Beide Schokoladenfiguren haben einen seltsam verschlagenen und allzu menschlichen Gesichtsausdruck bekommen, der Krampus (für meine bundesdeutschen Leser, die ihn nicht kennen: er ist das alpine Pendant zum Knecht Ruprecht) sieht aus wie ein balkanesischer Zuhälter und der Nikolo wie ein Schwerverbrecher oder Kinderverzahrer. Ihnen fehlt alles Winternächtliche, Märchenhafte, Geheimnisvolle. Am einschneidendsten ist allerdings, daß anstelle eines Kreuzes auf der Mitra des Nikolo das “M” des blau-rosa Manner-Schriftzugs prangt.
Damit ist die Figur des Nikolaus nicht nur entzaubert, sondern auch entchristianisiert worden. Das Ergebnis ist jedoch keine neo-heidnische Figur, sondern ein trivialer “kapitalistischer” Artikel. Das Firmen-“Branding” ist in den Vordergrund gerückt. Die Konkurrenzfirma Milka ist in dieser Hinsicht nur wenig besser – der Nikolaus ist in das Markenlila gehüllt, und auch beim Krampus drängt sich der Schriftzug stark in den Vordergrund.
Einem Freund gelang es allerdings, doch noch eine “traditionelle” Variante der beiden Figuren aufzutreiben, die so aussieht:
Laut Aufschrift auf der Rückseite wurden auch diese Figuren von “Manner Napoli Casali Wien” produziert. Es scheint sich dabei jedoch um ein Auslaufmodell zu handeln. Sie entsprechen jedenfalls im wesentlichen dem Aussehen, wie ich es in meiner Kindheit kannte: Ein scharfer, auch farblicher Kontrast zwischen den Gestalten, wolkige, himmlischen, wattebartweiße Güte auf der einen Seite, flammendes Rot, tiefes Schwarz und höllischer Grusel auf der anderen.
Allegorien von Gut und Böse und märchenhafter Form, mit dem seltsamen, fast schon mystischen Umstand, daß diese beiden Mächte hier offensichtlich harmonisch zusammenarbeiten. Denn der Krampus war dem Nikolaus untergeordnet wie Caliban dem Prospero oder vielleicht auch wie der Teufel dem Herrn im Buch Hiob. Und wie so oft, ist der Bösewicht interessanter, weniger langweilig als der Gute, der allerdings in Gestalt des Nikolo mit seiner Bischofsmütze, seiner Mitra und seinem Wattebart auch etwas ein wenig Unheimliches und Gebieterisches hatte, als Repräsentant des Himmelvaters oder entfernter Abkömmling des bärtigen Herrgottes, wie ihn Michelangelo gemalt hat.
Der österreichische Kulturanthropologe Roland Girtler nennt ihn in seinem herrlichen Buch “Gruß vom Krampus” (Wien 2001) eine “edle Abart des Teufels”. Das Böse, so Girtler, kann einen gewissen Charme haben, wenn es mit einem Ehrenkodex verbunden ist. Der Krampus gleicht dem “edlen Ganoven”, “der die Reichen bestiehlt und ein Freund der Verfolgten ist” oder dem “verwegenen Wildschütz”, der “dem aristokratischen Jäger die Gams vor der Nase wegschießt”. Dies unterscheide ihn von den wahrhaft bösen “Satanen”, die “menschen- und tierverachtende Wesen” seien. Der Krampus hingegen, eine merkwürdig “himmlisch-teuflische Existenz”, jage unter der Obhut des Nikolaus den Menschen einen Schrecken ein, “um sie anzuhalten, den guten Weg zu suchen” und strafe nur jene, die selbst Böses getan haben.
Der Krampus ist wie die heidnischen Götter und Geister ein Geschöpf des Waldes, des Landes, des Dorflebens, der bäuerlichen Welt. Der 1941 geborene Girtler, der in dem kleinen Gebirgsdorf Spital am Pyrhn in Oberösterreich aufgewachsen ist, berichtet:
Er gehört zum Programm und zur Kultur der alten katholisch-heidnischen Familien, ebenso wie der Osterhase, das Osterlamm, der Bischof, der Palmbuschen und die Pfarrerköchin. Er war Teil meiner Kindheit im oberösterreichischen Gebirge, und irgendwie war ich, obwohl mir der Krampus eine gehörige Angst einflößte, immer froh, unter Menschen zu leben, unter heidnischen Katholiken oder katholischen Heiden, die dem ihren Krampus Respekt zollten und ihn zumindest einmal im Jahr gehörig feierten.
