Es gibt keine Frühvollendeten mehr, nicht mal Könner, und Adoleszente (dazu zählt man heute doch zirka bis zur Lebensmitte?) heute haben literarisch schlicht nichts zu sagen. Gut, es gibt Ausnahmen; Randt, Ehrlicher, Strauß. Christian Dittloff aber, blondblauer »Literarisches-Schreiben«-Absolvent des Jahrgangs 1983 hat seinem Erstling gar eine kleine wissenschaftliche Literaturliste angehängt. Darunter das notorische Regretting Motherhood von Orna Donath, Mithu Sanyals Vulva und gar Frl. Stokowskis gesammelte Ergüsse Untenrum frei. Kurz: Weniger einladend geht’s nicht. Gelegentlich mag es einem Buch helfen, wenn der Leser in ungeneigter, gar aggressiver Grundhaltung einsteigt. Hier!
Dieser Dittloff (stilistisch am ehesten an seinen Studiengangskompagnon Leif Randt, Sezession 51, 2012 sowie Sezession 66, 2015 erinnernd) versteht sein Handwerk. Es geht um Yves und Ada, er Bildhauer, sie psychologisch geschulte Grenzwächterin einer Gated Community. Sie rekrutiert neue Bewohner für ein kleines, feines Land mit exquisiten Lebensbedingungen.
Wir befinden uns in der nahen Zukunft, einem Ort der Machbarkeiten. Speziell das Kinderkriegen ist für die Avantgarde mittlerweile das, was es anno 2019 de facto bereits ist: ein Anachronismus, ein atavistischer Appendix. »Die Großmütter hatten für das Jenseits gelebt. Die Mutter für ein Leben nach der Rente. Und Ada wollte in der Gegenwart leben.« In der Ukraine können fortschrittliche Paare schon lange Leihmütter buchen. Das ist … so »90erJahre«! So turbokapitalistisch! Im »Weissen Schloß«, dem Lebensborn dieser neuen Zeit, dessen Dienste unser Pärchen in Anspruch nimmt, geht es anders zu. Nachhaltig. Fair. Mit Gendersternchen. Bestechend!
Christian Dittloff: Das weiße Schloss. Roman, München: Berlin Verlag. 291 S., 22 €