Und das zurecht, denn wie kaum eine andere Theorie visualisiert sie den Kampf um Ideen, Positionen und macht ihn damit verständlich. Der Begriff geht auf eine Theorie des amerikanischen Politologen Joseph P. Overton zurück, der dem Fenster seinen Namen gab.
Wenn „Framing“ die taktische Rahmesetzung für eine konkrete Debatte bezeichnet, so befindet sich das Overton-Fenster auf der strategischen Ebene. Es setzt den moralischen Rahmen für den gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Konkret markiert es, welche Meinungen auf der rechten und auf der linken Seite vertreten werden können, ohne als “extrem” zu gelten. In beide Richtungen findet eine graduelle Abstufung statt:
(In der Skizze bezeichne ich das gegnerische Lager der Globalisten als “links” und bitte die Verwendung des Begriffs in der Folge in diesem Sinne zu verstehen.)
Die Wahrnehmung der Begriffe von „populär“ bis „undenkbar“ ist als soziales Phänomen ständigem Wandel unterworfen. Durch gezielte Beeinflussung und Infoarbeit kann sie verändert und damit das Overton-Fenster verschoben werden. Wenn eine These in den Brennpunkt des „Aktuellen“ gerät und zur akzeptierten „gesellschaftlichen Frage“ wird, liegt ihre politische Umsetzung nicht mehr fern. Meinungen, die aus dem Vertretbarkeitsrahmen fallen, drohen hingegen brutale Konsequenzen. Sie gelten als unsagbar, werden emotional mit „Unreinheit“, „Krankheit“ und moralischer Verwerflichkeit assoziiert. Die Vertreter dieser Meinung werden folglich sozialer Ausgrenzung, wirtschaftlichen Boykotten, Gewalt und Terror ausgesetzt.
Führt das „Herausfallen“ aus dem Overton-Fenster und dieser Druck nicht zu einem Verschwinden dieser Meinungen und ihrer Vertreter, folgen in der Regel Kriminalisierung und juristische Verfolgung. Das Bestreben des kulturellen Hegemon ist es, diese “unsagbaren” Ideen und Gruppen in diesem Zustand zu halten, um das Zentrum zu stabilisieren. Wer diese Meinungen vertritt, muß mit schwersten sozialen und am Ende juristischen Konsequenzen rechnen.
Der oft zitierte „Narrensaum“, also Leute, welche die absurdesten Positionen auf eine platte Art vertreten und es oft bewußt darauf anlegen, durch Bestätigung von Klischees zu „schockieren“, sind nützliche Idioten des Zentrums.
Idealisten und „Fundis“ von Links und Rechts hingegen, welche die herrschende Lehre provokant, aber nachvollziehbar kritisieren, können das Zentrum in ihre Richtung ziehen. Der Unterschied zwischen Avantgarde und nützlichem Idiot besteht in Anschlußfähigkeit und planvollem Vorgehen. Erfolgreiche Manipulateure des Overtonfensters arbeiten einer Mischung aus „Schock“ und „Normalisierung“, die wir in Perfektion in den linken Bewegungen der letzten Jahrzehnte beobachten können. Jordan Peterson hat das perfekt auf den Punkt gebracht.
Das Fenster bewegte sich stetig nach links und nahm gleichzeitig den rechten Rand des Sagbaren auf seine gefährliche Reise mit. Damit gerieten ehemalige Mitte-Rechts-Positionen – z.B. im Bereich der Einwanderungs- und Familienpolitik – langsam, aber sicher in den Bereich des Unsagbaren. Krude linke Thesen undVerschwörungstheorien wie der „Gender Pay Gap“ oder „struktureller Rassismus“, wurden hingegen systematisch, normalisiert und dann politisch umgesetzt.
