Das war’s. Diesmal mit: Feminismus …

... auf der Opernbühne und was ich über Kubitscheks Sohn lesen mußte.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

25. Febru­ar – Gele­gent­lich wen­det man sich, wenn nicht mit Grau­en, so doch mit Unver­ständ­nis und einem gewis­sen Pein­lich­keits­ge­fühl ab, wenn man rück­blickt auf Din­ge, die in der eige­nen Jugend mal „Lieb­lings“ waren. Gegen man­che Bücher, die mich damals gera­de­zu in einen Rausch ver­setz­ten, lege ich heu­te mein Veto ein, wenn ich mit den Kin­dern in der Leih­bü­che­rei bin. (Von Klei­dungs­sti­len und Schmink­ge­wohn­hei­ten ganz zu schweigen.)

Immer­hin aber hat­te ich in jün­ge­ren Jah­ren eine „Lieb­lings­oper“ (die damals auch einer mei­ner ers­ten Kon­tak­te zur „Hoch­kul­tur“ war), die es noch heu­te ist, Wag­ners Der flie­gen­de Hol­län­der.

Den schöns­ten Hol­län­der sah ich vor weni­gen Jah­ren in Ober­am­mer­gau, den ärgs­ten (klar: immer noch spit­ze!) nun in Dres­den. Eine Toch­ter hat­te ihn mir wärms­tens emp­foh­len. Die­se Toch­ter kann Musik hun­dert­mal fach­män­ni­scher beur­tei­len als ich. Sie hat mehr Opern und klas­si­sche Kon­zer­te gese­hen als ich in mei­nem gan­zen Leben.

Manch­mal feh­len ihr aber noch die Kate­go­rien, zumal was die Regie­ar­beit betrifft. Hier hat­te sie ein­ge­stan­den, daß sie nicht alles kom­plett ver­stan­den hät­te, aber es sei ihr im Gan­zen stim­mig vor­ge­kom­men. Logisch, sie war thielemanntrunken!

Für mich war die Insze­nie­rung (übri­gens ohne Thie­le­mann am Pult) nicht durch­weg, aber weit­ge­hend scheuß­lich: Die jun­ge Regis­seu­rin hat sich eine Rah­men­hand­lung aus­ge­dacht, die den gan­zen Hol­län­der kom­plett zerfleddert.

In Wag­ners Hol­län­der stürzt sich Sen­ta von den Klip­pen, um dem seit je gelieb­ten Hol­län­der zu bewei­sen, daß sie treu sei bis in den Tod. In der Dresd­ner Insze­nie­rung beginnt das Stück mit einer aus­ge­dach­ten Beer­di­gungs­sze­ne. Sen­ta (das alles begreift man nur, wenn man es aus­drück­lich erklärt bekommt – immer ein schlech­tes Zei­chen!) reist zur Beer­di­gung ihres Vaters Daland an, mit dem sie (nach dem Wil­len der Regis­seu­rin) zeit­le­bens ein “schwie­ri­ges Ver­hält­nis” hat­te. Wäh­rend der Beer­di­gung holen sie Phan­ta­sie­fet­zen und Traum­se­quen­zen heim: näm­lich die „Hol­län­der­ge­schich­te“.

Am Ende stürzt sich Sen­ta natür­lich nicht in den Tod, son­dern packt nüch­tern ihre Kof­fer – sie ist ange­kom­men im Zeit­al­ter des Feminismus.

Und: im zwei­ten Akt der „Chor der Spin­ne­rin­nen“. Hier ist er ver­kom­men zu eine Mas­se iden­ti­scher was­ser­stoff­blon­der Tus­sis in rosa Twin­set, von denen jede die nächs­te sein will, die auf dem gro­ßen Bett ein Kind „wer­fen“ darf, wobei der Geburts­vor­gang stets pie­tis­tisch durch ein straff gespann­tes Lein­tuch ver­deckt wird. Die Frau als Gebär­ma­schi­ne, der Schoß ist frucht­bar noch, undsoweiter.

Mei­ne Toch­ter, der ich berich­te, staunt. Sie hat­te das anders inter­pre­tiert („viel­leicht wur­den da nur die fünf­zi­ger Jah­re auf’s Korn genom­men?“), unter Bauch­schmer­ze zwar – jetzt klärt sich‘s.

