“Unruhe ist Pflicht” – Höcke im Gespräch

KUBITSCHEK: Björn, läuft die AfD Gefahr, sich zu spalten?

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

HÖCKE: Nein, ich bin über­zeugt, daß wir die inner­par­tei­li­chen Span­nun­gen auch lang­fris­tig aus­hal­ten wer­den. Sie kön­nen für die Wei­ter­ent­wick­lung der Par­tei sogar pro­duk­tiv sein. Vor­aus­set­zung dafür ist jedoch eine von allen Strö­mun­gen und Flü­geln geleb­te Tole­ranz gegen­über dem Bin­nen­plu­ra­lis­mus in der AfD. Damit haben lei­der die Beton­köp­fe, die es in allen Lagern gibt, ein Pro­blem. Der Nar­ren­saum ist nicht nur auf einer Sei­te zu fin­den. Man den­ke nur an die unsäg­li­chen „Feind­zeu­gen“, die eige­ne Par­tei­kol­le­gen mit Extre­mis­mus­vor­wür­fen bele­gen, die sie vom Geg­ner kopiert haben. Ich per­sön­lich fin­de die Viel­falt in der Par­tei groß­ar­tig, ein kla­res Anzei­chen für eine leben­di­ge Volkspartei.

KUBITSCHEK: Der Unter­schied zwi­schen West- und Ost-AfD ist aber mit Hän­den zu grei­fen. Muß man dar­aus Kon­se­quen­zen ableiten?

HÖCKE: So ganz stimmt die­ses Bild nicht. Wir haben “Flügel”-Anhänger in Ost und West. Der Osten ist all­ge­mein skep­ti­scher gegen­über dem Estab­lish­ment und den Alt­par­tei­en. Dar­aus resul­tiert in den Ost­ver­bän­den eine grö­ße­re Abnei­gung gegen all­zu schnel­le Offer­ten an die Uni­on, die zuerst ein­mal zu ihren Wur­zeln zurück­fin­den muß, bevor sie für uns inter­es­sant wird. Neben die­ser stra­te­gi­schen Fra­ge gibt es einen mar­kan­ten Unter­schied in der Wirt­schafts- und Sozi­al­po­li­tik. Im Osten gewinnt man Wah­len eher mit einem aus­ge­präg­ten sozia­len Pro­fil, das für uns Patrio­ten übri­gens eine Selbst­ver­ständ­lich­keit sein soll­te. Im Wes­ten denkt man eher wirt­schafts­li­be­ral – so sagen es zumin­dest Ver­tre­ter von dort. Aber auch hier soll­te man die Kir­che im Dorf las­sen: Wenn wir mehr das Sozia­le beto­nen und die Libe­ra­len mehr das Markt­wirt­schaft­li­che, so wol­len wir bei­de eine sozia­le Markt­wirt­schaft. Die unter­schied­li­chen Akzen­te kann man bei den län­der­spe­zi­fi­schen Wahl­kämp­fen berücksichtigen.

KUBITSCHEK: Der Chef der Jun­gen Frei­heit, Die­ter Stein, hat nament­lich Dich in einem Arti­kel als Spal­ter und poli­ti­sches Irr­licht bezeich­net. Sei­ne Ein­la­dung, in die Redak­ti­on nach Ber­lin zu kom­men, hast Du nicht ange­nom­men. Warum?

HÖCKE: Herr Stein – wir ken­nen uns übri­gens kaum – hat­te anschei­nend von Anfang an ein Pro­blem mit mir, mei­nem Stil, mei­nen Stand­punk­ten, mei­ner Struk­tur. Das hat er in sei­nem Arti­kel noch ein­mal sehr deut­lich zum Aus­druck gebracht, und zwar im schlech­ten Sti­le eines Anti­fa-Pam­phlets oder VS-Gut­ach­tens. Das war wirk­lich niveau­los und sub­stan­zi­ell dürf­tig. Ich glau­be auch nicht, daß das von der Mehr­heit der JF-Redak­teu­re gou­tiert wor­den ist. Steins Urteil ist nicht nur starr und fest: er hat es ver­öf­fent­licht, ohne vor­her ein­mal das Gespräch mit mir zu suchen. Er hat sich ent­la­den und nun will er nach­träg­lich reden. Wel­chen Sinn soll vor die­sem Hin­ter­grund ein Gespräch haben?

KUBITSCHEK: Stein behaup­tet in einem zwei­ten Arti­kel, die Beson­ne­nen und Nach­denk­li­chen in der AfD zögen sich zurück und ver­stumm­ten, wenn es um den “roten Ele­fan­ten” im Raum gehe. Die­ser Ele­fant sollst Du sein. Er will die­sen Elef­en­ten nun beim Namen nen­nen. Er will über Dich als Pro­blem für die Par­tei reden – am bes­ten mit Dir selbst.

HÖCKE: Nicht ich, son­dern Stein und sei­ne Bera­ter sind das Pro­blem. Hin­ter sei­nen Arti­keln, Anwür­fen und selt­sam über­grif­fi­gen For­de­run­gen steht doch die Über­zeu­gung, daß die herr­schen­de Klas­se die AfD in ihren Kreis auf­näh­me, wenn sich die Par­tei von ihren Schmud­del­kin­dern getrennt hät­te. Die­se Vor­stel­lung ist so naiv, daß ich kaum glau­ben mag, jemand kön­ne ihr ernst­haft anhän­gen. Um es unmiß­ver­ständ­lich aus­zu­drü­cken: Es gibt eine macht­vol­le AfD in kei­nem Zustand, der für das Estab­lish­ment akzep­ta­bel wäre. Gäbe es sie, wäre sie kei­ne Alter­na­ti­ve mehr.

KUBITSCHEK: Von die­sem Stand­punkt aus betrach­tet, hat die AfD im Umgang mit der ange­droh­ten Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz vie­les falsch gemacht. Man will For­de­run­gen erfül­len und Hin­wei­se ernst neh­men und scheint nicht recht begrif­fen zu haben, daß man sich scheib­chen­wei­se selbst abschaf­fen soll.

HÖCKE: So schlimm sehe ich das nicht. Nach­dem der anfäng­li­che Panik­mo­dus über­wun­den war, ist schon vie­les rich­tig gemacht wor­den. Wir weh­ren uns gegen die­sen Repres­si­ons­ver­such der Herr­schen­den mit recht­li­chen und poli­ti­schen Mit­teln. Fatal sind nur die “Feind­zeu­gen” in der Par­tei. Mich erstaunt die immer noch ver­brei­te­te Blau­äu­gig­keit im Umgang mit dem Estab­lish­ment. Wenn man ein­mal begrif­fen hat, daß uns der poli­ti­sche Geg­ner mit allen lau­te­ren und unlau­te­ren Mit­teln bekämpft, schwin­det die Hoff­nung, man kön­ne ihn mit Hygie­ne­maß­nah­men und vor­bild­li­chem Ver­hal­ten beein­dru­cken oder sogar von der Ver­fas­sungs­treue der AfD über­zeu­gen. Er weiß längst, daß die AfD die Par­tei der Recht­staat­lich­keit ist. Was ist das Schlimmst­mög­li­che, das er uns zutraut? Daß wir in die­sem Land wie­der für Recht und Ord­nung sor­gen? Daß wir die “Herr­schaft des Unrechts” been­den, die von den Alt­par­tei­en errich­tet wor­den ist? Das wird es wohl sein, und daß man in Ber­lin und in den Lan­des­par­la­men­ten davor Angst hat, sagt viel über den Zustand unse­rer Geg­ner aus.

KUBITSCHEK: Blei­ben wir bei der AfD …

HÖCKE: Ich wün­sche mir – von der Par­tei­spit­ze bis zu den loka­len Glie­de­run­gen, von West bis Ost – einen kla­ren, sou­ve­rä­nen Kurs, der sich auf die Grund­über­zeu­gung stützt: Wir haben recht in der Sache, wir sind zurecht die ein­zig ech­te und die stärks­te Oppo­si­ti­on in Deutsch­land und wir las­sen uns nicht vom poli­ti­schen Geg­ner dik­tie­ren, wer der Geg­ner in unse­ren eige­nen Rei­hen sein soll. Wir durch­schau­en die bil­li­gen Manö­ver des Par­tei­en­blocks, der sich gegen uns stellt, wir ent­lar­ven sei­ne denun­zia­to­ri­sche Spra­che und las­sen uns nicht gegen­ein­an­der auf­het­zen. Das wären mei­ne Grundregeln.

KUBITSCHEK: Ver­ra­te ich zuviel, wenn ich sage, daß ich Dich aber auch mit zusam­men­ge­bis­se­nen Zäh­nen ken­ne, wenn Du mit einem Par­tei­freund in Ver­bin­dung gebracht wirst, der wirk­lich ein Irr­licht ist?