Dieser Effekt wurde jüngst in einem Tweet perfekt auf den Punkt gebracht:
Die eigenen Standpunkte müssen sich dabei gar nicht ändern. Der gesellschaftliche Rahmen hat sich verschoben und sie im Bereich des Unsagbaren zurückgelassen. Damit werden täglich neue Nazis “produziert”. Der Definitionsrahmen für “Nazi” wird erweitert, gleichzeitig zieht sich der Rahmen für eine gesellschaftlich akzeptierte Rechten immer weiter zurück, bis er er zum kleinen, harmlosen Grünstreifen vor der linken Ideologiehochburg wird. In Verbindung mit der ökonomischen, sozialen, juristischen und physischen Vernichtung, welche die linken Machthaber mit „Nazis raus“ meinen, ist der Linkstrend des Overton-Fensters für jeden Konservativen eine existenzielle Gefahr.
(In dieser Grafik des PEW-Research Centers, sieht man die Entwicklung des Overton Fensters in den USA. Dabei wird klar: 1. Die “Rechten” haben sich kaum bewegt. Die “Linken” sind radikal abgedriftete und haben damit eine neue Mitte geschaffen, die objektiv bereits weit in ihrem Lager steht.)
Was wir den „Cuckservatives“ vorwerfen: daß sie genau diesen Trend ignorieren, und sich ängstlich in die scheinbar subjektive „Mitte der Gesellschaft“ flüchten, die ideengeschichtlich-objektiv das linksliberale Lager ist.
Wie konnte es so weit kommen? Warum waren Rechte so ineffektiv im Kulturkampf? Eine Erklärung liegt in der 68er-Revolte, von der ausgehend die „kulturellen Kasernen“, Universitäten, Medienhäuser, Verlage, Theaterbühnen und Grundschulen gestürmt wurden. Linke haben dadurch metapolitisches Kapital gehortet, mit denen sie nun wuchern können.
Ein weiterer Grund dafür ist, daß sie im Unterschied zum rechten Lager wissen, was sie tun. Sie sind nicht nur ressourcentechnisch, sondern auch strategisch überlegen. Das beste Beispiel dafür ist, daß es die Rechten nie schafften, ein Kontinuum von gemäßigten bis fundamentalen Positionen herzustellen, welches eine Gegendynamik zum Linksdrift erzeugt hätte. Ich möchte im Folgenden anhand von zwei Beispielen zeigen, wie das Fehlen eines rechten Kontinuums das Verschieben des Overton-Fensters erschwert.
Eine Möglichkeit zu seiner Bewegung ist die „Themeninvasion“. Viele Ideen des heutigen Mainstreams starteten ihre Karriere in linksradikalen bis linksextremen Rändern. Auch „refugees welcome“ floß vom radikalen Rand der Antifa bis hin zur Mitte in die Regierungspolitik der CDU. Antifa Zeckenbiss und Angela Merkel kennen sich wohl nicht persönlich, prägten aber gemeinsam das Hetzjagd-Narrativ. Empörung und Gelächter sind, wie Walter Benjamin beschrieb, stets die Geburtswehen einer neuen, provokanten Idee.
Die Frage ist, wie es weitergeht. Wird sie im eigenen Rensonanzraum viral? Mobilisiert sie das aktivistische Kernpotential? Erzeugt sie damit Überreaktionen des Gegners, welche sie weiter befeuern? Wird sie von den idealistischeren Teilen der Parteien, z.B. von deren Jugendorganisationen, aufgegriffen? Gewinnt sie einen Wiedererkennungswert und wird zur „aktuellen Frage“, die Talkshows dominiert?
In dem Fall besteht eine große Chance, daß sie in weniger radikaler Form in den Mainstream eindringt und, wie ein Enterhaken, das Fenster in die Richtung zieht, aus der sie ursprünglich kam. Diese Themeninvasion ist nur durch ständige Wiederholung und Normalisierung eines Begriffs und seiner Idee, die sich vom Rand ins Zentrum fortpflanzt, möglich. Dazu braucht es ein metapolitisches Kontinuum, welches das linke Lager erfolgreich bis in die CDU expandiert hat. Von den Mitte-Links-Parteien wie der CDU, bishin zu linksradikalen Pressure Groups wie Attac, oder „jugendrettet“ und dem extremistischen Flügel der Antifa verläuft eine durchgehende Ideenstafette, die man sich auch als sanft ansteigende Rampe vorstellen kann. Sie erzeugt eine Dynamik, einen metapolitischen Strom, der das Overton-Fenster nach links zieht.
