Görlitz und Habermas

Die AfD hat in Görlitz gegen ein "breites Bündnis" 45 Prozent geholt. Wir blicken auf eine hellwache, eine politisch mündige Stadt.

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Jür­gen Haber­mas, der heu­te 90 Jah­re alt wird, müß­te sich, näh­me er sich selbst und sei­ne Dis­kurs-Model­le ernst, freu­en über so viel Unbe­ein­druck­bar­keit gegen eine mora­lisch auf­trump­fen­de und aus allen Roh­ren feu­ern­de Über­macht, eine mit Steu­er­gel­dern und ande­ren Zwangs­ab­ga­ben durch­ge­öl­te Maschi­ne­rie, die zuletzt sogar mit inter­na­tio­na­ler Hil­fe, mit zu Hil­fe eilen­den Film­grö­ßen den Macht­wech­sel in der Renais­sance-Kulis­se Gör­litz ver­hin­dern wollte.

Wenn der Ein­druck nicht täuscht, haben die­se Fremd­be­stim­mungs­ver­su­che bereits für die OB-Wahl in Gör­litz nicht mehr viel aus­ge­tra­gen: wie­viel bizar­res Ungleich­ge­wicht! Die Fol­gen soll­ten für jedes wei­te­re “brei­te Bünd­nis” in Sach­sen und den angren­zen­den Bun­des­län­dern ver­hee­rend sein: Wenn Alle gegen Einen boxen, ihm mit Tief­schlä­gen bei­zu­kom­men ver­su­chen und ihn doch nicht kaputt­krie­gen, geht er als Sie­ger vom Platz – auch wenn er nach Punk­ten noch knapp ver­lo­ren hat.

Es zeich­net sich nach dem grü­nen Schock ein Weg ab: ganz selbst­ver­ständ­lich antre­ten, unver­brauch­te (also: nicht mar­kier­te) Leu­te ins Ren­nen schi­cken, Prell­bock sein für die geball­te Arro­ganz, das denun­zia­to­ri­sche und über­grif­fi­ge Hap­pe­ning einer “Zivil­ge­sell­schaft”, die in ihren Hoch­bur­gen damit Erfol­ge fei­ern mag, nicht mehr jedoch dort, wo Schul­ter­schlüs­se zwi­schen CDU, Grü­nen, SPD und Lin­ken als das bezeich­net wer­den, was sie sind: For­mie­run­gen einer in sich kaum mehr auf­ge­fä­cher­ten Einheitspartei.

Es hat bei­na­he der­je­ni­ge gewon­nen, der dem wahn­sin­ni­gen Auf­wand, dem gera­de­zu absur­den Auf­ge­bot der Geg­ner kei­nes­wegs eine auch nur annä­hernd ähn­li­che Umtrie­big­keit ent­ge­gen­ge­setzt hat. Auch das eine mög­li­che Ver­hal­tens­leh­re, die zu prü­fen wäre: ob nicht nichts zu sagen außer ein paar schlich­ten, nahe­lie­gen­den Sät­zen nicht manch­mal das Aller­bes­te ist; nichts sagen, aber wahr­nehm­bar in die Rich­tung zei­gen, aus der ein pani­scher Geg­ner sei­ne Kano­nen abfeuert.

Ein­ste­cken; den Kopf hin­hal­ten; Popu­list sein.

Immer wie­der das Brecht­wort: den Geg­ner dazu zwin­gen, sich “zur Kennt­lich­keit zu ent­stel­len” – das ist in Gör­litz gelun­gen. Und wenn die AfD in Sach­sen eine Geschich­te gesucht hat, die sie im Wahl­kampf erzäh­len könn­te, dann ist sie jetzt gefun­den: Gör­litz war das vor­letz­te Mal, das so etwas gelang, denn er strahlt nun end­gül­tig etwas Irrea­les aus, die­ser eben­so offen­sicht­lich erzwun­ge­ne wie hoh­le, phra­sen­ge­bläh­te Kampf gegen den gesun­den Men­schen­ver­stand und die Nor­ma­li­tät einer ech­ten Opposition.

Gör­litz ist die ers­te Stadt in Deutsch­land, die sich (hell­wach, poli­tisch mün­dig) um ein Haar erfolg­reich vom offen­sicht­lich ver­lo­ge­nen Eman­zi­pa­ti­ons- und Ich-Geschwätz eman­zi­piert hät­te. Als ob das ver­bo­ten sei! Als ob es sich dabei um etwas Unstatt­haf­tes han­del­te: Wider­stand! Alternative!

– – –

Aber Haber­mas: Der Kul­tur­phi­lo­soph Ste­phan Schlak ver­neigt sich in einem Geburts­tags­ar­ti­kel für die Welt vor dem Greis und ver­sucht dabei, des­sen gele­gent­li­che Erwäh­nung auch in unse­ren Krei­sen als Teil der Haber­mas­schern Aura zu deu­ten: Seht her, auch die­se kom­men an ihm, “dem ein­zi­gen deut­schen Den­ker der Nach­kriegs­zeit von Welt­ruhm” nicht vorbei.

In der Tat, so ist es: Wir muß­ten ja alle durch die­se furcht­ba­ren 80er- und 90er-Jah­re, in denen sich zunächst das bun­des­deut­sche Schwein­chen-Schlau ent­lang weni­ger Scha­blo­nen aus­bil­de­te, um nach der Revol­te von 89 Beu­te zu machen. Die­se Sta­bi­li­tät der “Gene­ra­ti­on Golf”, die­se Ver­hal­tens­sta­bi­li­tät ent­lang der Wei­sun­gen und Pseu­do­de­bat­ten der zwei, drei gro­ßen Leit­me­di­en – das ent­po­li­ti­sier­te Kon­strukt BRD brauch­te einen Theo­rien­bast­ler, einen sozio­lo­gi­schen Kon­struk­ti­vis­ten wie Haber­mas: Stets geht es bei ihm um Trans­pa­renz und um Eman­zi­pa­tio­nen von ver­bie­gen­den Mäch­ten, um Begeg­nun­gen im Offe­nen und freund­li­chen Streit, um auf­ge­weck­te Ichs, und dann, zack, um die Unge­stört­heit die­ser brav for­mier­ten Gesellschaft.

Schlak spricht in sei­nem Bei­trag davon, daß Haber­mas seit lan­gem ein “Skep­ti­ker des digi­ta­len Dis­kur­ses” sei: Das kann man sich leb­haft vor­stel­len! Etwas so Unkon­trol­lier­ba­res wie “freie Medi­en” muß dem­je­ni­gen ein Graus sein, der den Dia­log nur schätzt, wenn er in einem Rah­men und in einem Jar­gon abläuft, den er selbst geprägt hat.

