Gutes
Alexander von Schönburg: Die Kunst des lässigen Anstands. 27 altmodische Tugenden für heute, München 368 S, 20€.
Stilfibeln und Benimmregeln sind out (weil für Poser), Ratgeber zum Großthema Selbstoptimierung sind dumm. Von Schönburgs Leitfaden durch 27 unzeitgemäße Tugenden hingegen ist großartig! Wer je höhnisch zu fragen wagte: Abendland? Leitkultur?: Hier ist die Antwort in eine Form gegossen! Als Gewährsleute dienen dem Autoren zuverlässige Quellen wie Aristoteles, Thomas von Aquin, Josef Pieper und Simone Weil. Ohne jeglichen gouvernantenhaften Predigerton führt uns der Autor durch seinen Sittenspiegel: Bescheidenheit und Mitgefühl zählen erwartbar zu jenen Leitwerten, aber auch diese: Keuschheit, Gehorsam, Fleiß, Zucht. Bekanntlich gibt es nichts Gutes – außer, man tut es! Meine Kinder mußten auf einer längeren Autofahrt dem gleichnamigen Hörbuch lauschen. Jetzt gehen die CDs reihum, weil alle weiterhören wollen. – Schönburg hier bestellen.
Wahres
Burkhard Hofmann: Und Gott schuf die Angst. Ein Psychogramm der arabischen Seele, München 2018. 288 S., 19.99 €
Der Buchtitel ist etwas trügerisch. Dem erfahrenen Hamburger Psychotherapeuten Burkhard Hofmann geht es nicht um Religionskritik. Hofmann reist seit über einem Jahrzehnt mehrmals im Jahr in die Golfstaaten, um dort Patienten zu behandeln. Westliche Mediziner stehen dort hoch im Kurs, Seelendoktoren hingegen sind eine Neuheit. Anhand von Fallbeispielen beleuchtet der Autor mit großem Einfühlungsvermögen, aber kritisch, die typischen Fallhöhen der arabischen Psyche. Was macht es mit einem Kind, dessen Mutter in der Öffentlichkeit nur vollverschleiert mit ihm kommuniziert? Wie wirkt es sich aus, wenn die Mutter am Eingang zur Himmelspforte ein Vetorecht hat? Wie, wenn die einzige Aufgabe des (sonst abwesenden) Vaters die religiöse Einweisung ist? Hofmanns Fachkenntnisse sind stupend, sein Stil ist romanhaft und mitreißend. Islamkunde aus erster Hand! – Hofmann hier bestellen.
Schönes
Bernd Zeller: Die Opportunitäter, Münster 2018, 62 S, 16 €
Ich bin unsicher, ob ich den Wortwitz oder die Zeichnungen Bernd Zellers (*1966, Jena) mehr liebe. Vermutlich ergibt beides den Clou. Karikaturist Zeller hat bereits für alle möglichen Zeitungen (von der Welt über die Süddeutsche bis zum Focus) gezeichnet, was mich etwas kränkt, weil ich seine Cartoons als speziell meine Art Humor empfinde. Andererseits kann man dadurch dieses feinsinnige Skizzenbuch jedem Zeitgenossen bedenkenlos verschenken. Wie kann einer mit wenigen Strichen die Rückenansichten einer Andrea Nahles (Sakko und Hintern) zur Kenntlichkeit darstellen? Oder nehmen wir den hier: Zwei Anorak-Leute stehen auf der Straße. Er, mit Kinnbart, macht ein kritisches Gesicht-gegen-rechts. Sie, runtergezogene Mundwinkel, agitierte Hände: „Mit denen kann man nicht diskutieren. Die verschanzen sich dahinter, so zu tun, als wären sie ganz anders als von uns charakterisiert.“ Niemand bringt die urbane, individualitätsbesoffene, dabei konformitätsfromme urbane Mittelschicht besser auf den Punkt als Zeller. – Zeller hier bestellen.
ede
Bernd Zeller ist umwerfend, da gibt es nix zu meckern. Bei Ihnen natürlich auch nicht.