Eine zweite beliebte Variante, um das Overton-Fenster zu verschieben, ist die „radikale Flanke“. Die Taktik besteht darin, eine Position zu normalisieren, indem bewußt die “nächstradikale” popularisiert wird. In Abgrenzung zu dieser erscheint die eigene Forderung dann moderater. Dabei wird die zeitliche und soziale Kontingenz aller moralischen Bewertungen ausgenutzt. Der öffentliche Diskurs ist instabil und dynamisch. Dominieren ihn neue radikale Flanken, relativieren sich die gestrigen radikalen Positionen und werden zur neuen Mitte.
Im neu gebildeten, radikalisierten Kontext wird die eigene Position wie von Zauberhand von „radikal“ zu „akzeptabel“. Diese Variante wird vom linken Lager von Abtreibungen bis hin zu Enteignungen, von refugees welcome bis zum Grundeinkommen ständig gezielt angewandt.
Auch im Fall der Migrationskrise waren es die linksradikalen Flanken, die den Diskurs z.B. mit den Aktionen „Seebrücke“ oder „werde Fluchthelfer“ mit absurden Forderungen überschwemmten, in deren Kontrast auch Merkels Wahnsinn noch als „maßvoll“ erscheinen konnte. Eine optische Täuschung, mit der man die eigenen, beunruhigten CDU-Wähler sedierte. Der Bevölkerungsaustausch auf Raten, begleitet von christdemokratischer Folklore, erscheint als das „kleinere Übel“ gegenüber der linksradikalen Endlösung, die seine radikale Flanke ist. Beides geht aber in dieselbe Richtung und befindet sich auf der „linken“, multikulturalistischen, globalistischen und identitätsverleugnenden Seite der Politik des Großen Austauschs.
So verschieben all diese „absurden“, extremistischen Kuriositäten von links, über die wir täglich lachen, das Overton-Fenster, indem sie einen ultralinken Kontext bilden, der das Linksradikale normalisiert.
Um das Geschriebene besser zu veranschaulichen, habe ich dazu ein kleines Schaubild erstellt. Wir sehen darin das linke politische und metapolitische Lager als ein Kontinuum, das ganz sanft zu radikalen Höhen ansteigt. Auf der rechten Seite sieht das Ganze weniger harmonisch aus.
In Deutschland gibt und gab es im rechten Lager – weder parteipolitisch noch metapolitisch – kein Kontinuum von der realistischen Mitte zu „Fundi-Rändern“. Es fehlte sowohl am Netzwerk als auch an einem einheitlichen neurechten Narrativ, in dem sich solche Flügel hätten bilden können. Schuld am fehlenden politischen Kontinuum ist die CDU, die im Gehorsam gegenüber den Besatzungsmächten ihre „rechts von uns ist nur der Nazi“- Politik durchsetzte. Dem fielen alle patriotischen Parteigründungen zum Opfer. Wenn die sanfte Repression nicht ausreichte, wie z.B. bei den Republikanern, dann beendete die Verfassungsschutzkeule die Aufbrüche von Rechts. Anders als in Österreich konnte sich daher kein „3. Lager“ entwickeln, welches als radikalere Flanke die Mitte-Rechtsparteien auf patriotischem Kurs hielt.
Das Ergebnis sieht man, wenn man die heutige ÖVP mit der CDU vergleicht. Die Union hackte alles ab, was rechts von ihr wuchs, es gab neben ihr kein Kontinuum, sondern eine steile Klippe, von der sie alle unliebsamen patriotischen Idealisten hinunterstieß. Sie arbeitete dabei freiwillig mit dem linken Lager zusammen, um die eigene Macht zu steigern. Die CDU wurde als Partei übermächtig ‑aber zum Nachteil des gesamten rechten Lagers.
