Viel wird sich auf europäischer Ebene sowieso nicht ändern, da das EU-Parlament erstens wenig Befugnisse hat und zweitens der globalistische Mainstream weiterhin seine Mehrheiten findet. Dennoch ist es ein Schritt in die richtige Richtung, sofern man im Rechtspopulismus eine positive Kraft sieht.
Tatsächlich zeigt sich, daß die populistische und neue patriotische Bewegung nicht mehr verschwinden wird. Trotz massiver Maßnahmen zur Beschwichtigung und Vertuschung der Probleme, trotz Repression und Zersetzung, besteht ein Trend nach oben. Gleichzeitig führt uns das Scheitern der Koalition in Österreich das metapolitische Vakuum vor Augen. Solche Momente der Ernüchterung sind wichtig und wertvoll. Sie ermöglichen Selbstkritik.
Eine davon erschien unlängst auf diesem Blog und ist eine Abrechnung mit dem Rechtspopulismus. Dieser hochinteressante Text enthält eine klare Analyse der metapolitischen Orientierungslosigkeit rechter Parteien. Er zeigt wie sie sich zu verzweifelten Bremsern der linksliberaler Fortschrittslokomotive entwickelten. Getragen von einer Sehnsucht nach einem Stadium der apolitischen Wohlstandsseligkeit, die sich im Schatten des Kalten Krieges als Vasall der USA für Westeuropa ergab, ist man unfähig, Visionen zu formulieren.
Auf den ständigen Linksdrift des Overton-Fensters reagiert man mit plumpem Antiintellektualismus („gegen linke Studenten, die „was arbeiten sollen““) oder mit nicht weniger plumpen Verschwörungstheorien über die 68er. Man ist im permanenten Modus der fassungslosen Empörung über den „neuesten linken Wahnsinn“, das neueste Gendersternchen, die Abschaffung des Schnitzels in der Schulkantine oder die Zensur eines Kinderbuchs. Daß mit dieser Strategie der Provokation durch radikale Flanken eine langfristige metapolitische Strategie verfolgt wird, durchschaut man nicht – hat man doch selbst nicht den Ansatz eines langfristigen metapolitischen Plans.
Man ist dazu gar nicht in der Lage, weil man kein Ziel bestimmen könnte. Es fehlen eigene weltanschauliche Grundlagen, ebenso wie eine klare Feindbestimmung, die sich daraus ergibt. Zurecht nennt der Artikel hier Egalitarismus, Individualismus und Universalismus, die ideologische Schnittmenge zwischen Kommunismus, Islamismus und ihrem westlichen Widersacher.
Zurecht kritisiert der Autor des Textes die ethnokulturelle Blindheit unserer abstrakten Verfassungen, die ein homogenes Staatsvolk einfach unausgesprochen voraussetzen. Diese uneingestandene Vorraussetzung einer geschichtlich gewordene Gemeinschaft ist, wie Böckenförde bereits wußte, die Möglichkeitsbedingung für den Sozialstaat, die Demokratie und den säkularen Rechtsstaat. Die derzeitige Ersetzungsmigration stellt den liberalen Rechtsstaat daher vor Herausforderungen, die er nicht lösen kann.
Der abstrakte Sozialstaat, das Asylsystem, das Strafrecht und sogar Wahlrecht kapitulieren vor dem tribalistischen Instinkt importierter Clangemeinschaften. Die Hilflosigkeit der Rechtspopulisten, mit abstrakten Instrumentarien den Mißbrauch zu beenden oder gar den Großen Austausch zu stoppen, wird im Text klar und schonungslos dargestellt. Sein Fazit: Der Rechtspopulismus ist planlos und konzeptlos. Er ist an sich ein Protest- und Emergenzphänomen des linksliberalen „Fortschritts in den Abgrund“, welches ihn als dumpfer „Empörungsoundtrack“ begleitet, ihn maximal etwas bremsen, aber niemals stoppen oder umleiten kann
Bereits in meinem letzten Text mußte ich selbstkritisch feststellen, daß sich das Wähler- und Protestpotential der rechten Bewegungen mehrheitlich aus unmittelbar Betroffenen, aus der „Boomer“-Generation, speist, die, zurecht zornig auf die Masseneinwanderung reagieren. Wie die proaktive, idealistische Jugend mehrheitlich denkt, zeigt uns eine Statistik über die Erstwähler der EU-Wahl überdeutlich. Jedes Prozent für die Grünen ist ein Ausdruck des metapolitischen Versagens unseres Lagers. Der Text bringt das gut auf den Punkt, und ich empfehle jedem die Lektüre. Dennoch gibt es drei Punkte, die ich anders sehe und hier zur Debatte stellen möchte:
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1. Akzelerationismus
Der Text flirtet mit einem „metapolitischen Akzelerationismus“. Da die Rechtspopulisten die Entwicklung des Großen Austauschs nur bremsen können, würden sie pazifizierend auf die Bevölkerung wirken. Das verhindere eine Verschärfung der Lage, welche automatisch zu einer Verschärfung des Bewußtseins führen würde.
