Kaum war der lang erwartete Film, der ihr Opus magnum werden sollte, auf Youtube und anderen Kanälen veröffentlicht worden, als die erst 24jährige Southern auf ihrer Netzseite bekannt gab, daß sie sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen werde, um sich fortan ihrem Studium und ihrer Familie zu widmen. Dies kam ziemlich überraschend und wirkte ziemlich enttäuschend. Wenige ahnten, daß dies nur der Anfang eines größeren Abbruchmanövers sein sollte, das nun zu einem regelrechten Skandal explodiert ist.
Milo Yiannopoulos, selbst nicht gerade der edelste Charakter mit der reinsten Weste, veröffentlichte am Montag auf seinem Blog ein ausuferndes Dossier, das unzweifelhaft belegt, daß Southerns Mitarbeiter Caolan Robertson und George Llewelyn-John (ein schwules Paar) enge Kontakte zu der britischen Antifa-Organisation “Hope Not Hate” haben, der sie intime Informationen über quasi die gesamte anglo-rechte Szene zuspielten, während sie diese gleichzeitig massiv erpressten und abzockten. Dabei ging es offenbar vorrangig um Geld und Geltungssucht. Die Opfer ihrer Machenschaften lesen sich wie das Who-is-Who der alternativen Medienszene: Unter anderem Tommy Robinson, Gavin McInnes, Ezra Levant oder Milo selbst.
Southern hatte schon während der Dreharbeiten nachweislich Kenntnis von diesen Kontakten und Aktivitäten. Bis zu welchem Grad, ist unklar, aber es stehen schwere Vorwürfe gegen sie im Raum. Da sie zu den beliebtesten und respektiertesten Protagonisten der Szene zählt, bekamen Robertson und Llewelyn-John einen erheblichen Vertrauensbonus, der ihnen Zugang zu nahezu sämtlichen “Stars” des rechten Spektrums verschaffte. Es mag sein, daß sie willentlich beide Augen verschloß, weil das Gelingen ihres Filmprojekts, das unter großem Druck entstand, auf das fragwürdige Duo angewiesen war.
Aber alles nach der Reihe.
“Borderless” ist professionell gemacht und demonstriert eindrucksvoll, wie intelligenter nicht-linker Journalismus aussehen könnte. Der Film eignet sich exzellent dafür, den beginnenden Zweiflern und “Normalos”, die sich noch innerhalb des Mainstreamnarrativs zur Flüchtlingskrise bewegen, alternative Blickwinkel aufzuzeigen.
Southern bemüht sich um einen moralischen Standpunkt jenseits eines sentimentalen, globalistischen Humanitarismus und betont, daß die Massenmigration viele Verlierer – Migranten ebenso wie einheimische Europäer – hervorbringe und wenige Gewinner, wie Menschenschmuggler und NGOs. Gewiß gibt es etliches, das man an diesem Bild kritisieren und ergänzen könnte. Empathie für Migranten etwa ist das Dauerprogramm der Mainstreammedien; hier hätte Southern vielleicht deutlicher zeigen können, wie die europäische Bevölkerung unter dem Ansturm leidet.
Im Rückblick gibt es einige Stellen in diesem Film, in denen sich Southerns Rückzug bereits ankündigt, insbesondere ihr Resümee am Schluß. Der Tenor ist derselbe wie in ihrem “Abschiedsbrief” und einer Rede, die sie im Februar vor einem kleinen Publikum im EU-Parlament gehalten hat und die verdächtigerweise den Titel “Changing My Mind On Immigration” trägt (angeblich hat sie George Llewelyn-John verfaßt, der sich inzwischen als “liberal” bezeichnet).
Southern hat sich also schon seit einigen Monaten eine Art Ausstiegsterrain bereitet. Zusammengefaßt etwa so: Die Arbeit an “Borderless” habe ihr gezeigt, daß das Thema Migration “mehr Grauzonen” habe, als sie bisher dachte. Ihr Mitgefühl für die Migranten sei gewachsen. Sie habe erkannt, daß sie noch viel über die Beschaffenheit der Welt lernen müsse. Die Zeiten eines provokanten Aktivismus und Journalismus seien vorbei, nun sehe sie manche Dinge viel differenzierter als früher. Und schließlich habe sie das Leben als Persönlichkeit der alternativen sozialen Medien zunehmend der Wirklichkeit entfremdet.
Man muß nicht besonders boshaft sein, um zu erkennen, daß sich Southern hier offenbar ein paar Hintertürchen und das Fundament einer womöglich zukünftigen Story gezimmert hat, in der sie ihre Vergangenheit als rechte Reporterin als Jugendsünde abschreiben kann. Hat ihr Rücktritt also andere Gründe als die genannten?