Ideengeschichtlich entstand die unheilvolle Dichotomie von Neonazismus und liberal-atlantischem Cuckservativismus. Zwischen CDU und Parteien wie der NPD lag ein tiefer, unüberwindbarer Krater. Letzterer ging es um Provokation und. Totalopposition. Sie rechtfertigte damit in Ausdruck und Auftreten die Abgrenzungspolitik der CDU. Sie war nie eine radikale Flanke, die ihr unzufriedene Wähler hätte abjagen oder ihre Basis beeinflussen konnte. Im Gegenteil: Josh Bolotsky schreibt in der metapolitischen Fibel „Beautiful Trouble“ dazu:
„Not all radical positions are effective in shifting the Overton window, so don’t just reach for any old radical idea. Ideally, the position you promote should carry logical and moral force, and must include some common ground with your own position — it needs to be along the same continuum of belief if it is to be effective. It also must not be so far out of the mainstream that it becomes toxic for anyone vaguely associated with it, or the backlash will in fact push the Window in the opposite of the desired direction.“
Genau das tat die NPD, weswegen sie in der Skizze keinen Anstieg, sondern einen schädlichen Keil darstellt. Ebenso sind sie und das subkulturelle rechte Lager farblich unterschiedlich. Zwischen konservativen Denkschulen der CDU und den geistigen Wegen der alten Rechten gab es sehr rasch keine Vermittlung und keine Schnittmenge mehr. Die alte Rechte radikalisierte sich in NS-Nostalgie. Die gesellschaftliche akzeptierte Rechte entkernte sich geistig und warf sich dem sogenannten “Fortschritt” in die Arme. Die Traditionen der Konservativen Revolution, welche eine Alternative zu NS und Cucks darstellten, verkümmerten und waren weder in Parteiakademien noch in Subkultur und Aktivismus präsent. Der entstehende Extremistenkeil wurde jahrzehntelang benutzt, um das gesamte rechte Lager „in die Mitte“, also nach links, zu treiben, wie der Ex-NPDler Holger Apfel in seinem Buch Irrtum NPD eingestand.
Das fehlende Kontinuum beschränkte sich nicht nur auf Parteipolitik. Die gemäßigt konservativen Zeitungen, Autoren, Think-Tanks und Wortführer gingen die Seuchengürtelpolitik der CDU mit. Die Flucht zur Mitte und das verzweifelte Ringen um Akzeptanz im Mainstream gingen Hand in Hand mit einer panischen Abgrenzung gegen alles, was rechts ausscherte. Sogar jene Medien, denen vonseiten der Linken „Scharnierfunktionen“ nachgesagt wurden, versuchten in der Vergangenheit nachdrücklich über Distanzierungen und Abstoßungseffekte ein Profil zu schärfen, das (rechts) neben sich nichts gelten ließ. Die NS-Subkultur nahm hier dieselbe metapolitische Rolle ein, welche die NPD für das Parteienspektrum hatte: Keine radikale Flanke und kein Außenpunkt des Kontinuums, sondern eine Vogelscheuche für die metapolitischen Wastelands.
Hier hat Österreich der BRD gar nichts voraus. Das 3. Lager hat es nie geschafft (und kaum versucht) , ein metapolitisches Umfeld aufzubauen. In der Alpenrepublik dominieren dieselben Ungeister Unis, Kirchen, Gewerkschaften und die Mainstreampresse.
Seit einigen Jahren hat sich die Lage geändert. Mit der AfD hat sich in Deutschland in einer nachholenden Normalisierung ein 3. politisches Lager gebildet. Mit der Stärkung des neurechten Resonanzraumes haben die vielen metapolitischen Ansätze die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Vor allem aber ist die neurechte Theoriebildung als schillerndes Mosaik mit altrechter Nostalgie und pseudorechtem Cuckservativismus in einen Streit geraten, der hoffentlich fruchtbar für das neurechte Wäldchen ausgehen wird. Es wächst genau dort, wo nach dem Willen unserer Gegner nichts wachsen dürfte und füllt eine klaffende Lücke. Hier könnte sich ein Kontinuum zu bilden, welches das Overton-Fenster wieder subjektiv nach rechts, also de facto in die verlorene Mitte bewegt.
