Kein Vorwurf könnte aus Elbes Mund (oder Feder) schlimmer sein, gilt doch der mit diesem Stigma versehene Linke in den Augen der ideologischen Szenepolizei als Abweichler, als fortan nicht mehr zitierfähig, als Subjekt, das enttarnt werden muß. Ganz in diesem Sinne arbeitet Elbe, dies nur am Rande, derzeit an einem Projekt mit dem Titel »Die postmarxistische Querfront – Chantal Mouffes Theorie des Politischen als Sozialphiloso- phie des autoritär-masochistischen Charakters«.
Nun ist Elbe hierzulande nicht der einzige linke Aktivist oder Theoretiker, der sich am Duo Laclau/Mouffe abarbeitet; vielmehr gehört ostentatives »Linkspopulismus«-Bashing (ob nun gegen Laclau/Mouffe oder gegen ein realpolitisches linkes Tandem namens Wagenknecht/Lafontaine) zum guten Ton einer betont urbanen, kosmopolitischen und emanzipatorischen Linken von Jungle World bis zu Linksparteinetzwerken wie dem »Forum Demokratischer Sozialismus« oder dem Gros der parteieigenen Jugendverbände.
Linker Antilinkspopulismus ist dabei zuvorderst eine bundesdeutsche Domäne, während speziell in Südeuropa die Strömungen der politischen Linken versuchen, Laclaus und Mouffes Analysen in politische Praxis zu übersetzen. Doch was macht sie zur Zielscheibe betont »volksferner« linker Kreise, wieso werden sie unter »Querfront« subsumiert, wo immer der Vorwurf mitschwingt, die politische Rechte zu begünstigen? Was ist Populismus in diesem Sinne, wo liegen die ideellen Wurzeln, der metapolitische Mehrwert, tatsächliche Anknüpfungspunkte?
Laclau, argentinischer Politikprofessor zuletzt in Essex, wie auch seine Ehefrau Mouffe, belgische Philosophin mit Lehraufträgen u. a. in London, stammen aus einer undogmatischen marxistischen Richtung, die sich stark am italienischen Denker Antonio Gramsci orientiert. Dabei haben sich die historischen und ökonomischen Rahmenbedingungen, in denen Laclau und Mouffe arbeiten, im Vergleich zu denen ihres geistigen Ahnen gänzlich geändert. Der intellektuelle Kopf der italienischen Kommunisten agierte noch im direkten Widerstand zum Faschismus (und seinem »Beiwerk« in Form der Monarchie) und versuchte, eine breite, volksnahe, populare Allianz (oder, mit einem Terminus Laclaus/Mouffes: »Äquivalenzkette«) gegen diese »reaktionäre« Doppelherrschaft aus Duce und König zu formieren.
Laclau und Mouffe sehen sich demgegen- über mit dem allumfassenden Regime des technokratischen, volksfernen, bisweilen abstrakten Neoliberalismus konfrontiert, dem sie – in Anlehnung an Gramscis populare Allianz – eine Theorie des neuen Populismus entgegenstellen wollen.
Dabei folgen sie zunächst der »typisch« populistischen Dichotomie Volk versus Elite, drücken es aber terminologisch gewendet als »Anrufung der Subalternen gegen die Machthaber« (Laclau) aus – und werfen orthodox marxistisch-leninistischen Ballast über Bord. Angehöriger des Volkes ist hier jeder, der sich qua Engagement im gemeinsamen Streben (im Regelfall gegen die herrschende »Oligarchie«) zu ihm bekennt. Wie bei Gramsci erfolgt die Volksgenese also gewissermaßen voluntaristisch, nicht über Abstammung; der Populus ist daher – ähnlich wie bei Hegel – schlichtweg das organisierte Volk.
Für dieses Volk soll das »Projekt einer radikalen und pluralen Demokratie« im Zeichen einer »Reformulierung der sozialistischen Ideale« entworfen werden; Ideale, die durch den realen Sozialismus des »Ostblocks« ebenso desavouiert wurden wie durch ähnliche Experimente in Asien. Der Entwurf Laclaus/Mouffes, der sich von orthodox-marxistischen Auffassungen ebenso freimacht wie von »postmodernen« linken Entwicklungen, ist dementsprechend nicht »ganzheitlich« oder »total« wie noch derjenige Lenins oder Maos.
