Hierzulande wird sie jedoch in den Volksschulen monatlich verteilt (gegen einen mit dem Schulgeld abgebuchten Beitrag, man kann sie also nicht nicht beziehen). Für die allgemeinbildenden höheren Schulen gibt es das Jugendmagazin Topic.
In Wir erziehen habe ich solche Zeitschriften mit den folgenden Worten beschrieben:
Es gibt im Kinder-Mediensektor eine geschickte Mischung aus Propaganda und Infotainment. Abgesehen vom Kinderkanal “KiKa” gelingt dies auch Zeitschriftenformaten wie dem Kinderheft des “Spiegel” (Angela Merkel auf der Titelseite, Kinderfragen: “Wie lösen Sie einen Streit?” “Regieren Sie eigentlich gern?”), “GEOlino”, oder der “KinderZEIT”, in Österreich bekommen die Kinder als Klassensatz „Topic“ (neben Lerntips, Popsängerplakatmittelseite und Tierrekorden gehen Che Guevara, die Verbrechen des Dritten Reiches Teil I‑III und das Leben im Flüchtlingslager so durch). Im Radio laufen “Kakadu” und “Radio Mikro”, in die immer mal wieder offene Propagandaelemente gestreut werden.
Dieses Lux-Exemplar ist bei genauer Betrachtung gespickt mit subtilen politischen Botschaften an die Sieben- bis Zehnjährigen. Kostprobe?
Seite 5 ein Gedicht über die Liebe, das beginnt mit der Zeile „Liebe will frei sein“ und endet mit den Zeilen „Was kann sie nicht sein? (Hass kann sie nicht sein.)“. Naja. Dumm aber harmlos, solange es einem beim framing nicht auf die eingeführten Begriffspaare ankommen will.
Nächste Seite große Überschrift „Es ist Fastenzeit!“ Die ist doch schon vorbei? Ach iwo, „Feiern & Feste: Ramadan“. Ach so. „Wann: 6. Mai bis 4. Juni 2019. Wo? Weltweit. Beliebte Tätigkeiten: Fasten, Beten, gemeinsames Abendessen.“ Weltweit, nicht etwa: in islamischen Ländern.
Ein paar Seiten weiter (dazwischen Märchen, Witze, Tiere) „Was gibt’s Neues, Europa?“ „Nie wieder Krieg!“ natürlich – dank der „Römischen Verträge“ 1957, dasselbe Info-Kastl endet mit dem Satz, leider wolle Großbritannien ausscheren, obwohl der Brexit doch „extrem kompliziert“ sei. Der Rest des Beitrags geht über den Euro. Kinder interessieren sich in der Tat oft für Geldscheine und zählen und vergleichen hingebungsvoll Münzen. Ganz sicher ist das Euro-Zeichen, das wie ein Satellit die Zahl umkreist, wenn man den Geldschein passend hält, „cool“.
Folgende Doppelseite enthält ein Liebesmärchen aus Afrika. Dann wieder Blumengärten, der Weltraum, Rätsel. Die letzten Seiten des Heftes sind umgekehrt zu lesen, das ist er englischsprachige Teil namens join in. Lerneinheit „family and friends“: „My step-mother’s name is Aylin. She has long black hair and she wears glasses.“ Die Gartenparty auf der Folgeseite ist natürlich hübsch divers bestückt. Danach ein Länderporträt Jamaica, dann Kompaßlesen und der Wüstenfuchs als Sachunterrichtsthemen. S.15 zeigt zwei wegweisende „faces“: einen Schwarzen mit Bart und eine Blondine, außerdem eine fröhliche Familie mit einer Latinaamama und einem schwarzen Papa, auf dessen T‑Shirt das rassetypische „E=mc²“ zu lesen ist.
Wie damit umgehen? Es würde mich brennend interessieren, da ich nun einmal eine gebürtige „Wessi“ bin, wie Kinder, Jugendliche und ihre Eltern die DDR-Jugendzeitschriften wahrgenommen haben. FRÖSI und die Trommel wurden genau wie unsere Topic und Lux von den Staatsschulen als Lesematerial empfohlen. Fielen die politischen Themen als solche auf? Nahm man das ernst oder lachten alle darüber? Gab es subliminale ideologische Beeinflussung, oder stach diese dem Leser sofort als überaus platt und absichtsvoll ins Auge? Was haben ausgerechnet Jugendzeitschriften überhaupt ausgerichtet und angerichtet? Erinnert man sich als Erwachsener noch daran?