HÖCKE: Nein, wie vor­hin bereits ange­spro­chen, schütt­le auch ich ab und zu den Kopf vor einem Zuviel an Unver­stand und Dumm­heit. Im Umgang mit dis­zi­plin­lo­sen, untrag­ba­ren Par­tei­mit­glie­dern sind kla­re Wor­te und strikt ein­ge­hal­te­ne Ver­fah­rens­we­ge ange­zeigt. Ich bin aller­dings gegen jede Form der Hys­te­rie und gegen Reak­tio­nen und Urtei­le in twit­ter-Geschwin­dig­keit. Und ich bin der Über­zeu­gung, daß die viel­be­schwo­re­nen Selbst­rei­ni­gungs­kräf­te der Par­tei aus­rei­chen, wir also kei­ne Putz­trup­pe von außen brau­chen. Par­tei­ab­spal­tun­gen, wie wir jüngst eine erlebt haben, zei­gen: Wer sich über­schätzt, wird nichts mehr, und wer nicht mehr zu uns paßt, ver­läßt über kurz oder lang
frei­wil­lig die Partei.

KUBITSCHEK: Wächst die AfD zu schnell? Ver­knö­chert sie zu schnell?

HÖCKE: Nein, die Gefahr der Olig­ar­chi­sie­rung droht erst lang­fris­tig. Wir müs­sen bei der rasant gestie­ge­nen Anzahl an Man­dats­pos­ten und ihren ange­häng­ten Struk­tu­ren zwar schon auf­pas­sen, daß sich die AfD nicht durch die üppi­ge Ali­men­tie­rung kor­rum­pie­ren und durch den rou­ti­nier­ten Par­la­ments­be­trieb ein­lul­len läßt. Mas­se aber brau­chen wir: Nur als „blau­er Pla­net“ haben wir genug Gra­vi­ta­ti­ons­kraft, um das alte Par­tei­en­sys­tem in sei­ner Ver­krus­tung auf­zu­bre­chen. Der gäri­ge Hau­fen AfD hat zudem noch immer genug Dyna­mik und jugend­li­che Fri­sche, um das Estab­lish­ment aus der Reser­ve zu locken.

KUBITSCHEK: Was ist Dein Rat an die kon­ser­va­ti­ven Höcke-Skep­ti­ker inner­halb und außer­halb der Partei?

HÖCKE: Wir soll­ten uns in Zei­ten der Kri­se und des Nie­der­gangs vor einem fal­schen Kon­ser­va­tis­mus hüten, der sich an Insti­tu­tio­nen klam­mert, die längst sel­ber an der Zer­stö­rung unse­res Lan­des und sei­ner Bestän­de mit­wir­ken. Wir vom Flü­gel sind abso­lut loy­al gegen­über dem Staat und sei­nen not­wen­di­gen Orga­nen, ohne die wir kei­ne Ord­nung und Frei­heit ver­wirk­li­chen kön­nen. Aber wir sind nicht dazu da, das Demo­kra­tie­spiel der ande­ren mit­zu­spie­len, son­dern dazu, Demo­kra­tie, Mei­nungs­ver­schie­den­heit, Oppo­si­ti­on und Poli­tik für das Volk erst wie­der her­zu­stel­len. Nicht Ruhe, son­dern Unru­he ist heu­te ers­te kon­ser­va­ti­ve Bürgerpflicht.

Götz Kubitschek

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Kommentare (49)

John Haase

9. März 2019 08:43

Die „konservativen Höckeskeptiker“ könnten zur Abwechslung mal anfangen, den Gegner zu attackieren anstatt zu versuchen, ihm zu gefallen. Die Cuckservatives sind wahrlich eine Pest.

Elvis Pressluft

9. März 2019 09:48

Höcke sagt fast durchweg völlig Richtiges, allerdings zugleich auch Selbstverständliches. Bezeichnend ist jetzt schon der massive Druck, dies NICHT zu tun. Ob die jetzigen Spannungen in der Partei „produktive Widersprüche“ darstellen (um für einen Moment den linken Jargon zu beleihen), wird sich zeigen; ich bezweifle es. Am Tag X nach Merkel werden die „Konservativen“ von einer vermeintlichen Befreiung sprechen; jetzt bis mittelfristig könne man auch in Gespräche mit der Union eintreten … dann wird’s interessant. Das Angebot kann kommen, wird aber seinen Preis haben. Dem Preisetikett werden die Aufforderungen zu entnehmen sein: Mistet aus, distanziert euch, trennt euch … Und Höcke wird auf der Liste stehen, wahrscheinlich zwischen den Zeilen, aber er wird es wissen – falls er dann noch dabei ist.

Fredy

9. März 2019 10:46

Wenn Spezl sich gegenseitig interviewen kommt es selten zu gewinnbringenden Erkenntnissen.

Der_Juergen

9. März 2019 10:54

Ja, Höcke will die Einheit der Partei bewahren, aber ich würde hoch wetten, dass ihm dies nicht auf Dauer gelingen wird. Bis zu den Landtagswahlen im Herbst werden die Cucks Grips genug haben, um halbwegs still zu halten, und Höcke wird - vernünftigerweise - heikle Aussagen zur deutschen Geschichte bis dann meiden, aber auf Dauer geht das nicht gut.

Wie Forist @Elvis Pressluft richtig festhält, werden die Cucks dann energisch versuchen, Höcke aus der AFD zu ekeln, und wenn dieser eine glaubhafte Alternative für Deutschland verkörpern will (woran kein Zweifel statthaft ist), wird er entweder von selbst gehen oder herausgeworfen werden. Dies hätte den Vorteil, dass er sich dann endlich frei(er) zu den Schicksalsfragen der Nation äussern kann.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Wie sowohl Kubitschek in einem früheren Beitrag als auch Höcke in diesem Gespräch zu Recht festhalten, gibt es für den Gegner keine akzeptable AFD, es sei denn, sie verleugne ihr Programm bis zur Unkenntlichkeit.

Simplicius Teutsch

9. März 2019 10:56

Aus dem klaren Bekenntnis und der sachlichen, souveränen Lagebeurteilung Höckes kann ich keine Bestrebungen herauslesen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet wären. Im Gegenteil: Sein politischer Angriff richtet sich gegen die Zerstörung des Landes, für das die Verfassung/das Grundgesetz steht.

„HÖCKE: Wir sollten uns in Zeiten der Krise und des Niedergangs vor einem falschen Konservatismus hüten, der sich an Institutionen klammert, die längst selber an der Zerstörung unseres Landes und seiner Bestände mitwirken. Wir vom Flügel sind absolut loyal gegenüber dem Staat und seinen notwendigen Organen, ohne die wir keine Ordnung und Freiheit verwirklichen können. Aber wir sind nicht dazu da, das Demokratiespiel der anderen mitzuspielen, sondern dazu, Demokratie, Meinungsverschiedenheit, Opposition und Politik für das Volk erst wieder herzustellen. Nicht Ruhe, sondern Unruhe ist heute erste konservative Bürgerpflicht.“

Gustav Grambauer

9. März 2019 11:37

Gilt auch in der BRD, hier würde ich den Vergleich mit den 20er Jahren ansetzen:

https://thehill.com/homenews/sunday-talk-shows/431317-bannon-predicts-2019-will-be-most-vitriolic-year-in-us-politics

- G. G.

RMH

9. März 2019 12:01

"Voraussetzung dafür ist jedoch eine von allen Strömungen und Flügeln gelebte Toleranz gegenüber dem Binnenpluralismus in der AfD. Damit haben leider die Betonköpfe, die es in allen Lagern gibt, ein Problem."

Alleine, dass hier in bisher von mir lesbaren 4 Beiträgen gleich 2 mal der Kampfbegriff "Cuckservative" bzw. "Cuck" fällt zeigt, dass es eben in der Tat die genannten "Betonköpfe" überall gibt, denn es scheint Manchem gar nicht um einen Binnenpluralismus der AfD zu gehen oder gar um den Erhalt eines Status Quo zwischen den unterschiedlichen Positionen sondern darum, die Hegemonie in der Partei zu erreichen, in dem sie den anderen ausgrenzen und am liebsten raus ekeln wollen. Die "Höcke-Raus" Rufer haben also auf der rechten Seiten ihre zahlreichen Pendants, die sich für die Gralshüter der reinen Lehre zu halten scheinen und auch am liebsten die Partei um gewissen Personen und Mitglieder "bereinigen" möchten.