Die­se Zei­ten sind zum Glück vor­bei, und man muß den hal­ben Meter Haber­mas nicht gele­sen haben: Es reicht, wenn’s einem einer zusam­men­faßt, der es durch­schau­te – wenn man also an die Hand genom­men wie in einem jener glä­ser­nen Gebäu­de, in denen der Bür­ger von drau­ßen an den Schei­ben kle­bend zuse­hen darf, wie an run­den Tischen das Bes­te für alle ver­han­delt wird (glä­ser­ne Ban­ken, Manu­fak­tu­ren, Kup­peln); an die Hand genom­men, durchs Glas­haus gezerrt, dort­hin, wo in jedem, wirk­lich jedem sol­chen Bau sich die Türen zu jenen Räu­men befin­den, in die der Dis­kurs­gläu­bi­ge nicht hin­ein­schau­en kann, die er nicht betre­ten darf, und vor die­sen Türen ste­hend weiß man: Genau hier wird das Wesent­li­che ent­schie­den, alles ande­re ist nur glä­ser­ne Fas­sa­de, und gera­de Haber­mas war und ist einer der fin­digs­ten Wäch­ter die­ser unzu­gäng­li­chen Räu­me. Ihm näm­lich ist es gelun­gen, glä­ser­ne Türen und Trans­pa­renz, Fair­neß und Herr­schafts­frei­heit dort zu sug­ge­rie­ren, wo nichts davon zu sehen und ganz sicher gar nichts davon wirk­sam ist.

Weg von Haber­mas, weg mit die­sem Nebel, die­ser Fas­sa­den-Theo­rie, die zu unse­rer Lage, zur knall­har­ten, macht­po­li­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen zwei unver­söhn­li­chen Lagern nicht mehr paßt. Unver­söhn­lich? Nicht unser Wunsch, aber unse­re Pro­gno­se seit Jah­ren, und das Voka­bu­lar der “Zivil­ge­sell­schaft” bestä­tigt uns Tag für Tag auf’s Neue.

Weg also von Haber­mas, hin zu Schmitt (wie­der!), zu Geh­len, zu Slo­ter­di­jk. Die “längs­te Legis­la­tur­pe­ri­ode des Geis­tes” (Schlak) muß ein Ende finden.

Noch ein­mal Schlak: Der Feh­ler von so vie­len His­to­ri­kern oder wenigs­tens his­to­risch Gebil­de­ten, Schlaks Feh­ler: daß etwas sei­nen Wert ver­lö­re, sei­ne Funk­ti­ons­tüch­tig­keit ein­büß­te, wenn man dar­an erin­nert wird, aus wel­cher his­to­ri­schen Kam­mer man es geholt hat, um es abzu­stau­ben und einzusetzen:

Der jüngs­te „Struk­tur­wan­del“ hat nicht Halt gemacht vor der poli­ti­schen Seman­tik der lin­ken Intel­li­genz, deren Stich­wort­ge­ber seit 1968 Jür­gen Haber­mas ist. Was ein­mal Erken­nungs­zei­chen der Lin­ken war – die sub­kul­tu­rel­le Suche nach der „Alter­na­ti­ve“, die Vor­be­hal­te aus der „Lebens­welt“ gegen das „Sys­tem“, die situa­tio­nis­ti­sche Freu­de an der „Pro­vo­ka­ti­on“ und am „Wider­stand“, mit der Haber­mas aber auch schon im stu­den­ti­schen Kar­ne­val um 1968 wenig anfan­gen konn­te – all das wird heu­te von der Rech­ten auf ihrem lan­gen Marsch zur „kul­tu­rel­len Hege­mo­nie“ (Gramsci) kopiert.

Hand auf’s Herz: Hat je einer von uns, die wir “ein­zel­ne säch­si­sche Lese­zir­kel und anhal­ti­ni­sche Rit­ter­gü­ter” (Schlak) mit lesen­dem und nach­den­ken­dem Leben fül­len über Haber­mas als dem Schöp­fer wesent­li­cher Begrif­fe unse­rer Arbeit nach­ge­dacht? Natür­lich nicht, denn auf die Idee, der­lei sei 1968 erst erfun­den wor­den, konn­te nur jemand kom­men, der das Jahr 45 für eine Stun­de Null hält.

“Alter­na­ti­ven” leb­te schon der Wan­der­vo­gel in einer Kon­se­quenz vor, die heu­te das Jugend­amt auf den Plan rie­fe, denn er schuf sich da eine “Lebens­welt” gegen das “Sys­tem”, die in jeder Hin­sicht gegen-offi­zi­ell war (und von einer erns­ten Wucht, gegen die 68 eine Kari­ka­tur war); “Pro­vo­ka­tio­nen”  erfand unter ande­rem die Wahr­neh­mungs­eli­te um die Brü­der Jün­ger in der Wei­ma­rer Repu­blik (und leb­te sie situa­tio­nis­tisch aus), von den Sur­rea­lis­ten und den Dada­is­ten gar nicht zu spre­chen; und “Wider­stand”? Den leis­te­te schon immer ernst­haft nur, wer mit schlim­men Kon­se­quen­zen rech­nen mußte.

– – –

Das alles hat mit Gör­litz, die­sem Ver­dich­tungs­punkt, nichts und zugleich viel zu tun: nichts, weil sich von unse­rem Theo­rien­streit und der drin­gen­den Häu­tung kein hal­bes Dut­zend Wäh­ler beein­dru­cken oder umstim­men oder auch nur berüh­ren läßt; viel, denn wir kön­nen die eben­so irr­sin­ni­ge wie bra­chia­le Selbst­ge­rech­tig­keit der “brei­ten Bünd­nis­se” als Fol­ge einer geschickt und recht ver­lo­gen ein­ge­setz­ten Selbst­ge­rech­tig­keit der Denk­schu­le um Haber­mas beschrei­ben: Alter­na­ti­ven sol­len kei­ne Berech­ti­gung haben, wenn sie den von den Ver­fas­sungs­pa­trio­ten abge­steck­ten Raum ver­las­sen wollen.

Nun scheint es aber genau dar­auf hin­aus­zu­lau­fen. Wir sind auf die Frat­ze der Tole­ranz gespannt. Die eine Gesichts­hälf­te ist ja schon aufgedeckt …

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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Kommentare (25)

starhemberg

18. Juni 2019 10:50

Zu der jahrzehntelang von den 68ern hochgejazzten Kunstfigur Habermas fällt mir nur ein Zitat des tatsächlichen Geistestitanen Ernst Jünger ein:

"Nur wenige sind es wert, dass man ihnen widerspricht."

Habermas gehört sicher nicht zu denjenigen. Ich hoffe daher, in Zukunft auf dieser Seite nicht mehr von dieser Gestalt belästigt zu werden. Da freue ich mich viel lieber über das beeindruckende Ergebnis in Görlitz.

Andreas Walter

18. Juni 2019 11:50

Ja, Görlitz hat Signalwirkung, allerdings auch für die, die uns das Leben unmöglich machen wollen. Man denke dabei nur auch an jemand wie Trump, der trotz Mehrheit weiterhin unter Dauerbeschuss steht, auch durch die Marxisten.