Was genau meint hier der Begriff „Kontinuum“? Bewußt gebrauche ich nicht die Worte „Einheit“, „Lager“, oder Netzwerk. Solche Organisationsgrade werden gar nicht benötigt. Es reicht ein dynamischer Austausch von Ideen, eine gegenseitige Zitier- und Kritikfähigkeit bis hin zur Gesprächsbereitschaft.
Auch wenn Ideen oder Vorgehen der „radikalen Flanke“, z.B. auf einer PEGIDA Demo oder in einem IB-Flugblatt kritisiert werden können, auch wenn man sich von Organisationen und ihren Forderungen abgrenzen kann, darf es keinen harten Bruch, keine profilierungssüchtigen „Rechtsschläge“ geben. Die Grenze muß, wie es ihr englischer Terminus „boundary“ impliziert, trennend und verbindend zugleich sein. Die tolerante Abgrenzung, welche die Existenz des Anderen – bei klarer Trennung – nicht in Frage stellt und durch die man Mosaikrechte, Libertäre ebenso wie Nationalromantiker akzeptiert, muß Prinzip werden.
Voraussetzung ist, daß man einen neurechten Grundkonsens teilt. Die entscheidende Frage der heutigen Politik ist die zwischen Globalismus und Patriotismus. Wird Deutschland zu einem Vielvölkerstaat, der seine Souveränität an supranationale Instanzen abgibt, oder behält Deutschland seine ethnokulturelle Identität sowie Souveränität als Nationalstaat?
Das neurechte Kontinuum befindet sich hier auf der identitären, populistischen, nationalstaatlichen und patriotischen Seite. Es umfaßt neben den neurechten Denkschulen, Verlagen, Aktionsgruppen und Kreisen auch die ökonomische Kritik der Machbarkeit, wie sie z.B. Sarrazin vorbringt, ebenso wie die Kritik des Islamismus und der Integrationslüge eines Sarrazins und Abdel Samads, die bedacht-beredte Kritik eines Sloterdijks ebenso, wie die Invektiven eines Pirinçci und die Kritik am linken Tugendterror durch Don Alphonso oder Julian Reichelt.
Der Vortrag von Raimond Unger in der Bibliothek des Konservativismus gehört dazu, genau wie eine Büttenrede bei PEGIDA. Kern des Kontinuums ist die entscheidende Frage, die unausgesprochen hinter der Kritik an Islamisierung, importierter Kriminalität und Überlastung des Sozialstaats und Scheitern von Integration liegt: die identitäre Frage, die Frage nach unserer Identität und ihrer demographischen, ethnokulturellen Aufnahmekapazität. Unsere Gegner wollen diese Frage unsagbar machen. Wir wollen sie zum Thema machen.
Die Aussagen Strache und Palmers sind in diesem Infokrieg metapolitische Siege. Terroristischer und extremistischer Mißbrauch dieser Ideen durch Wahnsinnige und Soziopathen sind Wunschszenarien unserer Gegner.
Die von Bolotsky „toxisch“ genannten Gruppen befinden sich außerhalb des Kontinuums. Sie vertreten nicht, oder nicht nur, die identitäre, demographische Frage, sondern bieten darüberhinaus ein ideologisch-totalitäres Paket an, das meist eine finale Endlösung der Krisis der Neuzeit will. Sie haben aus der Geschichte tatsächlich nichts gelernt und sind links wie rechts ideengeschichtlich deplaziert. Ihre Ästhetik, ihr Sprachstil und ihr pseudomilitantes Auftreten zeigen, worum es ihnen geht: Die pure Provokation. Selbstbestätigung ihrer Existenz durch den Schock, den sie bei anderen auslösen. Das ist ihr Lebenselixier und raison d’être.