Laclau und Mouffe wollen die »radikale Demokratie«, der eine »sozialistische Dimension (die Abschaffung kapitalistischer Produktionsverhältnisse)« innewohnt; sie negieren aber die »Vorstellung, daß aus dieser Abschaf- fung notwendig die Beseitigung anderer Ungleichheiten folgt«, wie sie in ihrem gemeinsamen Standardwerk Hegemonie und radikale Demokratie schreiben. Die parlamentarische Demokratie soll erhalten bleiben, aber – mit einem stark linksgewendeten Schmitt – vor der Allmacht des wirtschaftlichen Liberalismus und seiner Oligarchen zugunsten der »Subalternen«, also der breiten Schichten eines Volkes, geschützt werden, indem das Prinzip der Volkssouveränität zurück in seine Rechte gesetzt wird.
Es geht daher bei diesem linkspopulistischen Konzept um die »Demokratisierung von Demokratie« (Oliver Marchart) gegen die universale Hege- monie eines nur kleinen Kreisen nützenden Neoliberalismus. Es geht um die linke Wiederaneignung von emotionalen Konzeptionen wie dem Mythos-Stimulans Georges Sorels, um die Versöhnung von sozialistischen Idealen und pluralistischer Demokratie, ferner in gewissem Sinne um ein neuerliches »Ins-Volk-Gehen« der Linken und eine Akzeptanz des politischen Gegners als Gesprächspartner – womit zugleich die wesentlichen Kritikpunkte der antipopulistischen Linken skizziert sind.
Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, die einzelnen, komplexeren Ideenlinien nachzuzeichnen, die das postmarxistische Werk Laclaus und Mouffes prägen. Entscheidend für die Stiftung eines linken Populismus, entscheidend also für den Kontext des »Querfront«-Vorwurfs sind allein folgende drei Aspekte:
1.) erkannten beide als erste linke Denker der Gegenwart an, daß die Linke die emotionale Sphäre wieder betreten müsse. Man könne, so Mouffe treffend in ihrer Schrift Agonistik, nicht Politik betreiben, »ohne ›Leidenschaften‹ als treibende Kraft auf dem Feld der Politik zur Kenntnis zu nehmen«. Diese unumstößliche Tatsache wurde in der rein rationalistisch bis intellektualistisch geprägten Linken lange ignoriert; auch weil man sich nicht direkt oder indirekt der Gefahr aussetzen wollte, mit dem »Stammtisch« zu kooperieren, ja zu »volkstümelnd« zu sein.
2.) betont Mouffe, daß Konsensbestrebungen linker Kräfte oder die Leugnung der Schmittschen Freund-Feind-Scheidung apolitisch seien. Das Anerkennen des Vorhandenseins eines realen Gegners sei zentral, und dieser müsse entsprechend herausgestellt werden.
Diese Kritik richtet sich implizit an die tonangebende postmo- derne Linke, die etwa die Dichotomie »Wir da unten« gegen »Die da oben« für mindestens regressiv, bisweilen sogar für strukturell antisemitisch hält und davor warnt, im politischen Kampf gegen den »abstrakten« Kapitalismus konkrete Gegner zu benennen oder zu »personalisieren«, etwa im Zuge einer kritischen Auseinandersetzung mit der Bankierskaste o. ä.
3.) wird klargestellt, daß die Unterschiede innerhalb des herrschenden Machtkartells der etablierten Parteien nur marginal seien.
Es gebe in Zeiten des neoliberalen Kapitalismus keinen fundamentalen Dissens mehr zwischen den einzelnen politischen Lagern, und daher »versuchen sie, ihre Produkte mit Hilfe von Werbeagenturen durch cleveres Marketing zu verkaufen«, so Mouffe in der Schlüsselschrift Über das Politische. Gegen diese Entpolitisierung im Gefolge des herrschenden Zeitgeistes will Mouffe daher die hier unter »Erstens« und »Zweitens« genannten Aspekte zurück in das Politische bringen: Leidenschaft und Polarisierung breiter Schichten gegen eine die Volkssouveränität negierende Macht der Technokraten und Kapitalisten.