Also habe ich mich umgesehen. Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (bereits 37,4% AfD). Mit nur 220.000 AfD-Wählern dazu liesse sich in der Region binnen kürzester Zeit eine stabile, prodeutsche 2/3 Mehrheit etablieren. Falls kein besserer Vorschlag kommt.

https://www.statistik.sachsen.de/wpr_neu/pkg_s10_ergli_lw.prc_ergli_lw_v2?p_bz_bzid=BW17&p_ebene=WK&p_ort=158&p_art=1

Wo ist sie darum, meine Armee von Schnorrern, denn angeblich haben die AfD auch zwischen 3 und 22% Arbeitslose gewählt, je nach Quelle:

https://www.heise.de/tp/features/AfD-Waehler-Was-nicht-sein-darf-kann-nicht-sein-3851301.html?seite=all

Also 180.000 bis 1,3 Millionen Männer und Frauen, die vielleicht Lust auf ein patriotisches Abenteuer und einen Neuanfang im ersten deutschen Deutschland seit 1919 haben.

Einem "Nazisstaat", wie alle Spinner, Lügner und Feinde Deutschlands dann sagen werden, doch ich weiß es besser. Denn wenn es nicht anders geht, dann müssen wir es eben auch wie die Zionisten machen. Wobei Zugang zum Meer immer besser ist, mir wäre Meckpomm lieber gewesen, doch die träumen noch von blühenden Landschaften oder was auch immer.

https://wahlen.mvnet.de/dateien/2017_bund/htm/B_Proz.htm

Landschaftlich ist Sachsen aber eh viel schöner, interessanter, und war auch zur Zeit der DDR der Wirtschaftsmotor des ganzen Ostens, doch auch schon davor immer eine der drei grössten deutschen Industrieregionen neben dem Ruhrgebiet und Ostoberschlesien (wegen Kohle [Energie] und Stahl [Erze, Erzgebirge], der Rest ist [war] überall die gleiche Geschichte).

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/hier-wird-in-deutschland-noch-braunkohle-abgebaut-100.html

(und nicht vergessen: Sie zeigen euch fast immer nur die Grafiken der Stromproduktion, selten aber die des Gesamtenergieverbrauchs. Aus “gutem“ Grund)

Eine brauchbare Zwischenlösung also, Sachsen, wenn man langfristig denkt. Ein Refugium bis auf weiteres in einer Welt, die sich eh nur noch sehr schwer kalkulieren lässt, weil bereits im Krieg der Ideen und Wege in die Zukunft.

Fritz

18. Juni 2019 12:04

Dieser Beitrag zu Habermas scheint mir sehr gelungen:

https://www.deutschlandfunk.de/des-kaisers-neue-kleider-keine-hommage.1184.de.html?dram:article_id=185330

Michael B.

18. Juni 2019 12:07

> zuletzt sogar mit internationaler Hilfe, mit zu Hilfe eilenden Filmgrößen

Das muss man schon einordnen. Zum allergroessten Teil deutscher Provenienz und sich aus verschiedenen Gruenden das Wort Hollywood zuschreibend, machen diese trotzdem nicht zu irgendeiner ersten Riege, die deutsche Medien hier vorspiegeln wollen. Egal erstmal, wie jene selbst gestrickt ist. Die arbeiten sich aber lieber an ihrem Praesidenten ab.

Henri Christian

18. Juni 2019 13:04

Sehr geehrter Herr Kubitschek!

1.
Wenn's auch nur bieder und brav klingt: Aber herzlich beglückwünschen darf ich bitte hiermit Ihre Betrachtung zur "Causa Görlitz" (sofern man's als halb-ironische, halb-ernste Bezeichnung, als kabarettistische, gelten lassen mag). Und zugleich sind für mich diese Zeilen der aufrichtigen Freude und Zustimmung zu Ihrem Text (m)eine Première in Ihren Kommentar-Spalten.
2.
Eine gleichwohl würdigend-kritische Replik sei aber noch angefügt: In gewisser Weise haben wir beide (freilich: höchst unbekannterweise) eine Kleinigkeit biographisch in dem Punkt gemeinsam, dass wir zwei einst (horribile dictu) u.a. die Universität Hannover in den 1980er/90er Jahren besuchten. Obgleich ich nach nur drei Semestern diesen intellektuellen Schadensfall der niedersächsischen Kapitale ausgleichen konnte durch Unis an zwei anderen Orten, Berlin und Hamburg (auch nicht so "dufte", wie der Alt-Berliner sagen würde), so weckten insbesondere Ihre Worte zu den "furchtbaren 80er und 90er Jahren" und Ihre Karikatur des bundesdeutschen Schweinchen Schlau' meine wärmste Sympathie! Aber: Genau hier liegt, wie ich befürchte (nu' älter, aber noch nicht weiser geworden), vielleicht eine Krux: Uns allen läuft die Zeit davon! Will sagen: Wer könnte heute z.B. Empfindungen oder Fremdheiten hier mit eigenen Bildern und Gefühlen assoziieren, wenn es um jenes spezifische und damals ja bereits ungeistig-repressive Meinungsklima ginge?
3.
Frage: Werden all jene später Geborenen nicht evtl. umfassender eingewöhnt in Denk- und Verhaltens-Schemata der Sozialisations-Instanzen der BRD (von der Kita bis zur Uni)? Ja, vermögen sie jene Traumata, z.B. der "80er und 90er Jahre", all die akademischen Zumutungen, denn nachzuvollziehen oder womöglich retrospektiv nachzufühlen? Nun: inzwischen ist eine neue, ach was, sind mehrere Generationen ge- oder verprägt worden (und wählen: Grün) . Ohne zynisch zu sein: Die neueste Auflage, die Greta-Thunberg-Jugend, ist bereits medienwirksam auf dem Markt. Nochmals: Die Zeit läuft! Arbeitet sie nun für oder gegen uns?
Ergo: Quo vadis - Germania?

Nachsatz - als Hoffnungsschimmer auf eine politische Befreiung - und es sei gemünzt auf die Geografie der BRD: "Ex Oriente Fiat Lux"! Insofern bin und bleibe ich nicht ohne Hoffnung. Auch im "Fall Görlitz". Und blicke ebenso voller Stolz und Freude z.B. auf die Beiträge hier von eben Jüngeren, allen voran entbiete ich hier meinen höchsten Respekt und Dank an Martin Sellner.

Rudi Ratlos

18. Juni 2019 15:09

Klasse-Aufsatz, Herr Kubitschek, schöner großer Erzählungsbogen, treffende Argumente - eine richtig runde Abhandlung :-)
Einziger verstörender Satz ist der folgende:
"...Alternativen sollen keine Berechtigung haben, wenn sie den von den Verfassungspatrioten abgesteckten Raum verlassen wollen".
Hier hätten viele andere zutreffende Worte stehen können, die "Verfassungspatrioten" jedoch gehörten in Gänsefüßchen!