Heu­te, am Tage drauf, übri­gens höre ich aus­ge­rech­net im Bezahl­funk eine Opern­kri­tik, die ein ande­res Mach­werk der­sel­ben Regis­seu­rin ver­reißt. Hier geht es um die Pre­mie­re von Bed­rich Sme­ta­nas Dali­bor an der Frank­fur­ter Oper: Heil­los habe Flo­ren­ti­ne Klep­per den Stoff in die Gegen­wart (und in ein Fern­seh­stu­dio) ver­legt, das Publi­kum fühl­te sich „dumm­ge­hal­ten“ und buh­te. Eigent­lich kuri­os. Müß­ten gemäß aller Logik und allen Welt­wis­sens nicht die Frank­fur­ter jubeln und die Dresd­ner buhen? Kurz wankt mein Weltbild.

– – –

26.Februar – Als sich vor unge­fähr 127 Jah­ren ein „Kopf“ wie Armin Pfahl-Traugh­ber „uns“, also der Neu­en Rech­ten wid­me­te, war man bei­na­he gebauch­pin­selt. Oha, sie neh­men uns wahr! Mitt­ler­wei­le ist klar: mit APT, „VS-Fleiß­bie­ne und Berufs­auf­pas­ser“ (Kubit­schek), ver­hält es sich wie mit einer Klet­te, die am Hun­de­schwanz beharr­lich hän­gen­bleibt, wie wild er auch wedelt, wie brav er auch sei. Pro­fes­sor PT beob­ach­tet seit ca. 127 Jah­ren in Treue und Pflicht­be­wußt­sein all unse­re Publi­ka­tio­nen und äußert sich auf der Platt­form blick nach rechts dazu.  Grad hat er die neu­es­te Kapla­ken-Staf­fel bespro­chen. Und nun die „Volk“- Num­mer der Sezession:

Auch bleibt unklar, was ein deut­sches, also eth­nisch defi­nier­tes Volk kon­kret aus­macht. Es soll dabei ja nicht nur um bio­lo­gi­sche Aspek­te gehen, man will ja kei­nen plat­ten Ras­sis­mus hul­di­gen. Dar­über hin­aus soll es um kul­tu­rel­le Bestand­tei­le gehen, aber wel­che sind damit genau gemeint? Dies konn­ten weder die Refe­ren­ten Gau­land und von Wald­stein noch die Stamm­au­toren Kai­ser und Som­mer­feld inhalt­lich ver­mit­teln. Es geht auch immer wie­der durch­ein­an­der: Deut­sche, Nati­on, Volk – soll das mit­ein­an­der iden­tisch sein, soll sich das irgend­wie unter­schei­den? Auf­fäl­lig ist in den gan­zen Bei­trä­gen noch, dass aus der demo­kra­tisch und libe­ral gepräg­ten reich­hal­ti­gen poli­ti­schen Theo­rie kaum Volks­vor­stel­lun­gen the­ma­ti­siert wer­den. Eine Aus­nah­me wären die Bezü­ge auf Hel­ler und Lass­alle in einem umdeu­ten­den Sin­ne durch von Wald­stein. Anschau­lich zeigt sich dar­über hin­aus, dass die Den­ker der Neu­en Rech­ten kaum kla­re Posi­tio­nen zum Selbst­ver­ständ­nis haben.

Mein Fazit: Ent­we­der (Fak­tor: 80%) heißt es: „Die Neue Rech­te hat simp­le Ant­wor­ten auf kom­ple­xe Fra­gen.“ Oder, wenn das defi­ni­tiv nicht zutrifft: „Es feh­len kla­re Positionen.“

Das paßt ins Bild. Man will nicht mit Rech­ten reden – und lädt sie aus, weil die Rech­ten doch eh nicht reden wol­len. Man sagt „unter­kom­plex“, wenn wir ein Dilem­ma mit einem Satz abbin­den kön­nen. Umge­kehrt bemüht man fle­xi­bel das Ock­ham­sche Rasier­mes­ser: „Sie benö­ti­gen auf­fäl­lig vie­le Her­lei­tun­gen und Sät­ze, um ihre Posi­ti­on darzustellen!“

Mei­ne Mut­ter pflegt zu sagen: „Wie mers macht, macht mers falsch.“

– – –

28. Febru­ar – In den nächs­ten Tagen erschei­nen zwei „tol­le“ Bücher, die sich mit uns beschäf­ti­gen. Das eine ist ein „Sati­re­ro­man“ von einem Bre­mer Mann namens Albig, der zuvor als Alten­pfle­ger gear­bei­tet hat. In Zorn­fried geht es um ein Rittergut:

