Seit ein paar Wochen wird dieser Filmstart beworben, der Streifen wurde bereits allerorten besprochen. Mir wird von verschiedenen Seiten die altbekannte Frage gestellt: Was reitet Euch nur, daß Ihr Euch auf solche Idioten einlaßt?
Ich habe die erste Hälfte des Films (wenigstens in einer Vorfassung) vor etlichen Monaten gesehen – es ist also länger her, daher erinnere ich mich nicht mehr an Details. Künstlerisch fand ich den teilanimierten Streifen gar nicht schlecht.
Geschichte und Botschaft allerdings (deswegen hab ich ihn auch nicht zu Ende gesehen; sie fielen mir in ihrer Dummheit und ideologischen Borniertheit auf die Nerven) gingen ungefähr so: Ein (Zeichentrick)-Mädchen namens Elsa liebt seinen Großvater. Der allerdings ist ein echter Nazi und verdirbt das Kind. Das Mädchen muß Passagen aus Mein Kampf auswendiglernen, darf nie weinen, muß stets durchhalten und wird zu einer ausländerhassenden, judenfeindlichen Schlägerin.
In dokumentarischen Zwischenblenden kommen immer wieder Leute (also: wir, die „Rechten“) zu Wort und berichten von unseren Kindheitserfahrungen und „Träumen“. Was die Moral von der Geschicht sein soll, wird vor allem durch Suggestion deutlich, es wird wohl so eine Formel gemeint sein wie: „Auch Rechtsradikale waren mal Kinder, also wehret den Anfängen.“
In einer Wochenzeitung wurde der iranischstämmige Filmmacher gefragt:
Was fanden Sie gruseliger: Die Schilderungen Elsas oder das, was Leute wie Kubitschek oder Schüßler über ihre Familienvorstellungen erzählt haben?
Der Mann antwortet:
Beides hat mich richtig fertig gemacht, so dass ich während der Interviews teilweise fast nicht zuhören konnte. Es hat mir wehgetan. Als Familienvater und auch wegen der Tatsache, dass man in einem Land wie Deutschland, wo es Demokratie gibt, wo man die Möglichkeit hat, sich zu entfalten, trotzdem in so eine Familie hineingeboren werden kann und dort aufwächst. Ohne die Chance zu bekommen, sich frei zu entwickeln.
Und weiter:
Bei den Familien mit rechtem Gedankengut wird immer mit den gleichen Methoden gearbeitet: Man geht an die Urängste ran, alles, was man nicht kennt und was fremd ist, wird sofort als Bedrohung von außen dargestellt, vor der man sich schützen muss. Ob man rechtsradikal ist oder in einer IS-Familie aufwächst, es sind die gleichen Methoden.
Natürlich ist das grobianischer, schlecht ausgedachter Quatsch. Es gibt dafür nicht mal ein wackeliges Indiz. (Meine älteste Tochter, man faßt es nicht, ist übrigens neulich alleine an den Polarkreis getrampt!, die zweite war mit einer Freundin ohne gebuchte Hotels in Georgien, die vierte in Armenien.)
Also, warum macht man bei solch einem Theater freiwillig mit? Ist es Naivität, Wichtigtuerei, eine exhibitionistische Ader gar?
Ich für meinen Teil kann sagen: Ich trenne nicht (und werde das auch zukünftig nicht tun) zwischen meinem privaten Ich und einer professionellen Medien-Persona. Jedenfalls insoweit nicht, als für mich stets gilt: Einer fragt höflich – dann erhält er Antwort. Einer bittet um eine Stellungnahme und hat sich dabei bislang nicht als mein offener Gegner gezeigt: Na klar äußere ich mich! Ein zweites Mal nach mißbräuchlicher Verzerrung gewiß nicht – aber einmal: immer. Wenn ich allerdings sehe, daß er/sie sich schon gehässig – und nicht bloß kritisch – über „uns“ geäußert hat, stehen wir nicht zur Verfügung – ein Umstand, den die Autoren Middelhoff/Fuchs in ihrem Elaborat Das Netzwerk der Neuen Rechten jüngst beklagten.
Klar hat mich diese Filmhälfte schockiert. Man kennt zwar mittlerweile seine Pappenheimer. Die Zeit der “menschlichen Enttäuschung” liegt in medienpolitischer Hinsicht weit hinter mir. Ich bin überzeugt davon, daß nur schlechte (oder milder: verblendete) Leute uns etwas Schlechtes unterstellen. Und, jetzt wird’s pathetisch: davon, daß das Rechtschaffene und nicht das Heimtückische am Ende siegen wird. Das Echte ist nie häßlich, und punkt. Wir sind immer echt, und Echte können das nicht verkennen.
Weil ich den Film in seiner Vorfassung nicht zu Ende gesehen habe (und später war der link, den mir der Filmmacher geschickt hatte, hinfällig), kann ich nur vermuten, daß dort nur wenige Minuten (maximal) des sehr langen Interviews gezeigt wurden, das Frank Geiger damals mit uns geführt hat.
Beispielsweise ahne ich, daß wir nicht diese Kindheiten hatten, die sich Geiger wünschte, daß wir sie hätten. Wir mußten beide weder Mein Kampf auswendig lernen, noch gab es ein Tränenverbot oder Gewaltmärsche, und alle vier Eltern wählten ausschließlich CDU. Wir hatten traumhafte und gewaltfreie Kindheiten.
Mich schockiert, weil der Filmemacher falsch spielte. Hier ist die Mail, mit der er und zum Mitmachen einlud, damals, im Februar 2017:
Sehr geehrte Frau Kositza, sehr geehrter Herr Kubitschek,
wir sind Filmemacher aus Hamburg und realisieren derzeit einen Dokumentarfilm in Zusammenarbeit mit SWR/ARD und dem Kultursender Arte. Gerne würden wir dafür ein Interview vor der Kamera mit Ihnen beiden führen. Es geht dabei um Kinder und Erziehung. Die Fragen gruppieren sich rund um den Themenkomplex: welche Kinder braucht das Land? Was sollen Kinder lernen, auch in der Schule, welche Werte soll man ihnen vermitteln? Wie sehen Sie dabei die Rolle der Familie im Allgemeinen und Ihrer eigenen im Besonderen? Welche Erlebnisse und Erfahrungen haben Sie selbst als Kind geprägt? Wie sehen Sie die Zukunft, kulturell und gesellschaftlich? Was sind daraus resultierend Ihre Kritikpunkte an der deutschen Kinder- und Familienpolitk der letzen Jahrzehnte?
Terminlich würden wir zunächst den 20., 21. oder 22.02. vorschlagen. Der Zeitaufwand betrüge etwa drei Stunden an einem der Tage. Gern kommen wir zu Ihnen nach Schnellroda oder organisieren falls gewünscht einen alternativen Ort in Ihrer Nähe.
Es würde uns sehr freuen, wenn der Termin zustande käme und wir in dem Projekt auch Ihre Sicht der Dinge vermitteln könnten. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und stehe für weitere Fragen selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Geiger
In diesem Brief kein Wort und kein Wort auch in den Gesprächen vor, während und nach dem Dreh von “Kleine Germanen”, von Animationen, von Erziehung zum Nazi, von so einem Kontext und so einem Mißbrauch. Soll man klagen?
Fritz
Das ist allerdings schon ziemlich dreist, bei ihnen anzufragen, ob sie an einem Film über Kindererziehung teilnehmen wollen, schon wissend, dass ihre Aussagen im Film nur als Beispiele dafür vorkommen werden, wie man es nicht machen soll.
Hinterhältig, würde ich sagen.