Elvis Pressluft

18. Juni 2019 16:42

Leider läuft die Zeit schneller als wir, und ich fürchte, die mit Görlitz verknüpfte Hoffnung hat sich – zumindest einstweilen – schon wieder erledigt. Gerade begannen einzelne Stimmen in der Union über ein verändertes Verhältnis zur AfD laut zu sinnieren (incl. Gauck! – wer mag es glauben, was steckte dahinter?) … und nun ist alles „Lübcke“. Rechter Terror, rechte Hetze, das ungeklärte Verhältnis zu XY, die angebliche Kontinuität, die von rechtskonservativen Intellektuellen bis hin zu Killern alles verklammern soll. Das wird der bunten Republik jetzt mindestens bis zu den kommenden Wahlen bis zur Lobotomie eingehämmert werden. Die cui-bono-Frage braucht man gar nicht erst zu stellen, aber die Wahl des Zeitpunkts („Timing“, falls die Generation Z mitliest) ist, siehe oben, einfach makellos. Falls sich jemals herausstellen sollte, dass der Tatverdächtige nicht nur „rechtsextreme“ Verbindungen pflegte, sondern auch mit gewissen staatlichen Agenturen Umgang hatte, werden wir es wohl kaum erfahren. Vielleicht gelingt es ihm ja, sich trotz schärfster Überwachung unter nie ganz geklärten Umständen selbst zu richten. Beim Fluchtversuch erschießen scheidet wohl aus. – Ah. Zu Habermas ein andermal.

Der_Juergen

18. Juni 2019 18:42

Habe eben die neue gedruckte Sezession mit den vielen vortrefflichen Beiträgen zu Sachsen sowie dem wichtigen Artikel von Kaiser über die AFD am Scheideweg erhalten. Der heutige, geradezu glänzende Artikel von Kubitschek rundet das Thema würdig ab.

Die atemberaubend starken 45% des AFD-Kandidaten gegen die Grosse Koalition des antideutschen Kartells zeigt, dass sich bereits annähernd die Hälfte der Deutschen in Görlitz kein X mehr für ein U vormachen lässt.

Kallewirsch

18. Juni 2019 22:36

Sehr geehrter Herr Kubitschek,

über die Lektüre ihrer geschätzten, präzisen Analysen hinaus brennen sich ab und an Sätze in mein Gedächnis ein. Die "Freunde der Fluren und Marken" aus einem früheren Artikel war so einer. Ohne Erklärung und Firlefanz wird hier ein ganzes Weltbild mitbeschrieben. Eins ist klar- jenseits politischer Lager erkennen sich die Freunde der Fluren und Marken, wenn sie sich in einem sonnendurchströmten Buchenwald an einem Bachlauf grüßen. Der "Den leistete schon immer ernsthaft nur, wer mit schlimmen Konsequenzen rechnen mußte" ist auch so einer. Allein diese Syntax. Ich mag es einfach, wie Sie mit Sprache umgehen können, schon dafür lohnt sich die Lektüre ihrer Zeitschrift.

Nemesis

18. Juni 2019 22:40

@Götz Kubitschek
"Auch das eine mögliche Verhaltenslehre, die zu prüfen wäre: ob nicht nichts zu sagen außer ein paar schlichten, naheliegenden Sätzen nicht manchmal das Allerbeste ist; nichts sagen, aber wahrnehmbar in die Richtung zeigen, aus der ein panischer Gegner seine Kanonen abfeuert. Einstecken; den Kopf hinhalten; Populist sein."

Authentizität und Nehmerqualitäten.
In Allem. Trotz Allem. Und immer wieder.
Klingt einfach, aber diese Attribute sind wohl nicht jedem gegeben,
werden aber auf Dauer sehr wahrscheinlich von den Menschen erkannt und auch anerkannt.

Ende des Zeitalters der hypertrophierten Egos?

"Schlak spricht in seinem Beitrag davon, daß Habermas seit langem ein "Skeptiker des digitalen Diskurses" sei: Das kann man sich lebhaft vorstellen! Etwas so Unkontrollierbares wie "freie Medien" muß demjenigen ein Graus sein, der den Dialog nur schätzt, wenn er in einem Rahmen und in einem Jargon abläuft, den er selbst geprägt hat."

Der herrschaftsfreien Diskurs.
Am Ende steht nicht nur kein herrschaftsfreier Diskurs mehr,
am Ende steht gar kein Diskurs mehr.

Gesellschaftsklempner.
Moderne Hofnarren.
Sie schreiben den Text zur vorgegeben Musik.

Wer aufmerksam in die Natur schaut sieht doch:
Wirkliches Leben ereignet sich zwischen den Extremen.
Zwischen Systole und Diastole.
Zwischen Konstruktion und entfesseltem Selbst.

Es ist das richtige Maß.
Was aber ist es, dieses richtige Maß?

Die kollektivistisch hypertrophierte Linke ist wohl eine Ausgleichsreaktion auf eine Leistungs-, Individualismus- und Auslesefixierte hypertrophierte Rechte.
Denn die Natur regelt ein, sie sucht und benötigt die Homöostase.
Und sie macht es auf ihre Weise.

D'accord:
" ob nichts zu sagen außer ein paar schlichten, naheliegenden Sätzen nicht manchmal das Allerbeste ist; nichts sagen, aber wahrnehmbar in die Richtung zeigen, aus der ein panischer Gegner seine Kanonen abfeuert. Einstecken; den Kopf hinhalten; Populist sein."

Und mit Würde tragen.
Das Tragen ist es aber, was es so schwer macht.

Gotlandfahrer

19. Juni 2019 12:10

@Fritz:
Danke für den Link zum Habermas-Portrait! In der Tat sehr zu empfehlen! Am Ende hat H den gescheiterten Kommunisten also folgende Brücke gebaut: Was ihr sagt ist wahr, weil ihr es sagt. Gigantisch.

GuntherManz

19. Juni 2019 12:37

Zunächst einmal tut mir der Polizist leid, der sich da als OB Kandidat hat aufstellen lassen. Dargestellt als Oak aus Mordor. Für die "Andere Seite" sind wir tatsächlich keine Menschen mehr. Insofern stimmt das Geschwafel von den vielen Nazis; die gibt es wirklich zuhauf an jeder Strassenecke in Scharen. Nur ein bisschen im Typ umgestylt.

180° von schlecht ist eben nicht unbedingt gut, sondern eventuell auch wieder schlecht !

Allerdings sind es meist Ereignisse die entscheiden, nicht die Menschen. Wer kennt schon Habermas? Den Strompreis/Spritpreis kennen alle.
Insofern abwarten. Es wird ja nicht besser. Die Kunst dabei wird sein, nicht zu früh an Machtpositionen zu gelangen, aber auch noch so zeitig, daß etwas bewegt werden kann.

Imagine

19. Juni 2019 13:34

„Der jüngste „Strukturwandel“ hat nicht Halt gemacht vor der politischen Semantik der linken Intelligenz, deren Stichwortgeber seit 1968 Jürgen Habermas ist.“

Dieser Satz ist falsch. Derjenige, der diesen schreibt - Stephan Schlak (*1974) – war damals noch nicht geboren.

Ist es überhaupt ohne eigene Erfahrung möglich, eine zutreffende Einschätzung der 68-er-Linken zu geben? Zudem, wenn offensichtlich über diese Zeit nicht gründlich recherchiert wurde?

Anders als Marcuse war Habermas ein Kritiker der revolutionären 68-er-Linken. Er beschuldigte sie des Linksfaschismus.

