HÖCKE: Nein, ich bin überzeugt, daß wir die innerparteilichen Spannungen auch langfristig aushalten werden. Sie können für die Weiterentwicklung der Partei sogar produktiv sein. Voraussetzung dafür ist jedoch eine von allen Strömungen und Flügeln gelebte Toleranz gegenüber dem Binnenpluralismus in der AfD. Damit haben leider die Betonköpfe, die es in allen Lagern gibt, ein Problem. Der Narrensaum ist nicht nur auf einer Seite zu finden. Man denke nur an die unsäglichen „Feindzeugen“, die eigene Parteikollegen mit Extremismusvorwürfen belegen, die sie vom Gegner kopiert haben. Ich persönlich finde die Vielfalt in der Partei großartig, ein klares Anzeichen für eine lebendige Volkspartei.
KUBITSCHEK: Der Unterschied zwischen West- und Ost-AfD ist aber mit Händen zu greifen. Muß man daraus Konsequenzen ableiten?
HÖCKE: So ganz stimmt dieses Bild nicht. Wir haben “Flügel”-Anhänger in Ost und West. Der Osten ist allgemein skeptischer gegenüber dem Establishment und den Altparteien. Daraus resultiert in den Ostverbänden eine größere Abneigung gegen allzu schnelle Offerten an die Union, die zuerst einmal zu ihren Wurzeln zurückfinden muß, bevor sie für uns interessant wird. Neben dieser strategischen Frage gibt es einen markanten Unterschied in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Im Osten gewinnt man Wahlen eher mit einem ausgeprägten sozialen Profil, das für uns Patrioten übrigens eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Im Westen denkt man eher wirtschaftsliberal – so sagen es zumindest Vertreter von dort. Aber auch hier sollte man die Kirche im Dorf lassen: Wenn wir mehr das Soziale betonen und die Liberalen mehr das Marktwirtschaftliche, so wollen wir beide eine soziale Marktwirtschaft. Die unterschiedlichen Akzente kann man bei den länderspezifischen Wahlkämpfen berücksichtigen.
KUBITSCHEK: Der Chef der Jungen Freiheit, Dieter Stein, hat namentlich Dich in einem Artikel als Spalter und politisches Irrlicht bezeichnet. Seine Einladung, in die Redaktion nach Berlin zu kommen, hast Du nicht angenommen. Warum?
HÖCKE: Herr Stein – wir kennen uns übrigens kaum – hatte anscheinend von Anfang an ein Problem mit mir, meinem Stil, meinen Standpunkten, meiner Struktur. Das hat er in seinem Artikel noch einmal sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, und zwar im schlechten Stile eines Antifa-Pamphlets oder VS-Gutachtens. Das war wirklich niveaulos und substanziell dürftig. Ich glaube auch nicht, daß das von der Mehrheit der JF-Redakteure goutiert worden ist. Steins Urteil ist nicht nur starr und fest: er hat es veröffentlicht, ohne vorher einmal das Gespräch mit mir zu suchen. Er hat sich entladen und nun will er nachträglich reden. Welchen Sinn soll vor diesem Hintergrund ein Gespräch haben?
KUBITSCHEK: Stein behauptet in einem zweiten Artikel, die Besonnenen und Nachdenklichen in der AfD zögen sich zurück und verstummten, wenn es um den “roten Elefanten” im Raum gehe. Dieser Elefant sollst Du sein. Er will diesen Elefenten nun beim Namen nennen. Er will über Dich als Problem für die Partei reden – am besten mit Dir selbst.
HÖCKE: Nicht ich, sondern Stein und seine Berater sind das Problem. Hinter seinen Artikeln, Anwürfen und seltsam übergriffigen Forderungen steht doch die Überzeugung, daß die herrschende Klasse die AfD in ihren Kreis aufnähme, wenn sich die Partei von ihren Schmuddelkindern getrennt hätte. Diese Vorstellung ist so naiv, daß ich kaum glauben mag, jemand könne ihr ernsthaft anhängen. Um es unmißverständlich auszudrücken: Es gibt eine machtvolle AfD in keinem Zustand, der für das Establishment akzeptabel wäre. Gäbe es sie, wäre sie keine Alternative mehr.
KUBITSCHEK: Von diesem Standpunkt aus betrachtet, hat die AfD im Umgang mit der angedrohten Beobachtung durch den Verfassungsschutz vieles falsch gemacht. Man will Forderungen erfüllen und Hinweise ernst nehmen und scheint nicht recht begriffen zu haben, daß man sich scheibchenweise selbst abschaffen soll.