Ich, als Parteiloser, kann allen nur raten, im Bereich des Politischen gibt es kein echtes schwarz-weiß. Höcke und der Flügel wurden erfolgreich zu einem Symbol für "Rechtsextremismus", gar "Nazis in der AfD" von Seiten der Medien und den dahinter stehenden etablierten Parteien entwickelt. Dies wird auch dadurch gerade aktuell bestätigt, dass der VS seine gerichtliche Schlappe bzgl. des "Prüffalls AfD" gerne unter der Ausrede, gut, dann beobachten wir eben den Flügel und die JA um so genauer, hinnimmt, da er weiß, dass dadurch, dass ein "ihr seit die Guten", das sind "die Nazis" geschaffen wird (ob berechtigt oder nicht spielt hier keinerlei Rolle), der Zerfall der INSGESAMT missliebigen Partei beschleunigt werden kann. Die echten Menschen und deren Meinungen, Überzeugungen interessieren nicht mehr. Da kann Herr Höcke moderat argumentieren wie er will, sich in seiner ganzen Vielschichtigkeit zeigen wie er mag, er wird auf ein paar seiner Aussagen, die aus dem Zusammenhang gerissen wurden und auch verfälscht dargestellt werden, reduziert, weil er ja das "Symbol" ist und damit kein Menschen mehr, der irrt solange er strebt.

Natürlich ist es jetzt für alle, die rasch auch gestalten und nicht nur opponieren wollen, scheinbar leichter, diesen vermeintlichen Ballast der Person Höcke und den Begriff "Flügel" über Bord zu werfen, einfach nur um die Symbole los zu werden (manchmal kann es ja in der Tat besser sein, sich unbeachtet des wahren Charakters einer Person von Personen zu trennen, weil diese für den job einfach "verbrannt" sind - das ist die unmenschliche Seite bei allen Karrieren). Die unbeantwortete Frage bei diesem Wunsch ist aber, wer garantiert, dass dann eben nicht andere Gruppen, Personen dazu stilisiert werden? Wenn eine Taktik einmal funktioniert, kann sie auch ein weiteres mal funktionieren und die Wahrscheinlichkeit, dass wenn man bspw. Söder (CSU) folgt und die "Nazis rausschmeißt", dann immer noch nur "Nazis" in der AfD sind, solange sie die Posten, die für die CSU-Chargen doch bislang "reserviert" waren, besetzt, ist bei mindestens 99% (ich möchte übrigens einmal die CSU erleben, wenn ein AfD-Mitglied um "Rückkehr" zur CSU bittet - aber das ist ein anderes Thema).

Im Gegenzug sollten die "Rechten" aber auch klar ihre eigene z.T. massiv vorhandene Borniertheit gegenüber den anderen Parteimitgliedern ablegen, insbesondere, in dem sei einfach rein inhaltlich argumentieren und nicht gleich in die ad hominem Dimensionen des "Cucks", der "Verräters", des "U-Boots" oder gar des "Zionisten" verfallen, die für mich auch Teil der von Höcke genannten "denunziatorischen Sprache" sind. Damit tut man seinen eigenen inhaltlichen Positionen keinen Gefallen. Die AfD sollten ihre interne Vielfalt in der Tat als Chance begreifen und nicht als Hemmschuh, sie kann, wie Höcke sagt, dadurch sehr "produktiv" sein.

Insgesamt daher richtige Worte gerade am richtigen Ort - auch wenn alleine die Veröffentlichung bei SiN manchem wieder den Schaum vor den Mund treibt und anderen als billiges Argument für "rechtsextreme Netzwerke" taugt. Aber diese "Provokation" ist richtig.

In einem Punkt möchte ich aber doch widersprechen:

"Um es unmissverständlich auszudrücken: Es gibt eine machtvolle AfD in keinem Zustand, der für das Establishment akzeptabel wäre. Gäbe es sie, wäre sie keine Alternative mehr. "

Wie ich an anderer Stelle dazu zu dem von G.K. bereits ähnlich formulierten Argument ausgeführt habe, halte ich das für eine Momentaufnahme, die aktuell richtig ist, aber bei der Schnelllebigkeit der Politik sich auch rascher ändern kann, als man denkt. Evtl. schon bei den nächsten Landtagswahlen in Mitteldeutschland könnte es ja zu der Situation kommen, dass nur alle gegen die AfD regieren können. Und dann möchte ich eine CDU sehen, die eine SED/PDS/Linke mit ins Boot nimmt und sei es auch nur im Rahmen einer "Tolerierung". Hier muss dann auch eine AfD, möglicherweise rascher als gewünscht, sich auch ein Stück weit "bewegen" können. Und Müntefering hatte recht, als er sagte, "Opposition ist Mist". Das kann kein Dauerzustand für eine Partei sein und der Tag X kann kommen, wenn die AfD Mitglieder eben immer wieder bereit sind, auch über den eigenen Schatten und Eitelkeiten zu springen - das gilt für alle "Lager".

Die Messe ist wahrlich noch nicht zu Ende gelesen.

Ein gebuertiger Hesse

9. März 2019 12:38

Wichtiges Interview, gerade zu diesem Zeitpunkt. Man sieht, die echten, antreibenden Steine des Anstoßes kommen im Osten ins Rollen und einmal mehr nicht in Berlin-Wilmersdorf.

Simplicius Teutsch

9. März 2019 13:08

Schleunigst mit dem Trinken aufhören! - Das ist mein guter (polemischer) Rat an Kapitän Dieter Stein, dessen mediales Flaggschiff "Junge Freiheit" ich durchaus hoch einschätze und dessen absichernde Routenplanung, nämlich Abstand zu (vermeintlich) gefährlichen Klippen und Strudeln zu halten, ich respektieren kann.

Wenn Dieter Stein uns aber wirklich die Wahrheit über seine persönlichen Björn Höcke-Erscheinungen offenbart hat, indem er jüngst in der JF vom 7.3.19 auf Seite 1 schreibt: „Man muss sich nichts vormachen: Höcke ist der „rosa Elefant“, der beim Gespräch über die AfD immer im Raum steht“, - dann sollte er schleunigst mit dem Trinken aufhören. Denn der „rosa Elefant“ ist der klassische Topos für eine alkoholbedingte Halluzination.

Aber selbst wenn Dieter Stein sich nur in der Wortwahl vergriffen hat und den sprichwörtlichen „Elefanten im Raum“ bemühen wollte, um sich von Björn Höcke offenkundig zu distanzieren, dann hat er die Bedeutung dieser aus dem angelsächsischen Raum stammenden Metapher falsch verstanden.

Denn dieses Bild („the elefant in the room“) meint keineswegs einen in eine Ecke gedrängten und mit ständigen Vorwürfen zum Elefanten aufgeblasenen patriotischen AfD-Politiker, der nicht nur von seinen außer-parteilichen Gegnern und vom Verfassungsschutz als Gefahr für die Demokratie bzw. als Gefahr für den AfD-Erfolg mit flammender Schrift und anklagenden Worten hochstilisiert wird, sondern im Gegenteil: Gemeint ist mit dieser Metapher ein echtes, offensichtliches, schwerwiegendes Problem, das zwar ganz real und groß wie ein Elefant im Raum steht, aber dennoch von den Anwesenden nicht angesprochen wird.

Wahrheitssucher

9. März 2019 14:00

@ Simplicius Teutsch

Dank für die sprachlich-linguistische Klarstellung,
Sie machen Ihrem Namen alle Ehre!

Nemo Obligatur

9. März 2019 14:09

Höcke-Bashing, Stein-Bashing. Jetzt ist so langsam alles durch. Herr Höcke hat sich in letzter Zeit deutlich moderater geäußert, ohne dabei anbiedernd zu wirken. Ich denke an den Politischen Aschermittwoch, aber auch an dieses Interview.

Gut haben mir diese Worte gefallen:
"Im Umgang mit disziplinlosen, untragbaren Parteimitgliedern sind klare Worte und strikt eingehaltene Verfahrenswege angezeigt. Ich bin allerdings gegen jede Form der Hysterie und gegen Reaktionen und Urteile in Twitter-Geschwindigkeit."

Andererseits lassen sich Höckes Aussagen in puncto Geschichtspolitik und Migration auch nicht so einfach aus der Welt schaffen. Aber das war sicher auch nicht der Zweck des Interviews. Und ich hätte gerne noch in diesem Jahr ein Rentenkonzept der AfD. Das dürfte wegweisend sein, auch für das Thema "Koalitionsfähigkeit", wenn man es denn möchte.

Aber halt! Hier ist die Sezession, der metapolitische Raum, nicht die FAZ, Welt oder Wirtschaftswoche.

heinrichbrueck

9. März 2019 15:53

@ RMH
Freier Mensch: Was will ich. Unfreier Mensch: Was darf ich.
Welche Sorte ist gut für das Land? Der Wähler möchte dann doch einen Politiker wählen, von dem er denken kann, der hat alles im Griff. Und wer sich einbildet, er hätte alles im Griff, ist leicht lenkbar. Opposition in Unfreiheit ist Mist, was denn sonst! Und Wohlfühlparteien haben wir genug. Aber letztendlich kommt es auf den Wähler an, der immer noch ein Wohlstandbürger ist. Wem werden die höheren Finanzmittel zur Verfügung stehen? In einer liberalistischen Spaßdiktatur, in der das Interesse der Wahlmajorität dem langfristigen Gemeinwohl widerspricht bzw. nicht mit ihm übereinstimmt, der Zufriedenheit des Wählers. Wer für das Wohl der Gesamtheit Wahlkampf betreibt, macht sich verdächtig. Eine glaubwürdige Sprache des Vertrauens und der Wahrheit, an die der Wähler glauben kann.

