Josef Kraus: 50 Jahre Umerziehung

Eine Rezension von Felix Dirsch

Josef Kraus, pen­sio­nier­ter baye­ri­scher Gym­na­si­al­di­rek­tor, wird mit Recht als »Titan der Bil­dungs­po­li­tik« (Lud­wig Spaen­le) gese­hen. Trotz wich­ti­ger und frucht­ba­rer Tätig­kei­ten in Gre­mi­en wie auch als ein­fluß­rei­cher Publi­zist blieb ihm der Kar­rie­re­sprung als Kul­tus­mi­nis­ter – er war mehr­mals als sol­cher im Gespräch – am Ende doch ver­wehrt. Scha­de um die ver­paß­te Chan­ce für die Kulturpolitik!

Sei­ne neu­es­te Publi­ka­ti­on unter­sucht die 68er-Revol­te und ihre viel­fäl­ti­gen Fol­gen, ins­be­son­de­re für die Bil­dungs­po­li­tik. Wer Kraus’ bis­he­ri­ge Unter­su­chun­gen kennt, ist nicht dar­über ver­wun­dert, daß er kei­ne sys­te­ma­ti­sche Dar­stel­lung des Kul­turum­bru­ches in den »lan­gen« 1960er Jah­ren vor­ge­legt hat, son­dern kur­so­ri­sche Refle­xio­nen anstellt, die aber gleich­wohl nicht ohne Zusam­men­hang nebeneinanderstehen.

Wie ande­re Ken­ner der The­ma­tik hebt Kraus her­vor, daß die Pro­tes­te 1967 und in den Fol­ge­jah­ren auf bereits län­ger zurück­lie­gen­de Ursa­chen zurück­zu­füh­ren sind. Die »Fun­da­men­tal­li­be­ra­li­sie­rung« (Jür­gen Haber­mas) hät­te sich auch ohne die neo­mar­xis­ti­sche Grund­la­gen­kri­tik an zen­tra­len Insti­tu­tio­nen der frü­hen Bun­des­re­pu­blik durch­ge­setzt. Der Ver­gleich der demo­sko­pisch fest­zu­stel­len­den Wer­te­prä­fe­ren­zen der Deut­schen mit Men­schen aus euro­päi­schen Län­dern, in denen kein »1968« statt­fand, spricht eine deut­li­che Sprache.

Der Nach­druck der Erör­te­run­gen liegt weni­ger auf der »Dog­men­ge­schich­te« der Revo­lu­tio­nä­re, die Kraus gleich­wohl kom­pe­tent abhan­delt, son­dern auf diver­sen kul­tu­rel­len Hin­ter­las­sen­schaf­ten. Dazu zählt auch die unüber­seh­ba­re Links­ver­schie­bung auf ver­schie­de­nen Fel­dern. Der Autor stellt unter ande­rem die Ver­än­de­run­gen der Akzen­te in kirch­li­chen Ver­laut­ba­run­gen her­aus, wei­ter­hin das demo­gra­phi­sche und sozia­le Vaku­um, das mehr und mehr mit kul­tur­frem­den Kon­tin­gen­ten gefüllt wird. Welt­frem­de Mul­ti­kul­ti-Phan­ta­sien, anti­deut­scher Haß aufs eige­ne Volk, die ver­brei­te­te Deka­denz und vie­les mehr wird erör­tert. Man liest Kraus’ fun­dier­te Dar­le­gun­gen und stimmt zu. Bes­se­res kann man über einen Ana­ly­ti­ker von weit­hin bekann­ten Gegen­warts­phä­no­me­nen kaum sagen.

Josef Kraus: 50 Jah­re Umer­zie­hung: Die 68er und ihre Hin­ter­las­sen­schaf­ten (= Die Werk­rei­he von Tumult), Ber­lin: Manu­scrip­tum 2018. 190 S., 19.90 € – hier bestel­len

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