HÖCKE: So schlimm sehe ich das nicht. Nachdem der anfängliche Panikmodus überwunden war, ist schon vieles richtig gemacht worden. Wir wehren uns gegen diesen Repressionsversuch der Herrschenden mit rechtlichen und politischen Mitteln. Fatal sind nur die “Feindzeugen” in der Partei. Mich erstaunt die immer noch verbreitete Blauäugigkeit im Umgang mit dem Establishment. Wenn man einmal begriffen hat, daß uns der politische Gegner mit allen lauteren und unlauteren Mitteln bekämpft, schwindet die Hoffnung, man könne ihn mit Hygienemaßnahmen und vorbildlichem Verhalten beeindrucken oder sogar von der Verfassungstreue der AfD überzeugen. Er weiß längst, daß die AfD die Partei der Rechtstaatlichkeit ist. Was ist das Schlimmstmögliche, das er uns zutraut? Daß wir in diesem Land wieder für Recht und Ordnung sorgen? Daß wir die “Herrschaft des Unrechts” beenden, die von den Altparteien errichtet worden ist? Das wird es wohl sein, und daß man in Berlin und in den Landesparlamenten davor Angst hat, sagt viel über den Zustand unserer Gegner aus.
KUBITSCHEK: Bleiben wir bei der AfD …
HÖCKE: Ich wünsche mir – von der Parteispitze bis zu den lokalen Gliederungen, von West bis Ost – einen klaren, souveränen Kurs, der sich auf die Grundüberzeugung stützt: Wir haben recht in der Sache, wir sind zurecht die einzig echte und die stärkste Opposition in Deutschland und wir lassen uns nicht vom politischen Gegner diktieren, wer der Gegner in unseren eigenen Reihen sein soll. Wir durchschauen die billigen Manöver des Parteienblocks, der sich gegen uns stellt, wir entlarven seine denunziatorische Sprache und lassen uns nicht gegeneinander aufhetzen. Das wären meine Grundregeln.
KUBITSCHEK: Verrate ich zuviel, wenn ich sage, daß ich Dich aber auch mit zusammengebissenen Zähnen kenne, wenn Du mit einem Parteifreund in Verbindung gebracht wirst, der wirklich ein Irrlicht ist?
HÖCKE: Nein, wie vorhin bereits angesprochen, schüttle auch ich ab und zu den Kopf vor einem Zuviel an Unverstand und Dummheit. Im Umgang mit disziplinlosen, untragbaren Parteimitgliedern sind klare Worte und strikt eingehaltene Verfahrenswege angezeigt. Ich bin allerdings gegen jede Form der Hysterie und gegen Reaktionen und Urteile in twitter-Geschwindigkeit. Und ich bin der Überzeugung, daß die vielbeschworenen Selbstreinigungskräfte der Partei ausreichen, wir also keine Putztruppe von außen brauchen. Parteiabspaltungen, wie wir jüngst eine erlebt haben, zeigen: Wer sich überschätzt, wird nichts mehr, und wer nicht mehr zu uns paßt, verläßt über kurz oder lang
freiwillig die Partei.
KUBITSCHEK: Wächst die AfD zu schnell? Verknöchert sie zu schnell?
HÖCKE: Nein, die Gefahr der Oligarchisierung droht erst langfristig. Wir müssen bei der rasant gestiegenen Anzahl an Mandatsposten und ihren angehängten Strukturen zwar schon aufpassen, daß sich die AfD nicht durch die üppige Alimentierung korrumpieren und durch den routinierten Parlamentsbetrieb einlullen läßt. Masse aber brauchen wir: Nur als „blauer Planet“ haben wir genug Gravitationskraft, um das alte Parteiensystem in seiner Verkrustung aufzubrechen. Der gärige Haufen AfD hat zudem noch immer genug Dynamik und jugendliche Frische, um das Establishment aus der Reserve zu locken.
KUBITSCHEK: Was ist Dein Rat an die konservativen Höcke-Skeptiker innerhalb und außerhalb der Partei?
HÖCKE: Wir sollten uns in Zeiten der Krise und des Niedergangs vor einem falschen Konservatismus hüten, der sich an Institutionen klammert, die längst selber an der Zerstörung unseres Landes und seiner Bestände mitwirken. Wir vom Flügel sind absolut loyal gegenüber dem Staat und seinen notwendigen Organen, ohne die wir keine Ordnung und Freiheit verwirklichen können. Aber wir sind nicht dazu da, das Demokratiespiel der anderen mitzuspielen, sondern dazu, Demokratie, Meinungsverschiedenheit, Opposition und Politik für das Volk erst wieder herzustellen. Nicht Ruhe, sondern Unruhe ist heute erste konservative Bürgerpflicht.
John Haase
Die „konservativen Höckeskeptiker“ könnten zur Abwechslung mal anfangen, den Gegner zu attackieren anstatt zu versuchen, ihm zu gefallen. Die Cuckservatives sind wahrlich eine Pest.