Linkspopulismus im Sinne Laclaus/Mouffes ist also – zusammengefaßt – eine politische Richtung, »die eine Sammlung unterschiedlicher Elemente subalterner Klassen anstrebt oder realisiert; sie versucht, die herrschen- den politisch-ökonomischen Führungstruppen anzugreifen (abzulösen), um sozial gerechtere, national-souveräne, demokratisch-selbstbestimmte Politiken in Angriff zu nehmen«. Diese Definition, die in Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung (Sept. 2016) von Dieter Boris mit kritischem Wohlwollen formuliert wird, trifft im wesentlichen zu; sie muß gleichwohl zwingend um die Dimension der Gefühlsebene ergänzt werden.
Daß in diesem Ideenkonglomerat Laclaus/Mouffes Querfrontpotential aufscheint, ist nicht nur antifaschistischen Akteuren aufgefallen. Alain de Benoist bezieht sich bei seinen Arbeiten zum Themenkomplex des Populismus zwar vor allem auf den antiliberalen linken Philosophen Jean-Claude Michéa, der an einem Populisme transversal, einem Querfrontpopulismus also, arbeitet, weiß sich mit Laclau/Mouffe aber in wesentlichen Punkten einig: Wie bei seinen linken Gegenspielern vertritt auch er das Prinzip aktiver Staatsbürgerschaft, teilt auch er den Sinn fürs Gemeinwohl und gemeinsame Werte, ferner die instinktive Abneigung gegen Finanzkapitalismus und allumfassende Marktlogik, sieht auch er ein dauerhaftes Revival des Populismus als politisches Konzept.
Benoists Populismus wendet sich gegen die Bevormundungspolitik der Etablierten, die nur dann nach »mehr Demokratie« rufen, wenn es in ihrem Sinne erscheint. Die Verunglimpfung des Populismus durch ebendiese Etablierten, ihr »Antipopulismus«, die letztendliche Geringschätzung für Demokratie und den Souverän (das Volk): All das nähre die Genese neuer Populismen. Solange die Herrschenden also handeln, wie sie handeln, so lange wird es populistische Erscheinungen geben, die Benoist fruchtbar machen möchte gegen das herrschende Kartell.
Alain de Benoists Populismus-Theorie ist dabei mit derjenigen von Laclau/Mouffe ideenpolitisch bis zu einem bestimmten Punkte kongruent, obwohl die genannten Denker aus verschiedenen Lagern und geistesgeschichtlichen Milieus stammen. Der wohl entscheidende Unterschied zwischen dem neurechten Vordenker Benoist und den linksorientierten Populisten ist letztlich, daß Benoist davon ausgeht, eine direktere Demokratie (anstelle der jetzigen repräsentativ-liberalen) setze a priori vor- aus, was Laclau/Mouffe leugnen: Die »Existenz eines relativ homogenen Volkes«, »das sich dessen bewußt ist, was es eigentlich ist«, wie Benoist bereits 1986 in seiner Monographie zur Demokratie artikulierte.
Laclau/Mouffe wollen ein »Volk« konstruieren, das sich in gemeinsamen gesellschaftlichen Kämpfen (z. B. gegen eine volksferne Elite) aus sozialen Gruppen und Einzelpersonen breiter Schichten konstituiert; Benoist dem- gegenüber weist darauf hin, daß es von Geburt an ein »Schon-Vorhandenes« gebe, »einen Hintergrund, der den Rahmen bildet für die Konstruktion des Selbst« – eben ein Volk nicht nur im Sinne von Demos, sondern auch (aber wiederum nicht ausschließlich) im Sinne von Ethnos.