Wie diese Linken Habermas politisch einschätzten, zeigen folgende Zitate::

„Nur wer die Legitimierung von Herrschaft, nicht aber ihre Beseitigung im Sinne hat, kann sich so viele Gedanken über »Konsensbeschaffung«, »Sicherung von Massenloyalität«, »Beschaffung generalisierter Zustimmungsbereitschaft«, »Bereitschaft zur Konformität«, »motivloses Akzeptieren von Entscheidungen« als Sache »vorwurfsloser Routine« etc. machen wie Habermas.“
http://www.druckversion.studien-von-zeitfragen.net/Heide%20Berndt%20zu%201968.htm

„Das Lebenswerk des Jürgen Habermas: Fundamentalkritische Affirmation von Gott und der Welt“
[…]
„Dass Wissen und Kritik dermaßen auf den Hund gekommen ist: Das kann sich Habermas sicher nicht als sein exklusives Verdienst anrechnen. Wahr ist, dass er sich mit seinen verkehrten Gedanken ein Leben lang um nichts anderes verdient gemacht hat. Insofern ist er mit seiner falschen Theorie über die bürgerliche Öffentlichkeit und ihre Diskurskultur in der Tat ihr goldrichtiger Vordenker.“
https://www.wissenschaftskritik.de/das-lebenswerk-des-juergen-habermas/

Für die systemoppositionellen Linken war Habermas ein „Sozialdemokrat“, ein affirmativer Systemerhalter, der vom Establishment zum führenden Sozialwissenschaftler emporgehoben und mit Privilegien und Ehrungen überschüttet wurde.

Auf der anderen Seite warnte Habermas zutreffend vor der Freisetzung der latenten Gewalt in den Strukturen.

Denn die zivilgesellschaftliche Matrix mit Demokratie und Rechtsstaat stellt einen fragilen Überbau dar.
Historisch ist das kapitalistische System ist extremer Gewalt etabliert worden. Marx beschreibt diesen Prozess als „ursprüngliche Akkumulation“ im 24. Kapitel von , „Das Kapital“ (MEW 23, Bd. I, Siebenter Abschnitt, S. 741 – 791).
http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_741.htm

Auch Marcuse warnte, dass keine „revolutionäre Situation“ bestehe.

Das System war stabil, weil – wie es Peter Furth diagnostizierte - die Massen mit dem Kompromiss von Liberalismus und Sozialismus zufrieden waren.

Der Sozialstaat ist der Garant dieser Zufriedenheit der Massen und die heutige Unzufriedenheit der Massen basiert auf ihrer Verlusterfahrung, auf ihrer Entrechtung sowie der zunehmenden Arbeitsbelastung verbunden mit dem Verlust von Wohlstand und sozialer Sicherheit.

Die Warnung vor der Freisetzung der latenten Gewalt in den Strukturen ist wieder aktuell.

Anders als damals wird heute die Gefährdung des sozialen Friedens einem drohenden Rechtsfaschismus zugeschrieben. Die rechte APO wird vom Establishment mit ähnlichen oder gleichen Mitteln bekämpft (werden) wie damals die linke APO.

Der soziale Frieden ist heute tatsächlich bedroht, wie das Beispiel der „Gelbwesten“ in Frankreich zeigt, wo bereits ein Vorstadium des Bürgerkriegs Realität ist.

Ideologisch und emotional gibt es auch in Deutschland bereits eine bürgerkriegsähnliche Spaltung.

Die Ursachen liegen in der Politik des „Neoliberalismus“. Der seit der Bismarckzeit bestehende historische Kompromiss von Liberalismus und Sozialismus wurde durch die herrschende Klasse aufgekündigt.

Die Zufriedenheit der Massen sinkt. Aber daraus entsteht im Westen kein Widerstand, weil zum einen linke Parteien und Gewerkschaften, diese ehemaligen Organisationen der arbeitenden Klassen, deren Interessen nicht mehr vertreten, zum anderen weil nach rund einem halben Jahrhundert politisch wirkungsloser Massendemonstrationen sich Resignation und Demoralisierung entwickelt haben.

Die Erfahrung zeigt, dass sich gegen den herrschenden Block - gebildet von den etablierten Parteien und Medien - der Demokratie- und Sozialstaatsabbau nicht mit einer „Politik der Straße“ verhindern lässt.

Im Osten setzt man in die etablierten Parteien keine großen Hoffnungen mehr, sondern die AfD löst dort für viele Menschen die SED-Nachfolgepartei als Hoffnungsträger in der „sozialen Frage“ ab.

Es gibt ohne Zweifel einen Rechtsextremismus, der die soziale Polarisierung und Spaltung vertiefen will.

In Deutschland – so die These – gibt es seit 1918 einen Bürgerkrieg, der nie endgültig überwunden wurde. Vor einem halben Jahrhundert versuchten Linksextremisten, diesen neu zu entfachen, aktuell sind es Rechtsextremisten.

heinrichbrueck

19. Juni 2019 14:37

"Es gibt ohne Zweifel einen Rechtsextremismus, der die soziale Polarisierung und Spaltung vertiefen will."

Maßnahme: Umvolkung. Gegenmaßnahme: Kampf gegen Rechts - Liberalkonservative als bessere Demokraten das Spiel nie kapieren werden. Die Empfehlung eines Lübcke, das eigene Volk solle doch - bei Nichtzusagen der Politik - das Land seiner Vorväter verlassen, gehört auch in diese Kategorie. Lübcke mußte nur noch erschossen werden, egal von wem, und der Kampf gegen rechts konnte instrumentalisiert werden. Um jemandem zu schaden, den man einfach weghaben will, baut man einen starken Gegner auf. Der Gegner spaltet, hetzt und verleumdet; die Presse spielt den Steuerungsassistenten. Dieser jemand wird liquidiert, bei passender oder unpassender Gelegenheit (Kampf gegen rechts geht immer), und der Schuldige wird - in seinem so bezeichneten Gegner - sichtbar gemacht. Die sogennante Masse wird an der Leine geführt. Deshalb verstehen Liberalkonservative das Spiel nicht.
Und Soziologie ist immer noch keine exakte Wissenschaft.

Franz Bettinger

19. Juni 2019 21:20

@imagine: Sie schreiben kritisch an die Adresse Schlaks: "Sie waren 1968 noch gar nicht geboren. Ist es überhaupt ohne eigene Erfahrung möglich, eine zutreffende Einschätzung der 68-er-Linken zu geben?" - Na nu? Was würden Sie antworten, wenn jemand sagen würde: "Ist es überhaupt möglich, eine Einschätzung der Nazis oder der Menschen im Dritten Reich zu geben, wenn man damals nicht lebte?" Und doch haben Sie irgendwo recht; nur nicht dort, wo Sie es vermuten. - Und: Sie kennen anscheinend immer noch nicht den Unterschied zwischen Rechts, Rechtsradikal und Rechtsextrem. Falls doch, erklären Sie ihn! Er ist wesentlich. Und sagen Sie nicht, der Zeitgeist definiere das schon, man müsse es erfühlen. Denn mir diesem erfühlten Quatsch ist die Luft über Deutschland aka Merkelanien voll. Er nimmt einem die Luft zum Atmen.

