Faye wurde 1949 im Südwesten Frankreichs als Sohn einer vermögenden Familie des klassischen Großbürgertums geboren. Nach einer kurzen Trotzphase als Schüler, in der er Begeisterung für die »Situationisten« aufbrachte, wandte er sich nationalistischen Studentenzirkeln in Paris zu.
Am renommierten Institut d’études politiques (bekannt als »Sciences Po«), dem politikwissenschaftlichen Institut, am dem 50 Jahre vor ihm auch Pierre Drieu la Rochelle studiert hatte, promovierte Faye 1973. Aber bereits drei Jahre zuvor gelangte Faye über Vermittlung des jungen rechtsrevolutionären Kaders Dominique Venner in jene Kreise, die wenige Jahre später als Nouvelle Droite (Neue Rechte) europaweit bekannt wurden.
Faye wurde zu einem der Hauptakteure des Groupement de recherche et d’études pour la civilisation européenne, kurz GRECE, übernahm die Leitung des angeschlossenen »Forschungssekretariats« und startete – damals waren entsprechende Konstellationen vorübergehend möglich – parallel eine Karriere als Journalist in den bürgerlichen Medien Figaro und Paris-Match.
Bis heute wird Faye – speziell in antifaschistischen Verlautbarungen – als GRECE-Aktiver gelistet, er verließ die Studieneinrichtung um ihren Motor Alain de Benoist aber bereits Mitte der 1980er Jahre, nachdem er mit der eingeschlagenen Richtung der jungakademischen Gruppierung nicht einverstanden war.
Ebendieses dezidiert Akademische störte nicht nur Venner, der seine eigenen Wege – jenseits Benoists – einschlug, sondern auch Faye. Ihm fehlte die realpolitische Erdung, der Drang zum Allgemeinverständlichen. Gleichwohl zog es Faye nicht in Strukturen der Tagespolitik. Stattdessen wirkte er für etwa zehn Jahre als Mitarbeiter französischer TV-Sender.
Ausgerechnet während seiner politischen Enthaltsamkeit wurde Fayes Publizistik in Deutschland eingeführt. Das noch heute lesenswerte Warum wir kämpfen wurde 1985 von nationalen Studenten in Eigenregie übersetzt und verlegt; die entschlossene Rede an die europäische Nation als Ein Appell gegen die Bevormundung Europas erschien sechs Jahre später im Tübinger Hohenrain-Verlag, dessen damalige deutsch-französische Kernmannschaft sich in den 1980er und frühen 1990er Jahren um deutsch-französische Übertragungen bemühte.
1997 zog es Faye nach zehn Jahren Abstinenz zurück in die Politik. Über die Vermittlung seines Bekannten Pierre Vial, eines neoheidnischen Historikers, der wenige Jahre zuvor den völkisch-nationalen Kreis »Terre et Peuple« gegründet hatte, fand er schnell Anschluß an verschiedene Gruppen am Rande und rechts der Nouvelle Droite; es waren dies Gruppen, die mit dem ethnopluralistischen, national- und sozialrevolutionären Kurs von Alain de Benoist und seinen Medien – Nouvelle École, Krisis, éléments – wenig anfangen konnten und ausdrücklich rassenpolitische Standpunkte erarbeiteten.
Inhaltlicher Differenzen ungeachtet wurde Faye erneut Mitglied von GRECE, das als Sammelbecken der französischen rechten Intelligenz für jeden Autoren schwer zu umgehen war, der als Multiplikator auf neue Resonanzräume innerhalb nonkonformer Milieus hoffte.
1998 legte Faye mit seinen erklärten Ansätzen, »Evola mit Marinetti zu versöhnen« und ein archäo-futuristisches Zeitalter nach der nahenden »Konvergenz der Katastrophen« zu skizzieren, sein wohl bekanntestes Werk vor: L’Archéofuturisme (englische Arktos-Edition: Archeofuturism) wurde für junge Rechte Westeuropas zum – oftmals indes nur als Schlagwort rezipierten – Kultbuch.
»Archäofuturismus« besteht aus fünf politischen Aufsätzen und einer Novelle. Während die Essays unterschiedliche Niveaus erreichen – kluge Kritik am Gramscismus von rechts hie, esoterischer und elitistischer Religionszugang da –, ist die Erzählung eminent lesenswert.
»Ein Tag im Leben des Dimitri Leonidovich Oblomov« ist nichts anderes als Science-Fiction von rechts und will eine »Chronik archäofuturistischer Zeiten« darstellen. Obschon bekannt und beliebt, steht eine deutsche Übersetzung dieser Novelle ebenso aus wie im Falle der elf Fortsetzungserzählungen in Archeofuturism 2.0, die 2016 – ebenfalls bei Arktos – in englischer Übersetzung vorgelegt wurden.
Das GRECE-Intermezzo währte indessen nur kurz. Im Jahr 2000 schloß die Führung um Alain de Benoist (und damals noch Charles Champetier) Faye aus. Ein Text Fayes über die »Kolonisation Europas«, in der er seine – mittlerweile bekannteren – Ansichten eines »weißen Nationalismus« einführte, gab den Ausschlag.