In der gegenwärtig herrschenden (Un-)Ordnung der Europäischen Union und der entpolitisierten Technokratie des Liberalkapitalismus sieht Alain de Benoist nun die Stunde des Volks, ja die Stunde des Populismus gekommen; er formiere sich als »Bewegung neuen Typs« (so die Bezeichnung in seiner neuen Schrift Le Moment populiste), als Revolte des Volkes gegen die Classe dirigeante – die herrschende politische Klasse –, als Revolte der Gemeinschaftsbefürworter gegen die liberale Hegemonie und ihre individualistischen Paradigmen, als Revolte der Globalisierungskritiker – ob links oder rechts – gegen die »Globalisten« jeder Couleur. Wie Laclau/Mouffe sieht Benoist den populistischen Moment auch deshalb gekommen, weil die Völker nicht mehr länger akzeptieren, daß das Ideal der liberalen Ordnung in seinen realpolitischen Konsequenzen »Regieren ohne das Volk« oder aber, wie in einigen Mitgliedsstaaten der EU, sogar »Regieren gegen das Volk« bedeutet.
In Spanien ist dieses diffuse Gefühl für die Establishmentpraxis des Gegen-das-Volk-Regierens besonders stark, und Spanien ist denn auch das Land, in dem die Ideen Laclaus und Mouffes stark rezipiert werden. Neben Fachfragen (Ausrichtung der spanischen Politik auf Immobilien- und Baubranche, Austeritätspolitik, Massenarbeitslosigkeit) setzt Podemos bewußt auf populistische Theorie und Praxis. Die Partei um Pablo Iglesias vertritt seit 2014 zugespitzte Positionen in bezug auf die »Kasten« der Politiker und der ihnen hörigen Journalisten, die abgehoben vom»Volk« agierten und durch Korruption und Kleptokratie gekennzeichnet seien.
Der Begriff der »Kaste« ist dabei elementarer Bestandteil der Podemos-Verlautbarungen; er wirkt integrierend auf Unzufriedene jeder Couleur und jeder gesellschaftlichen Schicht, die aus ganz unterschiedlichen Motiven die Machenschaften des herrschenden Blocks ablehnen und sich in dieser Ablehnung gemein mit vielen anderen Menschen wissen.
Inigo Errejón, Politikwissenschaftler und »Nummer zwei« von Podemos nach Iglesias, ist verantwortlich für die Wahlkampfstrategien der linken Populisten; er beruft sich dabei namentlich auf Ernesto Laclau und Chantal Mouffe. Errejón befindet populistische Markierungen wie zu erreichende »echte Demokratie« (als Gegenbild zur derzeit herrschenden) oder eben die abgehobene »Kaste« für unverzichtbar; die »leeren Signifikanten« (Laclau/Mouffe) würden benötigt, um einen gemeinsamen Bezugspunkt aller Unzufriedenen und Ausgeschlossenen – in linker Diktion: aller »Subalternen« – zu schaffen.
Wie im Falle von Jean-Luc Mélenchon und seiner »Linksfront« in Frankreich versucht auch der Linkspopulismus Marke Podemos, positive Bezugnahmen auf Patriotismus und Vaterland in das moderne linke Programm zu integrieren. Damit eckt man aber im weiteren linken Spektrum – inner- und außerhalb Spaniens – durchaus an und sorgt für Ausfransungen am linken Rand, die die Gefahr sehen, vorhandene Unzufriedenheit potentiell »rechts« oder »links-national« aufzuladen.
Mit Laclau zeigt sich auch Errejón in einem Interview in der Zeitschrift Luxemburg selbst unsicher, wie »man von der Unzufriedenheit, von dem unterschiedlichen Leid, zu einem gemeinsamen Willen« kommen könne. Doch mit Mouffe verweist er auf die faktische Notwendigkeit, eine neue Dichotomisierung im Sinne einer Aufspaltung von »Wir« und die »Anderen« herbeizuführen bzw. zu verstärken. Der weitere Weg der Laclau/Mouffe-Anhänger ist dabei aber noch nicht festgelegt. Errejón versucht mittlerweile im Sinne Michéas (»Nicht links, nicht rechts, sondern transversal«) oder Robert B. Reichs auszugreifen, was den prompten Widerspruch radikaler Linker findet.