Das halte ich für den falschen Weg. Die Lage ist bereits verschärft. Was fehlt, ist ein Bewußtsein dafür, welches metapolitisch zu schaffen ist. Die Quantität der Morde, Vergewaltigungen, Überfremdungserfahrungen usw. wird nicht notwendig ab einem gewissen Niveau in die Qualität des Widerstands umschlagen. Der Artikel schlägt natürlich keine Gewalt, sondern eine metapolitische Reconquista vor, doch auch hier fehlt der kausale Zusammenhang. Die Christdemokraten, die gerade bei uns die stärkste Kraft sind, stehen für einen geordneten Bevölkerungsaustausch. Ein law&order-Nannystaat soll mit dem Zuckerbrot des Konsums und der Peitsche der Repression und Digitalzensur den Austausch friedlich abwickeln. (Ein Plan, der selbstverständlich niemals durchführbar ist und von einer arroganten Selbstüberschätzung „westlicher Werte“ sowie einer totalen Unterschätzung demographischer Realitäten lebt.)
Die Rechtspopulisten kritisieren diesen Plan immer wieder und sorgen durch die Thematisierung der Identitätsfragen für eine Verschärfung des Bewußtseins für den Bevölkerungsaustausch. Das beste Beispiel dafür ist die FPÖ, die durch ständige populäre Thematisierung der Migrationsfrage in Österreich ein drittes Lager geschaffen, Millionen Menschen politisiert und einen Wählerkern von rund 18% geschaffen hat. (Wahlforschung zeigt, daß Ablehnung von Zuwanderung in Wahlkampfzeiten am höchsten ist, wenn sie da am meisten thematisiert und bewußt gemacht wird.) Das Land ist dadurch insgesamt „rechter“ geworden.
Das löst das Problem nicht, aber gibt uns eine besser Ausgangslage und ein größeres Kräftereservoir für alternative Ansätze. Diese müssen sich im Rahmen einer Bewußtseinsbildung für die bereits jetzt katastrophale Lage bewegen. Dazu gehören auch die – bisher konzeptlosen – Proteste der Rechtspopulisten, die der metapolitischen Vertiefung durch Theoriearbeit bedürfen. Die Vertuschungstaktik der Christdemokraten ist klar zu bekämpfen.
Im Text steht: „Rechtspopulisten binden Ressourcen an eine Hoffnung, die – wie aufgezeigt wurde – nicht einlösbar ist. Sie machen Vorgänge durch Verlangsamung, wenn auch nicht gewollt, akzeptabel.“ Zur Einlösbarkeit, also der Möglichkeit, den Großen Austausch im Status Quo zu beenden, äußere ich mich im 3. Punkt. Doch bereits die Verlangsamung seines Ablaufs durch Verringerung der Ersetzungsmigration gibt uns wichtige Jahre oder Jahrzehnte, in denen an einer metapolitischen Wende gearbeitet werden kann. Das ist ein logischer strategischer Schluß für jeden, der tatsächlich eine langfristige Strategie verfolgt.
Im Akzelerationismus schwingt jedoch immer die Anti-Strategie des Krisenkults mit. Eine erlösende Krise soll die eigene Ohnmacht und Planlosigkeit eruptiv beseitigen. Das ist im Text nicht explizit angesprochen, aber könnte eine naheliegende, riskante Schlußfolgerung sein. Zusammenfassend sehe ich die rechtspopulistischen Parteien also positiv in ihrer Funktion des Protests und teilweisen Verschärfung des Bewußtseins, womit sie immerhin einen Resonanzraum (3. Lager) schaffen, der allerdings metapolitischer Aktivierung bedarf.