Es ist keine politische Strategie, sondern vielmehr eine Profilneurose. Sie sind schon deshalb nicht in der Lage, Teil eines Kontinuum zu sein, weil sie sektenartig jeden, der nicht voll in ihr Denken einsteigt, als miesen Verräter oder gekauften Agenten betrachten. Und sie sind damit der unbewußte Verbündete der Gegenseite. Ihre Aktivität zieht das Overton-Fenster nicht nach rechts, sondern stößt, wie eine Seifenblase die andere, es ab – weiter nach links.
Dieser Abstoßungseffekt hat Methode. Die Linken haben ihn als “Nazikeule” perfektioniert und inszenieren gekonnt eine Hysteriewelle nach der anderen. Diese leidvollen Erfahrungen haben das rechte Lager übersensibel für jede radikale Flanke und Avantgarde gemacht., Ja einige Populisten gehen sogar soweit Metapolitik grundsätzlich abzulehnen. Sie sei unkontrollierbar, daher gefährlich und immer nur Werkzeug der Gegner.
Jede ernsthafte weltanschauliche Fragestellung, jede Systemkritik, jeder Pathos und jede Aktion wird als “nicht hilfreiche Störung”, der Realpolitik betrachtet. Man beteuert verzweifelt sich von „linken wie von rechten Radikalen“ zu distanzieren. Kurz: Man cuckt. Dabei vergisst der “Realpolitiker”, dass sich seine reale Politik im Rahmen des megapolitischen Fensters bewegt. Seine Ablehnung der rechten Metapolitik dient der linken Kulturhegemonie. Seine Flucht in die “Mitte der Gesellschaft” wird zur Flucht nach links. Er selbst ist der nützliche Idiot, das gut abgerichtete Haustier der linken Hegemonie.
Seit einiger Zeit wächst auf der rechten Seite ein faszinierendes Mosaik, das nicht mehr zu ignorieren und jeder intellektuellen Debatte gewachsen ist. Die Aufgabe des neurechten metapolitischen Lagers und des politischen 3. Lagers ist es, den linksradikal überfärbten Diskurs über Identität und Immigration wieder vernünftiger zu machen, also nach rechts zu rücken. Wir schaffen das, indem wir direkt an der unbewußt identitären Grundhaltung der gesellschaftlichen Mitte andocken und sie über ein langsam wachsendes Kontinuum mit einem breiten Angebot an Information, Aktion und Partizipation auf eine bewußtes Niveau anheben.
Jeder rechte Produzent und Konsument alternativer Medien ist Teil dieses metapolitischen Prozeßes, indem er entweder als Beschleuniger oder Hemmnis fungiert. Um in der Sprache der Marxisten zu sprechen: Er ist entweder Revolutionär, indem er das Overton-Fenster nach rechts verschiebt und strategisch an Themeninvasionen und idealistischen Flanken arbeitet, oder er ist reaktionär, weil er aus Ignoranz oder in böser Absicht genau das bremst und verhindert. Die Frage ist nicht, an welchem Punkt der Skala man steht, ob man als Teil einer idealistischen Flanke aktiv auf der Straße provoziert oder als Netzwerker eine verborgene Achsenfunktion hat. Die Frage ist, ob man sich als Teil des rechten Kontinuums wahrnimmt und entsprechend handelt. In dem Fall ist der Netzwerker ebenso “revolutionär” wie der Straßenaktivist, da sie am selben Werk: der Reconquista der linksradikalen Kulturhegemonie arbeiten.
Jeder trägt eine Verantwortung. Die provokanten Flanken dürfen ihre Positionen niemals so vertreten, daß sie einen radikalen Bruch zu den Gemäßigteren verursachen, nur um sich mit ihrer “Schneidigkeit” als einzig wahre Idealisten zu fühlen. Zielgruppe ist nicht ein sektenartiger Kreis an Überzeugten, der es den “gemäßigten Konservativen zeigen” will und sich an ihren Schocks und Distanzierungen erfreut. Das ist “konterrevolutionär” und bremst den Rechtsruck des Overton-Fensters.
