1978 erschien mit 21jähriger Verzögerung die deutsche Übersetzung eines wegweisenden amerikanischen Buchs unter dem Titel Theorie der kognitiven Dissonanz. Der Sozialpsychologe Leon Festinger beschrieb darin einen psychologischen Kompensationsmechanismus, den er während seiner Feldforschung in einer UFO-Sekte beobachtet hatte: Beim Auftreten einer kognitiven Dissonanz, also dem unangenehmen Gefühlskonflikt, daß die wahrnehmbare Wirklichkeit nicht mit persönlichen Erwartungen oder Glaubens- und Wunschvorstellungen in Übereinstimmung zu bringen ist, bleiben den betroffenen Individuen nur zwei Optionen – entweder die eigene Meinung oder die aller anderen zu ändern.
Insbesondere für Anhänger eines konkreten, geschlossenen Weltbilds komme nur die zweite Möglichkeit in Frage, da ihre Anführer in aller Regel Unfehlbarkeit für sich beanspruchten; demgemäß neigten sie dazu, die Realität mit allen Mitteln in Richtung ihrer Glaubenssätze umzubiegen.
Was auf Erlösungsreligionen und Gruppen von Endzeitfanatikern zutrifft, läßt sich ohne viel Phantasie auch auf politische Utopisten anwenden: Wo immer die Hoffnungen und Versprechungen auf eine mit »neuen Menschen« bevölkerte »bessere Welt« hinauslaufen, ist der Konflikt mit dem real existierenden menschlichen »Mängelwesen« (Arnold Gehlen) bereits vorprogrammiert.
Insbesondere dort, wo die politisch machbare Erziehungsarbeit an Grenzen der Natur zu stoßen droht, wird deshalb meist zur oben genannten zweiten Möglichkeit gegriffen – die Technokraten der Gesellschafts- und Menschheitsoptimierung werden flugs zu Moralisten, wenn es darum geht, unwiderlegbare natürliche Gegebenheiten für indiskutabel zu befinden oder in einem Kraftakt der Projektion als »soziale Konstrukte« wegzuerklären.
Ein offenkundiges Beispiel für dieses Vorgehen in der Bundesrepublik liefert die Bevölkerungsentwicklung: Während es über ein Vierteljahrhundert hinweg gelang, die alarmierenden wissenschaftlichen Prognosen von Robert Hepps Endlösung der Deutschen Frage (1988) bis hin zu Herwig Birgs Die ausgefallene Generation (2005) durch Beschweigen zu deckeln oder zumindest innerhalb des geschlossenen Fachdiskurses zu halten, hatte ein »Prominenter« des politmedialen Komplexes wenig Mühe, aus der bevölkerungspädagogischen Dogmatik auszubrechen: Thilo Sarrazins Deutschland schafft sich ab sorgte 2010ff. für ein derartiges Erdbeben, weil sich hier Fleisch vom Fleische des Establishments unverhofft nicht an die Spielregeln des etablierten Diskurses hielt.
Der Geist des vollumfänglich gescheiterten Gesellschaftsexperiments, der damit aus der Flasche war und dem Buch rasenden Umsatz bescherte, ließ sich wiederum nur noch durch moralisierende Argumente nachhaltig bändigen: Gefühlsurteile wie »dumm und nicht weiterführend« (Angela Merkel) oder »sprachlich so was von gewalttätig« (Sigmar Gabriel) stellen so eine Schadensbegrenzungsvariante der berüchtigten Sentenz Thomas de Mazières dar: »Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.«
Im englischsprachigen Raum, insbesondere in den USA, ist man – wie so oft – auch diesbezüglich bereits deutlich weiter. Empirische Befunde, die das Gebot der Diversity desavouieren, werden dort seit einigen Jahren analog zur Minderheitengefühle verletzenden Hate speech als Hate facts bezeichnet und als Sakrilege behandelt. So erschien erst im Februar dieses Jahres ein Buch des US-Anthropologen Jonathan M. Marks unter dem Titel Is Science Racist? (»Ist Wissenschaft rassistisch?«); eine Frage, die Marks als notorischer Warner vor »pseudowissenschaftlichem« Scientific racism für dringend geboten hält.
Die Pogromstimmung des etablierten akademischen Betriebs macht vor keinem noch so renommierten Abweichler halt: 2014 mußte James Watson, immerhin einer der beiden Entdecker des doppelhelikalen Aufbaus der DNA, im Alter von 86 Jahren seine Nobelpreismedaille von 1962 verkaufen. Watson hatte sich 2007 im Gespräch mit der Sunday Times bekümmert darüber geäußert, daß die objektiv falsche politische Annahme von der gleichen Intelligenz aller Menschen die Zukunftschancen Afrikas stark verschlechtere, war daraufhin zur akademischen »Unperson« geworden und infolgedessen in große finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Trotz derart abschreckender Beispiele war und ist die anglophone, (in bezug auf die etablierten Diskursgängelungen) »skeptische« Wissenschaftslandschaft beeindruckend gut aufgestellt. Dazu gehören kontroverse Psychologen wie J. Philippe Rushton (Rasse, Evolution und Verhalten, 2005; vgl. Sezession 71) oder Kevin MacDonald, dessen alle Konventionen sprengendes Werk The Culture of Critique (1998, dt. 2013; vgl. Sezession 55) als Grundlage der gegenwärtigen rechten Kultur- und Medienkritik in den USA gelten kann.