Laurenz

9. März 2019 16:01

Kurzes, gutes und bündiges Interview. Allerdings scheint mir die dargestellte deutsche Naivität Herrn Höckes auf dem/der SiN-Medium/-Zeitung als etwas fehl am Platze. Jeder hier weiß, die AfD ist ein oppositionelles Konglomerat aus verschiedenen gesellschaftlichen Kräften ist, die sich deshalb zusammen geschlossen haben, weil sie im Sektierertum verbleibend, keine Macht erlangen könnten. Auch ein Prof. Dr. Meuthen sollte wissen, daß publizierte markt-liberale Politik auch im Westen nur begrenzte Minderheiten anspricht, die auch schon von der FDP und dem Unternehmer-Flügel der CDU, zeitweilig auch von den Genossen der Bosse, betreut werden. Was ist da also zu holen? Genau, fast nichts. Das ist destruktive Politik. Natürlich kann nur eine Wirtschaft die brummt, einen sozialen Staat generieren. Die Spalter-Gestalten in der AfD sind wohl vordergründig trojanische Pferde, welche auch schon erfolgreich die Piraten zerlegt hatten. Eine gewünschte Spaltung der AfD bedeutet schlicht die billigste Lösung, um die Partei in die Macht- und Bedeutungslosigkeit zu überführen. Das hat Herr Höcke trefflich formuliert. Jeder, der das Ziel 50% + aus den Augen verliert, hat die politische Aufgabe der AfD nicht verstanden.

deutscheridentitaerer

9. März 2019 16:31

Egal was man von Höcke hält - wer behauptet, dass die AfD ohne ihn auch nur minimal weniger verhetzt würde, ist entweder sehr dumm oder will der Partei vorsätzlich schaden.

Dass sich ausgerechnet auf Höcke eingeschossen wurde war relativ willkürlich. Er hat zwar ein paar Vorlagen geliefert, aber das haben andere genauso und gerade Höcke hat sich seit nun seit längerem diszipliniert verhalten.

Es ging einfach von vorneherein darum, zum einen den abstrakten Nazivorwurf durch den Fokus auf seine Person propagandistisch anschaulicher zu machen und zum anderen innerhalb der AfD Feindschaften zu provozieren.

Oberstelehn

9. März 2019 18:50

Schade, daß Björn Höcke Steins "freundliches Angebot" zu einem Interview ausschlägt. Dieses wurde offensichtlich unterbreitet, weil der brave Dieter auf sein denunziatorisches Geschreibsel hin jede Menge Zunder aus seiner Leserschaft erhalten hat. Björn Höcke wäre gut beraten gewesen, das Angebot anzunehmen, dabei aber die Bedingung zu stellen, daß Stein selbst das Interview führt - dessen Entlarvung als Flachdenker wäre vorprogrammiert gewesen.
Generell scheint doch alles auf eine existentielle Krise der AfD hinauszulaufen, denn momentan erleben wir den festen Schulterschluß der Destruktiven (die CDU-Freunde um Glaser und Co.) mit der großen Zahl der Opportunisten gegen die Idealisten, für die Höcke steht.

kommentar Kubitschek:
danke für Ihre zeilen, aber ich möchte etwas ganz anderes fragen: sind Sie gaiser-leser? oberstelehn komt als name nur in seinem werk vor.

Niekisch

9. März 2019 19:49

Hier schießt Björn Höcke nun wirklich keine Böcke!

Seneca

9. März 2019 20:13

Höcke muss weg, weil Gauland nicht Zukunft und Weidel nicht Weg ist. Eine AfD ohne Höcke wäre leichtes Futter für die herrschende Klasse. Stein versteht dies nicht, hat dies nie verstanden. Er hat sich zum Billy Six der konservativen Meinungsmacher entwickelt. Langweilig und irrelevant bis zur eigenen Lächerlichkeit.

Halenberg

9. März 2019 22:51

Nimmt das denn überhaupt kein Ende. Wo bleibt der politische Verstand? Höcke ist außer einer Minderheit nicht vermittelbar, und macht die AfD nur lächerlich. Unnötigerweise. Sein "Kaiser Otto, ich grüße dich", das sollte doch zur Einordnung genügen.

RMH

9. März 2019 23:43

"Höcke muss weg," (Seneca)

und

"Aber letztendlich kommt es auf den Wähler an" (heinrichbrueck)

Darüber entscheiden meiner Meinung nach in der Tat alleine die Wähler. Mit seiner bisherigen Hausmacht und den Wahlergebnissen in Thüringen war Herr Höcke ein Stück weit unentbehrlich. Zumindest bei Herrn Gauland war immer anzumerken, dass er besonders die guten AfD-Ergebnisse in Thüringen zu schätzen weiß und wusste, wer dafür ein maßgeblicher Part war.

Wer in Thüringen lebt und wählen kann und will, dass Herr Höcke weiterhin ein Wort in der Politik und bei der AfD mitreden darf, der sollte daher dringend AfD wählen. Wenn die AfD in Thüringen konstant weiterhin so gute Ergebnisse liefert wie bisher, werden die Diskussionen über die "Personalie" B. Höcke in der AfD auch abnehmen, denn dann waren diese Wahlerfolge auch keine vermeintlichen "Eintagsfliegen". Dieses Wahljahr wird daher auch für die AfD ein Jahr der Entscheidungen.

Zooey

10. März 2019 00:16

"Hinter seinen Artikeln, Anwürfen und seltsam übergriffigen Forderungen steht doch die Überzeugung, daß die herrschende Klasse die AfD in ihren Kreis aufnähme, wenn sich die Partei von ihren Schmuddelkindern getrennt hätte. Diese Vorstellung ist so naiv, daß ich kaum glauben mag, jemand könne ihr ernsthaft anhängen." Ich würde sogar sagen, das Gegenteil ist der Fall. Man bewegt sich hier im Medium Macht. Nachgiebigkeit ist da ein Zeichen von Schwäche. Die Erfahrung der Merkel-Jahre ist doch die, dass ein betulicher Konservatismus nichts ausrichtet. M. a. W. kann eine konservative Partei nur Macht gewinnen, wenn sie sich radikalisiert bzw. mit ihrer Radikalisierung droht. Wobei Höcke keineswegs besonders radikal erscheint. Manche Formulierung war vielleicht unglücklich, aber wohlwollende oder auch nur redliche Beobachter hätten sich nicht darauf gestürzt wie Geier auf ein gefundenes Fressen.

Michael B.

10. März 2019 10:44

Ich denke Hoeckes wesentliche Gefahr liegt darin, dass er aus Warte gesehen die staerkste oeffentlich sichtbare Verkoerperung einer integren und charismatischen Person darstellt, die die AfD im Moment zu bieten hat (heisst nicht, dass ich persoenlich mir nichts Besseres vorstellen kann).
Denn das ist das, was dieser Partei - und viel weiter gefasst, dem massiven Anteil an erdruecktem Denken unter der Oberflaeche - den offenen Durchbruch verwehrt. Er ist rueckwaerts begruendet wie jeder Konservative (aber vorwaerts ausgerichtet) - er ist auch in keiner wesentlichen Lesart die aelter als 15 Jahre ist, extrem.

Und das macht ihn zum Angriffspunkt, denn das alles fuerchten seine Gegner aus der 'herrschenden Kaste' am meisten.
Solche Leute haben halt immer zumindest das Potential zum Kipppunkt. Das geht dadurch ueber unmittelbare Zersetzungsversuche der Partei AfD hinaus, hier spielt ein qualitatives Element eine Rolle, welches sich der ueblichen kleinteilig iterativen politischen Machtmechanik entzieht. Waere Hoecke noch ein paar Nummern groesser, waere seine Wirkung nicht mehr berechenbar, inklusive Maertyrereffekt und allem pipapo. Das will man nicht wachsen lassen.

Oberstelehn

10. März 2019 12:38

@Kubitschek

Gaiser ist einer der Autoren, die -zutiefst erschüttert von der Katastrophe 1914-45- einem weite Räume geistiger Heimat erschließen können und andererseits immer wieder bewusst machen, in welch enger, ärmlicher und bizarrer Schwundstufe des Deutschen wir heute leben müssen.

Niekisch

10. März 2019 15:16

"Sein "Kaiser Otto, ich grüße dich", das sollte doch zur Einordnung genügen."

@ Halenberg 9.3..22:51: Ganz unbedarft gefragt: wieso?