Andreas Walter

20. Juni 2019 13:23

Für deutsche Intellektuelle, auch rechte und konservative, ist Habermas (zwangsläufig) von Bedeutung. Für mich dagegen genügt es zwei, drei Dinge zu wissen, weshalb dieser Mensch mein Bewusstsein nicht einmal berühren darf, kann, und wahrscheinlich deshalb auch noch nie hat:

- Gestörte Kindheit (ihm aber unbewusst)

- Mitglied der Frankfurter Schule

- Gegner von Professor Ernst Nolte beim Historikerstreit

Wobei es sicher auch einige kluge Sätze von ihm gibt. Der hier zum Beispiel:

“The speaker must choose a comprehensible expression so that speaker and hearer can understand one another.“

“Der Sprecher muss einen verständlichen Ausdruck wählen, damit Sprecher und Hörer einander verstehen können.“

https://www.azquotes.com/quote/1108129

Ich gebe zu, das war gerade der Einzige, den ich überhaupt auf Anhieb verstanden habe, von 31.

Atz

20. Juni 2019 14:41

Es kommen bald sehr wichtige Landtagswahlen, bei denen es darauf ankommen wird.

1968 Kritik finde ich langweilig. Man sollte sich besser mit dem Sermon von 1992 auseinandersetzen, den ewig wiederholten Unwahrheiten einer damals desorientierten Linken, die sich nur auf den militanten Kampf gegen rechts noch einigen konnte. Denn dieser Sermon von 92 ist heute in der CDU angekommen und vergiftet unser ganzes politisches System. Denn niemand widerspricht den Verschwörungstheorien.

Diese Leute, die behauptet haben, das Asylrecht sei damals faktisch abgeschafft worden, und zwar als Reaktion der Regierungsparteien auf die Vorfälle in Lichtenhagen.

Wie der Volkszorn von Lichtenhagen damals von oben gemacht wurde, so dass es nur eine Frage der Zeit war bis es knallte, durch wilde Roma-Zeltplätze im Wohngebiet usw. darüber spricht ja keiner mehr, weil es nur noch die linke histografische Hegemonie zum Thema gibt. Auch das Wort Helmut Kohls, der Stasiseilschaften verdächtigte in Sachen Engineering der Situation, ist vergessen und vergangen.

Wenn es keine Gegenrede mehr gibt, siegt ein falscher Diskurs. Etwa teilen viele Menschen die Behauptung, dass Deutschland eine rechtsradikale Mördergrube sei. Die Verbissenheit und der Perfektionismus mit denen Sicherheitsbehörden ein Strick draus gedreht wird, V-Männer in der Ultrarechten angeworben zu haben und Komplizenschaft des Staates suggeriert, all das gehört dazu.

Ich frage mich immer, also bei den Sicherheitskräften von Heimen: Wer soll denn durch die geschützt werden? Aus linker Logik sind deren Insassen ständig durch rechtsextreme Anschläge bedroht. Beim Nachsehen in der Anschlagskarte der Kampagnen war der "Anschlag" dann ein Grafitti oder ein Eierwurf... Gut finanzierte Netzwerke von linken Aktivisten, die ultrarechte Asozialenmillieus aus Schritt und Tritt verfolgen und Schikanen gegen jeden einzelnen aushecken. Geballte Medienaufmerksamkeit.

68 ist ambivalent und knuffig. 1992 dagegen weiterhin sehr gefährlich und müsste entschärft werden.

Ratwolf

20. Juni 2019 23:23

Habermas ist für mich unwichtig. Ich habe ihn nicht gelesen und niemals überlegt, ihn in meinen Überlegungen berücksichtigt. Er ist der Autor der 68ern. Das Ergebnis dieser Bewegung reicht mir schon.

Der einzige Performancevorteil von Habermas scheint zu sein, daß er den 68ern Futter gab.
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Die Alt-Parteien mit der CDU, der SPD, den Linken und den Grünen haben einen gemeinsamen Kandidaten aufgestellt und zum Bürgermeister gemacht.

Bravo!

Laurenz

24. Juni 2019 06:21

Gerade im Nachlesen auf SiN begriffen, habe ich mich über diesen Artikel Herrn Kubitscheks sehr gefreut. Zeigt er doch, zumindest in meinen Augen, die Abwendung von einer intellektuellen Debatte, die eh keinen Wähler interessiert, und der Zuwendung zu einer einer außerordentlichen politischen Leistung, welche zwar noch nicht in einer deutschen Großstadt stattfand, aber symbolträchtig, fast einem Wahlsieg in einer solchen gleichkommt. In diesem Wahlkampf hat es ein Konservativer geschafft, gegen die Phalanx der Alt-Block-Parteien anzutreten, und sie der politischen Lächerlichkeit preiszugeben. Das ist beispielhaft für jeden anderen Wahlkampf in der Zukunft. Eben nur so lassen sich zukünftig Ergebnisse mit 50+ % erzielen, und den Machtanspruch der konservativen Rechten erhärten. Da bleibt unseren trojanischen Pferden und Spaltern in der Mosaik-Rechten nur noch wenig Debatten-Spielraum.
Die Alt-68er sind für uns deswegen das Maas der Dinge, weil sie, ähnlich Adolf Hitler, welcher 10 Jahre zur Machtergreifung durch die gesellschaftlichen Instanzen brauchte, 30 Jahre benötigten, um die gesellschaftlichen Schlüsselstellungen in Politik und Medien zu erobern und in der Folge unser Land herunter zu wirtschaften. Wir hingegen, brauchten gut 4 Jahre, um uns politisch zu etablieren, und fingen in Görlitz endlich nach 6 Jahren an, zumindest nach kommunaler Macht zu greifen, damit wir den Rechtsstaat und die Demokratie wiederherstellen können, welche unserem Land augenscheinlich verlustig gingen.
Der meist unglücklich formulierende Herr Dobrindt von der CSU hatte in der Sache doch nicht ganz Unrecht, als er eine konservative Revolution gegen sich und seinesgleichen forderte. Zum Glück ist er in der falschen Partei.

nietzschikus

25. Juni 2019 20:36

@Imagine:

"Anders als damals wird heute die Gefährdung des sozialen Friedens einem drohenden Rechtsfaschismus zugeschrieben. Die rechte APO wird vom Establishment mit ähnlichen oder gleichen Mitteln bekämpft (werden) wie damals die linke APO."