“Heidnisch-katholisch” – das ist eine Kombination, in der auch ich mich zuhause fühle. Nicolás Gómez Dávila schrieb:
Nur der ist ein wahrer Katholik, der die Kathedrale seiner Seele über heidnischen Krypten errichtet.
Allerdings ist unzweifelhaft “der Teufel schlechthin” der Stammvater des pelzigen, gehörnten und bocksfüßigen Krampus. Eine zeitweilig in Wien lebende amerikanische Freundin aus fernen Tagen war so entzückt von den “Austrian chocolate devils”, daß ich ihr noch jahrelang pünktlich zur Adventszeit etliche Exemplare nach Kalifornien schicken mußte. Die Accessoires des Krampus wie Ruten, Ketten und Kohlenbütten verweisen deutlich auf die ewigen Höllenstrafen, die den Sündern, Verdammten und Gotteslästerern zugedacht sind. Das Buch, in dem der Nikolo nachschlägt, welche Buben und Mädchen brav oder schlimm waren, welche Süßes oder Saures, Rute oder Nascherei verdienen, ähnelt durchaus dem Buch des Lebens, das am Jüngsten Gericht aufgeschlagen wird, um die Toten nach ihren Werken zu richten.
Girtler betont das christliche Fundament des nikolausischen Einkehrfestes:
Der gute Christ weiß, der Hölle und ihren Qualen kann man nur dadurch entgehen, daß man seine Sünden regelmäßig einem Priester beichtet und sich auch sonst bemüht, ein gottesfürchtiges Leben zu führen, an dessen Ende ein himmlisches Halleluja beginnt. Ansonsten ist man des Teufels. Ein solches Denken ist auch der heidnischen Vorzeit bekannt, nicht nur dem braven Katholiken.
Dabei gibt es etliche Varianten und Typen des Krampus. Enge Verwandte sind die ebenfalls in den Alpengegenden beheimateten “Perchten”, die traditionellerweise am 6. Jänner mit Kuhglockengeläute und Kettengerassel die bösen Geister des Winters austreiben. Auch dieser Brauch reicht bis weit in vorchristliche Zeiten zurück.
Der “klassische Krampus”, der bis heute in der Erinnerung vieler Österreicher präsent ist, ist natürlich der Begleiter des Nikolaus, eigentlich des Bischofs von Myra, dessen Fest am 6. Dezember gefeiert wird. Die volkstümliche Phantasie hat aus diesem insbesondere in der Ostkirche verehrten griechischen Heiligen, dem etliche Wundertaten zugeschrieben werden, eine hyperboräische Gestalt aus deutlich nördlicher Himmelsrichtung gemacht, eine Art christlich veredelten Odin, eng verwandt mit Väterchen Frost und dem Weihnachtsmann (heute vor allem in seiner amerikanischen Degenerationsform “Santa Claus” bekannt, in dessen Name der Nikolaus steckt).
Doch bereits in den Tagen vor dem 6. Dezember, so Girtler,
… machten bis in die letzten Jahrzehnte junge, als Krampusse verkleidetet Burschen in Masken, Fellmänteln und mit Ruten das Dorf unsicher, so sehr, daß man heute schon vom 5. Dezember als vom “Krampustag” spricht. Ganze Gruppen von Kramperln waren unterwegs. Sie sahen sich durch altes Übereinkommen ermutigt, maskiert allerhand Volk und vor allem Buben zu verdreschen. Eine besondere Freude machte es den Krampussen, junge Mädchen zu “stampern”, ihnen also nachzulaufen und sie mit Ruten mehr oder weniger zart zu schlagen. Die Mädchen schrien und kreischten bei solcherart Behandlung durch die sich wild gebärdenden Krampusse, hinter deren Masken sich vielleicht potentielle Verehrer verbargen. … Darum war das Auftreten des Krampus “für uns Buben nicht nur mit Angst verbunden, sondern auch mit Abenteuer.
Dem wilden Treiben der Krampusbanden stand die “bürgerlich-zivilisierte” Variante gegenüber. Dieser machte auf Bestellung zusammen mit dem Nikolaus theatralische Hausbesuche. Allerdings beschränkte sich seine Rolle auf bloße, dräuende Anwesenheit. Ihm war es “nicht gestattet, tatsächlich die Rute einzusetzen, um schlimme Buben zu malträtieren.”
Solche Besuche haben einen merklich rituellen Charakter und erinnern an Volkstumsveranstaltungen für den Fremdenverkehr oder an Heimatabende.
