Sonntagsheld (90) – Schmiedet das Eisen, solange es warm ist…

...schmiedet das Eisen, solang' es noch glüht!

Zuge­ge­ben: Eigent­lich woll­te ich so zwi­schen den Jah­ren kei­nen Text für die Kolum­ne mehr ein­schie­ben. Der Fall Bil­ly Six ver­dient durch­aus eine Woche Echo­pau­se und ein gut mit Gän­se­keu­le und Reh­bra­ten gefüll­ter Bauch tut in Kom­bi­na­ti­on mit einer her­vor­ra­gen­den Fla­sche Weiß­wein sein Übri­ges, um auch den flei­ßigs­ten Schrei­ber­ling von der Recher­che abzuhalten.

Aber wie es halt so ist: Manch­mal kom­men die Sonn­tags­hel­den von selbst zu einem, klop­fen ener­gisch an und ersu­chen um Nie­der­schrift. So ging es mir, als ich über die­sen Kurz­film und damit über den Ham­bur­ger Schmied Johan­nes Rien­hoff stol­per­te. Der Mann, der von sich sagt, dass er ger­ne “wie Sieg­fried” gewe­sen wäre, hat nicht nur den­sel­ben Beruf wie sein Vor­bild gewählt, er sieht auch aus wie eine Figur aus der Nibelungensage.

Das Film­chen, wel­ches kurio­ser­wei­se vom Inbe­griff des ein­ge­heg­ten Män­ner­bio­tops mit selbst­ge­zim­mer­tem Stamm­tisch, der Bau­markt­ket­te Horn­bach, pro­du­ziert wur­de, bie­tet nicht nur voll­ende­te Eisen-Ästhe­tik, er erin­ner­te mich auch an die lie­be­vol­le und berüh­ren­de Rei­he “Der Letz­te sei­nes Stan­des?”, die der Baye­ri­sche Rund­funk von 1991 bis 2008 aus­strahl­te und die hier nahe­zu voll­stän­dig auf You­Tube zu fin­den ist.

Dar­in kom­men, neben Köh­lern, Satt­lern und Berg­bäue­rin­nen auch Xylo­gra­phen, Zap­fen­stei­ger, Noten­ste­cher und Kau­ta­bak­meis­te­rin­nen zu Wort, die ihre Zunft vor­stel­len, aus ihrer Lehr­zeit berich­ten und zumeist ein düs­te­res Bild der eige­nen Stan­des­zu­kunft zeichnen.

Liegt ja auch in der Natur der Sache, man­che Beru­fe sind an Werk­stof­fe gebun­den, die längst an Rele­vanz ver­lo­ren haben, ande­re Auf­ga­ben wer­den von Maschi­nen oder Robo­tern über­nom­men, ja, es erscheint uns bei­na­he absurd, sich vor­zu­stel­len, dass es heu­te noch Fei­len­hau­er, Ofen­bau­er, oder Tür­mer gibt.

Jeder geht mit die­ser Situa­ti­on anders um, man­cher freut sich auf den Ruhe­stand, ande­re hof­fen noch auf begeis­ter­te Lehr­lin­ge. Auch Johan­nes Rien­hoff bil­det aus: Rital­in­ge­plag­te Teen­ager, Gesel­len auf Wan­der­schaft und Flücht­lin­ge (Ham­burg halt).

Ist mir auch egal, ich erhe­be zum Jah­res­ab­schluss mein Glas auf die­se im bes­ten Sin­ne ver­ein­zel­ten Gestal­ten und Cha­rak­ter­ge­sich­ter, die auf uns nur so fremd wir­ken kön­nen, weil sie sich als die letz­ten Zeu­gen eines ver­gan­ge­nen All­tags durch­ge­schla­gen haben. Zum Wohl!

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Kommentare (6)

Laurenz

31. Dezember 2018 02:02

Ich kenne mindestens 20 Schmiede. Die meisten davon verdienen ihr täglich Brot als Hufschmiede. Und nebenbei betreiben einige Damast-Schmieden und verkaufen Ihre Produkte auf Mittelaltermärkten und im Netz. Ich kenne einen Messerschmied, der am Tag so ca. 500 Euro Umsatz machen muß, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Hohe Energiekosten, zeitaufwendiges Schmieden erfordert dies. Tot ist der Beruf nicht. Es leben schon noch ein paar Erben Wielands. Schwertschmiede sind selten geworden, weil nur ein kleiner Fehler, die ganze bisherige Arbeit zunichte machen kann. Und im Vergleich zum Hufschmied braucht, bis auf Akrobaten und wenige professionelle Schwertkämpfer, niemand wirklich mehr ein Schwert, im Gegensatz zum Hufbeschlag vieler Freizeit-Pferde,

eike

31. Dezember 2018 05:34

Da sitze ich nun mit feuchten Händen und warte auf den Sonntagshelden des Jahres und was kommt? Ein paar lauwarme Zeilen über die "vollendete Eisen-Ästhetik" eines Siegfried-Verschnitts aus Hamburg (gähn!). Gänsekeule, Rehbraten und gefüllter Bauch schläfern in Kombination mit einer hervorragenden Flasche Weißwein offenbar auch Sezessionskolumnisten ein.

