Das Glück des Mannes heißt: ich will. Das Glück des Weibes heißt: er will. Nun, darauf läuft diese Studie der promovierten (Promotionsthema: Jeder hat seinen eigenen Holocaust, 2007) Fachfrau hinaus! Es gab in den vergangenen Jahrzehnten hunderte Titel zur ungefähren Frage, warum der Feminismus a) so wichtig und b) dennoch gescheitert sei. Frau Konrad verweigert sich der mutmaßlich gültigen Antwort (siehe Nietzsche) und hat dabei doch ein äußerst lesenswertes und – mit Ausnahme des obengenannten Casus Knaxus – wohldurchdachtes Buch über weibliche sexuelle Selbstbestimmung im 21. Jahrhundert geschrieben. Das letzte ihrer dutzenden Zwischenkapitel (darunter beispielsweise: Schau! Mich! An! Warum sexy wichtiger ist als lustvoll oder Geiz ist geil und Flatrate-Bumsen – Die billige Frau) darf man paradigmatisch lesen: Das Diktat der sexuellen Freiheit oder der große Bluff.
Wie schrieb Hippokrates, hier den Erzreaktionär gebend, im vierten vorchristlichen Jahrhundert? »Die Gebärmutter ist ein Tier, das glühend nach Kindern verlangt. Bleibt dasselbe nach der Pubertät lange Zeit unfruchtbar, so erzürnt es sich, durchzieht den Körper – und erzeugt allerlei Krankheiten.« Auch in folgenden Zeiten wurden Symptome wie Zähneknirschen, übergroße Ängstlichkeit oder »Erstickungsanfälle« mit einer arbeitslosen Gebärmutter erklärt. »Laß sie heiraten, und die Krankheit wird verschwinden«, riet Hippokrates. Gegen solche Ratschläge freilich sind familienpolitische Erwägungen selbst der AfD hyperfeministische Aufwallungen!
Spaß beiseite: Sandra Konrad hat als Paartherapeutin rund siebzig Frauen (achtzehn- bis fünfundvierzigjährig) über »ihre Sexualität« befragt. Frauen gehen heute unverbindliche (und auch als solches etikettierte) Sexualbeziehungen per Tinder etc. ein. Sie haben Affären, gucken Pornos und kaufen Sexspielzeug, eventuell vergnügen sie sich als Sextouristinnen in Afrika. »Die neue Frau erscheint in vielerlei Hinsicht wie der alte Mann: Sie sollen sexuell aktiv sein und Sex und Gefühle säuberlich trennen können.« Oft (Konrads Gesprächspartnerinnen liefern beredte Beispiele), wird die als »typisch weiblich« bewertete Sehnsucht nach einer Liebesbeziehung unterdrückt, um nicht schwach und abhängig zu wirken.
Wer sich je in »Freierforen«, sprich auf Bewertungsseiten für »Clubs« und Prostituierte umgeschaut hat (Konrad hat es; aus Sittengründen sehe ich von Zitaten ab), macht sich ohnehin keine Illusionen über den Spielstand zwischen Anthropologie und Feminismus.
Sandra Konrad schildert Tatsachen. Sie beklagt, daß es läuft, wie es läuft im Spiel der Geschlechter. Anläßlich der aufsehenerregenden feministischen Rede, die die Schauspielerin Emma Watson 2014 hielt, hebt sie die Beschimpfungen hervor, die Watson erhielt – in Wahrheit war die jubelnde Seite weit stärker. Hinter all dem stehen komplizierte Ideologien und Wunschvorstellungen zur allseits befreiten Frau. In Wahrheit aber mußte es so kommen, zur pornofizierten, kernhaft unglücklichen Frau, die nach dem Geschlechtsverkehr weinen muß, und zwar in Wahrheit deshalb, weil es wieder, in biologischer Hinsicht und aus Verhütungsgründen, eine Nullnummer war. Frau Konrad schält in diesem Buch sehr exakt heraus, inwiefern sich Frauen heute in sexueller Hinsicht dem Willen des Mannes (und dem »Trend«, Bravo : »Guck den Typen immer leicht von unten an. Das wirkt am süßesten.«) beugen. Allein, sie adressiert die Schuld falsch. Wieder so ein Buch für meine älteren Töchter.
Sandra Konrad: Das beherrschte Geschlecht. Warum sie will, was er will, München: Piper 2019. 382 S.,12 €.