Wesentliche Dinge hat sie allerdings noch nicht widerrufen, im Gegensatz zu Caolan Robertson, der wenige Tage vor dem Platzen von Milos “Bombe” eine Presseerklärung an ausgewählte Journalisten verschickte, in der er beteuerte, durch die Dreharbeiten an “Borderless” sein humanitäres Herz entdeckt zu haben. Es seien etwa Ezra Levants Rebel Media, Stefan Molyneux und Gavin McInnes gewesen, die ihn “radikalisiert” hätten. Mehr und mehr wäre er in eine Blase ohne “echte Menschen” abgeglitten, aus der er nun endlich erwacht sei.
Das ist natürlich von A‑Z unglaubwürdig. Robertson und sein Partner waren mit ziemlicher Sicherheit tatsächlich die geldgierigen, narzißtischen Vipern, als die sie nun erscheinen. Allerdings kann man ähnliches von Yiannopoulos selbst sagen, der sein Dossier mit böswilligem Klatsch angereichert hat. Und auch Tommy Robinson scheint in allerlei zwielichtige Operationen verstrickt zu sein, was seine Erpreßbarkeit steigert. Wer will, kann das Melodrama in voller Länge hier nachlesen.
Es kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die anglophonen alternativen Medien insgesamt unter schwerem Beschuß stehen. Youtube führte unlängst eine massive politische Säuberung durch, offenbar auf der Basis von entsprechend programmierten Algorithmen. Hunderte Videos wurden gelöscht, dutzende Kanäle “entmonetarisiert” (d. h., sie können kein Geld mehr durch Werbeeinnahmen verdienen), etliche komplett gesperrt. Bei vielen wurde die “Superchat”-Funktion entfernt, eine weitere Möglichkeit, Geld durch Streams einzunehmen. Das Spektrum der Betroffenen reicht von den etwas kantigeren Exemplaren des Mainstreamkonservatismus über Vertreter der “Alt-Lite” (also der “civic nationalists” im Gegensatz zu den “ethnic nationalists” der Alt-Right) bis hin zum rechten lunatic fringe (so erwischte es auch den Kanal der Black-Metal-Legende Varg Vikernes).
Ausgangspunkt waren Anklagen des linken, schwulen Journalisten Carlos Maza, der den konservativen Youtuber Steven Crowder (der fast 4 Millionen Abonnenten hat und gelegentlich auch Lauren Southern auf seinen Kanal einlud) der “Haßrede” bezichtigte (das ist ein starkes Stück von einem Mann, der die physische “Erniedrigung” von Konservativen forderte). Er brach eine Pressekampagne vom Zaun, in der Crowder als “homophober Rassist” hingestellt wurde: Es sei ein Skandal, daß diese homophobe Hetze als von der Meinungsfreiheit gedeckt gelte!
Youtube reagiert ziemlich rasch auf die Wünsche Mazas und der mit ihm verbündeten linken Medien und “entmonetarisierte” Crowder. Aber das war nur der Anfang und der Anlaß einer größeren Operation.
Am 5, Juni erklärte die Leitung von Youtube auf ihrem Blog, fortan strengere Maßnahmen gegen “Haß” ergreifen zu wollen. Man werde Videos verbieten, “die die Behauptung aufstellen, eine Gruppe sei überlegen, um Diskriminierung, Segregation und Exlusion auf der Basis von Alter, Gender, Rasse, Kaste, Religion, sexueller Orientierung und Veteranenstatus zu rechtfertigen.” Man werde “schädliche Falschinformation” (“harmful misinformation”) entfernen, und “maßgebliche Inhalte” (“authoritative content”) fördern. Man kann sich denken, welche Leute die Entscheidungen treffen, was unter diese Kategorien fällt!
Hilfestellung, wie diese Inhalte und Informationen sortiert werden und welche Personen ins Visier kommen sollen, wurde großzügigerweise von der berüchtigten Anti-Defamation League geleistet (also der Antonio-Amadeu-Stiftung der USA, allerdings ungleich mächtiger und aggressiver).
Online hate & extremism pose a significant threat. We were glad to share our expertise with
@YouTube on updating their policies to keep#hate off their platform. This is an important step forward, but must be followed by many more.Haß und Extremismus im Netz sind eine signifikante Gefahr. Wir freuen uns, daß wir Youtube unsere Expertise zur Verfügung stellen konnten, um ihre Maßnahmen gegen Haß auf ihrer Plattform zu aktualisieren. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne, dem viele weitere folgen müssen.
