Sandra Konrad: Das beherrschte Geschlecht

Falls ich es nicht überlesen habe, hat sich die Psychologin und Sozialwissenschaftlerin Sandra Konrad jenen berühmten Aphorismus von Friedrich Nietzsche entgehen lassen:

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Das Glück des Man­nes heißt: ich will. Das Glück des Wei­bes heißt: er will. Nun, dar­auf läuft die­se Stu­die der pro­mo­vier­ten (Pro­mo­ti­ons­the­ma: Jeder hat sei­nen eige­nen Holo­caust, 2007) Fach­frau hin­aus! Es gab in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten hun­der­te Titel zur unge­fäh­ren Fra­ge, war­um der Femi­nis­mus a) so wich­tig und b) den­noch geschei­tert sei. Frau Kon­rad ver­wei­gert sich der mut­maß­lich gül­ti­gen Ant­wort (sie­he Nietz­sche) und hat dabei doch ein äußerst lesens­wer­tes und – mit Aus­nah­me des oben­ge­nann­ten Casus Kna­xus – wohl­durch­dach­tes Buch über weib­li­che sexu­el­le Selbst­be­stim­mung im 21. Jahr­hun­dert geschrie­ben. Das letz­te ihrer dut­zen­den Zwi­schen­ka­pi­tel (dar­un­ter bei­spiels­wei­se: Schau! Mich! An! War­um sexy wich­ti­ger ist als lust­voll oder Geiz ist geil und Flat­rate-Bum­sen – Die bil­li­ge Frau) darf man para­dig­ma­tisch lesen: Das Dik­tat der sexu­el­len Frei­heit oder der gro­ße Bluff.

Wie schrieb Hip­po­kra­tes, hier den Erz­re­ak­tio­när gebend, im vier­ten vor­christ­li­chen Jahr­hun­dert? »Die Gebär­mut­ter ist ein Tier, das glü­hend nach Kin­dern ver­langt. Bleibt das­sel­be nach der Puber­tät lan­ge Zeit unfrucht­bar, so erzürnt es sich, durch­zieht den Kör­per – und erzeugt aller­lei Krank­hei­ten.« Auch in fol­gen­den Zei­ten wur­den Sym­pto­me wie Zäh­ne­knir­schen, über­gro­ße Ängst­lich­keit oder »Ersti­ckungs­an­fäl­le« mit einer arbeits­lo­sen Gebär­mut­ter erklärt. »Laß sie hei­ra­ten, und die Krank­heit wird ver­schwin­den«, riet Hip­po­kra­tes. Gegen sol­che Rat­schlä­ge frei­lich sind fami­li­en­po­li­ti­sche Erwä­gun­gen selbst der AfD hyper­fe­mi­nis­ti­sche Aufwallungen!

Spaß bei­sei­te: San­dra Kon­rad hat als Paar­the­ra­peu­tin rund sieb­zig Frau­en (acht­zehn- bis fünf­und­vier­zig­jäh­rig) über »ihre Sexua­li­tät« befragt. Frau­en gehen heu­te unver­bind­li­che (und auch als sol­ches eti­ket­tier­te) Sexu­al­be­zie­hun­gen per Tin­der etc. ein. Sie haben Affä­ren, gucken Por­nos und kau­fen Sex­spiel­zeug, even­tu­ell ver­gnü­gen sie sich als Sex­tou­ris­tin­nen in Afri­ka. »Die neue Frau erscheint in vie­ler­lei Hin­sicht wie der alte Mann: Sie sol­len sexu­ell aktiv sein und Sex und Gefüh­le säu­ber­lich tren­nen kön­nen.« Oft (Kon­rads Gesprächs­part­ne­rin­nen lie­fern bered­te Bei­spie­le), wird die als »typisch weib­lich« bewer­te­te Sehn­sucht nach einer Lie­bes­be­zie­hung unter­drückt, um nicht schwach und abhän­gig zu wirken.

Wer sich je in »Frei­er­fo­ren«, sprich auf Bewer­tungs­sei­ten für »Clubs« und Pro­sti­tu­ier­te umge­schaut hat (Kon­rad hat es; aus Sit­ten­grün­den sehe ich von Zita­ten ab), macht sich ohne­hin kei­ne Illu­sio­nen über den Spiel­stand zwi­schen Anthro­po­lo­gie und Feminismus.

San­dra Kon­rad schil­dert Tat­sa­chen. Sie beklagt, daß es läuft, wie es läuft im Spiel der Geschlech­ter. Anläß­lich der auf­se­hen­er­re­gen­den femi­nis­ti­schen Rede, die die Schau­spie­le­rin Emma Wat­son 2014 hielt, hebt sie die Beschimp­fun­gen her­vor, die Wat­son erhielt – in Wahr­heit war die jubeln­de Sei­te weit stär­ker. Hin­ter all dem ste­hen kom­pli­zier­te Ideo­lo­gien und Wunsch­vor­stel­lun­gen zur all­seits befrei­ten Frau. In Wahr­heit aber muß­te es so kom­men, zur por­no­fi­zier­ten, kern­haft unglück­li­chen Frau, die nach dem Geschlechts­ver­kehr wei­nen muß, und zwar in Wahr­heit des­halb, weil es wie­der, in bio­lo­gi­scher Hin­sicht und aus Ver­hü­tungs­grün­den, eine Null­num­mer war. Frau Kon­rad schält in die­sem Buch sehr exakt her­aus, inwie­fern sich Frau­en heu­te in sexu­el­ler Hin­sicht dem Wil­len des Man­nes (und dem »Trend«, Bra­vo : »Guck den Typen immer leicht von unten an. Das wirkt am süßes­ten.«) beu­gen. Allein, sie adres­siert die Schuld falsch. Wie­der so ein Buch für mei­ne älte­ren Töchter.

San­dra Kon­rad: Das beherrsch­te Geschlecht. War­um sie will, was er will, Mün­chen: Piper 2019. 382 S.,12 €.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)