Man darf keinen Puderzucker über eine Speise streuen, die einfach bitter ist. Wöllenstein, die sich selbst sicher nicht als »rechts« versteht, hat recht. Denn natürlich geht es auf Schulhöfen seit Jahrzehnten vehement um solche Begriffe, die von den Absendern kaum mehr als Kampfsprache begriffen werden: voll normal.
Es sind in den vergangenen Jahren bereits einige Bücher – beispielsweise von Ingrid Freimuth und von Ursula Sarrazin – erschienen, die sich praxisnah dem multikulturellen Alltag an Schulen widmeten. Dieses hier ist viel weniger polemisch und auch keine reine Nähkästchenplauderei, wie es der Titel vermuten ließe. Es ist auch kein Beispiel dafür, daß sich »die Grenze des Sagbaren« nach rechts verschoben hat.
Die Kasseler Gesamtschullehrerin (daneben ausgebildete Theater- und Sozialpädagogin sowie Lehrbeauftragte an der Uni Kassel, und Mutter dreier Kinder) Julia Wöllenstein (* 1976) hat mit Sicherheit keine politischen Rechnungen offen. Daß sie ihre zum Teil schwierigen Schüler wertschätzt, wird auf jeder Seite deutlich. Und doch – so, findet sie, funktioniert die multikulturelle Gesellschaft niemals. Sie schildert ausführlich die Probleme, die sich ergeben, wenn Schülerinnen ab Klasse 5 plötzlich Kopftuch tragen und nicht zum Schwimmunterricht dürfen; wenn Elterngespräche zwar administrativ vorgeschrieben sind, aber an Sprachverständnis kranken; wenn im Ramadan Schüler zusammenbrechen und gleichzeitig andere Schüler beschimpfen, die die Fastengebote nicht einhalten.
Beispielsweise gibt es eine Schülerfreistellung zum muslimischen Opferfest – seltsam, findet Wöllenstein, zumal diese Feier vor dem Morgengrauen stattfände, so daß die Kinder es noch locker zum Unterricht schaffen würden. Und: Eine Kollegin stellte »halb belustigt, halb sauer« fest, daß in ihrem Ethikkurs, der zu 100 Prozent aus bekennenden Muslimen bestünde, niemand wußte, warum dieses – das höchste islamische! – Fest gefeiert werde. Mit Schaudern bemerkt die Autorin, daß von Seiten der Jugendämter patriarchalische Parallelstrukturen inklusive Gewaltanwendung – mit Rücksicht auf den »kulturellen Hintergrund« – immer häufiger geduldet werden. Das führe aufgrund des »Schneeballprinzips« dazu, daß es immer mehr undemokratische Familienstrukturen in Deutschland geben werde.
Hinzu kommt: Wenn Wöllenstein in ihren Klassen nach den Berufswünschen ihrer Schüler (meist mit Migrationshintergrund) fragt, lauten die Antworten meist: Arzt, Anwalt. Drunter gehts nicht. Wöllenstein: »Unsere Gesellschaft braucht ein breites Spektrum an unterschiedlich begabten Menschen, um zu funktionieren. Menschen, die Brot backen, die Straßen reinigen oder Alte und Kranke pflegen, halten unsere Gesellschaft zusammen. Um ehrlich zu sein, sind sie in der Regel wichtiger als der tausendste Kulturwissenschaftler.«
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Julia Wöllenstein: Von Kartoffeln und Kanaken: Warum Integration im Klassenzimmer scheitert. Eine Lehrerin stellt klare Forderungen, München: mvg 2019. 192 S., 14.99 € – hier bestellen
LotNemez
Falls der Staat sich irgendwann doch noch entscheiden sollte, dem Abhängigen die Droge Islam wegzunehmen oder zumindest zu rationieren, wie wird dieser dann darauf reagieren? Da bekommt man als Staat schon Angst allein bei der Vorstellung, schaut lieber weg und der Missbrauch geht weiter bis zum bitteren Ende. Hut ab vor Leuten, die unter diesen Umständen nicht den Glauben verlieren, bzw. gar ohne Glauben weiter ihren Dienst tun.