Georgs Mimikry

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Dies hier ist kein Scherz. Es ist ein Pho­to, das es höchst ernst­haft zu ent­rät­seln gilt. Eini­ges, die Ober­flä­che, wäre sehr ein­fach her­aus­zu­fin­den: Der eine Typ muß doch die­ser Kubit­schek sein! Auf der Buch­mes­se! Ja, das war leicht. Nach Ein­ga­be von »Kubit­schek Buch­mes­se« führt  uns die digi­ta­le Such­ma­schi­ne zu gut 58000 Fund­stel­len. Noch dras­ti­scher: Es ist gar kei­ne Fund­stel­le zu einer Gesamt­schau der Frank­fur­ter Buch­mes­se 2017 zu fin­den, die ohne die Stich­wor­te »Kubit­schek« oder »Ver­lag Antai­os« aus­kommt. Soll man noch­mal die Bege­ben­hei­ten rekapitulieren?

Wie der Bör­sen­ver­ein des deut­schen Buch­han­dels als Ver­an­stal­ter der Mes­se nach  außen hin »Mei­nungs­frei­heit auch für rech­te Ver­la­ge« pro­kla­mier­te, in den Hal­len (genau­er gesagt rund um einen Stand in Hal­le 3.1) jedoch sich nicht ent­blö­de­te, einen kra­wat­tig-stei­fen Zwölf­mann­um­zug mit ordent­li­chen Schil­dern »Gegen Ras­sis­mus« und »Für Frei­heit und Viel­falt« zu veranstalten?

Wie die ein­schlä­gig lin­ke »Ama­deu-Anto­nio-Stif­tung« (AAS) einen Gra­tis­stand gegen­über dem Antai­os­ver­lag zuge­wie­sen bekam? Wie ich selbst (nach­dem ich gele­sen hat­te, die AAS behaup­tet, wir  ver­wei­ger­ten den Dia­log) ein offe­nes Forum (Bonus: die dür­fen bestim­men, wer von jeder Sei­te auf­tritt und wer die Mode­ra­ti­on über­nimmt) ange­bo­ten hat­te, aber beschie­den wur­de, »über die­ses Stöck­chen« eines  öffent­li­chen  Mei­nungs­aus­tau­sches sprin­ge man nicht?

Wie die Antai­os- Mit­ar­bei­ter all­mor­gend­lich ihren Stand in die­sen bewach­ten Hal­len »ver­än­dert« vor­fan­den? Durch Kaf­fee­satz und Zahn­pas­ta ver­un­ziert, durch pro­fes­sio­nell gestal­te­te  Kle­be­flä­chen (»Zu Risi­ken und Neben­wir­kun­gen die­ser Bücher befra­gen Sie Geschichts­bü­cher oder ihre Groß­el­tern« – na, gern!) ver­frem­det? Wie Lesun­gen aus Antai­os­bü­chern und Gesprä­che mit Autoren in einer zusätz­lich ange­mie­te­ten Are­na durch mas­si­ve lin­ke Stör­trup­pen erschwert und letzt­lich ver­un­mög­licht wurden?

Wie es erst per Twit­ter­ge­wit­ter hieß, von unse­rer Sei­te sei­en viel­fach, dann: ein­ma­lig, dann: gar nicht (die mul­ti­pel vor­lie­gen­den Ton­spu­ren gaben es nicht her) »Sieg-Heil«-Rufe erklun­gen? Wie erst kol­por­tiert wur­de, daß ein »Antai­os-Sicher­heits­mann« einen harm­lo­sen Demons­tran­ten nie­der­ge­run­gen habe, bis klar wur­de, daß es ers­tens gar kei­nen Antai­os-Sicher­heits­mann gab, zwei­tens der Nie­der­rin­ger ein Secu­ri­ty­typ der Buch­mes­se und drit­tens der Nie­der­ge­run­ge­ne einer war, der eine bekann­te lin­ke Num­mer ist und sich vier­tens den Anwei­sun­gen der Poli­zei wider­setzt hatte?