Auch von diesem Nikolo und “zivilisierten Krampus” gibt es mehrere Typen. Er wird entweder von buchbaren Darstellern verkörpert, oder aber von Familienmitgliedern oder – freunden. Dabei kann es “zu lustigen Erkennungsszenen kommen, wenn die aus dem Bart ragende Nase der des Großvaters ähnelt oder der Stimme des Nikolaus anzumerken ist, daß hier der Onkel Pepi spricht.”
Diese Szene habe ich buchstäblich so erlebt:
Besonders verwegen ist es dann, wenn eine Tante den Nikolaus spielt. Meist versucht sie krampfhaft, sich mit einer tiefen Stimme Respekt zu verschaffen. Eventuellen Peinlichkeiten wird meist so begegnet, daß der Krampus mit Drohgebärden neugierigen Fragen der Kinder hinsichtlich der Herkunft der Person des Nikolaus verhindert.
Wie erbost ich war über diesen Betrug!
Meistens erlebte ich den Nikolotag allerdings in der abgespeckten Version, die Girtler ebenfalls schildert. Man stellte Schuhe oder Strümpfe ins Fensterbrett, die sich über Nacht wundersam mit Schokolade, Zuckerln, Keksen, Mandarinen, “Aschantinüssen” und möglichst knallroten “Krampusäpfeln” füllten. Diese verwiesen, nebst rotem Krepppapier, Kohlen und Ruten mit rotem Schleifchen, die zum Bravsein ermahnten, symbolisch auf die Existenz des Krampus, obwohl dieser selbst nicht in Erscheinung trat. Gelegentlich klopfte die Oma mit dem Besen ans Fenster, um uns Kindern die erwünschte Angst einzujagen (wir kreischten uns die Seele aus dem Leib, und wußten natürlich, daß sie es war).
Ein weiterer schöner Umstand am Krampusbrauch ist, daß er nicht nur österreichisch, sondern donaumonarchisch-österreichisch ist: Man findet ihn auch in Südtirol, Ungarn, Böhmen und Mähren, Teilen Norditaliens und Kroatiens sowie im rumänischen und serbischen Banat.
Oder soll man besser sagen “fand”? Das der bäuerlichen Welt entstammende Brauchtum ist deutlich im Schwund begriffen, und es ist leicht ersichtlich warum. Verstädterung, Modernisierung und Technisierung sind Wesen wie dem Krampus und Nikolo feindlich gesonnen, und auch der Rückgang des katholischen Glaubens und der Aufstieg der progressiven Pädagogik machen wesentliche Bestandteile des Festes zum Anachronismus. Die Erziehung durch Angstmache und Androhung physischer Strafe ist ebenso “out”, wie der Glaube an Himmel und Hölle, an Sünde, Beiche und Buße.
War es schlecht, unfolgsame Kinder körperlich zu züchtigen, wie es vor nicht gar allzu langer Zeit üblich war? Ich denke ja, und trauere dieser Praxis nicht nach. Die “gesunde Watschen” war wohl ein Mythos, um den es nicht schade ist. War es schlecht, den Kindern Angst einzujagen und Feiertagstheater zu spielen, auch in seinen ungruseligen Varianten wie Ostern und Weihnachten, die früher oder später zur Enttäuschung führen, wenn das Spiel enttarnt ist? Ich denke nein, wenn es wohldosiert geschehen ist. Ich glaube sogar, daß Kinder, die in ihren Träumen ebensoviele, wenn nicht noch mehr Ängste und Traumen verdauen müssen wie Erwachsene, ein gewisses seelisches Bedürfnis nach Gruselkitzel haben, und nicht umsonst sind die klassischen Märchen gesäumt mit Hexen, Kobolden, Zwergen, bösen Wölfen und Feen. Ich erinnere mich gern an den wohligen Grusel der Krampusnächte, und bin froh, das Theater noch miterlebt zu haben, das ich in mir trage wie ein Geschenk.
Gelöst aus diesem christlichen, “katholisch-heidnischen” Rahmen, abseits der Rituale und Bacchanalien der Dorfgemeinschaft, besteht das Nikolofest für viele Menschen nur mehr darin, passend aufgemachte Süßigkeiten und Artikel zu konsumieren, die – vide die modernistischen Untaten der Firma Manner – umso schöner sind, je nostalgischer sie sind. Surrogate, die noch einen Hauch Kindheitsmagie und ‑phantasie bewahren, auf die man auch in Zeiten von Internet und Transhumanismus nicht verzichten will. “Nur durch den zauber bleibt das leben wach” heißt es in einem Gedicht von Stefan George, in dem ein Vetter des Krampus auftritt:
Doch wer hängt das behaarte bein herab/Von dieses felsens träufelnd fettem moos?/ Aus buschig krausem kopfe lugt ein horn ..