Dort ver­sam­meln sich die Vor­den­ker einer Neu­en Rech­ten: ein Dich­ter, des­sen Tex­te von Blut und Wei­he trie­fen, ein völ­kisch phi­lo­so­phie­ren­der Wald­gän­ger, ein Fil­me­ma­cher, der sich als böses Genie insze­niert, und eine Grup­pe kämp­fe­ri­scher jun­ger Män­ner. Von der Aus­sicht auf eine spek­ta­ku­lä­re Repor­ta­ge wer­den jedoch auch immer wie­der Jour­na­lis­ten ange­lockt – die sich bis­wei­len gefähr­lich weit auf das Spiel der Burg­be­woh­ner einlassen.

Im Inter­view mit der WELT klagt Herr Albig:

Wenn es nach mir gegan­gen wäre, dann wäre auch Götz Kubit­scheks Ver­lag kei­ner, mit dem man nor­ma­ler­wei­se in Berüh­rung kommt. Aber da muss­ten lei­der Jour­na­lis­ten kom­men und ihm Öffent­lich­keit verschaffen.

Genau. Und dann kom­men auch noch die „Schrift­stel­ler“!

Das ande­re Buch wur­de von zwei „Inves­ti­ga­ti­v­jour­na­lis­ten“ von der ZEIT geschrie­ben und befaßt sich mit dem „Netz­werk der Neu­en Rech­ten“. Die hat­ten ange­fragt, ob Sie uns besu­chen dürf­ten. Hat­ten wir kei­ne Lust drauf. Die bei­den Män­ner erschie­nen uns aus­weis­lich des­sen, was sie in sozia­len Netz­wer­ken von sich gaben, nicht wirk­lich seriös.

Nun wim­melt die­ses Buch , des­sen Fah­nen ich gele­sen habe, von den herr­lichs­ten Stil­blü­ten und ulkigs­ten Feh­lern. Eine davon betrifft unse­ren Sohn (den ich ken­ne) und einen ande­ren Sohn Kubit­scheks, der sich mit unse­rem Sohn öffent­lich prü­gel­te und von dem ich nichts wuß­te. Kubit­schek hat mich auf­ge­klärt, “alles gut”.

Da das schwer inves­ti­ga­ti­ve Werk aber erst in drei­zehn Tagen aus dem Druck kommt, wer­de ich auch die­se Blü­te erst dann präsentieren.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (12)

Fritz

27. Februar 2019 13:44

Ich weiß schon, warum ich nur noch in Konzerte gehe und nicht mehr in die Oper oder ins Theater.

Ein gebuertiger Hesse

27. Februar 2019 15:00

Haarsträubende Stilblüte, großartig kommentiert: die Gegenseite würde heutzutage nie einen Satz hinbekommen, dessen Sarkasmus einen solch lapidaren Haken schlägt wie der mit dem Sohn, den die Mutter - in einem Klammereinschub: Rabulistik deluxe! - "kennt". Runner wie Öl, Eins mit Sternchen.

Laurenz

27. Februar 2019 19:39

Interessant. Gut, daß in Künstlerkreisen der populären Musik keiner über Politik debattiert, außer diejenigen, die sich davon Subventionen erhoffen. Denn die nicht-subventionierte Kunst ist mittlerweile so arm, daß mehr oder weniger jeder auf den anderen angewiesen ist und man die notwendige Stimmung nicht mit Politik versauen will. Subventionierte Kunst, z.B. Oper, sollte vor allem den jeweiligen Zeitgeist zeigen. Wer meint, es müsse der Moderne entsprechen, hat die Muse grundsätzlich nicht verstanden. Bach und Vivaldi waren Rocker (Wagner wäre gern einer gewesen) und sie unterscheiden sich von Yngwie Malmsteen https://youtu.be/fFzdXxuj9Ek und Victor Smolksi nur lapidar, auch wenn die lebenden Protagonisten meist die aus dem Orient stammende Gitarre nutzen statt der Violine, was augenscheinlich schwieriger ist, wenn man die Mensur und Stimmung betrachtet. Ich bin Frau Kositza für diese Art von Artikeln außerordentlich dankbar, denn ich habe nicht gewußt, was es alles für Hanswurste in unserem Land gibt, die den abgewirtschafteten System-Protagonisten durch den wohl virtuellen Schließmuskel kriechen.