RMH

10. März 2019 17:04

Herr Höcke konnte sich meiner Meinung nach bislang in der AfD nur halten, weil er eine starke Position in Thüringen hat und sehr gute Wahlergebnisse dort eingefahren hat. Wäre das nicht der Fall, dann hätte es schon längst "und Tschüss" geheißen und zwar vollkommen unabhängig davon, ob man seine Inhalte goutiert hätte oder nicht, ob diese richtig oder falsch sind oder ob er Opfer einer Kampagne war etc., da er in der öffentlichen Mainstream-Wahrnehmung in weiten Kreisen quasi "verbrannt" ist (siehe dazu auch die Anmerkung von Halenberg). Diesen Eindruck des "Verbranntseins" kann er nur durch Wahlerfolge faktisch widerlegen, die ihn weiter stützen. Ich drücke daher der AfD in Thüringen beide Daumen, da ich persönlich B. Höcke gerne weiter in der Politik sehen will. Ich weiß aber auch, dass ich mit dieser Meinung zumindest in vielen der sog. "alten Bundesländer" in der Minderheit bin und evtl. auch bei einigen AfD-Verbänden. Bei den Live-Auftritten von Herrn Höcke, die ich allesamt in Bayern erlebt habe, hatte ich zumindest den Eindruck, dass die bayerischen AfD- Anhänger und - Mitglieder mehrheitlich auch auf Höckes Seite stehen (ob das bei den Wählern auch der Fall ist, wage ich, als in Bayern lebender, leicht zu bezweifeln - zu stark wurde Höcke zum Rechtsaußen-Buhmann stilisiert).

Die Wahlen werden es also entscheiden - wer ohnehin nach Thüringen demnächst zieht, bitte auch ans Ummelden denken, damit auch dort gewählt werden darf.

Niekisch

10. März 2019 20:10

"Ich drücke daher der AfD in Thüringen beide Daumen"

Da schließe ich mich an, @ RMH, denn wenn Björn Höcke fällt, dann fällt auch die Anfangsparole der AfD "Mut zur Wahrheit" und mit dieser auch die AfD selber.

Der Feinsinnige

10. März 2019 21:22

„Höcke außer einer Minderheit nicht vermittelbar“? (@ Halenberg)

Das sehe ich etwas anders. Und offenbar sehen das auch andere anders. Zumindest könnte die Minderheit ziemlich groß sein.

Meines Erachtens ist die konsequente und lang andauernde Skandalisierung der Person Höckes durch das Establishment nur so zu erklären, daß man in Höcke einen Gegner erkannt hat, der aufgrund seines Intellekts, aufgrund seines Auftretens, aufgrund seiner Persönlichkeit und seines beruflichen Hintergrundes grundsätzlich in der Lage ist, viele zu überzeugen. Höcke ist als derjenige erkannt worden, der innerhalb der AFD und darüber hinaus eine wichtige Rolle spielen könnte. Leider hat er durch seine „Dresdner Rede“ (bzw. einige unglückliche Passagen darin) selbst ein Stück weit dazu beigetragen, daß es der Mainstream-Propaganda gelungen ist, Wirkung zu zeigen.

Aber das bedeutet nicht, daß Höcke immer noch Gefahr läuft, aus der AFD hinausgedrängt zu werden, auch nicht als „Preis“ für eine Koalition mit wem auch immer (@ Elvis Pressluft). Höcke steht nicht für sich allein, sondern für einen bedeutenden Teil der AFD (egal, wie groß der tatsächlich ist). Die AFD würde einen Bruch mit dem Höcke-Flügel wohl kaum unbeschadet überleben (wenn überhaupt). Das ist offenbar auch Grund und Ziel des Versuchs der Verfassungsschutzbehörden, den „Flügel“ zu stigmatisieren.

Höcke hat sich in den vergangenen Jahren in der Öffentlichkeit merklich zurückgenommen, was nicht nur ihm selbst, sondern auch der AFD gut getan hat. Egal, wer in Zukunft in der AFD Spitzenpositionen bekleiden wird – die AFD wird Höckes Kopf, seinen Intellekt dringend benötigen. Jede große Partei braucht Typen, an denen sich einerseits Anhänger begeistern, andererseits Gegner abarbeiten können, Charakterköpfe, die nur wenige gleichgültig bleiben lassen. Bestes Beispiel: Franz Josef Strauß. Auch FJS war nicht mehrheitsfähig in Deutschland, aber wie viele Wähler haben außerhalb Bayerns CDU gewählt, weil es FJS gab?. Wichtig ist, daß in der AFD alle mit dem Programm der AFD kompatiblen Kräfte in die gleiche Richtung arbeiten, nämlich endlich die „Herrschaft des Unrechts“ (Ulrich Vosgerau) bezüglich der nach wie vor stattfindenden illegalen Einwanderung nach Deutschland zu beenden.

Nath

10. März 2019 21:28

Höcke ist für die AfD das, was Strauß früher für die Union war: Jemand, der nicht nur polarisiert, sondern auch unter den eigenen Leuten Gegner gleichsam "generiert". Ähnliches konnte man bei der SPD von Lafontaine sagen, dem Brandt schon früh prognostizierte: "Das wird unser Strauß." Was immer man gegen solche Persönlichkeiten einwenden mag - mittelmäßig sind sie, ungeachtet ihrer gegensätzlichen ideologischen Verortung, sicherlich nicht. Nur will es scheinen, das deutsche Nachkriegs-Gemüt mit seiner Neigung zum zum Mittigen, Moderaten lässt es einfach nicht zu, dass sie jemals ganz nach oben kommen.

Solution

10. März 2019 21:48

Ein kurzer Blick auf die demographische Lage zeigt, daß die Diskussion um Höcke mehr als lächerlich ist.

Kahlenberg

10. März 2019 22:58

Als Ösi, und nicht allzu intimer Kenner des gegenständlichen Nahumfeldes, wollte ich mich eigentlich hier eines Kommentars enthalten.
Allerdings beobachte ich die Pressemeldungen, Vorgänge und Debatten um Björn Höcke mit Interesse.
Ich finde den Beitrag von @Michael B. beachtenswert, da er eine These beinhaltet, über die ich noch an keiner Stelle gestolpert bin: Höcke ist deshalb Ziel der notorischen Angriffe, weil er gut ist ! Das Feuer wird nicht auf ihn konzentriert, weil er leicht zu treffen („Steilvorlagen“) ist, sondern weil er strategisch wichtig ist.
Er hat alles Wesentliche: untadelige persönliche Integrität, ein positives, mitreißendes Narrativ, Thymos, und die intellektuelle sowie edukative Ausstattung.
Wie er als Taktiker ist, weiß ich nicht (aber dafür hätte er ja G.K.). Auf mich persönlich wirkt Björn Höcke als sehr angenehme Persönlichkeit, und als guter Redner.

Simplicius Teutsch

10. März 2019 23:59

Habe mir nochmal die ganzseitige Polemik von Dieter Stein plus die JF-Titelseite mit dem gar nicht unsympathischen Höcke-Portrait in der Papierausgabe der JF (Nr.10/2019) vorgenommen: das hat Wirkung, schon allein optisch. Und ich meine, Stein hat es vermutlich nicht beabsichtigt, aber er hat Björn Höcke damit ein kleines publizistisches Denkmal gesetzt.

Durch den Artikel wird Höcke nicht einen einzigen seiner Anhänger und Wähler verlieren. Den innerparteilichen Gegnern Höckes hat er natürlich Munition gegeben. Zugespitzt: Es ist ein polarisierender Spalter-Artikel.

Björn Höcke, die „Haßfigur linker Medien und politischer Gegner“, mag „als rechtsradikaler Hanswurst oder nationalromantischer Sektierer karikiert“ werden, wie Stein schreibt, und Stein weiter, dass „Höcke im Grunde gar nicht weiß, was er will“.

Aber ich finde, Höcke kommt in dem Artikel ehrlich rüber. Grundehrlich für Deutschland! - Und dumm ist er auch nicht. Und Ängstlichkeit vor der übermächtigen, feindlichen linken Öffentlichkeit kennt er offenbar auch nicht. Das ist viel für eine in die Ecke gedrängte, ständig diffamierte Oppositionspartei.

Der Feinsinnige

11. März 2019 00:45

„Steins Urteil ist nicht nur starr und fest: er hat es veröffentlicht, ohne vorher einmal das Gespräch mit mir zu suchen. Er hat sich entladen und nun will er nachträglich reden. Welchen Sinn soll vor diesem Hintergrund ein Gespräch haben?“

Ich verstehe die Absage. Und doch: Ich würde mir gewünscht, daß Höcke die Einladung doch noch annehmen würde. Eine Erwiderung in der JF hätten nicht zuletzt die Leser der JF verdient. Und vielleicht würde ein persönliches Gespräch Stein - Höcke (so unwahrscheinlich das ist) doch entspannend wirken.

Frika Wies

11. März 2019 07:41

Dem Wähler wird seit Lucke-Zeiten Angst vor der AfD als das rechtsextreme Schreckgespenst gemacht. Eine Abspaltung vom radikalen Teil würde daran nichts ändern. Und das sage ich als Anhängerin des gemäßigten Teils.

