Denn in einer postheroischen Gesellschaft genießen jene hohes Ansehen, die sich scheinbar selbstlos dafür einsetzen, benachteiligten Menschen zu helfen, und nicht mehr jene, die in einem Krieg ihr Leben – vielleicht sogar noch aus patriotischen Motiven – riskieren.
Dieses Stimmungsbild sagt freilich nichts über den Erfolg gutgemeinter Initiativen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus. Ist es wirklich der richtige Weg, afghanischen Frauen Fahrräder zu schenken, damit sie sich von den Taliban fernhalten? Die amerikanische Politikwissenschaftlerin Patrice McMahon hat dies für den Zeitraum seit Ende des Kalten Krieges untersucht und kommt zu einem Befund, der den wenigsten gefallen dürfte.
Internationale NGOs kritisiert sie wegen übermäßiger finanzieller Interessen und eines fehlgeleiteten Altruismus. Lokalen NGOs von Einheimischen wirft sie vor, sich ihre Ziele von ihren Geldgebern diktieren zu lassen und so die Bedürfnisse des eigenen Volkes aus den Augen zu verlieren. Und dem Westen mit den USA an der Spitze weist sie das Scheitern der verfolgten, interventionistischen Außenpolitik mit menschlichem Antlitz nach.
Insbesondere sei es beinahe unmöglich, mit NGOs der »internationalen Gemeinschaft« die Vergangenheitsbewältigung zu lenken. Die Einheimischen würden dies als »bevormundend, unpassend und von Ungeduld geprägt« wahrnehmen. Als ebenso kompliziert hätte sich die Aussöhnung zwischen verschiedenen Ethnien erwiesen, so daß sich die meisten Projekte als Zeitverschwendung herausstellten.
Obwohl ihr Buch stellenweise sehr langatmig ist und McMahon sich mit Details verzettelt, gelingt es ihr dennoch, die dürftige Bilanz der NGOs in einen größeren, zeithistorischen Kontext einzubetten. Der Westen setzte auf diese Organisationen, als er bereits an imperialer Überdehnung (imperial overstretch) litt und aus diesem Grund Verantwortung abgeben wollte. Inzwischen dürfte sich aber zumindest bei den politischen und militärischen Eliten die Überzeugung durchgesetzt haben, daß mit den Beschäftigungstherapien der NGOs kein Blumentopf zu gewinnen ist. McMahon begründet diese Vermutung mit dem fehlenden Ehrgeiz des Westens, in Libyen eine Zivilgesellschaft aufzubauen.
Eine liberale Demokratie läßt sich anscheinend weder mit Drohnenkriegen noch Stuhlkreisen installieren. Es liegt somit nahe, dem Westen zu empfehlen, sich auf sich selbst zu konzentrieren.
Patrice C. McMahon: Das NGO-Spiel. Zur ambivalenten Rolle von Hilfsorganisationen in Postkonfliktländern, Hamburg: Hamburger Edition 2019. 312 S., 35 € – hier bestellen
Weltversteher
Ein bißchen platt, den Leser vor die Wahl zu stellen, die NGOen zu bejubeln oder sich aus Heldenlust für einen Krieg zu interessieren. Auch geschmacklos.
Mit solchem Kriegsbereitschaftsgemurmel wird in diesem Lager aus meiner Sicht gern der Verdacht fehlender Männlichkeit abgewiegelt.
Es wäre sehr verdienstvoll, wenn sich hiesige Beteiligte unter Frieden mal etwas anderes als Verhausschweinung vorzustellen versuchten. Klar, viele glauben nicht mal an eine mögliche Herrschaftsfreiheit. Eine echte Friedlichkeit wäre vor allem der größte Triumph gegen volksfremde Kriegstreiber, ohne die schon seit mehr als einem Jahrhundert nichts Größeres vom Zaune bricht.