25. Februar – Gelegentlich wendet man sich, wenn nicht mit Grauen, so doch mit Unverständnis und einem gewissen Peinlichkeitsgefühl ab, wenn man rückblickt auf Dinge, die in der eigenen Jugend mal „Lieblings“ waren. Gegen manche Bücher, die mich damals geradezu in einen Rausch versetzten, lege ich heute mein Veto ein, wenn ich mit den Kindern in der Leihbücherei bin. (Von Kleidungsstilen und Schminkgewohnheiten ganz zu schweigen.)
Immerhin aber hatte ich in jüngeren Jahren eine „Lieblingsoper“ (die damals auch einer meiner ersten Kontakte zur „Hochkultur“ war), die es noch heute ist, Wagners Der fliegende Holländer.
Den schönsten Holländer sah ich vor wenigen Jahren in Oberammergau, den ärgsten (klar: immer noch spitze!) nun in Dresden. Eine Tochter hatte ihn mir wärmstens empfohlen. Diese Tochter kann Musik hundertmal fachmännischer beurteilen als ich. Sie hat mehr Opern und klassische Konzerte gesehen als ich in meinem ganzen Leben.
Manchmal fehlen ihr aber noch die Kategorien, zumal was die Regiearbeit betrifft. Hier hatte sie eingestanden, daß sie nicht alles komplett verstanden hätte, aber es sei ihr im Ganzen stimmig vorgekommen. Logisch, sie war thielemanntrunken!
Für mich war die Inszenierung (übrigens ohne Thielemann am Pult) nicht durchweg, aber weitgehend scheußlich: Die junge Regisseurin hat sich eine Rahmenhandlung ausgedacht, die den ganzen Holländer komplett zerfleddert.
In Wagners Holländer stürzt sich Senta von den Klippen, um dem seit je geliebten Holländer zu beweisen, daß sie treu sei bis in den Tod. In der Dresdner Inszenierung beginnt das Stück mit einer ausgedachten Beerdigungsszene. Senta (das alles begreift man nur, wenn man es ausdrücklich erklärt bekommt – immer ein schlechtes Zeichen!) reist zur Beerdigung ihres Vaters Daland an, mit dem sie (nach dem Willen der Regisseurin) zeitlebens ein “schwieriges Verhältnis” hatte. Während der Beerdigung holen sie Phantasiefetzen und Traumsequenzen heim: nämlich die „Holländergeschichte“.
Am Ende stürzt sich Senta natürlich nicht in den Tod, sondern packt nüchtern ihre Koffer – sie ist angekommen im Zeitalter des Feminismus.
Und: im zweiten Akt der „Chor der Spinnerinnen“. Hier ist er verkommen zu eine Masse identischer wasserstoffblonder Tussis in rosa Twinset, von denen jede die nächste sein will, die auf dem großen Bett ein Kind „werfen“ darf, wobei der Geburtsvorgang stets pietistisch durch ein straff gespanntes Leintuch verdeckt wird. Die Frau als Gebärmaschine, der Schoß ist fruchtbar noch, undsoweiter.
Meine Tochter, der ich berichte, staunt. Sie hatte das anders interpretiert („vielleicht wurden da nur die fünfziger Jahre auf’s Korn genommen?“), unter Bauchschmerze zwar – jetzt klärt sich‘s.
Heute, am Tage drauf, übrigens höre ich ausgerechnet im Bezahlfunk eine Opernkritik, die ein anderes Machwerk derselben Regisseurin verreißt. Hier geht es um die Premiere von Bedrich Smetanas Dalibor an der Frankfurter Oper: Heillos habe Florentine Klepper den Stoff in die Gegenwart (und in ein Fernsehstudio) verlegt, das Publikum fühlte sich „dummgehalten“ und buhte. Eigentlich kurios. Müßten gemäß aller Logik und allen Weltwissens nicht die Frankfurter jubeln und die Dresdner buhen? Kurz wankt mein Weltbild.