Mein vorliegendes Lux-Exemplar ist weder besonders kraß (wie etwa diese offene politische Propaganda gegen die IB im Schulunterricht samt Vorschlag, sie in Topic zu drucken), besonders abartig (wie die hier reißerisch angeprangerten Sexualerziehungspläne) oder besonders einflußreich (Kinder schauen doch lieber YouTube als in Schulzeitschriften zu schmökern, seien wir ehrlich).
Und doch muß man als kluge, unverdrehte Eltern damit umgehen. In absteigender Reihenfolge der Radikalität ergeben sich mindestens die folgenden Handlungsmöglichkeiten, die wir situationsgerecht und je nach ganz individueller Lage und Konstitution haben. Es geht ja nicht um bestimmte Schülermagazine, um diese nur pars pro toto, sondern um einen ganzen Komplex:
1. Seine Kinder diesem Propagandasystem vollkommen entziehen. Eine solche blöde Zeitschrift gibt es dann in der Lügenwelt da draußen gratis und en gros, uns kommt sie nebst allen anderen Gehirnwaschmitteln nicht ins Haus. Dazu braucht man sein Kind nur auf einer Schule in freier Trägerschaft ohne öffentlichen Lehrplan anzumelden oder es – in Östereich möglich und erlaubt! – zuhause zu unterrichten. Das ist echtes „Anderssein“.
2. Kommt 1.) aus vielerlei Gründen nicht in Frage, und zieht man das Ding nun einmal allmonatlich aus der Schultasche, kann man es mit dem Kind einer kritischen Besprechung unterziehen. „Schülermanipulation“ (Helmut Schoeck) läßt sich umkehren. Das geht am besten durch Fragenstellen: Warum ist da ein schwarzer Papa zu sehen? Was heißt „Fastenzeit“ eigentlich? Wofür ist das hier eine Werbung? Ist das normal? Usw. Kinder verstehen erstaunlich schnell, daß ihnen da offensichtlich etwas schmackhaft gemacht werden soll. Doch ich schrieb nicht umsonst: Schülermanipulation läßt sich umkehren. Diese Zugangsweise ist nämlich ihrerseits nicht frei von Manipulation: man will als Eltern nicht, daß die eigenen Kinder etwas bestimmtes denken und glauben, sondern stattdessen das Gegenteil davon. Das „kritische Hinterfragen von Herrschaftsverhältnissen“ ist ursprünglich ein nicht unproblematisches Erziehungsmuster aus der Pädagogik der Neuen Linken.
3. „Ridicule is man’s most potent weapon“ (Saul Alinsky) – man mache sich gemeinsam mit dem Kind über zentimeterdick aufgetragene Propaganda lustig. Um das zu können, darf man eben nicht den kritischen Miesepeter spielen und jedes Regenbogeneinhorn, jedes Hootonplankindergartenbildchen und die natürlich nicht ausgebliebene Greta-Ausgabe von Topic aufs ideologiekritische Korn nehmen und drüber schimpfen. Humor gehört sparsam dosiert, vielleicht reicht bei unserem Lux-Heftchen das Einsteinleiberl für eine kleine Bemerkung. Ich gehe jede Wette ein, daß es ein ganzes Repertoire von DDR- und Ostblockwitzen gibt, aus dem wir Heutigen uns bedienen könnten um sie genüßlich weiterzuspinnen. Allerdings setzt die Humoroffensive ein bereits gut entwickeltes „gespaltenes Bewußtsein“ (so Hans Dieter Schäfer über das Seelenleben im 3. Reich) voraus: unterscheiden zu können zwischen offiziöser und privater Denk- und Sprachsphäre und diesen Unterschied als Familie auch zu kultivieren.