Das aus rein kommerziellen Gründen in Deutschland und Österreich installierte amerikanische “Halloween”-Fest, hat einen nicht geringen Teil der krampusischen Energie aufgesogen. Wie einst auf den Kramperljagden, ziehen heute Kinder und Jugendliche in Gruselkostümen durch die Straßen, allerdings hat die Dialektik von Strafe und Belohnung eine merkwürdige Umkehrung erfahren: Die Kinder erscheinen selbst als Abgesandte der Unterwelt, die ohne irgendeinen Verdienst ihrerseits Süßigkeitentribute einfordern, ansonsten spukhafte Heimsuchung angedroht wird. An die Stelle der patriarchalen Autorität des Nikolaus, die zur Tugendhaftigkeit ermahnt, sind kleine, gierige Teufel getreten, die die Erwachsenen mit ihren Konsumwünschen terrorisieren.
In Baden bei Wien sah ich vor etwa fünf Jahren nach langer Zeit wieder einen Krampuslauf. Vieles hatte sich seit meiner Kindheit verändert. Die Masken waren um etliche Grade grausiger, detaillierter und realistischer, angepaßt an die Ästhetik moderner Horror- und Fantasy-Filme. Und in der Tat, der Anblick war mindestens so infernalisch wie die Ork-Armee aus “Herr der Ringe”, als hätten sich tatsächlich die Pforten der Hölle aufgetan. “Hell is empty, and all the devils are here!”, wie es in Shakespeares “Sturm” heißt.
So eindrucksvoll dieser Tanz der Teufel war, er hatte doch einen beunruhigenden Beigeschmack. Hier schien mir etwas aus der Balance geraten zu sein. Diese modernen Krampusse glichen doch eher “Satanen” und Dämonen als den edlen Schurken in Girtlers Deutung. Ihre Präsenz wurde nicht durch gütige, fromme Nikoläuse ausgeglichen, die mit ihren Wattebärten ohnehin kaum mit dem immer raffinierter und krasser werdenden Hollywood-Horror-Design mithalten können. Man hatte quasi Gott und den Himmel aufgegeben, den Teufel und die Hölle behalten.
Man kann darin und in der Ausbreitung von “Halloween” eine Art Re-Dämonisierung des Brauchtums sehen. Gleichzeitig steht es unter dem Beschuß der “politischen Korrektheit”. Noch sind die Angriffe nicht besonders stark, aber im Zuge der Multikulturalisierung wird der Kulturkampf auch auf Krampus und Nikolo ausgedehnt. Knecht Rupprecht soll nicht mehr “zeitgemäß” sein, der Nikolaus, der per Multikulti-Propaganda zum “Türken” erklärt wurde, verärgert angeblich muslimische Kinder, und der Krampus wird verdächtigt, zur Gewalt aufzustacheln. Am schlimmsten hat es “Zwarte Piet”, den holländischen Krampus/Knecht Rupprecht erwischt, dem die Kardinalsünde “Rassismus” vorgeworfen wird.
Hier verkündet die Kleine Zeitung (Steiermark) erleichtert, daß der mystische Bischof zwar “endlich nicht mehr pädagogisch mißbraucht” werde, beklagt jedoch, daß sein Bischofstab inzwischen den bösen, engstirnigen “Kämpfern für die christliche Leitkultur” als “Speerspitze” diene. Eine ähnliche Debatte wird beispielsweise hier geführt, wobei fraglich ist, wer den christlichen Traditionen feindlicher gegenübersteht – dauerbeleidigte Muslime oder doch eher “Politiker der SPÖ Wien”.
Hier hat eine Bloggerin des linksliberalen Standard die “toxische Maskulinität”, den identitären Nationalismus und sadomasochistischen Sexismus des Krampus entdeckt. Kostprobe der aus dieser messerscharfen Analyse erblühenden kulturmarxistischen Meisterprosa:
Der Krampus ist eine groteske Repräsentation von Maskulinität, in der sich eine patriarchale, ländliche Vormoderne und katholisches Sündenverständnis – die begehrlichen Frauen bekommen, was sie verdienen – in seltener Harmonie treffen. Wie eine Studie junger Kulturanthropologen deutlich macht, dient der Krampus heute als zumindest temporäre Rückversicherung dieser im Alltag längst vergangenen männlichen Identitätskonstruktion als “wilder Mann”. (…) Nicht nur der Nikolaus, auch der Krampus wird zunehmend zur Versicherung einer “abendländischen” oder zumindest “österreichischen” Identität herangezogen. (…) Der Krampus wird ungeachtet der eigenen ambivalenten Herkunft zur Verkörperung einer abendländischen Identität, die es zu schützen und bewahren gilt.
