Tochter ist auf einer einschlägigen (d.h. „patriotischen“, „rechten“) Festivität/Feier/Party und kommt ins Gespräch: „Waas, Du kommst aus Schnellroda?
Da kennst Du bestimmt Götz Kubitschek?“ – „Götzwernochmal?“ – „Na, den Kubitschek! Den… mit dem Verlag und so!“ – „Achso, den. Ja, in dem seinen Rittergut wohne ich sogar.“- „Also – also siehst Du den auch manchmal? Da muß man sich ja manchmal über den Weg laufen, oder?“ – „Och ja. Vermutlich. Da laufen ja so viele rum. Ich weiß gar nicht genau, wer von denen der Kubitschek ist.“ Es folgen Personenbeschreibungen: „So ziemlich kurze Haare…“
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1. Dezember 2018 – Eigentlich bin ich eine echte Leseratte. Nicht nur in belletristischer Hinsicht. Als wir unser Rittergut erworben hatten, hatte ich jedes Sachbuch, jedes Internetforum nach den Stichworten „Lehm“ ‚“Kalk“, „Fenstersprossen“ etc. durchforstet. Man will ja alles richtig machen, vor allem das, was Bestand haben soll!
Warum ich nie Erziehungsbücher gewälzt habe, ist mir ein Rätsel. Eigentlich kann man hier alles falsch machen! Vielleicht hatte ich einen „guten Instinkt“, vielleicht auch den, daß Bücher zu diesem Thema eher auf die falsche Fährte leiten. Gerade befindet sich Caroline Sommerfelds (noch titellose, aber alle Interessenten: bitte vormerken!) Erziehungsfibel unter der Knute meines Lektorats: Was für ein Geschenk, dieses Buch!
Ich staune, was ich alles instinktiv richtig gemacht habe und wo ich hätte innehalten sollen. Mein Erziehungsstil war ziemlich rigoros an mein höchstpersönliches Empfinden angelehnt. Ist er bis heute! Sommerfelds Buch macht „rechte Erziehung“ systematisch.
Neulich hatte ich ein Wochenende mit etlichen Müttern noch relativ junger Kinder (Vorschulalter) zu verbringen. Es hat mich schwer genervt. Dauernd dachte ich: “Falsch! Ihr reagiert völlig verkehrt!”, aber ich hab mir den Mund strikt verboten und kinder- und mütterfeindliche Sachen gedacht.
Zu Hause erzählte ich davon und stellte die Frage in den Raum: „Entweder bin ich mittlerweile in dem Alter, wo früher alles ganz anders war, oder ich hatte wirklich radikal strenge pädagogische Maßstäbe?“ Meine Kinder (die es wissen müssen, weil sie den Vergleich zu Altersgenossen haben) rieten einhellig zu Antwort b). Und, *aufseufz*, einhellig: „Würde ich später nie anders machen!“
Nun hat mich meine beste Freundin auf einen Beitrag der Zeitschrift Eltern aufmerksam gemacht. Darin geht es um die sich ausbreitende unerzogen- Community, die findet, jegliches Erziehen sei „gemein“.
Die Eltern-Autorin fragt: Warum?
Antwort: Weil Erziehung Kinder diskriminiert. Der Gedanke, dass ein Mensch einem anderen Menschen vorschreiben darf, wie er zu sein hat, nur weil zwischen diesen beiden Menschen ein Altersunterschied besteht, ist in unserer Gesellschaft so tief verankert, dass uns die tiefe Ungerechtigkeit darin oft gar nicht mehr auffällt.
Natürlich ist für Kinder wichtig, dass wir uns um sie kümmern und sie ins Leben begleiten. Doch solange wir sie dabei erziehen, machen wir sie zu Objekten, die wir in unserem Sinne formen. Diesen Machtmissbrauch aufzuheben und miteinander auf Augenhöhe umzugehen – umzugehen – das ist der Kern von „unerzogen“.