Waldgaenger aus Schwaben

11. März 2019 07:50

@RMH
Ihren Beiträgen stimme ich zu.

Mein Rat an die konservativen Höcke-Skeptiker innerhalb und außerhalb der Partei:
Sucht die inhaltlich Auseinandersetzung mit ihm. Höcke hat einen suboptimalen Vorschlag, und das ist noch geschmeichelt, zur Zukunft der Rente gemacht. Hier kann man und muss man angreifen. Mich wundert es dass Stein nicht auf die "Staatsbürgerrente" Höckes einging. Diese steht nicht hier zur Diskussion, deshalb schreibe ich nichts dazu, aber es wäre einen eigenen Artikel wert.

Auch in anderen Punkten vermisse ich die inhaltliche Auseinandersetzung innerhalb der AfD.
"Merkel muss weg!", "Flüchtlinge abschieben!" ,"Kriminelle Ausländer raus!" ist halt auf die Dauer etwas dürftig.

Die Geduld des Wähler mit der AfD hat Ursach, aber ist nicht unerschöpflich.

Und ein Vorschlag in die Runde:
Verzichten wir auf "Nazi" und "Cuck"!

Der_Juergen

11. März 2019 11:02

Bei der Lektüre mancher Beiträge überkommt mich eine gewisse Müdigkeit. Es fiele mir nicht ein, jenen, die noch an die Chance eines Wandels durch Wahlen glauben, Unehrlichkeit zu unterstellen; Foristen wie @Der Feinsinnige, @Schwäbischer Waldgänger oder @RMH sind durch und durch integre Menschen. Doch wenn jemand meint, der Plan zur Zerstörung der europäischen Völker und insbesondere des deutschen Volkes werde ad acta gelegt, weil da irgendeine AFD mit oder ohne irgendeinen Björn Höcke ansehnliche Wahlergebnisse erzielt hat, frage ich mich nach den Ursachen dieser Verblendung. Vermutlich liegt sie daran, dass die betreffenden Foristen selber ehrlich sind und sich deshalb einfach keine Vorstellung von der grenzenlosen Zerstörungswut und Niedertracht jener machen können, welche die Systempolitiker wie Marionetten an den Strippen tanzen lassen.

Ein hochintelligenter Linker, Enzensberger, schrieb irgendwann in den achtziger Jahren im "Spiegel", die Entwicklung in der BRD werde ganz unabhängig davon verlaufen, wie der Wahlzirkus ausgehe. Dies gilt nach wie vor, unabhängig davon, dass jetzt mit der AFD erstmals in der Geschichte dieses Staates eine Oppositionspartei in den Parlamenten sitzt, die diesen Namen einigermassen verdient. Wer die Medien, die Justiz, die Polizei (nein, sie wird nicht rebellieren!) auf seiner Seite hat, sitzt allemal am längeren Hebel. Sollte die AFD wider Erwarten zu einer ernsten Bedrohung für das Regime werden, wird sie ausgeschaltet, z. B. mit einem Terroranschlag unter falscher Flagge, oder die "gemässigten Kräfte" in ihr werden dazu gebracht, die "radikalen" auszuschliessen. Letztere kann man dann ja einer speziellen Behandlung unterziehen.

Heisst dies, dass die Partei überflüssig ist? Nein, aber ihre Aufgabe besteht lediglich daran, dem Regime das Leben möglichst unangenehm zu machen, als flankierende Massnahme zu anderen Formen des Widerstandes.

Wer jedoch an die Möglichkeit einer Koalition zwischen der AFD und einer "zu ihren Wurzeln zurückgekehrten" CDU träumt, der möge sich fragen lassen, ob er ernstlich daran glaubt, eine solche Koalition würde die Grenzen schliessen und Millionen unerwünschter Fremder abschieben. Ohne diese Massnahmen ist der Untergang unabwendbar; sie ist jedoch unmöglich, solange die Medien und die Justiz in den alten Händen bleiben und die Antifa-Horden ungehemmt agieren können. Um der giftspeienden Hydra die Köpfe zu zertreten, braucht es ein bisschen mehr als eine schwarzblaue Koalition.

Mit all dem ist die Frage, ob Deutschlands liebe "Verbündete" einer nationalen Erhebung tatenlos zusehen würden, noch gar nicht angeschnitten. Eher nicht, lautet die Antwort. Man komme mir nicht mit Trump; er hat seine Chancen ungenutzt gelassen und wird höchstwahrscheinlich mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt werden. Er glaubte den Tiger reiten zu können, hat sich aber gröblich vertan.

Waldgaenger aus Schwaben

11. März 2019 15:42

@Der_Juergen
"Man komme mir nicht mit Trump; "

Auch nicht mit Salvini, Strache, Orban (to be continued)?

Wahrheitssucher

11. März 2019 16:50

@ Der_Jürgen

„... dass die betreffenden Foristen selber ehrlich sind und sich deshalb einfach keine Vorstellung von der grenzenlosen Zerstörungswut und Niedertracht jener machen können, welche die Systempolitiker wie Marionetten an den Strippen tanzen lassen.“

Gilt demzufolge der Satz: Wir (oder zumindest die allermeisten) können gar nicht so böse und niederträchtig denken, wie andere handeln?

Auch die kürzlich auf SIN angesprochenen Ausführungen Guido Giacomo Preparatas ließen diesen Schluß zu...

Der_Juergen

11. März 2019 17:52

@Waldgänger

Der Vergleich mit Orban hinkt völlig, weil Ungarn noch weitgehend frei von Drittweltmigranten ist und gute Chancen besitzt, es zu bleiben. Auch Italien ist in einer besseren Lage, weil das Problem dort längst nicht dieselben Dimensionen erreicht wie in der BRD und es keinen zur Zivilreligion gewordenen Selbsthass gibt.

Österreich liegt etwa in der Mitte zwischen der BRD und Italien. Wenn ich mir die kürzlich gelesenen Zahlen über den Ausländeranteil in Wien vor Augen halte (wobei ich mir bewusst bin, dass sehr viele dieser Ausländer Europäer und somit in ihrer grossen Mehrheit integrationsfähig sind), dürfte es auch dort nicht ohne Massenabschiebungen abgehen. Ob Strache und Kurz hierzu willens und in der Lage sind? Ich glaube es nicht. Allerdings räume ich gerne ein, dass die schwarzblaue Regierung in Österreich begrüssenswert und für die patriotischen Kräfte zumindest ein Etappensieg ist.

Nicht mehr durch Wahlen zu retten sind meines Erachtens neben der BRD auch Frankreich, Belgien, Holland und England. Vermutlich auch Schweden und die Schweiz, letztere aus anderen Gründen. Dort gibt es keine Opposition (die SVP, die sich gerne als solche geriert, stellt zwei von sieben Bundesräten), und der Widerstand gegen den grossen Austausch im Volk tendiert gegen Null, was natürlich vor allem auf die noch gute Wirtschaftslage zurückgeht sowie darauf, dass die Ausländerkriminalität nicht im entferntesten so gross ist wie in den Nachbarländern.

heinrichbrueck

11. März 2019 18:26

@ Der_Juergen
Was der Wähler nicht kann, jedenfalls nicht mehrheitlich: https://www.youtube.com/watch?v=p2e5AWh8wwU
Höcke ist der weiße Fleck auf dem roten Tuch. Die Wahlen sind der Tod der modernen Konservativen. Der weiße Fleck irritiert den Stier zwar, aber am Ende siegt der Stierkämpfer. Das Theater verliert gegen die Naturgesetze. Alles andere wäre würdelos. Die Natur gibt uns die Würde, nicht das Recht und seine Gesetze. Die Natur herrscht, und nicht das Unrecht. Der Wähler kann natürlich entscheiden, wie er enden möchte, als Steak oder als Beckmann (keine Geburtstagsparty). Man kann es dem Wähler aber so nicht sagen.
Die Höckeopposition kann auf das Verhalten der Leute einwirken. Schwierig wird es allemal. Die Einstellung muß sich im Verhalten und Verstehen äußern. Die kulturelle Identität des Wählers könnte Macht erlangen. In Deutschland muß eine andere Elite an die Macht. Vorher muß der Wähler kapieren, wo ihn seine Wählerei hingebracht hat; und er muß wieder Staatsmänner an die Macht bringen wollen, die regieren können. Wählt er weiterhin Politiker, wird er nicht mitentscheiden können. Der Wähler muß das rote Tuch als Theater erkennen. Dazu gehören die Medien, die Politiker, die Fernsehrunden, die Wahlkämpfe etc. Verstehen - anderes Verhalten - andere Machtstrukturen.
Trump ist eigentlich nicht unser Problem. Die eurasische Landmasse muß standhalten, sollen doch die Amis die Sache unter sich ausmachen.
Dieses Spiel ist schon deshalb so geil, weil es keine Ruhepause gibt, und der kleinste Fehler tödlich ist.

