daß er nämlich, sich selbst betrachtend, von dem Gefühl geleitet werde,
einem im Grunde fremden und rätselhaften Wesen nachzuspüren
und daß
mein Grunderlebnis, das, was eben durch den lebendigen Vorgang sich zum Ausdruck bringt, das für meine Generation typische Erlebnis ist, eine an das Zeitmotiv gebundene Variation oder eine, vielleicht absonderliche, Spezies, die jedoch keineswegs aus dem Rahmen der Gattungskennzeichen fällt.
Die Perspektive, die aus einer solchen zugleich uneitlen und selbstbewußten Haltung abgeleitet werden muß, ist im selben Buch weiter hinten auf eine knappe, poetologische Formel gebracht:
So sollten wir auch in den seltsamen Lagen, in die das Leben uns versetzt, mit einer größeren Inbrunst an uns Anteil nehmen, indem wir uns betrachten wie ein Jäger, der ein Tier in seiner Landschaft verfolgt. … Möchten wir uns doch zuweilen die Aufgabe stellen, diese wilde Bewegung einem Fremdling zu erklären, dem ihre hunderttausend Erscheinungen in eine andere, gültigere Sprache zu übersetzen sind. Was treibt ihr hier, und wo steuert ihr hin?
Es sind sehr seltsame Lagen, in die das Leben uns versetzt, es sind Verdichtungsmomente, in denen wir uns zu verhalten haben und die wir durch Antizipation und lagebezogener Beteiligung überall dort, wo wir es vermögen, zur Kulmination treiben. Früh war klar: An uns wird etwas deutlich, und diese “wilden Bewegungen”, die wir, im besten Falle steuernd, mitzumachen haben, müssen zu eben dieser dringend notwendigen Deutlichkeit herausgeschält, auf den Punkt gebracht, exemplarisch durchlebt werden.
Caroline Sommerfeld, die derzeit Simone Weil liest, notierte neulich ein Zitat, das sprachlich ganz anders aufwartet, inhaltlich aber auf derselben Spur liegt:
Gebrauch der Versuchungen. Er liegt in der Beziehung zwischen der Seele und der Zeit. Ein mögliches Böses lange Zeit zu betrachten, ohne es zu vollbringen, bewirkt eine Art Transsubstantiation. Widersteht man ihm mit seiner endlichen Kraft, so erschöpft diese Kraft sich in einer gegebenen Zeit, und man erliegt der Versuchung. Bleibt man unbeweglich und aufmerksam, erschöpft sich die Versuchung – und man empfängt die aufgestaute Kraft.
Unbeweglich und aufmerksam bleiben, nicht erliegen, das ist es. Nur auf diese Weise fährt in immer mehr “abenteuerliche Herzen” blitzartig jene Frage Jüngers, die das Leben von Grund auf zu verändern vermag:
Sagt an, wie verwaltet ihr die Zeit, die euch nur einmal gegeben wird?
Diese Frage wird, Rat gebend, der Abt jenes Klosters, in dem ich manchmal (und meist zusammen mit meinem Sohn) für ein paar Tage einkehren darf, nach ganz anderen Prioritäten beantworten als ich selbst als Verleger und Organisator eines metapolitischen Knotenpunkts, und wieder anders (und eher wie eine Bitte) klingt dieselbe Frage aus dem Mund eines meiner Kinder:
Auf deren jugendliche Freude am Leben, auf ihre mehr als gerechtfertigte Vorfreude auf das Leben wird wohl zu wenig Rücksicht genommen im Büro und am Küchentisch eines Paares, dessen Leben nicht zuletzt auch als zugleich ausgesetzt und wirkmächtig, verkannt und verpanzert wahrgenommen werden kann.
Ein Familienname kann auch eine Last sein. Er wird tapfer getragen.
Wir waren aus dem rasenden Galopp des vergangenen Jahres in das nun vergehende geworfen worden, und wir hatten den Vorsatz gefaßt, unserem Gebäude kein neues Stockwerk aufzusetzen, zumal nicht dann, wenn das Baumaterial dafür fast ausschließlich aus dem Fundament geschält werden müßte. Konsolidierung, Streben einziehen, Substanz ansammeln – es kam anders (wem erzähle ich das?).
Ich erzähle es in den kommenden Tagen, und zwar (damit ich diese Geste nicht vergesse) unter dem wiederum von Ernst Jünger entliehenen Motto: “Dies alles gibt es also.”
Heinrich Loewe
Sie machen es aber spannend. Ich rate jetzt mal. Sie haben die ehemalige Löwen-Apotheke in Leisnig gekauft, wo Ernst Jünger eine Zeit seiner Jugend verbrachte, und die vor etwa einem Jahr zum Verkauf stand…
Spaß beiseite. Ich denke so machesmal, mit sehr sehr freundlichen Gefühlen, was es wohl bedeuten mag, ein so exponiertes Leben wie Sie zu führen. Besonders wegen der vielen Anfeindungen, worauf mit W. Biermann zu sagen wäre „Du laß dich nicht verhärten…“
Ich wünsche Ihnen und der Familie noch eine schöne und besinnliche Zeit des Jahreswechsels und alles erdenklich Gute für das neue Jahr.