Nein. Es soll hier allein um die­sen abge­bil­de­ten Augen­blick der Wahr­heit gehen. Was sehen wir? Einen Mes­se­gang. In des­sen Mit­te Götz Kubit­schek, Lei­ter des Antai­os Ver­lags, dane­ben Georg. Georg war immer zur Stel­le, an jedem Mes­se­tag. Zu ihm gleich mehr. Links im Mes­se­gang heißt es flan­kie­rend »Dan­ke!«, rechts sehen wir den Schrift­zug »Dros­te«. Was soll das? »Dan­ke« erklärt sich womög­lich von selbst. »Dros­te« nun ist die nie­der­deut­sche Form des popu­lä­re­ren »Truch­seß«. Ety­mo­lo­gisch war der Truch­seß der, der dem Tross vor­steht. Wie, »Tross?«

Mili­tär­ge­schicht­lich bestand der Tross aus den rück­wär­ti­gen Tei­len einer Ein­heit, die Unter­stüt­zungs­auf­ga­ben ins­be­son­de­re im Ver­sor­gungs­be­reich über­nah­men. Der Tross war einer­seits für das Geschäft unab­ding­bar, schränk­te jedoch ande­rer­seits die Bewe­gungs­frei­heit der Armee ein. Heu­te, um den mili­tä­ri­schen Bereich zu ver­las­sen, wür­de man sagen: Der Truch­seß, der Dros­te, bestückt und sichert den Trans­mis­si­ons­rie­men. Im Mit­tel­al­ter stand der Droste/ Truch­seß der Hof­hal­tung vor. Er beschied sich gern und dienst­be­flis­sen mit der »zwei­ten Rei­he«. Die Tages­po­li­tik betrie­ben und betrei­ben andere.

Nun ist die­ses Pho­to kei­ne Insze­nie­rung, son­dern ein ech­ter Schnapp­schuß. Kubit­schek pro­biert ein tap­fe­res Lächeln, sei­ne Rech­te ist leicht geballt, und er sieht müde aus. Wir sehen hier deut­lich, daß sein gewohn­heits­mä­ßig schwar­zes (und als sol­ches bereits von Bernd Lucke gegei­ßel­tes) Hemd inwen­dig – das gibt es wohl, sie­he Kra­gen – weiß ist! Dar­über soll­te die Öffent­lich­keit infor­miert wer­den! Mit der Lin­ken umarmt Kubit­schek – etwas schüch­tern, etwas preu­ßisch sozu­sa­gen – Georg, den treu­en Freund und Zur- Sei­te-Ste­her. Und Georg? Lacht! Und wie! Unwi­der­steh­lich! Ein brei­tes Lachen, offen- und treu­her­zig, eyes wide open, das Gebot der Stunde!

Nein, Georg macht dem Kubit­schek kei­ne Hase­n­öhr­chen. Es ist das soge­nann­te Vic­to­ry-Zei­chen. Sei­ne lin­ke Hand befin­det sich dabei auf Brust­hö­he, dort, wo selbst bei einem Heu­pferd­chen das Herz schlägt. Es heißt (offi­zi­ell), Georg sei das Mas­kott­chen eines Ver­lags für Publi­ka­tio­nen im erd­kund­li­chen Bereich. Schon das paßt ganz schön. Man ver­stand sich sofort, zumal Kubit­schek auch stu­dier­ter Geo­graph ist. Nun trägt der lie­be Gras­hüp­fer sei­nen Namen nicht von unge­fähr, und sei­ne (manch erns­tem Zeit­ge­nos­sen albern  dün­ken­de)  Ver­klei­dung darf man mit Fug und Recht als Mimi­kry deu­ten. Über die Zahn­ge­sund­heit des Ur-Georg wis­sen wir wenig. Er wird nor­ma­ler­wei­se – tem­pi pas­sa­ti! – auch eher anti-plü­schig dar­ge­stellt, im Gegenteil!

Georgs Urahn sitzt hoch zu Roß, er schaut ernst, wenn nicht grim­mig, er führt eine Lan­ze, und er führt sie gut, näm­lich mit Erfolg gegen jenen Lind­wurm, in des­sen Schlund so vie­le tap­fe­re Recken hin­ge­gan­gen sind. Georg ist nicht nur einer der vier­zehn Not­hel­fer, er ist Schutz­pa­tron der Sol­da­ten, Schlach­ten­hel­fer, Erz­mär­ty­rer und als legen­dä­rer Dra­chen­tö­ter mit­hin die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur für alle, die ihr Land vom Bösen befrei­en wol­len. Georg nun, bekannt­lich gebür­ti­ger Tür­ke aus Kap­pa­do­ki­en, weiß, daß auf einer ultra­zi­vi­len Ver­an­stal­tung wie der Inter­na­tio­na­len Buch­mes­se schlecht Staat zu machen wäre mit Waf­fe, Roß und Ban­ner. Doch er war wie­der da. Tag­täg­lich. In Ver­klei­dung. Es war wun­der­bar. Aber­mals: Danke!

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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