RMH

27. Februar 2019 22:32

Seitdem H. St. Chamberlain bei der Wagner Interpretation nicht einmal mehr in rechten Kreisen zu Rate gezogen oder gar nur erwähnt werden darf, ohne dass man sehr schnell "out" ist, gar rigoros geschnitten wird, ist mir die Freude am Regenerationswerk Wagners fast vergangen und schon gleich gar an öffentlichen Aufführungen davon oder Diskussionen darüber. Ich lege eben - wie vermutlich viele - im stillen Kämmerlein die ererbte Tonträgersammlung unter Verwendung einer echten HiFi-Anlage aus den 70/80ern auf und "I drink a German wine and drift in dreams of other lives and greater times" (D.i.J.)

U.a. auch an die Erinnerung an das "alte" Haus Wahnfried, in der es früher ein "tönendes Museum" gab und man sich alte Schallplattenaufnahmen abspielen lassen konnte und diesen im Saal, in welchem der berühmte Flügel Wagners steht, zu hören konnte. Lange ist es her …

https://www.youtube.com/watch?v=I_m7PN5sn1U

Im Übrigen überrascht mich, wenn ich etwas über heutige Wagner-Interpretationen lesen darf, nichts mehr.

Thueringer

28. Februar 2019 10:02

In das Buch "Zornfried" kann man bei Google Books hineinlesen. Dem Autoren muß ich zugestehen, daß er sich Mühe gegeben und schlüssige Parodien auf etwas geschaffen hat, dem ich im Original außer bei einigen schwülstigen Neofolk-Liedern jedoch kaum begegnet bin. Podiumsdiskussionen Gleich- und Gutgesinnter, in denen die ewig gleichen Phrasen fallen, scheinen ihm auch nicht sehr sinnvoll zu sein.
Um die weiteren viel zu klischeehaften (Satire darf alles!) Beschreibungen zu beurteilen, fehlt mir leider der EInblick in "Ritterburgen"…

Was »Das Netzwerk der Neuen Rechten« von Fuchs und Middelhoff angeht, halte ich das Ausschlagen eines Gesprächs für das einzig sinnvolle. Solche Leute, die sich ihrer Haltung so sicher sind, daß sie keinen Hehl daraus machen, welches Ergebnis ihr investigativer Journalismus hervorbringen wird, waren mir schon immer suspekt.

Augustinus

28. Februar 2019 17:28

OT
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Keine Ahnung, wo ich sonst meinen Unmut über PI äußern sollte.

Ich habe ganz vorsichtig bei PI die Authentizität eines auf Facebook aufgetauchten Dokumentes in Zweifel gezogen.

www.pi-news.net/2019/02/bunte-gehirnwaesche-jetzt-auch-schon-bei-den-kleinsten

Mein Kommentar wurde nicht akzeptiert.

Vielleicht haben die Linken ja sogar recht. Wenn auf einer popeligen Internetseite ein Kommentar mit einer leicht abweichenden Meinung unterdrückt wird, was drohte uns freiheitlich gesinnten Menschen dann, wenn autoritäre Typen wie Stürzenberger in Deutschland die Macht übernähmen?

dreamingplanet7

28. Februar 2019 23:39

@Augustinus

Jetzt muss ich aber doch fragen was am Stuerzenberger autoritaer ist? Ich nenne ihn ja gerne den Prediger in der Wueste und kann mir auch gut vorstellen das er endet wie Johannes der Taeufer... Bestimmt auch keiner mit dem man entspannt ein Glas Wein trinkt aber autoritaer?

Ellen Kositza

1. März 2019 11:05

Wie lustig das Zornfried-Buch ist, weiß ich nicht. Zum Lächeln ist jedenfalls dieses Radiointerview, in dem der Moderator sich vor Kieksen kaum einkriegt bei der Vorstellung, "Skinheads" würden diese Gedichte huldigen und sie sich ernsthaft vorlesen....
https://www.deutschlandfunkkultur.de/joerg-uwe-albigs-roman-zornfried-wie-man-rechts-dichten.1270.de.html?dram:article_id=442308

Augustinus

1. März 2019 11:25

@dreamingplanet7

Sie haben recht. In meiner Verärgerung habe ich bei meiner Wortwahl etwas überzogen. "Autoritär" nehme ich zurück.

Dennoch gehört Stürzenberger zu den Menschen, die nicht offen für andere Meinungen sind. Natürlich können die Macher von PI selbst entscheiden, welche Kommentare sie zulassen, schließlich ist das ihr BLOG. Ich verstehe nur nicht, wie man mit Andersdenkenden ins Gespräch kommen könnte, wenn man dasselbe verweigert.