Faye wirkte als freier Denker ohne eigene Organisation, was nicht bedeutete, daß er anschlußlos verblieb: In Frankreichs politischer Rechten sind die Grenzen durchlässiger, auch krasse Meinungsverschiedenheiten und weltanschaulicher Zwist werden meist ausgetragen, ohne daß persönliche Beziehungen darunter litten, und die durchaus vorhandenen Trennlinien zwischen »alter«/»harter« und »neuer« Rechten werden explizit durch Inhalte markiert, nicht durch Kontaktverbote.
2007 wurde diese französische Besonderheit aber auf eine harte Probe gestellt: Guillaume Faye publizierte seine Schrift über La Nouvelle Question juive. In dieser Polemik über die »neue Judenfrage« holte er zum Rundumschlag gegen aktuelle und ehemalige französische Weggefährten aus; er wurde gewissermaßen Solitär.
Neben Alain de Benoist traf es insbesondere den heutigen nationalrevolutionären Verleger Christian Bouchet und den linksnationalen Skandal-Aktivisten Alain Soral mit voller Breitseite: Faye warf ihnen Appeasement gegenüber der aus seiner Sicht größten Bedrohung aller Zeiten – das sei der globale Islam – vor. Er plädierte für kämpferische Solidarität mit Israel als dem zivilisatorischen, der westlichen Welt entschlossen vorangehenden »Bollwerk« gegen rückschrittliche, islamische Barbarei.
Es waren diese dichotomisch artikulierten Positionen als ideologischer Synthese zwischen (hierzulande operierenden) Vulgär-Antideutschen und (bevorzugt im US-amerikanischen Raum aktiven) White Supremacy-Anhängern, die Faye in seiner zweiten politischen Lebenshälfte bis zu seinem Tod stark machte: eine weiße, westliche, moderne Welt mit zivilisatorischen Errungenschaften einerseits; eine rückständige, feindliche und islamisch dominierte Außenwelt andererseits (China, Südostasien oder Lateinamerika sahen sich ignoriert).
Daß Faye wirtschaftliche, soziale und ökologische Fragen samt und sonders in den Hintergrund rückte oder dedizidiert negierte, weil die konstante Auseinandersetzung mit dem scheinbar omnipräsenten Machtfaktor Islam alles überlagerte, baute endgültig unüberwindbare Hürden zur differenzierter und komplexer arbeitenden französischen Nouvelle Droite auf, während er in Teilen der angloamerikanischen Szene prominenter wurde.
Eine deutsche Rezeptionsgeschichte ist hingegen seit 1991 – als die Rede an die europäische Nation erschien – nicht (mehr) geschrieben worden; für die Neue Rechte der BRD, einschließlich für diese Zeitschrift und ihr metapolitisches Umfeld, spielte Faye schlicht keine theoriebildende Rolle, was freilich nicht ausschließen soll, daß auch in Deutschland Einzelpersonen jenseits des Komplexes »Schnellroda« Faye als Vordenker für sich entdeckten.
Fayes ab der Jahrtausendwende vertretenen Ideen von Rassen- und Kulturkampf als Schlüssel zur westlichen Selbstfindung mündeten final in einem Buch, das vor wenigen Wochen erst in den Druck ging: Guerre Civil Raciale (Rassenbürgerkrieg) soll in einigen Tagen erscheinen.
Guillaume Faye erlebt dies nicht mehr; er starb in der Nacht vom 6. auf den 7. März nach einer schweren Krankheit und hinterläßt ein widersprüchliches, diskutables und doch – was den kleineren, belletristischen Part anbelangt – überdauerndes Werk.
Der_Juergen
Ich habe Faye als kaustischen, hochintelligenten Gesprächspartner mit einer enzyklopädischen Kenntnis der französischen Rechten kennengelernt, von der er, mit Ausnahme des katholisch-traditionalistischen, alle Sektoren aus persönlicher Erfahrung kannte.
"Archeofuturisme" und "La Colonisation de l'Europa" sind Bücher von bleibendem Wert. Faye war mehrmals in Moskau; eine dortige Organisation erwog anfangs, ihn zum Führer oder Vordenker einer aus Russen und anderen Europäern bestehenden supranationalen Organisation weisser Nationalisten zu machen, was jedoch an seinen offenkundigen charakterlichen Schwächen und seinem nicht eben vorbildlichen Lebenswandel scheiterte. Mit seinem katastrophalen Buch "La nouvelle question juive", dessen Veröffentlichung er später lebhaft bedauerte, hat er sich jedoch ins Abseits gestellt und wurde fortan von vielen ehemaligen Mitstreitern gemieden. Trotz allem: Friede seiner Asche. Er war zu mehr berufen, als er dann tatsächlich geleistet hat, doch wird einiges von seinem Werk ihn überdauern.