Nath

11. März 2019 19:47

@Der_Jürgen
Hier wird von Ihnen ein wichtiger Punkt angesprochen, den diejenigen übersehen, welche glauben, der Parlamentarismus werde es schon irgendwie richten. Die frühen Grünen mit Kelly and der Spitze hingen diesem Glauben ebenso wenig an wie die Protagonisten des SDS (einer von ihnen, Rabehl, hat sich übrigens zu einem veritablen Einwanderunsgkritiker entwickelt). Wie Sie schreiben, die ganze Idee einer möglichen künftigen Regierungsbeteiligung der AfD ist insofern illusionär, als die CDU, selbst wenn sie zu einer Koalition bereit sein sollte, dies nur unter der Voraussetzung tun würde, dass die AfD alle Radikalität unzweideutig ausmerzt. Es würde auf eine Verschmelzung der gemäßigt Konservativen der Union mit den gemäßigt Marktliberalen der AfD hinauslaufen. Zuallererst würde von den letzteren ein Bekenntnis zum "atlantischen Bündnis" abverlangt, ebenso wie dies die SPD seinerzeit bei den Realos der Grünen einforderte (ein Treppenwitz der Geschichte: der Sponti Fischer mutiert zum glühenden Transatlantiker. Bei Dutschke wäre dies nie möglich gewesen). Eine Rückkehr zum altbundesrepublikanischen ius sanguinis wäre selbstverständlich ebenso ausgeschlossen wie eine Repatriierung der unintegrierbaren Einwanderer. Auch die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zu Russland würde am Unions-Mainstream und seinem Bekenntnis zur "westlichen Wertegemeinschaft" scheitern. Desweiteren hat die erste rot-grüne Koalition von 1998 insofern einen irreversiblen historischen Paradigmenwechsel vollzogen, als die Idee "Deutschland ist ein Einwanderungsland" auch von der CDU längst nicht mehr in Frage gestellt wird - obwohl es eine Begriffsverfälschung sondergleichen darstellt. Allenfalls bei dem „Wieviel“ und dem „Wer“ der Einwanderung würde der AfD ein marginaler Einfluss zugestanden. Auch darf bezweifelt werden, ob CDU und AfD zusammen jemals stark genug sein würden, die Parlamentsmehrheit überhaupt zu erlangen und anschließend mehr als eine Legislaturperiode zu überstehen. Was Höcke einmal aussprach - eine Koalition der AfD wäre nur möglich mit der CDU als Juniorpartner - mag eine unwahrscheinliche Zielvorgabe sein; noch unrealistischer ist freilich die Annahme, bei der umgekehrten Konstellation ließen sich irgendwelche substanziellen Veränderungen erreichen.
Die historische Analogie mit der Entwicklung der Grünen zu einer staatstragenden Partei und die daraus abgeleitete Empfehlung an die AfD, sich ebenfalls zu "entradikalisieren", ist insofern nicht stimmig, als der deutsche Zeitgeist bereits in den achtziger Jahren von der grünen Idee durchtränkt wurde. Es kam zu einer ideologischen Neujustierung, die einen einzigartigen Siegeszug des Ökologismus in Gang setzte, der seinen Höhepunkt immer noch nicht überschritten hat. Ob jung, alt oder in mittleren Jahren - sofern der heutige Durchnittsdeutsche überhaupt noch irgendeines moralischen Pathos fähig ist, zeigt es sich beim sanctum sanctorum der Grünen, das inzwischen von den Allermeisten akzeptiert wird: Der Klimarettung. Eine solche, die Gefühlswelt der Menschen umtreibende Idee hat die AfD nicht zu bieten.
Um in diesem Zusammenhang abschließend auch einmal etwas Positives über die Mittigen um Meuthen, von Storch und Weidel zu sagen: Sie sind sich – mehr noch vielleicht als die Leute vom Flügel - darüber im Klaren, dass das scheinbar Unmögliche versucht werden muss. Hier zeigen sie sich durchaus als radikal im guten Sinn des Wortes. Sie wissen nur zu genau, dass die einzige Chance, den Zeitgeist mittelfristig zu ihren Gunsten zu kippen, nicht zuletzt auch darin besteht, die Behauptung der a n t h r o p o g e n e n Klimaerwärmung zu Fall zu bringen oder zumindest als fragwürdig erscheinen zu lassen, so sehr dies auch einer Sysiphos-Aufgabe ähnelt. Bewältigte man sie aber, dann versetzte man dem Gegner einen empfindlichen Schlag, von dem er sich so schnell nicht erholen würde. Der ganze „One World“ Messianismus ist so sehr verknüpft mit dem Credo des global warming („Der Klimawandel kennt keine Grenzen“, „der CO2 ausstoßende Westen ist schuld an der Armut Afrikas“, „die Aufnahme von Klimaflüchtlingen ist unsere moralische Pflicht“ etc.), dass sich die Möglichkeit einer wirklichen Wende in folgender These zusammenfassen lässt:
Wenn, und n u r wenn es relativ rasch gelingt, diese postmoderne quasireligiöse Bewegung in ihren Grundfesten zu erschüttern, hat das identitäre Denken eine Zukunft. Der von der Vorstellung einer säkularen Apokalypse durchtränkte Geist der Deutschen muss die zeitgenössische Form seiner „German angst“ erst verlieren, damit er frei werden kann für Anderes. 80% - 87% der Landsleute sind jeglichem Denken in nationalen Bezügen völlig entfremdet, und besagter Glaube trägt mit dazu bei, dass sich daran nichts ändern wird. Gegen eine solche riesige Mehrheit lässt sich keine Politik machen. Man sorge also dafür, dass sie ihn verlieren.

Oberstelehn

11. März 2019 19:49

@ Frika Wies

Bescheidene Bitte um mehr Sprachsensibilität: Das Attribut "gemäßigt" ist eindeutig ein Kampfbegriff der BRD-Machteliten, mit dem sie die aus ihrer Sicht harmlosen Teile der Opposition zu streicheln pflegen.

links ist wo der daumen rechts ist

11. März 2019 21:08

Ich finde Herrn Höcke, mit Verlaub, ein bißchen hopatatschig (wie man in Österreich sagt), offen für Einflüsterungen, aber in der Vermarktung seiner Ideen von eindeutig zu hölzernem Pathos. Man glaubt ihm den Romantiker, aber das war’s dann auch. In Österreich entspräche ihm in etwa ein Johann Gudenus.

Von Charisma also weit und breit keine Spur, und Freund und Feind an die Wand reden, das konnten andere – auch und gerade einer der Parteigründer der AfD, dessen Namen ich hier nicht auszusprechen wage. Rednerische Talente mag es vereinzelt geben, aber die Fallbeil-Rhetorik eines Dr. Curio z.B. vermag nur wirkliche Hardliner zu entzücken; die Mehrheit schreckt zurück.

Es fehlt halt im rechten Lager dringend eine nach außen polarisierende, nach innen Geschlossenheit vermittelnde Figur wie ein Franz Josef Strauß; gäbe es einen wie ihn in der gegenwärtigen CSU, die AfD wäre über Nacht eine 2%-Partei.

Und stattdessen Grabenkämpfe, die Suche nach „Abweichlern“, Verrätern der reinen Lehre usw. bis ans Ende unserer Tage.
Erinnert fast ein bißchen an die schlimmsten Zeiten der K-Gruppen.

RMH

11. März 2019 21:09

@Der_Juergen,

halten Sie mich und andere bitte nicht für naiv. Ich bleibe nur auch am Spieltisch sitzen, selbst wenn ich ein schlechtes Blatt habe.

Die Wahrheit zwischen "Der Wähler ist der Souverän" und dem Spruch "Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie schon längst verboten" liegt zwar auch meiner Meinung nach eher in Richtung der letzteren Weisheit, aber eben doch auch nicht ganz. Von daher sind Wahlen und Abgeordnetenmandate Teil des Spiels und das Spielfeld wird nicht freiwillig geräumt, denn noch läuft das Spiel und noch kann man ein paar Positionen damit gewinnen und den Gegner ein Stück weit ganz legal ärgern.

Der_Juergen

11. März 2019 21:38

@Nath

Danke für den guten Kommentar!

Marc_Aurel

11. März 2019 22:04

Björn Höcke ist zweifelsohne ein Politiker der polarisiert, nicht zuletzt deshalb, weil er eine klare Sprache spricht und die Dinge deutlich beim Namen nennt. Vorsichtiges palavern, um den heißen Brei herum, ist nicht sein Stil, gepaart mit seinem rhetorischen Talent, entfalten seinen Reden deshalb große Wucht. Wuchtige Reden wiederum rütteln wach, das ist eine seiner Stärken. Zugleich besteht aber auch die Gefahr, das er sich im Rederausch dazu hinreißen lässt, dass falsche Thema, zur falschen Zeit aufzugreifen und damit interessierten Kreisen wertvolle Munition zu liefern.