Auch die Bremswirkung verschafft einer möglichen politischen Strategie immerhin mehr Zeit, was ebenso zu begrüßen ist. Bei einem Wegfall dieser Parteien und einer Beschleunigung, sehe ich keine notwendig daraus folgenden Vorteile.
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2. Die Freisetzung der Kräfte
Im Text werden die rechtspopulistischen Parteien als eine Art Opium für die Bewegung kritisiert. Sie „hemmen die Widerstandsbereitschaft der heimischen Bevölkerung durch Verlangsamung eines Prozesses und durch den Glauben, liberale Politik könne Migration rückgängig machen oder stoppen.“ Darin enthalten ist der Gedanke, dass eine Zerschlagung oder ein Wegfall rechter Parteien Kräfte freisetzen würde, die sich dann automatisch in besseren Bewegungen sammeln würden.
Tatsächlich kann und soll es eine gesunde Konkurrenz zwischen rechten Akteuren geben. Nach dem Gesetz des Stärkeren „übernehmen“ die besseren Parteien, Bewegungen, Magazine und Demos die Ressourcen ihrer Mitbewerber, und das ist gut so. (Ich wünsche mir seit langem eine „fruchtbare Konkurrenz“ für die IB, die Dynamik in den neurechten Aktivismus bringen könnte.) Doch eine Hemmung der Widerstandskräfte durch rechtspopulistische Parteien halte ich für inexistent.
Im Gegenteil: Ihr Wählerpotential ist, wie oben beschrieben, ein idealer Resonanz- und Unterstützungsraum für metapolitische Projekte. Ihre Popularisierung von Begriffen ist ein großartiges Werkzeug für Begriffs- und Ideenschmieden – vorausgesetzt, sie existieren.
Eine Zerschlagung von Strukturen zur Freisetzung von gebundenen Kräften ist nur dann sinnvoll, wenn es eine konkrete andere Organisation gibt, in die sie einfließen können. Sonst findet eine Zerstreuung, Isolation und Demoralisierung statt, welche das Hauptziel des politischen Gegner ist. Die bestehenden Strukturen und Verbände politischer Parteien, kultureller Verbände und Organisationen im rechten Lager sind für den Metapolitiker kein Hindernis, sondern im Gegenteil ein Ackerboden, in den er seine Ideen streuen will. Wenn dort ein ideologisches Vakuum vorherrscht, macht sie das umso fruchtbarer.
Eine Steigerung von Widerstandsbereitschaft ist nur sinnvoll, wenn es ein anderes Widerstandskonzept gibt. Die Taktik der Metapolitik ist, wie Guillaume Faye schreibt, eine Art „Umweg“. Das Ziel muß aber immer die realpolitische Veränderung sein, die sich heute in parteipolitischer Arbeit äußert. Der völlige Wegfall parteipolitischer Kräfte würde der metapolitischen Arbeit erstens das Zielsystem nehmen und zweites keine erhöhte Widerstandsbereitschaft erzeugen.
Auch die Hoffnung auf einen gangbaren Weg zu Veränderung halte ich für enorm wichtig für jede Form der Mobilisierung. Jede Bewegung braucht einen politischen „Mythos der Machbarkeit“, selbst wenn er nur ein Leitstern ist, auf den man sich zubewegt. Die Hoffnung auf eine politische Veränderung der Lage zu zerstören, ohne eine andere Lösung präsentieren zu können,ist kein befreiender, sondern demoralisierender Akt, zumal es tatsächlich einen „path to victory“ gibt.
