Anke Stelling: Schäfchen im Trockenen. Roman

Dieser Milieuroman (Berlin, coole Zone, hippe Familie) wird wieder die Gemüter entzweien.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Das war schon bei Anke Stel­lings (* 1971, gebür­ti­ge Schwä­bin, seit lan­gem Wahl­ber­li­ne­rin, also das vol­le Kli­schee) vor­he­ri­gen Büchern so. Schäf­chen im Tro­cke­nen schließt an Boden­tie­fe Fens­ter (2015) an. Bei allen Stel­ling-Büchern gilt offen­kun­dig: lie­ben oder has­sen. In ihrem vori­gen Roman war Stel­ling mit sich alter­na­tiv füh­len­den, lin­ken Kiez-Fami­li­en ins Gericht gegan­gen. Sie war / ist – man weiß es nicht – Teil der­sel­ben. Wenn man die Rol­len­pro­sa, die Stel­ling nun exer­ziert, für wahr nimmt (es liegt ver­dammt nahe), hat­te das Vor­buch dafür gesorgt, daß sich der »Ber­li­ner« Freun­des­kreis (fast alles Schwa­ben, klar) von ihr distanzierte.

»Unser gemein­sa­mer Weg endet hier«, wur­de ihr – »Resi« wird die Prot­ago­nis­tin genannt – von der engs­ten Freun­din bedeu­tet. Resi, Mut­ter von vier Kin­dern (die ande­ren Dar­stel­ler haben zwei oder gar kei­ne) wur­de also ent­freun­det, weil sie Selbst­ge­wiß­hei­ten des links­bür­ger­li­chen urba­nen Milieus publi­co aufs Korn nahm. Ihr wur­de von den (Ex-)Freunden vor­ge­wor­fen, daß »sie ihre Sicht über ande­re stell­te«. Getrof­fe­ne Hun­de bellen!

Resis Scha­dens­be­richt nun ist als Bericht und Offen­ba­rungs­brief gestal­tet, gerich­tet an ihre ältes­te, 14jährige Toch­ter Bea. Das Grund­pro­blem ist, daß sich die befreun­de­ten Paa­re es sich leis­ten kön­nen, an einem schi­cken Bau­grup­pen­pro­jekt zu par­ti­zi­pie­ren. Sie haben die Gen­tri­fi­zie­rung satt und schaf­fen Eigen­tum, die soge­nann­te K 23. Resi und ihr Mann Sven tun nicht mit. Es ist nicht ihr Ding. Schon die­ses »Cas­ting«, mit dem sie eine wei­te­re Par­tei für eine noch freie Woh­nung such­ten! Soll man Flücht­lin­ge neh­men? Am bes­ten min­der­jäh­ri­ge Unbe­glei­te­te? Muß man sich dann um die küm­mern? Die Mie­te käme zuver­läs­sig vom Amt. Ande­rer­seits: Man hat Töchter …

Nein, die­se ver­lo­ge­nen Sit­zun­gen sind nichts für Resi. Oder? Ver­brä­men sich die bei­den ihre Ent­schei­dung nur, weil sie zu wenig Koh­le haben? Leh­nen sie den ange­bo­te­nen Kre­dit vom sanf­ten Freund Ing­mar mit dem Psy­cho­lo­gen­blick aus fes­ter Über­zeu­gung ab oder aus gekränk­tem Stolz? Man ist Jahr­zehn­te mit­ein­an­der durch dick und dünn gegan­gen. »Klas­sen­schran­ken«, die es wohl de fac­to gab, waren über all die Zei­ten nie ein The­ma. Man war ja links und modern. Man fand es span­nend, als ein Pfar­rer vom Schla­ge Alt-68er das Kind mit den zwei Müt­tern tauf­te, zu dem Freund Frank sei­nen Samen gespen­det hat­te. Alle fan­den »die­se Insze­nie­rung eines bun­ten auf­ge­klär­ten Mit­ein­an­ders« rund um den Altar furcht­bar läs­sig, nur Wil­li nicht, Kind von Frank, der nichts von einem »Bru­der« wis­sen woll­te. Resi soli­da­ri­siert sich mit dem auf­stän­di­schen Wil­li: »Scheiß­typ«, der Pfar­rer, flüs­tert Resi ihm unter den Büschen zu, in die Wil­li wäh­rend des Sakra­ments geflüch­tet ist.

Die typi­sche Ant­wort, wenn Resi mal zu kla­gen wag­te, über teu­re Klas­sen­fahr­ten bei­spiels­wei­se: »Weiß man doch.« Weiß man doch alles, bevor man sich vier Kin­der anschafft. Und schließ­lich: Weiß man doch was pas­sie­ren könn­te, wenn man in einem Buch wit­zig mit dem eige­nen Milieu abrech­net. Was ist näm­lich pas­siert? Resi samt Fami­lie leb­ten in einer Woh­nung, die eigent­lich vor lan­ger Zeit Freund Frank ange­mie­tet hat­te. Da Frank gemein­sam mit Fami­lie und Cli­que nun die »K 23« bewohnt, hat er Resi die gro­ße Woh­nung über­las­sen. Und die­sen Miet­ver­trag hat er nun, da er sich von Resi ver­ra­ten fühlt, hin­ter­rücks gekün­digt. Die gro­ße Fami­lie muß nun schau­en, wo sie bleibt. Soli­da­ri­tät: war mal. Am Ende hat Resi die fie­se Rede davon satt, daß sie sich als »Opfer« insze­nie­re. »Ich sti­li­sie­re mich nicht zum Opfer, son­dern zur Täte­rin.« Am liebs­ten hät­te sie ein­fach nur geschrie­ben: »Fickt-euch-alle-ihr-jäm­mer­li­chen-Arsch­lö­cher.« Auch dies ist wohl eher ein Buch für weib­li­ches Lese­pu­bli­kum. Aber mit Schmackes!

Anke Stel­ling: Schäf­chen im Tro­cke­nen. Roman, Ber­lin: Ver­bre­cher Ver­lag 2019. 266 S., 22 € – hier bestel­len

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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