Eine weitere Herausforderung des von Laclau und Mouffe inspirierten Linkspopulismus, wie er von Mélenchon in Frankreich oder Iglesias in Spanien verkörpert wird, ist die Diskussion darüber, wer nun eigentlich »das Volk« oder die »Volksklassen« darstellt, mit denen man gemeinsam gegen »die da oben« zu agieren gedenkt. Es ist dies ein genuin linkes Problem, mit dem sich kaum ein rechter Populismus konfrontiert sieht, da im rechten Beritt überwiegend Klarheit darüber herrscht, wer zum Volk gehört und wer nicht.
Die Linke hat den Nachteil, daß sie ihre eigene Vorstellung von »Volk« erst auszudiskutieren hätte, was dadurch wesentlich erschwert wird, daß weite Teile der Linken an diesem Diskurs Desinteresse zeigen, weil man die bloße Gefahr einer Annäherung an rechte Positionen absolutsetzt. Der »volksnahe« oder »popular-nationale« (Gramsci) Flügel des Linkspopulismus, der sich positiv auf »Volk« oder »Nation« und auf einen gemeinsamen Kampf gegen die Nomenklatura bezieht, wird daher bereits aufgrund der bloßen Verwendung dieser (eigentlich mit Inhalten zu füllenden) Reizwörter immer wieder in die Nähe der »Querfront« gerückt und politisch bekämpft.
Diese verschiedenen Blockaden für einen linken Populismus, die speziell ja in Deutschland zu verzeichnen sind, ändern nichts an der Tatsache, daß einige thematische Anliegen von Laclau und Mouffe bedenkenswert erscheinen, etwa der Kampf gegen die enorme Machtkonzentration (wirtschaftlicher und politischer Natur) oligarchischer Strukturen auch in Westeuropa; die Beanstandung neoliberaler Totaldurchdringung aller gesellschaftlichen Teilbereiche; die prinzipielle Gegnerschaft zu einem individualistischen Regime, in dem jede Person nur noch als »Unternehmer seiner selbst« (Michel Foucault) verstanden wird; schließlich die Ablehnung der neoliberalen Pensée unique, der alternativlosen Logik des Marktes und seiner politisch folgsamen Akteure der großen »Mitte«- Parteien, ob sie nun christ- oder sozialdemokratisch auftreten.
Diese Anliegen können seitens der deutschsprachigen rechten Intelligenz schadlos und ohne wirkmächtige Konkurrenz adaptiert werden, da die hiesige »verweltbürgerlichte Linke« (Wolfgang Streeck) die Stunde des Populismus aus ideologischen wie moralischen Motiven heraus unbeachtet verstreichen lassen wird. Doch diese Stunde rückt näher: Um so abgehobener von den Belangen des »einfachen Volkes« und um so lebensferner sich die herrschende Klasse stilisiert, um so stärker wird die Gegenbewegung in Richtung einer neuen Suche nach Verwurzelung und Verortung, nach sozialer Fürsorge und solidarischer Gemeinschaft in einem wahrhaft demokratisch strukturierten Ganzen ausfallen.
Die populistische Zuspitzung – ob im Sinne Laclaus/Mouffes oder auch Benoists – beschleunigt hierbei nur das Entstehen von Bewußtsein für diese Prozesse, für die Kluft zwischen »Volk« und »Elite«; sie löst diese Entwicklungen nicht aus.
Wenn die Populismus-Forscherin Karin Priester in ihrer Studie Rechter und linker Populismus recht hat, daß sich die grassierende »populistische Revolte« vor allem gegen einen (kastenartigen) Komplex des Staats richtet, »der sich hinter einem Wall verschanzt hat«, dann werden es kämpferisch-konservative Akteure sein müssen, die diesen Wall niederreißen. Die deutsche Linke wird überwiegend abseits stehen und elaborierte Diskurse führen, die alles sind, aber nicht popular, volksnah, volkstümlich – oder eben populistisch. Ideen von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe sind im deutschsprachigen Raum für metapolitische Theorie und Praxis also noch fruchtbar zu machen. Dank Ingo Elbe und Co. wird die politische Rechte dabei konkurrenzlos sein.