1. April – Der erste April ist bei uns Familiensport. Ich gewinne meistens. Das tolle ist, daß ich schon innerfamiliär die Leute Jahr für Jahr mit demselben Scherz reinlegen kann, indem ich verkünde: „Jetzt bist Du die/der erste, die’s erfährt… Wir bekommen noch mal Nachwuchs. Zwillinge.“
Auch heute hab ich deutlich mehr Leute reingelegt als Kubitschek, ich hatte einen Höllenspaß. Ich selbst kassierte nur einen Treffer, und zwar im Auswärts, telefonisch früh um halb sieben, mit leise bekümmerter Stimme, der Gatte: „Ich hab nur diesen einen kurzen Anruf. Hausdurchsuchung bei uns. Es ist… so entwürdigend.“ Ich bin, empörte Schnappatmung, voll drauf reingefallen!
Ich gab Revanche. Am Vortag hatte mich der Auftrag des Chefs ereilt, mein Vorwort zum demnächst bei Antaios erscheinenden Buch von Brittany Pettibone an zwei Stellen umzuarbeiten. Tat ich artig.
In meine Mail mit Anhang textete ich an Kubitschek: „Ich hab irgendwie grad eine komische Phase. Deshalb hab ich das ganze Vorwort gestrichen. Ich hab stattdessen ein langes Gedicht verfaßt über Sonne/Mond (metaphorisch für Mann/Frau). Das ist vielleicht beinahe kitschig, aber im Moment fühlt es sich richtig an – es löst etwas aus.“
Kubitschek reagierte nicht auf diese Mail. Eben, spätabends, rief ich ihn an. Ob er mein Gedichtvorwort nicht erhalten habe? Er: „Ja, schon… aber noch nicht geöffnet… weil… soll ich ehrlich sein? Ich hab ein bißchen Schiß, das es daneben gegangen ist. Ich mein… wir hatten doch nie ein Gedicht als Vorwort…“ April, April!
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2. April – Im ländlichen Sachsen-Anhalt ist die Sitte des Smalltalks unbekannt. Es ist ein relativ stummes Land. In Arztwartezimmern bleiben sogar die Illustrierten meist unberührt. Man sitzt und denkt nach.
Derart entwöhnt lausche ich im „Ausland“ umso hellhöriger.
Kleine Statistik der letzten Monate: Wo (ob in öffentlichen Verkehrsmitteln, in der Sauna oder wo auch immer) Männer in Smalltalk geraten, geht es: gelegentlich um Fußball, manchmal ums Wetter, aber fast immer um Politik. Wenn Frauen smalltalken (beim Irgendwowarten auf die Kinder meistens) geht es nie um Fußball, immer ums Wetter und äußerst selten um Politik. Gibt es eigentlich keine Ideen für eine diesbezüglich verbindliche Quote? Man müßte doch endlich Schluß machen mit dem immensen patriarchalischen Druck, der Frauen daran hindert, im Alltag zu politisieren!
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3. April – Meta-Smalltalk. Er (nicht Kubitschek): „Es fällt schon auf, wenn man so nebenbei in Gespräche gerät, mit Leuten, die einen gar nicht kennen: Die Stimmungslage ist mittlerweile fast immer irgendwie rechts.“
Ich „Ist bei mir komischerweise immer noch völlig anders. Wenn ich mal irgendwo in politischen Smalltalk einbezogen werde, dann ganz oft unter dem Motto: Schrecklich und beängstigend, diese Rechten heute…“
Er: „Aha. Naja… so als Frau… siehst Du auch irgendwie links aus! Das zieht andere Leute an.“
Moment! Ich trage beispielsweise fast nie Hosen. Hab keine Ringe im Gesicht und… ich hab doch auch eine gerade Haltung, und all sowas!
Er: „Ja. Aber bei Dir wirkt all das halt total emanzipiert.“
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4. April – Smalltalk-Mitschnitt, III, in der Bahn. Zwei mittelalte Frauen. Es ging darum, daß eine der beiden sich am Vorabend ein Stückchen Schokolade gönnen wollte und, schwupps, hatte sie sich die ganze Tafel einverleibt.
„Kennste doch, hat man einmal Blut geleckt, gibt es kein Halten mehr-!“
Die andere: „Na höhöhö, aber pscht, das darfste heut nicht mehr laut sagen!“
„Hä? Wieso?“
„Nna… weißt schon…“
„Hä? Nee, wegen Diätwahn oder was?“
„Mann! [flüsternd:] Blut geleckt!“
„Hä? Wasn jetzt los??“
„Na: wegen Hitler!“
Die Naschtante hält sich erschrocken den Mund zu. Äugt zu mir. Ich aber schüttele stumm und ernst den Kopf.
Lotta Vorbeck
„Hä? Wasn jetzt los??“
„Na: wegen Hitler!“
"Конечно ... Гитлер капут!"