Mit Verlaub, aber in welchem Deutschland lebten bzw. leben Sie nun? Ähnliche Mittel? Bitte verschonen Sie mich mit diesen 68er Lügen, die diese selbst streuten und heute 24/7 überall streuen. Die 68er-Linke war ihrerseits von vorne bis hinten durchalimentiert und genossen eine nahezu uneingeschränkte Narrenfreiheit. Nennen Sie mir auch nur eine wirklich repressive Maßnahme? Die 68er haben sich fast durch die Bank weg 24/7 mit Drogen hantiert, jede Regel missachtet und es hatte null Konsequenzen. Geben Sie mir eine Zeitmaschine & das Innenministerium und die 68er Bewegung wäre mit absolut legitimen Mitteln in einem halben Jahr Geschichte. Bsp gefällig? Etliche Betreiber freier Kindergärten wegen Pädophilie auf ne halbe Ewigkeit im Knast, der Rest wegen mangelnder eingehaltener Hygienevorschriften etc. zu. Absolut lachhaft, wie die selbst heute in der Roten Flora keine Steuern zahlen. Das kann man sich nicht mal ausdenken. Das Jugendamt käme bei jedem Drogenkonsumenten mit Kindern vorbei. Zack, Kinder weg. Die Konsumenten würden repressiv in Knast gehen, Führerschein etc. verlieren. Die 68er, mit relevanten Mengen Drogen (nicht wenige!), würden einige Jahre Bau schieben. Und so weiter ... und so weiter. Ich geb Ihnen mal ein Beispiel für die von Ihnen herbei phantasierte Repression linker APO: unsere unverehrte, wenig kompetente Gesundheitsministerin a.d. Schmidt lies unter dem Motto „Gewehre für die Jugend in Zimbabwe – proletarische Revolution und bewaffneter Aufstand in Deutschland“ Geld bei ihren Schülern einsammeln. Ist diese Extremistin dafür aus dem Schuldienst geflogen? NEIN! Stattdessen später Ministerin. LACHHAFT! Also bitte verschonen Sie mich mit diesen Lügengeschichten. Die 68er sind im größeren Teil eine von vorne bis hinten verwöhnte Affenband gewesen, die vieles vernutzt hat, was ihr übergeben wurde.

"Die Ursachen liegen in der Politik des 'Neoliberalismus'.""

Nein, sorry die Ursache liegt zu kleineren Teilen am Neoliberalismus. Ich will die vielen Fehlentwicklungen nicht beschönigen, aber diese sind recht neuer Natur und die Linken standen diesen doch stolz Spalier. Mir fehlt jetzt der Nerv, dies genauer zu erörtern, aber immerhin diese Andeutung: wer Gerechtigkeit als abstrakte Gleichheit versteht, der wird eben zwangsläufig bei kleineren heimischen Problemen auf einmal global orientiert denken und umverteilen wollen. Solidarität mit dem heimischen Arbeiter? Pustekuchen.

Laurenz

26. Juni 2019 08:57

nietzschikus 25. Juni 2019 20:36 @Imagine .... es waren die ehemaligen Alt68er in der Regierung Schröder/Fischer, die dem Neo-Liberalismus Tür und Tor geöffnet hatten. Denn dem Neo-Liberalismus folgt, beabsichtigt, immer der Totalitarismus. Die CDU hätte dazu nie den Schneid gehabt. Dafür zahlt die SPD bis heute, die Grünen nicht. Ansonsten kann man Ihrem Beitrag ruhigen Gewissens zustimmen.

nietzschikus

26. Juni 2019 17:24

@Laurenz: danke für das Lob.
1) Im Kontext "die CDU hatte nie den Schneid": wie bewerten Sie dann die damals noch weiter geforderten Reformen von Seiten Merkels? Die waren ja durchaus noch ambitionierter (siehe Kirchhof). Hätte diese CDU in Regierungsverantwortung denn gekniffen?
2) "Dafür zahlt die SPD bis heute, die Grünen nicht." Ja aber mir scheint (sehr verkürzt!), als ob viele SPD-Wähler direkt zu den Grünen gewandert sind & letztlich nur größtenteils die Rot/Grüne Komposition sich verändert hat. Statt 35% SPD & 10% Grüne nun 20% SPD und 25% Grüne.

Dazu drei wichtige Fragen.
ad 2: a) Sollten Sie recht haben und die SPD wirklich abgestraft worden sein: Wieso nicht auch die Grünen?
ad 2: b) Sollten die Grünen auf Kosten der SPD gewachsen sein (stark verkürzt meine These): Wieso bekämpft die SPD nicht die Grünen als ihre Gegner? Gerade in Fragen der Umsetzbarkeit / Realismus haben die Grünen ja eine absolut offene Flanke. Wieso lässt sich die SPD bereitwillig durch die Grünen aufzehren?
ad 2: c) Welche ideologische Position vertreten die Grünen, die es nicht auch bei der SPD gibt? Könnten wir diese Position herausdestillieren, wäre das vielleicht ein wichtiger analytischer Schritt für unsere weitere politische Auseinandersetzung.

Laurenz

27. Juni 2019 03:09

@nietzschikus .... die Beiträge von Imagine sind manchmal so widersprüchlich, daß man teils das Gefühl hatte, es schreiben unterschiedliche Personen unter demselben Pseudonym. In diesem Fall war das kein Lob, sondern schlicht meine persönliche Wahrheit bezüglich Ihres Beitrags.
Als IM Erika an die Macht gelangte, war der Fisch quasi schon geputzt. Ob nun der Diebstahl an den Sozialversicherungen der Sozialversicherten (Hartz4) oder der Wegfall der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen im Falle von Kapitalgesellschaften, der Angriffskrieg gegen Rest-Jugoslawien etc., wäre in der Tat für die CDU schwierig gewesen, sonst hätte sie es ja in 16 Jahren Kohl längst durchsetzen können. IM Erika setzte nie Überzeugungen durch, sie hat keine. Die reine Macht-opportune Entscheidungsfindung rechtfertigt quasi alles.
Es schadet einem gefestigten Charakter nicht, Adolf Hitlers "Mein Kampf" gelesen zu haben. Bei mir sind im wesentlichen seine linken Bemerkungen zur Wahltaktik und Wahlvolk-Verhalten hängen geblieben. Frei zitiert .... "Das Gedächtnis des Volkes ist kurz, programmatische Inhalte, nicht mehr als 5e, sind permanent zu wiederholen." Das hat sich auch fast hundert Jahre später nicht geändert. Gut, im digitalen Zeitalter kann man das Gedächtnis des Netzes nutzen, aber wie lange noch? Zumindest wird Hartz4 im wesentlichen mit der starken Präsenz von Goldkettchen-Gerd verbunden, vielleicht auch noch mit Müntefering. Fischer profitierte meist vom Bonus des Außenamtes, trotz seiner Freundschaft mit einer bekennenden Völkermörderin. Hier ist das Volks-Gedächtnis rein auf die SPD reduziert.

Die Grünen bieten eine neue Religion an, die zeitgemäßer erscheint als der Kommunismus oder das Christentum. Die beiden wichtigsten Kirchenfürsten Deutschlands versuchen einfach auf dieser Welle mitzuschwimmen, schlicht um die Privilegien zu erhalten, nachdem man im eigenen Arbeitsrecht hatte Einschnitte hinnehmen müssen.
Der Niedergang der SPD liegt darin begründet, daß sie zu einer Partei der Minderheiten mutiert ist, Homosexuelle, privilegierter öffentlicher Dienst, etc.
Da die Grünen auf diese Themen mehr oder weniger überhaupt nicht eingehen, glauben deren feudal profitierenden Wähler dort länger den Status Quo aufrecht erhalten zu können.