Kurz darauf entschuldigte sich Susan Wojcicki für die “Entscheidung” des Youtube-Managements, da sie “sehr schmerzhaft” für die LGBTQ-Community (!) gewesen sei. “Das war nicht unsere Absicht.” Aber man habe eine “wirkliche signifikante Änderung Haßrede betreffend” vorgenommen. Das habe “Monate und Monate Arbeit” gekostet, “hunderte” Leute hätten daran gearbeitet.
Sekundiert wurde die Säuberungsaktion, die im Netz unter dem Hashtag #VoxAdpocalpyse firmiert (da Maza für die Seite vox.com arbeitet), von einem hanebüchenen, alarmistischen Artikel in der New York Times über einen reumütigen, jungen Mann namens Caleb Cain, der angeblich durch via Youtube verbreiteten “Haß” nach rechts “radikalisiert” wurde. Es ist die Geschichte eines Drogensüchtigen, der mit einem scheinbar harmlosen Joint beginnt, und zu immer mehr und immer härterem Stoff übergeht.
Den Artikel illustriert eine Bildcollage von so ziemlich allem, was im rechten oder konservativen Netz Rang und Namen hat, inklusive Milo Yiannopoulos und Jordan Peterson, inklusive Lauren Southern und Caolan Robertson, vom Mainstream des “Conservatism Inc.” bis zu den Rändern der “Alt-Right”.
Der Artikel enthält bizarre Grafiken, wie eine Aufzählung von Videos, die Cain im Jahr 2015 innerhalb von 48 Stunden ansah, um aufzuzeigen “wie tief” er in “Rechtsaußen-Kommentaren” drinnensteckte: Stefan Molyneux, Paul Joseph Watson,“Syrian Girl” Maram Susli, Gad Saad, Lauren Southern, die in dem Artikel extrahäufig als Influencerin der Sonderklasse geschildert wird.
Cain schrieb auf Twitter:
Unter Konservativen beobachte ich häufig, daß sie beleidigt sind, wenn man sie als Alt-Right bezeichnet. Um es festzuhalten, ich denke nicht, daß Crowder oder Rubin Alt-Right sind. Aber ihre Inhalte haben mich in eine Echokammer gesperrt, in die extremere Leute eingetreten sind. Was mich radikalen Ansichten ausgesetzt hat.
A lot of what I am seeing from conservatives is offense that they are classified as Alt-Right. For the record, I don’t believe Crowder or Rubin are Alt-Right. But their content kept me locked in an echo chamber which more extreme ppl stepped into. Exposing me to radical views.
Cain stellt sich hier einerseits als passives Opfer eines Youtube-Konsumverhaltens dar, das am Ende er allein zu verantworten hat; andererseits präsentiert er Konservative, die sich noch knapp im Mainstreambereich bewegen, als Durchlauferhitzer auf dem Weg zum “Extremismus”.
Im Nachfolge-Tweet schrieb Cain:
Sie [Crowder & Co] übersehen komplett, daß ihre Rhetorik über Dinge wie Feminismus, Islam oder Kulturmarxismus die extremeren Ideen, denen ich später anhing, verstärkte, sterilisierte und normalisierte. Gleichzeitig dämonisierten sie den rechten Rand, während sie langsam seine Ansichten übernahmen.
They miss the point entirely that their rhetoric on things like feminism, Islam, or cultural Marxism, reinforced and sterilized, and normalized more extreme ideas that I would later hold. All the while they would demonize the far right, while slowly co-opting their views.
Und das ist in der Tat richtig (ein Phänomen, das es auch in Deutschland und anderswo gibt). Allerdings gilt in diesem Koordinatensystem schon eine moderate und um Ausgewogenheit bemühte Protagonistin wie Lauren Southern als “far right”. Und Southern ist nicht irgendwer. Auf dieser Seite bekam sie Platz vier unter den einflußreichsten Kanadiern verliehen:
Lauren is described as a far right-wing political commentator and was part of Ezra Levant’s The Rebel Media until 2017. She is followed by numerous political bigshots and has amassed a massive fan following.
Das Spiel sollte klar sein: Das von Big Tech, Wachhundorganisationen (pars pro toto ADL), und Mainstreammedien (pars pro toto New York Times) unterstützte Endziel ist es, das komplette rechte und konservative Spektrum Stück für Stück zu delegitimieren, lahmzulegen und auszulöschen. “Extremisten” werden nur vorgeschoben und häufig durch Salamitaktik und entsprechend aktualisierte Definitionen erst zu solchen ernannt. Die Existenz von unabhängigen, rechten Journalisten wie Lauren Southern und Filmen wie “Borderless” soll verunmöglicht werden.