Tatsächlich konstituieren die sogenannten Race realists, also diejenigen Forscher, Publizisten und Aktivisten, die das Schönreden und Weglügen aller beweisbaren Rassenunterschiede ablehnen, mittlerweile einen ganzen nonkonformen Wissenschaftsbetrieb: den der Human biodiversity (kurz HBD), mit welchem Terminus einerseits ein Buchtitel des oben genannten Jonathan Marks von 1995 augenzwinkernd aufgegriffen und andererseits das gängige Schlagwort der Diversity, der Vielfalt, als eben biologisch determiniert und nicht nach Belieben gesellschaftlich formbar gegen seine Urheber in Stellung gebracht wird.
Eine herausragende Stellung kommt hierbei dem New Yorker Philosophieprofessor Michael Levin zu, dessen empiristisches Grundlagenwerk Why Race Matters. Race Differences and What They Mean 1997 nur in einer sehr kleinen Auflage erschien und erst 2005 weitläufig zugänglich gemacht wurde. Bereits im Vorwort redet Levin Tacheles: Das meiste, was im akademischen Bereich und darüber hinaus über Rassenangelegenheiten zu hören sei, sei »wenig besser als Astrologie« und ziehe ähnlich lange und gewundene Begründungen für unentwegte Irrtümer nach sich – und der Grund dafür seien die ideologischen Scheuklappen, die sich die eigentlich der Wahrheit verpflichtete Wissenschaft habe verpassen lassen.
Er selbst schicke sich nun statt dessen an, das gesamte Rassennarrativ der vorangegangenen 60 Jahre »sturmreif zu schießen«, und zwar insbesondere durch Unterstützung der These, daß Intelligenz zum allergrößten Teil erblich sei und verschiedene Völker demgemäß verschiedene Durchschnitts-IQs hätten. Diese These samt ihrer fundamentalen gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen war bereits 1994 vom Politologen Charles Murray und dem Psychologen Richard Herrnstein in ihrem gemeinsamen, ebenso kontrovers aufgenommenen wie einflußreichen Buch The Bell Curve für das Gebiet der Vereinigten Staaten aufgestellt worden.
Für den europäischen Raum ist mit Fug und Recht der emeritierte britische Psychologieprofessor Richard Lynn als Vorreiter des HBD-Standpunkts zu bezeichnen. Lynn hat im Laufe von 50 Jahren über 200 Fachartikel und ein knappes Dutzend Bücher über ethnische Intelligenzunterschiede veröffentlicht und ist Leiter des Ulster Institute for Social Research in Nordirland, das auch einen Gutteil seiner Werke – oft gemeinsam mit dem finnischen Politikprofessor Tatu Vanhanen – verlegt hat – darunter auch in überarbeiteter Auflage das wohl kontroverseste: Dysgenics. Genetic Deterioration in Modern Populations (zuerst 1996), welches die Geschichte der Eugenik seit dem frühen 19. Jahrhundert und die durch die exponentielle Verbesserung der Lebensbedingungen seither eingetretene evolutionäre Negativselektion zum Thema hat. Lynns unbestrittenes Meisterwerk ist jedoch das in den USA erschienene Race Differences in Intelligence. An Evolutionary Analysis (2. überarb. Aufl. 2015), die bis heute umfangreichste Bestandsaufnahme der weltweit verfügbaren Daten über kognitive Fähigkeiten.
Von beträchtlicher Bedeutung für die Resilienz der HBD sind die zahlreichen kleineren Fach- und Theoriezeitschriften, die sich keinerlei politisch korrekten Sprachregelungen unterwerfen und so als Vektoren des als Hate facts geschmähten Wissens fungieren. Zu nennen sind vor allem die US-Periodika The Occidental Quarterly mit Kevin MacDonald als Chefredakteur und Richard Lynn als wissenschaftlichem Beirat sowie American Renaissance von Jared Taylor (vgl. Sezession 69). Im Vereinigten Königreich erscheint bereits seit 1961 die anthropologische Vierteljahrsschrift Mankind Quarterly, geleitet vom deutschen Biochemiker Gerhard Meisenberg mit abermals Richard Lynn als seinem Stellvertreter.
Und in Deutschland? Hier sind der Genetiker und Sozialhistoriker Volkmar Weiss (vor allem mit Die IQ-Falle. Intelligenz, Sozialstruktur und Politik, 2000) sowie der Anthropologe Andreas Vonderach (insbes. Sozialbiologie. Geschichte und Ergebnisse, 2012; demnächst Gab es Germanen?) zu nennen. Was das alles soll? Der HBD-Fraktion geht es insbesondere um einen grundlegenden Wandel in der Realpolitik, weg von egalitären Phantastereien, die nur Spannungen verschärfen, und hin zu einer gezielten – und empirisch fundierten – Ungleichbehandlung. Den politischen Nennwert der Hate facts beschreibt Michael Levin am prägnantesten:
Erst zu bestimmen, was fair sei, und dann auf dieser Grundlage die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu attackieren, zäumt das Pferd von hinten auf. Die richtige Vorgehensweise ist, zuerst die Fakten zu prüfen und in ihrem Licht den Zustand der Gesellschaft zu beurteilen.