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3. „Liberalismus ohne Überfremdung“
Dieser Teil des Textes schlägt in die Kerbe einer beliebten Kritik. Es ist die Frage nach der „westlichen Wohlstandsfestung“. Kurz gefaßt lautet sie: „Ist im geistesgeschichtlichen, politischem, legalen, und ökonomischen Status Quo des Westens eine Beendigung des Großen Austauschs und ein Erhalt der ethnokulturellen Identität möglich?“ Der Text antwortet mit einem klaren „Nein“, begründet das aber mit einer Falschaussage: „Der liberale Staat kennt keine ethnokulturelle Identität seiner Bürger. Keine westliche Nation von Relevanz hat die Verteidigung der ethnokulturellen Identität zum Inhalt einer Verfassungsurkunde.“
Mit Ungarn, Japan, Israel und vielen weiteren real existierenden, westlich-liberalen Staaten ist ein empirischer Gegenbeweis möglich. Auch sie sind, wie der gesamte Planet, vom Zeitgeist des Kapitalismus, Liberalismus und Individualismus beherrscht. Die totale Mobilmachung aller und die totale Kommodifizierung von allem hat sie ebenso erfasst. Auch ihr Dasein ist entfremdet und zerstreut. Ihre nationale Identität weist entsprechende Widersprüche und Brüche auf.
Dennoch steht sie außer Debatte – und in der Verfassung. Sowohl in Ungarn als auch in Israel ist der Erhalt der ethnokulturellen Identität des Staatsvolks gesetzlich vorgeschrieben und das schlägt sich in der Migrationspolitik nieder. Auch in den USA gab es nach dem Krieg noch ein Migrationsystem mit ethnokulturellen Quoten. Was spricht dagegen, genau diese politische Praxis real existierender westlich-demokratischer Staaten auch für uns einzufordern?
Ich halte es daher für theoretisch und empirisch falsch zu behaupten, dass eine Erhaltung der nationalen Identität nur nach einer Überwindung des westlichen Liberalismus oder gar seiner Rechts- und Verfassungsordnung möglich ist. Selbst in der Ära des Kommunismus konnten sich die nationalen Identitäten erhalten. Der Nationalstaat ist, auch in seiner abstrakten und entkernten Form, ein Brennpunkt nationaler Identität. Seine bloße Existenz ist die Negation der One World, Garant des Politischen und damit die Grundlage einer agonalen multipolaren Welt.
Das ist der Grund, warum die Globalisten, liberaler und marxistischer Prägung, ihn zerstören wollen. Sowohl Marx als auch Hayek haßten die nationale Identität und ihre politische Repräsentation, den Nationalstaat. Hayek wetterte aus demselben Grund wie Marx gegen „die künstlich herbeigeführte Wirtschaftssolidarität sämtlicher Bewohner jedes einzelnen Landes“ (Road to Serfdom, S.199). Die Faktizität der Nationalstaaten widerspricht ihrer universalistischen und globalistischen Ideologie. Die Pfadabhängigkeit einer divergenten Weltgeschichte, deren Träger Völker und Nationalstaaten, nicht aber abstrakte Ideologiekollektive sind, ist der Alptraum für jeden Marxisten und Neocon.
Auch der dumpfeste WM- und Standortpatriotismus sowie die bürokratische Grenzziehung zwischen Staatsbürgern und Ausländern, ist noch ein Residuum der Geschichtlichkeit, des Dezisionismus, der Freiheit und Vielfalt, kurz des Daseins. Die EU- und Eurokritik, ebenso wie die Brexit-Wahl, waren „Proxy-Wahlen“ einer dumpfen und leider fehlgeleiteten Sehnsucht nach nationaler Identität.
Jede Assimilationspolitik in europäischen Nationalstaaten muß nun notwendigerweise die Frage nach Assimilationskapazitäten stellen. Ihr Zielsystem ist immer eine ethnokulturelle, geschichtliche Gemeinschaft und ein generationenübergreifendes „Wir“ Gefühl, mag es sich auch noch so „abstrakt“ und „civic“ gerieren. Jede ehrliche Frage nach Assimilationsfähigkeit wird und muss dabei zu entsprechenden Einwanderungsquoten kommen, welche die nichteuropäische Migration auf ein Minimum reduziert. Sogar die rationalistischen Gaullisten mit ihrer „chemischen“ Vernunftsnation wußten das, als ihnen der Ethnomasochismus noch nicht das Hirn vernebelte.