Das Spektrum selbst steht in der gesamten westlichen Welt wie ein David gegen einen Goliath. Dessen Strategie ist der persönliche Angriff, die Vernichtung der sozialen und wirtschaftlichen Existenz der Dissidenten, das “Deplatforming” und Entziehen jeder relevanten Bühne. Die Metapolitik dieses Goliaths gibt weiterhin die Koordinantensysteme vor, setzt die Spielregeln, prägt das Vokabular, dominiert die “Framings”. Wer “diskriminiert”, wandert ins Tal der Aussätzigen, wird aus der öffentlichen Agora verbannt. Aus diesem Grund ist das Spektrum besonders anfällig für Zersetzungs- und Erpressungsstrategien aller Art, weshalb schiefe Charaktere wie Caolan Robertson einen riesigen Schaden anrichten können.
Aufgrund seiner Lage im politischen Tabubereich ist das Spektrum allerdings auch Magnet für Geschäftemacher, Selbstdarsteller, Nischenjäger, Outcasts und Exzentriker (wobei es generell eines bestimmten Typus Mensch bedarf, um sich vom Medienbusiness angezogen zu fühlen). Wie der Erfolg anglophoner Stars wie Lauren Southern zeigt, gibt es hier einen großen Marktbedarf, umso mehr, als sich die Mainstreammedien zunehmend links-globalistisch gleichschalten. Es liegt auf der Hand, daß nicht nur Idealisten in diese Ecke strömen.
Den Preis, von den Medien im Einklang mit Regierungen, tiefen Staaten und Antifaorganisationen zum stigmatisierten Buhmann und Gedankenverbrecher erklärt und gejagt zu werden, können und wollen allerdings nur wenige bezahlen. An dem Syndrom, talentierte, aber zwiespältige bis zwielichtige Charaktere anzuziehen, leidet vor allem die anglophone Szene. Zwei ihrer bekanntesten Vertreter, Milo Yiannopoulos und Tommy Robinson, die beide von Robertson und Llewelyn-John erpreßt und privat geschädigt wurden, sind hierfür exemplarische Beispiele, und es gibt auch in Deutschland einige Pendants aus diesem Genre.
James Kirkpatrick resümmierte auf vdare.com:
Southern ist weg, und wenige andere können die einzigartige Lücke füllen, die sie hinterlassen hat. Ihre kurze Karriere umschließt Aufstieg und Fall einer ganzen Mediensubkultur. Sie begann bei einem Netzmedienunternehmen, wurde dann zur unabhängigen Medienmacherin, dann zur unabhängigen Filmemacherin, und anschließend von den Mainstreammedien zwar nicht vollständig unterdrückt, aber zum Rückzug gehetzt.
Viele haben angemerkt, daß Big Tech 2016 niemals wieder zulassen werde, da Trump gewonnen hat. Aber die Mainstreamkonservativen wollen ebenfalls nicht, daß es wieder zu einem 2016 kommt. Die Torhüter haben damals die Kontrolle über “ihre” Bewegung verloren. Inzwischen haben sie sie wieder eingefangen. Trump 2020 wird sich kaum von McCain 2008 und Romney 2012 unterscheiden, und frühe Umfragen legen nahe, daß er deren Schicksal erleiden wird, wenn sich nichts ändert.
Eine Kurskorrektur wäre freilich, wenn Präsident Trump sich für freie Rede im Netz einsetzen würde. Er könnte aufhören, die Situation zu “überwachen” und zu handeln beginnen.
Nemo Obligatur
Ok, was haben wir da? Eine ziemlich gutaussehnde junge Filmemacherin, die auch gerne mal vor der Kamera stand. Um die ist es natürlich schade. Daneben haben wir einen ganzen Haufen Angelsachsen mit schrägen Ansichten, die man feinsäuberlich nach konservativ, Alt-Right, Neocons etc. unterscheidet. Da habe ich sowieso nie durchgeblickt. Und die sind jetzt auch alle weg? Finde ich nicht weiter tragisch. Ganz ehrlich, wer hat schon die Zeit für so viele Videos? Ich ziehe mir ja auch nicht jeden Rezo-Clip rein. Es bleiben einige übrig, zumal in Deutschland. Es gibt eine recht bunte Szene von sagen wir Cicero, Tichyseinblick, Tumult, EF, JF, Sezession als Zeitschriften. Fast jede hat dazu eine Internet-Seite. Es gibt eine Reihe guter Blogger und ab zu kommen welche dazu, dafür verschwinden andere. Ich vermisse Dr. Pröbstl, dafür gibt es inzwischen einen Friedrich Langberg, um nur mal zwei Namen zu nennen. Hey, das ganze Leben ist eine ständige Veränderung. Sollen doch youtube, Facebook&Co. die Rechte in allen Spielarten "Deplattfomisieren". Das Internet ist ziemlich groß, man wird es nicht komplett wegzensieren können. Die rauhe Wirklichkeit da draußen gibt es außerdem. Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.