Wenn die politische Korrektheit einen protestantisch-puritanischen Ursprung hat, wie Paul Gottfried vermutet, kann man all dies vielleicht als einen entzaubernd-neoprotestantischen Angriff auf das heidnisch-katholische Brauchtum betrachten, wie ihn bereits Luther betrieben hat – wobei eine List der Geschichte dazu geführt hat, daß ausgerechnet er das in vorwiegend katholischen Ländern so beliebte “Christkind” gestiftet hat, das heute noch wacker den Posten gegen den materialistischen Kulturimperialismus des amerikanischen “Santa Claus” hält.
Was ich auch dieses Jahr zur Krampuszeit vermisse, ist der Schnee. Eine meiner Tanten, geboren in den fünfziger Jahren, ist überzeugt davon, daß der “Klimawandel” Realität ist, weil sie sich an die tiefen, verschneiten Winter ihrer Kindheit auf dem Land in Niederösterreich erinnert. Heute seien die Jahreszeiten in all ihrer Unterschiedlichkeit zunehmend im Verschwinden. Auch wenn dies an sich noch kein Beweis für den ominösen “menschengemachten Klimawandel” wäre, so verunsicherte sie mich doch ein wenig mit dieser Behauptung.
Ich versuchte mich zu erinnern. Wie war das, damals in den glücklichen achtziger Jahren, als die Welt noch in Ordnung war? Waren die Sommer nicht sommerlicher, die Frühlinge nicht frühlingshafter, die Herbste nicht herbstlicher, der Winter nicht winterlicher, kälter und weißer, mit meterhohem Schnee, schon am 6. Dezember?
Meine Erinnerung sagt, ungern nur, Ja, so ist es gewesen, und da draußen im finsteren Wald lebten wirklich ein Krampus und ein Nikolo.
Maiordomus
@Lichtmesz. Was Sie als notorischer Österreicher Krampus nennen, heisst in der Schweiz Schmutzli, hat volkskundlich mit der brutalen, schreckenerregenden Seite des Nikolaus zu tun, vgl. Struwwelpeter. Bei Nikolaus wäre einiges zu verwesentlichen. Empfehle dringend, einen der bedeutendsten Wallfahrtsorte Europas mal aufzusuchen, nämlich Bari in Süditalien, nicht nur mit den von den Kreuzzügen geborgenen Reliquien des Heiligen, sie sind schon etwa 900 Jahre vor Ort, auch das Nikolaus-Museum dort mit Putins Gedenktafel an Nikolaus, der für die Orthodoxen einer der wichtigsten sie mit den Katholiken verbindenden Heiligen ist. Klar war der Nikolaus vielleicht in Sachen des aktuell tobenden Kulturkampfs kaum je so bedenkenswert wie heute. Darum wird er denn auch verfälscht und entchristianisiert, wobei das enthemmende und diabolisch anmutende Krampus-Zeugs nicht gerade das Wesentliche ist. Hatte in Bari wunderbare Begegnungen mit russisch-orthodoxen Popen und mehrheitlich mit Kopftüchern verschleierten russischen Pilgerinnen, die es partout nicht wollten, dass man sich Englisch mit ihnen unterhält. In Italien gibt es keine Stätte, welche die Oekumene zwischen Katholiken und Orthodoxen stärker betont als Bari, eine Oekumene übrigens, zu deren grössten Pionieren die rechtskonservativen religiösen Staatsdenker Joseph de Maistre und Franz von Baader gehörten. Wir sollten wieder am echten Respekt gegenüber dem heiligen Nikolaus "arbeiten". Die schwarzen Gesellen lenken von seiner Substanz ab und werden seit Generationen auch zum Treiben von Unfug missbraucht, ohnehin wird das Nikolausbrauchtum in diesem Zusammenhang oftmals zum "Anschwärzen" von Kindern und Mitbürgern in eine falsche Richtung verzerrt. Ein ganz grandioser Nikolauskenner ist Professor Mezger von Freiburg, auch Verfasser von Standardwerken zu St. Nikolaus wie auch zur schwäbischen Fasnet und deshalb verdienter Bodenseeliteraturpreisträger.