Die Gemäßigten dürfen hingegen nicht bei der reinen Symptombekämpfung stehenbleiben und jede Grundsatzfrage und geistige Verschärfung abblocken. Eine Todsünde ist es in den Chor des Establishments einzustimmen und einen Teil des Kontinuums als “extremistisch” zu bezeichnen, obwohl er das nicht ist.
Zwischen den beiden Enden des rechten Spektrums muß es gar keinen direkten Kontakt geben. Zwischen der metapolitischen und parteipolitischen Ebene sind Überschneidungen unnötig. Doch ein ununterbrochener Fluß an Ideen und Konzepten, ein Stoffwechsel der Ideen, muß gegeben sein. Im Rahmen des neurechten Kontinuums kann es Aufgabenteilungen, wohlwollende Nichtbeachtung, ja sogar taktisch notwendige Abgrenzungen geben. Inhaltliche Distanzierungen zur Selbstprofilierung verhindern jedoch das Entstehen einer echten Dynamik und sind zu vermeiden. Intolerante Abgrenzungen, welche dem Gegenüber die Existenz absprechen, dienen den Plänen unserer Gegner und damit dem Großen Austausch.
Jede Lücke und jeder abrupte Zacken, der durch reaktionären Opportunismus oder blinde Radikalität erzeugt wird, schadet dem Kontinuum und verhindert die Verschiebung des Overton-Fensters. Erst wenn sein Brennpunkt sich in den Bereich dessen bewegt hat, der heute als „unsagbar“ gilt, kann eine politische Veränderung eintreten.
Das bedeutet in erster Linie eine Politik der Leitkultur, Deislamisierung und Remigration, die in ihrer Identitäts- und Einwanderungspolitik konkreten Vorbildern wie Ungarn, Israel und Japan folgen kann. Das ist die realpolitisiche Bedingung der Möglichkeit für alle weiteren ökologischen, geopolitischen, wirtschafts- und sozialpolitischen und kulturelle Fragen. Selbstverständlich müssen diese debattiert, herausgearbeitet und entwickelt werden, doch dabei darf dieses unmittelbare politische Ziel nie aus dem Blick geraten. Wir alle bewegen diesen Rahmen mit, indem wir den Diskurse gestalten, die Klischees unserer Gegner bedienen oder brechen und die emotionale Barriere anheben oder einreißen.
Jeder einzelne Aktivist, jedes Parteimitglied, jeder, der online und offline seine Meinung kundtut, auch jeder, der unter SiN-Artikeln postet, betätigt sich entweder als metapolitischer Revolutionär oder Reaktionär. Tertium non datur.
Caroline Sommerfeld
Revolutionär? Reaktionär? Mir ist schon klar, daß die Begriffe hier viel eher metaphorisch-provokant gemeint sind denn historisch-terminologisch. Und nur in diesem erstgenannten Sinne hast Du uns 300 vor dem Justizministerium als "Revolutionäre" adressiert.
Dennoch zücke ich sogleich den eben ausgelesenen Berdjajew "Von des Menschen Knechtschaft und Freiheit" (1954) - danke, @Monika! - und halte dagegen:
"In der Revolution vollzieht sich das Gericht Gottes. Revolution enthält ein eschatologisches Element, gleichsam eine Annäherung an das Ende der Zeiten. Revolution ist jedoch eine Krankheit; sie legt davon Zeugnis ab, daß sich schöpferische Kräfte fanden, um die Gesellschaft zu reformieren, daß die Trägheitskräfte siegten. An der Revolution sind dämonische Elemente beteiligt (...) Es bleibt nur übrig, Revolutionen zu wünschen, in denen keine dämonischen Mächte am Werk sind, und dennoch sind diese zu gewissen Zeiten immer die Sieger. Nur in einem ganz geringen Grade steht die Revolution im Zeichen der Freiheit; in weit höherem Maße steht sie im Zeichen des Fatums." (S.240f)