„Es ist sehr gut, dass es Franzosen mit gelber, schwarzer, brauner Hautfarbe gibt.Sie zeigen, dass Frankreich für alle Rassen offen ist und eine universale Berufung hat. Aber unter der Vorraussetzung, dass sie eine kleine Minderheit bleiben.Denn sonst ist Frankreich nicht Frankreich. Wir sind – trotz allem – zuallererst immer noch ein europäisches Volk mit weißer Hautfarbe, mit einer Kultur griechischer und lateinischer Wurzeln und mit christlicher Religion. Ich rede hier nicht von der Vergangenheit! Die Araber sind Araber, die Franzosen Franzosen. Glauben Sie, dass das französische Volk zehn Millionen Muslime aufnehmen kann,die morgen zwanzig Millionen sein werden und übermorgen vierzig Millionen? Denn wir sind vor allem ein europäisches Volk, das zur weissen Rasse, zur griechischen und lateinischen Kultur und zum christlichen Glauben gehört.“
Charles de Gaullle, 1959
Der Multikulturalismus und die ethnische Fragmentierung gefährden auch den Staat sogar in seinem reinen Funktionsmodus als wirtschaftliche Solidargemeinschaft. Eine funktional-strukturelle Kritik am Großen Austausch im Stile Sarrazins ist zwar verkürzt, aber richtig: Selbst wenn man der ethnokulturellen Identität und relativen Homogenität der Gesellschaft keinen essentiellen Wert zuspricht, muss man sie als Grundlage für Demokratie, Rechts- und Sozialstaat anerkennen.
Eine aggressive Globalisierung, welche diese Größen beseitigen will, attackiert daher gezielt und unbeirrbar die nationale Homogenität. Sie will so die Demokratie und den Nationalstaat als politischen Akteure ausschalten.
Zusammengefaßt: Die ontologische Verfaßtheit der Moderne ist zu universal, man kann zu ihr nicht in Totalopposition gehen. Sie ist aufgrund ihrer ökologischen, sozialen und politischen Widersprüche zu kritisieren und zu überwinden, was aber nur im Zuge einer immanenten Kritik und Kursänderung, nicht von einer Kehrtwende abhängen kann.
Zweitens erachte ich den Erhalt und die Verteidigung der ethnokulturellen Identität im Rahmen des rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Status Quo für möglich, wie westliche Staaten beweisen, welche die ethnokulturelle Identität in den Verfassungsrang heben. Es gibt also einen zwar deformierten, aber halbwegs stabilen “Aggregatzustand” nationaler Identität unter dem gottlosen Krummstab der Moderne.
Drittens ist die nationale Identität und ihr politischer Vertreter, der Nationalstaat, der letzte Ort, von dem aus dieser Status Quo immanent kritisiert und vielleicht überwunden werden kann. Und viertens sehe ich im Verfassungs- und Standortpatriotismus der europäischen Nationalstaaten (und sogar der Union) einen Standby-Modus des Daseins, ein latent-identitäres Potential, das gegen den Universalismus und die Globalisierung zu entfesseln wäre.
MARCEL
Die Diskussionen erinnern ein wenig an Lenins massive Ablehnung von reiner Gewerkschaftsarbeit, letztlich an die Dauerfehde zwischen Bolschewiken und Menschewiken im klassischen linken Lager, Stichwort: Revolution statt sozialer Wohltaten (in Lenins fanatischen Augen: Korrumpierung der Sache).
Georges Sorel wusste vom Mythos als Antrieb jedes Kampfes (nicht notwendigerweise sein Ziel!).
Unsere Gesellschaften kennen keinen Mythos mehr, allenfalls Mythen, wie z.B. den rein menschengemachten Klimawandel o.ä.
Die Neue Rechte "leidet" zudem an einer intellektuellen Redlichkeit im Sinne Mohlers, der immer wiederholte, dass Realität ihr eigenes Recht setzt und sich keinen Ideologien unterordnet. Mit dieser Art aufgeklärten Skeptizismus oder amor fati beraubt man sich der Energie für den anstehenden Kampf. Diese Energie speist sich aus anderen Quellen als philosophischen Einsichten, seien sie auch noch so zutreffend.
Was wäre unser Mythos, unser Glaube, der uns antreiben, Opfer bringen und gleichzeitig zusammenschweißen würde? Wo ist unsere Ahnenreihe, von der Kraft schöpfen?
Vielleicht bleibt unterm Strich nur der identitäre Selbsterhaltungstrieb übrig - das wäre für heutige Verhältnisse in unseren Breiten immerhin nicht wenig!