Höcke ist aber auch ein nachdenklicher Kopf, bei dem man erahnen kann, dass sein Antrieb sich aus tieferen und „nachhaltigeren“ Quellen speist, als aus reinem Machtkalkül oder Karrierismus, auch wenn manche diesen Zug als Nationalromantik schmähen.

In jedem Fall wirkt er authentisch und damit auch unbestechlich, man kauft ihm ab, das er meint, was er sagt. Damit ist auch klar, dass er nie Ruhe geben und faule Kompromisse ablehnen wird, er ist in der Sache unversöhnlich, so wirkt es jedenfalls auch mich. Das macht ihn natürlich für seine Gegner gefährlich, so lange er Einfluss hat.

Charaktere wie Höcke benötigt dieses Land dringender denn je auf der Führungsetage, den Schwätzer, Apparatschiks, Opportunisten und aalglatte Geschäftemacher haben wir nur wahrlich schon mehr als genug. Als mäßigendes Element kann man den Kämpfern mit Herz ja ein paar kühle Taktiker zur Seite stellen, so dass die Gefahr von allzu großer Heißspornigkeit, die einige sehen, abgefedert wird.

Ich kann schwer einschätzen, ob es gut wäre, wenn die patriotischen Kreise der AfD die Partei absolut dominieren würden, aber eine gehörige Portion davon kann in Anbetracht der Zustände mit Sicherheit nicht schaden, denn sie sind absolut notwendig für die mühselige „Resozialisierung“ dieses Landes und seiner Rückkehr zu sich selbst. Um uns zum Beispiel an einem Europa der Vaterländer beteiligen zu können, müssen wir zunächst selbst erst einmal wieder Vaterland sein.

Ob dies dem Homo Bundesrepublikanis, in der Gesamtheit seiner Art, vermittelbar ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Ich sehe die Dinge vielleicht zu sehr aus ostdeutscher Sicht, aber hier hat die Botschaft durchaus Wirkung, so mein Eindruck.

Immer noch S.J.

11. März 2019 22:20

Der „Geist der Brandmarkung“, so bezeichnete seinerzeit Nathaniel Hawthorne die exzessive Lust seiner Landsleute am Stigmatisieren und Aburteilen, hat Einzug gehalten. Und so wie sich eine breite Öffentlichkeit daran aufbaut, Björn Höckes Äußerungen aus Prinzip missverstehen zu wollen, um ein nebulöses Bedrohungsgefühl zu warten (so wie sie sich nicht schämte, Alexander Gaulands Metapher „Wir werden sie jagen“ als Ausdruck für die Oppositionsarbeit im Bundestag so darzustellen, als wolle der 78-Jährige an der Spitze entmenschlichter Horden eine blutige Treibjagd in den Straßen veranstalten), genau so berauscht man sich im konservativen Lager an der modischen Produktion von abfällig gemeinten Begriffen bzw. den Angriffen auf Personen, die etwas beitragen wollen. „Cuckservatives“ - was kann das bitteschön anderes sein als die Attitüde, mit der sich ein Altersgruppenläufer nach einem Volkslauf seine Plastikmedaille umhängt, um damit am nächsten Arbeitstag vor den jungen Kolleginnen über andere mit markigen Worten zu lästern? Nicht, dass ich persönlich Dieter Stein weiter verteidigen wollte (meiner Ansicht nach macht er sich selbst mit seiner Auffassung über die AfD und Höcke einiges vor). Die Fragmentierung der konservativen Opposition in Gruppen - jede für sich laut und bedeutungslos – scheint jedoch an Tempo zu gewinnen; große Hoffnungen für dieses Land und diese Gesellschaft braucht man sich nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht zu machen. Wer also meint, andere sofort vergraulen zu müssen, weil sie ihre Worte vielleicht mal unglücklich setzen, der möge den mächtigen Karren alleine aus dem Dreck ziehen.

Gelddrucker

11. März 2019 22:39

Wahlen können meiner Meinung nach Deutschland nicht retten, ebenso wenig wie oben erwähnte Länder England etc.

Wahlen helfen aber, unsere Stimme in der Öffentlichkeit so groß wie möglich zu machen. 20%+ wären schon eine Aussage. Das hieße mehr als jeder 5. echte Deutsche. Je mehr Prozente desto normaler und mehrheitsfähiger wird es auch, AfD zu wählen, ist ja jetzt schon nicht mehr so schmuddelig wie vor einiger Zeit.

Davon abgesehen wird es sowieso eine Erdrutschbewegung geben, nämlich dann wenn der Großteil der Europäer endlich schnallt, dass die westliche Zivilisation dem Untergang geweiht ist, wenn nicht etwas entscheidendes passiert.

Franz Bettinger

11. März 2019 23:07

@Jürgen: Bei aller Macht, Tücke und Ruchlosigkeit, die Sie zu recht dem Tiefen Staat unterstellen, unterschätzen Sie, lieber Jürgen, nicht die Macht des Faktischen! Ist die Macht der AfD wirklich so klein? Warum bekämpft man sie dann so un-elegant, so verbissen, so offensichtlich link? Klar schleust der Gegner seine U-Boote in die AfD. Aber wir können sie zum Auftauchen zwingen. Es muss immer wieder die Gretchen-Frage gestellt werden: Wie hältst du's mit der Direkten Demokratie? Bei der Frage schon trennt sich innerhalb der AfD die Spreu vom Weizen. Die Gekauften und natürlich die Selbstversorger wollen keine unmittelbare Demokratie, welche die Macht der (per Listen-Platz) Sich-Selbst-Gewählten schmälern würde. Die Bestechlichen bekämpfen das freie Wort / Mitglieder-Entscheidungen / das Volk / die Mitglieder mit fiesesten Mitteln; siehe Josef Dörr im Saarland. - Deshalb sollte die Reise der AfD dahin gehen: weg vom Delegierten-, hin zum Mitglieder-Prinzip und am Ende zu Volks-Befragungen. Für mich ist das der Lakmustest und ich fürchte mit Gretchen: Die AfD hält nicht viel davon.

Im übrigen kann man nur mit den Waffen kämpfen, die man hat. Hier in Deutschland (wie auch auf SiN) besitzt niemand schärfere Mittel als eben "nur Worte". Deshalb hoffen nicht wenige auf rustikale Hilfe von Außen. Polizei und Armee? Nein, die werden zwar nicht aufstehen und gegen den Saustall rebellieren, aber innerlich? Bereiten sie sich (wie in Frankreich!) bereits darauf vor?

Lotta Vorbeck

11. März 2019 23:20

@Der Feinsinnige - 11. März 2019 - 00:45 AM

" ... Ich verstehe die Absage. Und doch: Ich würde mir gewünscht (haben), daß Höcke die Einladung doch noch annehmen würde. Eine Erwiderung in der JF hätten nicht zuletzt die Leser der JF verdient. Und vielleicht würde ein persönliches Gespräch Stein - Höcke (so unwahrscheinlich das ist) doch entspannend wirken."

****************************

Suggestivfrage: Wer hindert JF-Leser daran, hier mitzulesen?

In diesem Forum war bisher vielfach zu lesen, wie der Herrscher über das Duodezfürstentum JF typischerweise zu agieren pflegt, beispielsweise als er seinerzeit dafür sorgte, daß die SEZESSIONisten in der Bibliothek des Konservatismus keinen Raum bekamen.

Ferner war und ist in diesem Forum hier nachzulesen, wie Stein auf Gesprächs- und Verständigungsangebote der SEZESSIONisten zu reagieren pflegt(e).

Hätte Stein ernsthaftes Interesse an einem Austausch mit Björn Höcke, dann hätte er Björn Höcke einladen können, bevor er zu einem (aus Steins Sicht) günstigen Augenblick in derart infamer Weise über Björn Höcke herzieht.

Waldgaenger aus Schwaben

12. März 2019 00:32

@Der_Juergen

Als Obama wieder gewählt wurde, als es dann sicher erschien, dass Hillary Clinton ihm folgen würde, jubelte die Presse hier, speziell unser Freund Dietz über das Ende der Herrschaft des weißen Mannes. Trump würde nach der zu erwartenden katastrophalen Niederlage, eine zutiefst gespaltene,am Boden zerstörte und auf Jahre hinaus zur Machtübernahme uneignete GOP hinterlassen. Und in dieser Zeit würden Einwanderung und Demographie in den USA ihr Werk tun.

Nun denn - es kam anders. Unser Freund Dietz ist übrigens stalinesk (Klonovsy dixit) aus der Liste der SPON Kolumnisten verschwunden.

Sie schreiben über Trump:
"er hat seine Chancen ungenutzt gelassen und wird höchstwahrscheinlich mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt werden. "

Ich halte es für wahrscheinlicher, dass er wiedergewählt wird und biete Ihnen hier eine Wette an:
Wird Trump nicht wieder gewählt, überweise ich 25 € an den Verein für Staatspolitik e.V.. Wird er es, überweisen Sie.

Noch was:
Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren.

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