Eltern-Autorin:
Solche Bilderbuchlösungen sind prima – aber sie klappen eben nicht immer. Anderes Beispiel, Zähneputzen: Da finden sich im Internet Berichte von Eltern, die „unerzogen“ leben und ihrem Kind seit Wochen nicht die Zähne geputzt haben, weil es das nicht will. Ist das noch Selbstbestimmung oder schon Vernachlässigung?
unerzogen-Mama:
Wenn Eltern sich entscheiden, nicht mehr zu erziehen, fallen bestimmte Handlungsoptionen einfach aus. Ein Kind zum Zähneputzen zu zwingen ist ein solches Beispiel. Das ist Gewalt, und Gewalt ist indiskutabel – egal, welche Gründe dahinterstehen. Doch „unerzogen“ zu leben bedeutet nicht, einfach aufzugeben und zu sagen: dann eben nicht. Sondern mit meinem Kind in Beziehung zu treten und zu schauen: Was kann ich jetzt tun, um ihm diese Sache, die mir wirklich wichtig ist, zu erleichtern? Woran liegt seine Scheu, seine Abwehr?”
Eltern-Autorin:
Und wenn ich alles ausprobiert habe und trotzdem nichts funktioniert?
Unerzogen-Mama:
Dann muss ich das Thema vielleicht wirklich erst mal eine Weile ruhen lassen. Zahnhygiene ist wichtig, aber Schäden an den Zähnen lassen sich leichter reparieren als Schäden an der Seele.
Die Frage nach Hirnschäden (Eltern /Kinder) bleibt damit unangetastet…
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2. Dezember 2018 – Nein, wir besitzen noch immer keinen Hund, trotz vielfachen Rats. Wohl aber haben wir ein Rudel (sagt man so? Nein, oder?) Gänse. Daß diese Gänse noch vor sechs Monaten verklemmte Dingerchen waren, die sofort aus Angst koteten, wenn sich ein Menschenwesen näherte, ist heute kaum vorstellbar. Ab August bis Mitte November waren sie Herrscher des Gartens. Dann haben wir einen gewissen Termin verstreichen lassen, nämlich den 11. November.
Jetzt werden sie übergriffig. Rolle ich mit dem Auto auf den Hof, recken sie ihre Köpfe. Steige ich aus, starten sie zum Angriff. Sichgroßmachen und laut werden hilft dann nichts mehr. Sie greifen erbarmungslos an. Zurückzischen? Spornt sie nur weiter an.
Es muß gesprintet werden – und mittlerweile sind auch die Stufen zur Eingangstür kein Hindernis mehr für die Angreifer bzw. Verteidiger ihres Gebiets. Heute hab ich mir meine blauen Flecken geholt. Übrigens lassen sie den Kubitschek in Frieden.
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4. Dezember 2018 – Adventsfasten ist eh schwierig. Ein Unding in unseren Zeiten! Man kann es auch übertreiben…
Auf youtube (diesen Fasten-Rat gab ich meinen Kindern) faste ich ohnehin beinahe ganzjährig. Heute war ich jedoch zweimal “dort”. Einmal, weil die kleinste Tochter einen Refrain sang: “Ich hab, ich hab dicke Lippen.”
Mir kam ’s nicht bedeutungsvoll vor, die (nur etwas) ältere Schwester hingegen alarmierte: “Ihr wißt ja nicht, was die singt! Guckt Euch das mal an! Das ist abartig!”
Hm, also angeschaut, was mit den dicken Lippen so los ist auf dem Grundschulhof, von dem die Jüngste das Liedlein aufgeschnappt hat. Blöder Dialog:
“Woher kennst Du das??”
“ALLE singen das!”
“Wer, alle?”
“Der Jason, die Virgina, der Flavy, der… Einfach: Alle!””
“Aber sowas läuft doch nicht im Radio, oder?”
“Nö, glaub nicht. Nur auf den Smartphones. ”
Muß ich betonenen: GRUNDSCHULE! Das Schlampenvideo aus der Nachbarschaft hat über 15 Millionen Aufrufe.
Hingegen Johann Konstantin Poensgen. Unser hyperintelligenter (definitiv!) Autor und seine Haßkommune! Sein schauspielreisch hochwertiges Video krebst bei rund 600 Zugriffen herum. Ich liebe Poensgens Video zum Migrationspakt! Und ich weiß nicht, warum das nicht zum Renner wird.
quarz
"Wohl aber haben wir ein Rudel (sagt man so? Nein, oder?) Gänse"
Schar?