Warum die SPD keine Maßnahmen ergreift, um ihren Niedergang aufzuhalten, ist einfach zu erklären. Es würde einen Machtverlust der SPD-Chef-Ideologen bedeuten. Solange diese ihre Ministerposten innehaben, spielt der Job-Verlust von Abgeordneten + Anhang keine Rolle. Sie haben doch heute Herrn Scholz, der Kanzler werden will, gehört/gelesen. Entgegen dem abwartenden Gabriel, warnte Scholz davor, dem erfolgreichen Kurs der Dänischen Sozialdemokraten zu folgen.

Was die AfD angeht, so ist es sinnentleert, die Grüne Strategie einfach nur abzulehnen ohne einen Ersatz-Glauben anzubieten.

nietzschikus

27. Juni 2019 09:43

Lieber Laurenz, Ihren Beschreibungen stimme ich in größeren Teilen zu. Dennoch halte ich es zur Erklärung der Fragen nicht für ausreichend.

Warum die SPD keine Maßnahmen ergreift, um ihren Niedergang aufzuhalten, ist einfach zu erklären. Es würde einen Machtverlust der SPD-Chef-Ideologen bedeuten.

Das halte ich nicht für sonderlich plausibel. Die Führungspersonal wird ja nur so verheizt. Ein permanentes Kommen und Gehen. Auch wenn ich bspw. nach Sachsen schaue, wo die SPD noch nicht mal mehr die 10% Hürde überwindet, kann das als Erklärung nicht ausreichen. Bei der SPD brennt das Haus lichterloh. Hinzu kommt, dass in der letzten Zeit gehäuft die Basis in Regionalkonferenzen befragt wurde und man sich doch mit den eigenen Positionen knapp durchgesetzt hat.

Der Niedergang der SPD liegt darin begründet, daß sie zu einer Partei der Minderheiten mutiert ist, Homosexuelle, privilegierter öffentlicher Dienst, etc.

Das ist bei den Grünen nicht anders, vielleicht sogar noch extremer. Kein Alleinstellungsmerkmal, weshalb diese Erfolge feiern, die anderen nicht.

Die beiden wichtigsten Kirchenfürsten Deutschlands versuchen einfach auf dieser Welle mitzuschwimmen, schlicht um die Privilegien zu erhalten ...

Sie können doch nicht ernsthaft glauben, dass diese a) derart machiavellistisch denken. Nein, nein. Die glauben an den Quatsch, den Sie einen erzählen. Reden Sie nicht manchmal mit Leuten aus diesem Milieu? Die glauben das fest. Und b) traue ich denen nicht ein derart strategisches Denken zu. Gerade mit dem Blick auf deren Mitgliederzahlen erscheint und Klagen diesbezüglich erscheint das unplausibel. Die Erklärung Grüne & Religionsersatz hat natürlich was für sich ... bloß sind die Mechanismen der Religion wirklich so billig kopierbar? Und wenn ... reicht das als Erklärung. Wir dürfen uns hier nicht mit einfachen Antworten zufrieden geben.

Laurenz

29. Juni 2019 08:28

@nietzschikus .... eine große Partei wie die SPD (über 10x mehr Mitglieder als die AfD), basiert auf der Macht des Landesverbände. In allen Parteien und deren Landesverbänden, bis auf die CDU (hier ist es wohl die CSU in Bayern), ist der Landesverband aus dem NRW immer der stärkste. Schauen Sie Sich also die Chefs der Landesverbände an, und prüfen Sie, wen diese vertreten. Die SPD besteht vor allem aus Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes und sonstigen Profiteuren staatlich finanzieller Unterstützung. Das ist vor allem im Westen so. In den Neuen Ländern sind die Strukturen anders. Hier hat derjenige Vorteile, der Indigene aus den Neuen Ländern ins Rennen schickt.

Wenn Sie Sich das Machtverhalten der Menschen in ganz Europa anschauen, so ist es überall fast gleich. Ganz egal, ob es sich um die Sozialdemokraten/Sozialisten handelt oder um die Eurorettung, die Macht kauft sich Zeit, solange es geht. Vor allem Reiche glauben an den Zusammenbruch des Euros, aber keiner weiß, wann. Aber die Vermögensverwaltungen nehmen genau darauf Bezug bei den Geld-Anlagen ihrer Kunden. Die Politik hingegen hält den Status Quo aufrecht, bis zur bitteren Neige.
In der SPD tobt der Kampf derjenigen, die noch einen gestalterischen Job haben gegen diejenigen, die ihr profitables Mandat bereits verloren haben. Und 2 Jahre sind eine lange Zeit. Da kann viel passieren. Die Grünen waren ebenso unter CÖ und KGE im Niedergang begriffen, nicht umsonst hat man die Spitze ausgetauscht, und die Taktik geändert. Die gestrige Debatte im Bundestag zeigte recht genau, wie das vonstatten ging. Die nicht-grünen Fraktionen zeigten lautstark auf die wesentlichen Beschlüsse der Länder, in den die Grünen an der Macht sind, um die Divergenz zum Bund aufzuzeigen.

Auch die Kirchen unterscheiden sich nicht von diesem Gehabe des Zeit-Erkaufens. Kirchen sind im Grunde Vereine/Parteien/Lobbyisten, die außer-parlamentarisch Einfluß nehmen. Auch die elitären Lebenswelten ihrer Spitze, wie auch die der Parteispitzen, sind einer realen Lebenswelt enthoben, was Sie immer an Aussagen, wie "uns geht's doch gut" erkennen können. Wer ist denn "wir"? Speziell in dieser Definitionsfrage waren die Nationalsozialisten bis heute auch den ehemaligen Volksparteien überlegen. Also halten wir fest, auch Kirchenfürsten müssen erstmal schauen, daß´sie Unterstützung aus ihren Diozösen erhalten, bis hinunter zu den örtlichen Gemeinden. Auch die Kirchen finanzieren sich zu 98,5 % aus staatlicher Zuwendung, 1,5% der Einnahmen werden aus dem Kirchenvermögen originiert. Als Sozial-Mafia sind die Kirchen grundsätzlich teurer als staatliche Einrichtungen, weil die extrem teuren Kirchenstrukturen mitfinanziert werden müssen, alleine die barbarische Missionstätigkeit kostet horrende Summen. Würde man, wie im Arbeitsrecht, weitere Rückschläge hinnehmen müssen, wird die Perspektive noch düsterer.
Was den Glauben angeht, so ist den Kirchenfürsten bewußt, daß sie aus dem Teufelskreis verlorener Mysthik und dem Verlust des Glaubens nicht herauskommt. Also versucht auch die Kirche durch Akzeptanz des Islams und anderer neuer Glaubenswelten den ("Gott-gewollten") Niedergang aufzuhalten. Zu glauben, daß in bald 2.000 Jahren die älteste Mafia der Welt andere Maßstäbe als den Machterhalt anlegen würde, ist, mit Verlaub gelinde gesagt, naiv.