Wäre es für einen Journalisten, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt, denn nicht besser, meine Kritik zu prüfen? Der Angelegenheit auf den Grund zu gehen und sich ggf. bei seinen Lesern zu entschuldigen?

dreamingplanet7

1. März 2019 19:34

@Augustinus

Also ich wuerde das mal nicht zu wichtig nehmen wenn bei einem Blog wie PI ein Kommentar nicht durchgeht, weiss der Geier wer das sichtet und wieviel derjenige tun muss...
Und das ein Stuerzenberger persoenlich das zu Gesicht bekommt wage ich zu bezweifeln...

Aber zu dem was Sie schreiben ueber den Diskurs moechte ich doch anmerken: Was erwarten wir denn? Das sie alle geneigten Kopfes zuhoeren und dann dem besten Argument folgen? Das war, wenn dann zu den wenigsten Zeiten so, normal ist das geschriehen wird: Haengen, Verbrennen, die Hexen, die Juden, Guillotine raus, zu allen Zeiten, schon immer, unter jedem Regime, ueberall...

Die Zeiten der Vernunft waren doch die wenigsten.

Und man muss den Linken schon anerkennen das sie jetzt wo sie keine Argumente mehr haben, es schaffen, die Bevoelkerung so zu stimulieren das das wiederkommt, man sehe jede Demo oder Debatte oeffentlich wie privat...

Die Fronten sind geklaert, viel Bewegung ist da nicht mehr, traurig aber wahr und das nimmt auch kein gutes Ende aber so wars ja nun schon immer zu allen Zeiten...

Augustinus

2. März 2019 17:07

Abschließender Kommentar zu diesem Thema:

Es ist ungewöhnlich, dass auf einem BLOG, für dessen Teilnahme das Studium von Kant, Hegel und Heidegger quasi Voraussetzung ist, es einen Kommentator gibt, der das Wort "dass" (mit zwei s) nicht kennt.

Vielleicht wollte sich jemand auf mein Niveau herabbegeben? Ich sehe das nicht etwa negativ ... nein, im Gegenteil, ich finde es sehr schön.

Womöglich hat aber dreamingplanet7 unklare Vorstellungen von den "einfachen" Leuten?

Was PI anbelangt, bin ich nicht persönlich betroffen oder geknickt. Für mich ist das nur ein Beispiel von vielen. Die von der Regierung kontrollierten Medien stellen die Wirklichkeit auf den Kopf. Es reicht für die Gegenöffentlichkeit bei der Wahrheit zu bleiben. Es müssen keine zusätzlichen Geschichten erfunden werden.

LotNemez

4. März 2019 00:20

Der Fliegende Holländer -
urspr. ein Seemannsgarn vom verwegenen Kapitän, dessen großer Ehrgeiz Schiff und Mannschaft und ihn selbst in eine Metawelt befördern, in der sie dazu verflucht sind, ad infinitum gegen den Wind zu kreuzen, unbestimmt, richtungslos.

Wagner nutzt die Sage meiner Meinung nach als Sinnbild für die seinerzeit widerstreitenden Kräfte der Republikaner und Monarchisten. Die Republik, bisher eine in den Köpfen Europas umher geisternde Idee, soll endlich auch in Sachsen an Land gehen, sich materialisieren, Gestalt annehmen. Der auch im Vaterlandsverein aktive Hofkapellmeister plädierte (im Dresdner Anzeiger vom 22.04.1848) für einen Kompromiss, der für das Königreich Sachsen die Umwandlung in eine parlamentarische Monarchie vorsieht. Diese dachte er sich allerdings lediglich als Zwischenschritt zur liberalisierten Republik einer ständelosen Gesellschaft. Er machte keinen Hehl daraus, dass sein Vorschlag auf den "Untergang des Königtums" hinaus laufe, wobei er diesen aber als seine "Emanzipation" umdeutete, da der Monarch immerhin in der neuen Ordnung vorkomme.

