Also, ich steige gleich ein, damit wir den Punkt abgehakt haben: Die schwarze Germania und die KZ-Nostalgie sind das Langweiligste an diesem Rammstein-Video, das Henryk M. Broder für ein “Meisterwerk im Dienst der Aufklärung” hält. Sollte Broder das irgendwann einmal über eines meiner Lieder sagen, bitte ich um standrechtliche Pulverisierung durch eine V2-Rakete.
Die einen ärgern sich über die gloriose Mohrin im Kettenhemd, die anderen bekommen Schnappatmung, weil Deutschlands bekannteste Export-Band als x‑te Rockgruppe auf dem Dachboden die Mottenkiste mit den Uniformen ihrer Großväter entdeckt hat. “Was aber, wollen sie uns damit sagen?” fragt indes das Feuilleton verzagt, aber in guter deutscher Tradition auf das politische Sendebedürfnis des Künstlers trauend.
Muß ja immer eine Botschaft haben, so ein kryptisches Machwerk, oder nicht? Sonst wären die abertausenden Euro an Produktionskosten, die unzähligen Liter Kunstblut und natürlich die Pyrotechnik ja völlig umsonst verballert worden! Der BRD-YouTube-Erklärbär “Mr. Wissen2Go”, der mit Broder einer Meinung ist und das fast zehnminütige Filmchen am liebsten gleich zum Pflichtcurriculum für den Geschichtskurs erheben möchte, interessiert sich jedenfalls hauptsächlich für die “kritische Auseinandersetzung” mit der deutschen Geschichte und wird dabei offensichtlich ganz feucht zwischen seinen Hamsterbacken, weil er endlich wieder auf sein Holocaust-Informationsvideo verlinken kann.
Eine “kritische Auseinandersetzung” – 2019 ist von einem Lied mit dem Titel “Deutschland” nichts anderes mehr zu erwarten. Letztendlich macht der Mord am Geheimnis eben auch vor der Kunst nicht Halt; in der Krokodilsträne von Till Lindemann, der als Lagerinsasse verkleidet “Deutschland, deine Liebe ist Fluch und Segen, meine Liebe kann ich dir nicht geben” ins Mikro grunzt, bevor er in einer anderen Szene einen Hund rammelt, nachdem sein als Mönch verkleideter Kompagnon Sauerkraut auf den nackten Körper der Afrika-Germania gekotzt hat, spiegelt sich kein Holdes Reich und keine höhere Initiation, sondern nur das Nichts. Mit den Worten des oben erwähnten YouTube-Ottos: “Da ist alles vollkommen cool, wenn man den Kontext kennt.”
Genau das ist es auch, was es mit der von manchen bereits hochgeschriebenen Ambivalenz des Machwerkes auf sich hat. Selten konnte Ekelhaftes so egal, Pornografisches so steril, Provokantes so langweilig sein. In einem Artikel las ich, daß in dem Lied auch die “verbotene erste Strophe des Deutschlandliedes” zitiert würde – “Deutschland über allen” werde bald überall (höhö) in den Konzertsälen der Bundesrepublik zu hören sein.
Wenn ich mir das so vorstelle ist das womöglich gar keine schlechte Idee – vielleicht wäre es wirklich besser, man verböte das Deutschlandlied. Also nicht das von Rammstein, das ist mir egal, sondern das echte mit allen drei Strophen. Das wäre doch wirklich ganz gut, wenn da wieder ein bißchen Mumm dazugehören würde; die Junge Alternative würde es dann zum Beispiel nicht mehr singen und allein das wäre ja schon ein Gewinn. Die Zeilen von Langemarck blieben aufgespart für eine Handvoll hungriger Herzen im Abglanz der Feuerschalen und Fackeln.
Mir reicht es jedenfalls für heute, ich lese jetzt noch ein wenig im Hyperion und gehe dann schlafen. Achso, Sonntagsheld ist natürlich Martin Sellner, aber ich dachte das war klar. Ich meine: Gucken Sie sich den Kerl mal an – die Mikrofone im Gesicht, das Terror-Verfahren im Nacken und ein unsterbliches Lachen auf den Lippen: Unfaßbar. Oder, um dem Chef zu schmeicheln: Eine Zeigerpflanze, die durch die Betondecke bricht.
Laurenz
Die beste Kritik zum neuen Rammstein-Video, von allen, die ich bisher gelesen, gesehen habe, hat Alexander Wallasch geschrieben. Für mich gibt es in dem Musikvideo nichts Neues, aber auch nicht Schlechtes. Ob man die Realität durch eine schwarze Germania darstellt, oder auf Neudeutsch "Germany first" brüllt, ist auf internationalem Parkett alles salonfähig, ob nun im Fußballstadion oder im höchsten Amt der USA. Das einzig Eklige, daß einem hochkommt, ist das System-Medium, welches in schlecht gespielter Betroffenheit, sich selbst ad absurdum führt, und es bis heute nicht geschafft hat, für den eigenen NeuesStürmerDeutschland-Status gerade zu stehen. Denn niemand aus einem System-Medium nimmt zB Bezug auf den DDR-Realismus im Video, und woher er eigentlich stammt. Alleine ein Herbert Wehner verriet, seinerzeit im Hotel Lux zu Moskau wohnend, über 3.000 deutsche Genossen, welche dann das Zeitliche segnen durften. Darüber gibt es eine schöne WDR-Doku. Zu den Tätern in der Lubjanka zu stehen, ist ja auch etwas viel verlangt, und außerdem mordeten die ja gerecht. Das Problem von Rammstein ist das viele Geld, welches zur Verfügung steht und schon desöfteren die frühere Kreativität ersetzen mußte. Das Tragische an Rammstein ist die Geschichte des personifizierten Gewissens der Band Flake Lorenz. Ein DDR-Romantiker, der sein Geld in alte Autos steckte, aus der einen Zeit gefallen, um dann aus der jetzigen zu fallen.
Was Herrn Sellner angeht, so kann man darüber geteilter Meinung sein, ob Er denn jeden Tag öffentlich sein muß. Aber immerhin läuft Ihm die Presse hinterher, das hat Er gut gemacht. Daß die ehemals Konservativen sich über Kaiser Kurz und König Söder Sorgen machen, was die schlechten Prognosen von Möchtergern-Napoleon Weber zur EU-Parlaments-Wahl im Mai angeht, und meinen, das zu Lasten der neuen Konservativen tun zu müssen, war in den letzten Jahren schon immer dem Versagen der teuren Berater und Wahlkampf-Strategen geschuldet. Besser einen schlechten Ruf als keinen.