Buchgeschenkempfehlungen III – Erik Lehnert

Geschenkempfehlungen in Buchform – wie jedes Jahr aus unserer Redaktion. Teil III: Erik Lehnert.

Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

Wah­res
Klaus-Jür­gen Liedt­ke: Nach­krieg und Die Trüm­mer von Ost­preu­ßen. Roman aus Doku­men­ten, Ber­lin: Die Ande­re Biblio­thek 2018, 416 Sei­ten, 42 €
Die Ver­trie­be­nen­pro­ble­ma­tik folgt unaus­weich­lich den Geset­zen der Bio­lo­gie. Die jen­seits der Oder-Nei­ße-Gren­ze gebo­re­nen Deut­schen wer­den weni­ger. Daß das The­ma damit nicht erle­digt ist, macht Liedt­ke mit sei­nem sehr per­sön­li­che Buch deut­lich: Auch die Nach­kom­men der Ver­trie­be­nen, zu denen Liedt­ke gehört, wer­den von die­sem Schick­sal nicht los­ge­las­sen und unter­schei­den sich dar­in von den­je­ni­gen, deren Hei­mat bruch­lo­ser durch die Zei­ten gelang­te. Was es bedeu­tet, Nach­kom­men von den­je­ni­gen zu sein, denen die Hei­mat genom­men wur­de, macht Liedk­te an sei­ner eige­nen Kind­heits­ge­schich­te und der spä­te­ren Erkun­dung der alten Hei­mat deut­lich. Die gute alte Zeit ist streng geschie­den von allem, was danach kam. Die­ser Rück­zugs­ort ist gleich­sam der geis­ti­ge Schutz­raum der Fami­li­en vor den Zumu­tun­gen, die sie ohne gro­ßes Kla­gen für alle ande­ren stell­ver­tre­tend ertra­gen muß­ten. – Buch hier bestel­len.
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Gutes
Michail Bul­ga­kow: Die wei­ße Gar­de. Roman, neu über­setzt von Alex­an­der Nitz­berg, Ber­lin: Galia­ni 2018, 544 Sei­ten, 30 €
Kiew im Win­ter 1918/19: Die Stadt ist voll­ge­stopft mit Flücht­lin­gen, die sich vor den Bol­sche­wis­ten in Sicher­heit brin­gen wol­len. Der kurz­le­bi­ge ukrai­ni­sche Staat löst sich auf, weil sich die deut­sche Schutz­macht zurück­zieht. Der Wider­stand gegen die anstür­men­den Bol­sche­wis­ten und die Trup­pen des Petl­ju­ra, die sich einen Wett­lauf zur Erobe­rung Kiews lie­fern, muß von der alten Eli­te orga­ni­siert wer­den, denen nur der jugend­li­che Idea­lis­mus der Gym­na­si­as­ten zur Ver­fü­gung steht. Inmit­ten die­ses Cha­os‘ bil­det die groß­bür­ger­li­che Woh­nung der Fami­lie Tur­bin einen Ruhe­pol, bis auch dort die Wel­le der Gewalt sei­nen Tri­but for­dert. Bul­ga­kows Roman, nie­der­ge­schrie­ben in den Jah­ren 1923/24, wird durch die Neu­über­set­zung aus dem Schat­ten sei­ner bekann­te­ren Wer­ke her­aus­ge­holt, weil es ihr gelingt, die viel­ge­rühm­te fei­ne Iro­nie des Autors end­lich dem deut­schen Leser zugäng­lich zu machen. – Buch hier bestel­len.
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Schö­nes
Edward Broo­ke-Hit­ching: Atlas der erfun­de­nen Orte: Die größ­ten Irr­tü­mer und Lügen auf Land­kar­ten, Mün­chen: dtv 2017, 256 Sei­ten, 30 €
Wer eine Schwä­che für Land­kar­ten hat, ist mit die­sem lie­be­voll aus­ge­stat­te­ten Buch bes­tens bedient. Das liegt vor allem am Autor, der nicht als Wis­sen­schaft­ler zu sei­nem The­ma gefun­den hat, son­dern als Anti­quar und daher den Kar­ten­wer­ken den ihnen gebüh­ren­den Platz läßt. Daß im Titel etwas rei­ße­risch von „Lügen“ die Rede ist, ist den Ver­mark­tungs­me­cha­nis­men geschul­det, bei den meis­ten der „erfun­de­nen Orte“ han­delt es sich eher um Irr­tü­mer bzw. Ver­mu­tun­gen, die sich bei genaue­rem Hin­se­hen nicht bewahr­hei­tet haben. Manch einer, wie der Bran­den­bur­ger Aus­tra­li­en­for­scher Leich­hardt, muß­te die­se Irr­tü­mer mit dem Tod bezah­len, in sei­nem Fall denn, daß sich im Innern Aus­tra­li­ens was­ser­rei­che Gegen­den ver­ber­gen. Das Buch bie­tet eine kurz­wei­li­ge Aus­wahl sol­cher geo­gra­phi­scher Annah­men, die im Detail abge­bil­det und knapp kom­men­tiert wer­den. – Buch hier bestel­len.
Erik Lehnert

Erik Lehnert ist promovierter Philosoph.

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Kommentare (2)

Max

6. Dezember 2018 17:56

Die Weiße Garde neu übersetzt? Noch dazu gut?

Klasse. Das war für mich das Buch, was mir klar machte, was man für einen Vorteil hat, wenn man ein Buch im Original lesen kann. Ich hatte damals eine DDR-Übersetzung und halt auch das russische Original zum Vergleich.

Die Weiße Garde war für mich eigentlich nach Meister und Margarita immer schon die Nummer 2.

Der_Juergen

7. Dezember 2018 20:49

Mich verfolgt Bulgakows "Meister und Margarita", seitdem ich dieses Werk als Bühnendrama kennengelernt habe (1980 in Bukarest; den Roman las ich erst später, und die russische Verfilmung von 2005 hat mich ungeheuer beeindruckt). Allerdings empfinde ich leichte Gewissensbisse angesichts meiner Faszination für Bulgakows bekannteste literarische Schöpfung, da ich mich der Meinung eines russischen Freundes, letztere sei "unter dem Einfluss dunkler Mächte" entstanden, anschliessen muss. Dasselbe gilt übrigens für meinen Lieblingsfilm, "Rosemary's Baby" von Polanski: Ein technisch und schauspielerisch absolut genialer, aber ein im Grunde zutiefst böser Film.

Bezüglich der "Weissen Garde" gibt es keinen Raum für solche Vorbehalte; wir haben es mit einem Kunstwerk zu tun, das man unbeschwert und mit grossem Gewinn lesen wird. Dankeschön für die Empfehlung, Erik Lehnert!

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