Nichts dagegen über Superstar Claas Relotius, der den Mut hatte, offen zu belegen, was selbst Rechtsaußen der AfD nur hinter vorgehaltener Hand zu flüstern wagen und auch nur unter Benutzung des Euphemismus' "Lückenpresse".

Nachdem Relotius schon die meisten seiner mainstream-Preise aberkannt wurden, sollten wir - diesseits des großen Grabens - ihn wenigstens würdigen. Preise wurden schon genannt, von Kujau bis Karl May, wobei man letzterem wohl Unrecht tut - geeigneter wäre wohl ein "Wilkomirski-Preis".

Laurenz

31. Dezember 2018 11:48

@eike ..... warum sollte ein Artikel nicht über Schlichtes oder Mythologie handeln? Die Sagengestalt oder Legende Siegfried ist sehr wohl ein Stern der deutschen Romantik.
Ich finde den Artikel gut, auch wenn der Beruf des Schmieds nicht so einsam ist, wie im Artikel dargestellt wird. Daher sind Einschätzungen über Helden subjektiv zu sehen.
Relotius ist kein Held, da er zu seinen Geständnissen quasi gezwungen wurde, weil andere ihm Betrug nachwiesen. Man kann ihn durchaus mit Kujau vergleichen, der gestand, als genialer Fälscher, auch nicht freiwillig.
Karl May hingegen war einer der besten deutschen Romanautoren überhaupt, und ist insofern entschuldbar, da Er wohl an einer Persönlichkeitsstörung litt, und Er selbst nicht mehr genau wußte, was wahre Realität ist und was nicht. Als dies Ihm auf Seiner großen Orient-Reise zu Bewußtsein stieg, erlitt Er auch eine große Krise. Sein ebenso krankhafter Hang zum Christentum und Humanismus mag daher, dem Zeitgeist entsprechend -, und somit auch entschuldbar sein.

heinrichbrueck

31. Dezember 2018 12:30

Solche Arbeitswelten zeigen doch, die Reihe "Der Letzte seines Standes?" geradezu anschaulich, wie die Schönheit durch die Häßlichkeit ersetzt wurde. Der "Schriftsetzer", "Ofenbauer", der bärtige "Schmied aus Böhmen, gesehene Abdankungen an eine Moderne, die schwermütig zurückblicken lassen.
Das Umvolkungssystem ist eine Tragödie ungeahnten Ausmaßes. Scheint auch immer wieder durch, das Alte, im Alltag, und im Vergleich, verliert das Häßliche. Spaziergänge durch die Stadt, ein Blick dafür haben, auf der Suche nach dem alten Deutschland. Die Kirgisen haben ihren Manas, wir haben unseren Siegfried.

Der tägliche Spiegeleierkonsum ist nicht von schlechten Eltern. Werden durch Kochen und Braten die Aminosäuren im Eiweiß zerstört, sportwissenschaftlich "Imbalanz" genannt, also eine Eiweißschädigung verursacht, kann die Muskulatur nicht mehr passend ernährt werden. Es kommt zu keinem Eiweißüberschuß im Körper. Von der Sportbiologie und Koelbel Trainingsforschung ausgefeilter zu haben, auch wenn diese selbstverständlich Werbung für ihre eigenen Produkte machen. Interessant der Unterschied zwischen Sport und Training.

@ Laurenz
Sie haben die guten Eisenpfannen vergessen. Eine Waidlerpfanne überlebt mehrere Generationen. Die Schmiede Kindermann zum Beispiel: die Pfannen freiform-warmgeschmiedet, an dem durchgehenden Stiel, nicht angeschweißt oder angenietet, erkennbar.

KlausD.

31. Dezember 2018 13:43

Zwei kleine Anmerkungen:
Zum Ersten: Ein "Siegfried" kann heutzutage auch weiblich sein und Meta Högg heißen, Schmiedelehrling in der "Krellsche Schmiede" in Wernigerode, vorgestellt in "Steimles Welt" ab ca. Min. 14 bis Min. 20:
https://www.ardmediathek.de/mdr/player/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9mOTUyZGJlNS0xMzllLTQ2ODEtODY3OC0yYTg3ZTA0NjVjZDM/

Zum Zweiten: Auch Ofenbauer sind heutzutage gar nicht so selten. An jeden (gut funktionierenden) Kamin hat ein solcher Hand angelegt, und auch Kachelöfen sind wieder im Kommen.

Laurenz

4. Januar 2019 21:06

@heinrichbrueck & KlausD. ..... klar, Schmiedekunst geht natürlich viel weiter. Im Grunde ist es bildende Kunst, auch ein echter Karosseriebauer ist nicht weit davon entfernt. Wer glaubt, Frauen könnten irgendetwas nicht, was auch Männer könnten, hat "konservativ" und "traditionell" nicht verstanden. Aufgrund unserer menschlichen Biologie sind Frauen einfach nur zu kostbar, um an dem heutigen Synonym für Jagd und Krieg, der Arbeit, verschwendet zu werden.

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