4. Kinder reagieren oftmals allerdings richtiggehend allergisch darauf, wenn Eltern ihre Lehrer, ihre Schule oder das „coole“ Projekt kritisieren. Sie identifizieren sich mit diesem Teil ihres Lebens zutiefst, was anthropologisch gesehen ganz normal und gut ist. Eine Heftbesprechung kann daher durchaus nach hinten losgehen, und schließlich ist auch nicht das eigene Kind der richtige Adressat der Beschwerde. Also los zur Lehrerin, mindestens ein nachhakendes E‑Mail abgeschickt. Die Notbremse (jegliches Auf-die-Pauke-Hauen: Direktor anrufen, Kind von Veranstaltungen abmelden, Medien einschalten, rechtliche Schritte) spare man sich tunlichst für die Extremfälle, die da vielleicht noch kommen werden an einer Schule mit öffentlichem Lehrplan im Laufe einer langen Schülerbiographie.
5. Doch man wird erfahren – ich habe es ausprobiert anhand anderer Situationen –: die Lehrerin fällt aus allen Wolken. Was soll bitteschön an dieser Zeitschrift „schlimm“ sein oder etwa den Kindern schaden? „Ich-sehe-was-das-du-nicht-Siehst“ haben wir diese völlige Inkompatibilität von Perspektiven in Mit Linken leben genannt. Genauso nämlich wie die Kinder umhüllt von ihrer eigenen Lebenswelt sind, sind es die Lehrer auch. Es verhält sich wie in der berühmten Metapher von dem Frosch, der langsam gekocht wird. Menschen sind Gewohnheits- und Perspektivübernahmetiere. Ohne Einbettung, Hülle, Vergemeinschaftung können sie nicht existieren. Wir werden stetig und ständig in Normalitäten hineinsozialisiert. Doch während man es den kleinen Kindern und den kleinen Fröschen nicht sagen kann, was mit ihnen passiert, kann man das bei den großen Lehrerinnen sehr wohl. Doch man muß sie behutsam entwöhnen. Der etwas zu heiß gebadete Frosch will wieder hinein in den warmen Komforttopf und hält den, der das Experiment abbricht, für einen Störer oder gar einen „rechten Verschwörer“. Sodaß auch dieser Schritt mit Vorsicht zu genießen ist, sonst ist das Vertrauensverhältnis zur Lehrerin gleich dahin, was allen Beteiligten schadet, und zwar mehr als das Schülermagazin. Viele Gespräche, auch mit anderen Eltern, ohne Angriff, ohne Polemik, ohne Drama können ein gangbarer Weg sein.
6. Anders leben. Die allerbeste Waffe gegen subtile und bisweilen auch etwas weniger subtile Propaganda in Unterrichtsmitteln und Massenmedien ist immer noch die heimische Wirklichkeit. Meistens muß man nämlich gar nicht direkt thematisieren, was das „falsche Leben“ (Hans-Joachim Maaz) so alles an immer neuen Schmankerln bereithält, sondern das richtige Leben leben. Nicht überall ist Schnellroda, braucht es auch gar nicht zu sein. Aber unsere Familie ist eben nicht multikulti, unser Eheleben geht nur die Erwachsenen etwas an, wir lesen andere Bücher vor, singen altmodische Lieder und machen allerhand einprägsame Ausflüge in Wald und Wiese. Und so weiter – das Gesamtbild dürfte klar sein. So eine sich undogmatisch behauptende und selbstverständliche Wald-und-Wiesen-Kindheit hat mit ein wenig Glück den Effekt der jüngerschen „Lektüren, die Impfungen gleichen“. Dann ist so ein Schülermagazin gar nicht mehr so wichtig, mögen die Macher, das „Österreichische Jugendrotkreuz“ und das „Bundesministerium für Bildung“ und ihre Geld- und Geisteskräftegeber auch noch so gute medienpsychologisch wirksame Indoktrinationsstrategien ersonnen haben. „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig!“
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Caroline Sommerfelds neues Buch Wir erziehen! Zehn Grundsätze ist bei Antaios erschienen und kann hier bestellt werden.
Caroline Sommerfeld
Mir schrieb gerade eine österreichische Mutter: natürlich könne man die Hefte auch nicht bezahlen - einfach abziehen vom Schulbeitrag, was man als Eltern inhaltlich nicht unterstützen will. Desgleichen Sexualprojekte. So frei seien wir ja immerhin noch.