"Will aber der Sachse das Königtum, so leitet ihn zu allernächst die reine Liebe zu seinem Fürsten (...) es ist die volle warme Überzeugung der Liebe. Und diese Liebe, sie soll entscheiden, sie kann nicht nur für jetzt, sie kann ein für allemal entscheiden! Von diesem unsäglich wichtigen Gedanken erfüllt, rufe ich nun in mutiger Begeisterung heraus: Wir sind Republikaner. Wir sind (...) dicht daran, die Republik zu haben: Aber Täuschung und Ärgernis aller Art heftet sich noch an diesen Namen..." (v.a. die napoleonische Fremdherrschaft und auch bereits die Ideen des heraufziehenden Kommunismus, dessen Herrschaft Wagner prophezeit, sollte die Republik nicht auf den Weg gebracht werden) - weiter im Zitat - "sie seien gelöst mit einem Wort unseres Fürsten! Nicht wir wollen die Republik ausrufen, nein! Dieser Fürst, der edelste, der würdigste König, er spreche es aus: Ich erkläre Sachsen zu einem Freistaate!"

Für den Holländer ergibt sich damit folgende Symbolik:

Die Treue (in Gestalt des königstreuen Sachsen) legitimiert und beseelt den Monarchen (=Senta), seinerseits vor der Entscheidung stehend, die ihm die gesellschaftlichen Umbrüche stellen, den Sprung von der Klippe zu wagen und sich durch die Einlösung (Erlösung) der republikanischen Idee (in Gestalt des Holländers) für die Ewigkeit (=das neue Zeitalter) zu qualifizieren. Senta und der Holländer entsteigen „in verklärter Gestalt“ in der Ferne eng umschlungen dem Meer.

Der Name der unaufhörlich „Treue bis zum Tod“ schwörenden Senta verweist sicher auf die 'Sentimentale', in der Theatersprache das Rollenfach des empfindsamen, jungen Mädchens.

In einer möglichen, aktuellen Lesart erscheint daher Sentas Domäne als besinnungsloses Schwärmen für den mysteriösen "Fremdling" mit dem geheimnisumwitterten Migrationshintergrund, der nun das Gastrecht einfordert. Laut eigenen Angaben musste er aus seinem Vaterland fliehen. Seinen Pass scheint er auf seiner Odyssee verloren zu haben. Das alles ist natürlich furchtbar spannend. Erik, Sentas bisheriger Verehrer, kann da nicht mithalten:

Senta: Soll mich des Ärmsten Schreckenslos nicht rühren?
Erik: Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?
Senta: O prahle nicht! Was kann dein Leiden sein? Kennst jenes Unglücksel'gen Schicksal du? Fühlst du den Schmerz, den tiefen Gram, mit dem herab er auf mich sieht?
Erik: (...) Gott schütze dich! Satan hat dich umgarnt!

In beiden Deutungsvarianten steht der Holländer für das Transzendente, das verklärte, weit vor uns liegende Ideal, das seiner Einlösung harrt, die Bestimmtheit zu einem höheren Menschentum. Er steht für den größeren Kontext, Freiheit, Weite, Grenzenlosigkeit, nicht unbedingt für Buntheit (er trägt einen schwarzen Wams) jedoch - Globetrotter-Charme eines heimatlosen Kapitäns - für Weltoffenheit und den globalen Rahmen.

Ist es überflüssig, darauf hinzuweisen, oder doch nicht so offensichtlich? Jedenfalls: die patriotisch-vaterländischen Kräfte des 19. Jahrhunderts wirkten in ihrer Zeit nicht erhaltend sondern wollten umwälzen, einreißen, modernisieren. Leute wie (der junge!) Wagner waren die 68er ihrer Zeit. Natürlich war eine Umwälzung bitter notwendig. Wer würde schon gern zurück zur aufstiegsfreien Ständegesellschaft, wenn er selbst unten wäre?

Natürlich ist diese Oper schön und erhebend und ein Hochgenuss! Den Matrosenchor des 3ten Aufzugs liebe ich besonders. Ich möchte nur drauf hinweisen, dass damalige Protagonisten uns nicht als Konservative taugen können. Sie wollten wohl grob gesagt, was wir heute wollen aber sie steuerten auf einen Punkt zu, der heute längst überschritten ist. Die Bürgerrechte, die Gewaltenteilung, die nationale Souveränität... alles schon über dem Zenit. Wagner hoffte etwa auf „eine allgemeine große Volkswehr, nicht ein stehendes Heer“ Wo würde er heute stehen? Jemand mit diesem Überschuss an Idealismus würde vermutlich in der permanenten Revolution weiter voranschreiten wollen und ... weiß ich nicht... in einer operesken Inszenierung eine riesige Zuckerwatte-Gorch-Fogg zu 12-Ton-Musik von 88 nackten, geflüchteten, schwulen Matrosen verspeisen lassen - mit Messer und Gabel. „Ho! He! Je! Ha!“