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26.Februar – Als sich vor ungefähr 127 Jahren ein „Kopf“ wie Armin Pfahl-Traughber „uns“, also der Neuen Rechten widmete, war man beinahe gebauchpinselt. Oha, sie nehmen uns wahr! Mittlerweile ist klar: mit APT, „VS-Fleißbiene und Berufsaufpasser“ (Kubitschek), verhält es sich wie mit einer Klette, die am Hundeschwanz beharrlich hängenbleibt, wie wild er auch wedelt, wie brav er auch sei. Professor PT beobachtet seit ca. 127 Jahren in Treue und Pflichtbewußtsein all unsere Publikationen und äußert sich auf der Plattform blick nach rechts dazu. Grad hat er die neueste Kaplaken-Staffel besprochen. Und nun die „Volk“- Nummer der Sezession:
Auch bleibt unklar, was ein deutsches, also ethnisch definiertes Volk konkret ausmacht. Es soll dabei ja nicht nur um biologische Aspekte gehen, man will ja keinen platten Rassismus huldigen. Darüber hinaus soll es um kulturelle Bestandteile gehen, aber welche sind damit genau gemeint? Dies konnten weder die Referenten Gauland und von Waldstein noch die Stammautoren Kaiser und Sommerfeld inhaltlich vermitteln. Es geht auch immer wieder durcheinander: Deutsche, Nation, Volk – soll das miteinander identisch sein, soll sich das irgendwie unterscheiden? Auffällig ist in den ganzen Beiträgen noch, dass aus der demokratisch und liberal geprägten reichhaltigen politischen Theorie kaum Volksvorstellungen thematisiert werden. Eine Ausnahme wären die Bezüge auf Heller und Lassalle in einem umdeutenden Sinne durch von Waldstein. Anschaulich zeigt sich darüber hinaus, dass die Denker der Neuen Rechten kaum klare Positionen zum Selbstverständnis haben.
Mein Fazit: Entweder (Faktor: 80%) heißt es: „Die Neue Rechte hat simple Antworten auf komplexe Fragen.“ Oder, wenn das definitiv nicht zutrifft: „Es fehlen klare Positionen.“
Das paßt ins Bild. Man will nicht mit Rechten reden – und lädt sie aus, weil die Rechten doch eh nicht reden wollen. Man sagt „unterkomplex“, wenn wir ein Dilemma mit einem Satz abbinden können. Umgekehrt bemüht man flexibel das Ockhamsche Rasiermesser: „Sie benötigen auffällig viele Herleitungen und Sätze, um ihre Position darzustellen!“
Meine Mutter pflegt zu sagen: „Wie mers macht, macht mers falsch.“
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28. Februar – In den nächsten Tagen erscheinen zwei „tolle“ Bücher, die sich mit uns beschäftigen. Das eine ist ein „Satireroman“ von einem Bremer Mann namens Albig, der zuvor als Altenpfleger gearbeitet hat. In Zornfried geht es um ein Rittergut:
Dort versammeln sich die Vordenker einer Neuen Rechten: ein Dichter, dessen Texte von Blut und Weihe triefen, ein völkisch philosophierender Waldgänger, ein Filmemacher, der sich als böses Genie inszeniert, und eine Gruppe kämpferischer junger Männer. Von der Aussicht auf eine spektakuläre Reportage werden jedoch auch immer wieder Journalisten angelockt – die sich bisweilen gefährlich weit auf das Spiel der Burgbewohner einlassen.
Im Interview mit der WELT klagt Herr Albig:
Wenn es nach mir gegangen wäre, dann wäre auch Götz Kubitscheks Verlag keiner, mit dem man normalerweise in Berührung kommt. Aber da mussten leider Journalisten kommen und ihm Öffentlichkeit verschaffen.
Genau. Und dann kommen auch noch die „Schriftsteller“!
Das andere Buch wurde von zwei „Investigativjournalisten“ von der ZEIT geschrieben und befaßt sich mit dem „Netzwerk der Neuen Rechten“. Die hatten angefragt, ob Sie uns besuchen dürften. Hatten wir keine Lust drauf. Die beiden Männer erschienen uns ausweislich dessen, was sie in sozialen Netzwerken von sich gaben, nicht wirklich seriös.
Nun wimmelt dieses Buch , dessen Fahnen ich gelesen habe, von den herrlichsten Stilblüten und ulkigsten Fehlern. Eine davon betrifft unseren Sohn (den ich kenne) und einen anderen Sohn Kubitscheks, der sich mit unserem Sohn öffentlich prügelte und von dem ich nichts wußte. Kubitschek hat mich aufgeklärt, “alles gut”.
Da das schwer investigative Werk aber erst in dreizehn Tagen aus dem Druck kommt, werde ich auch diese Blüte erst dann präsentieren.
Fritz
Ich weiß schon, warum ich nur noch in Konzerte gehe und nicht mehr in die Oper oder ins Theater.