Deren Ziel wird es sein, Konservative, EU-Kritiker, Nationalisten und Rechte als „Nazis“ zu diffamieren, obwohl sie mit dem kriminell-brutalen Simpel und selbsterklärten Nazi, der den Mord offenbar begangen hat, nichts gemein haben. Es wird in manchen Berufsfeldern sicherlich Säuberungen geben.
Zum anderen gewinnt die Linke in Gestalt der neubürgerliche Grünen und der Neo-Sozialisierer im allgemeinen und der aufgeregt-apokalyptischen Greta-Bewegung im besonderen nicht nur die Initiative, sondern die Hegemonie: „Friday for Future“ ist offenbar Konsens, bis mindestens in die CDU hinein. Tagebaue zu stürmen und vor modernen Kohlekraftwerken zu demonstrieren gilt als couragierter Akt und solcherart als Zeichen einer politisch wieder erwachten Jugend, die endlich ihre Lethargie und ihre virtuelle Existenz überwindet. Ganz offiziell soll sich die Berliner Republik dessen freuen.
Darf man Bezüge zur Geschichte herstellen? Provokant darüber nachgedacht: Die starke europäische Rechte der Zwischenkriegszeit läßt sich – im Zusammenhang mit der durch Krieg und Revolution aufgelösten Ordnung – als ein Reflex auf Gewalt gewinnende linke Utopismen der Revolutionszeit 1917 ff., vor allem auf Sozialisierungstendenzen und nachahmenden Bolschewismus in Gestalt der entstehenden Kommunistischen Internationale verstehen. Sie stellt eine reaktionäre Reaktion auf eine linke Offensive dar, die ihre eigene Geschichte hat.
Ausgestattet mit einer kritischen, daher tendenziell pessimistischen Anthropologie sowie einer hobbesianischen und dezisionistischen Staats- und Rechtsphilosophie, versuchte die Rechte einerseits intellektuell-philosophisch, andererseits politisch-praktisch einen neuen Jakobinismus einzudämmen und radikalisierte sich in den zunehmend rabiaten Auseinandersetzungen dann selbst. Ja, mit fatalen Folgen. Denn Radikalität erzeugt Gegen-Radikalität und droht Maß und Vernunft zu verlieren.
Ernst Noltes phänomenologisches Verfahren beschreibt die historische Grundlage des Faschismus als „Antimarxismus, der den Gegner durch die Ausbildung einer radikal entgegengesetzten und doch benachbarten Ideologie und die Anwendung von nahezu identischen und doch charakteristisch umgeprägten Methoden zu vernichten trachtet, stets aber im undurchbrechbaren Rahmen nationaler Selbstbehauptung und Autonomie.“
Heute registrieren wir bis ins Neubürgertum der Republik hinein extremen linksgrünen Moralismus mit geradezu gesellschaftsneurotischen Zügen und eine antirechte Hysterie, die die Demokratie entscheidend von „Rechtsradikalen“ bedroht sieht.
Beides steigert sich dieser Tage: Der Lübcke-Mord wird als willkommene Rechtfertigung für forcierte Anti-Rechts-Kampagnen herangezogen. Und die bislang wie sediert erscheinende Jugend rennt – dankbar für Sinngebung – maschinenstürmerisch gegen Garzweiler und Kohlekraft an. Ihren Empfindungen und Aktionen eignet dabei etwas Expressionistisches im Sinne von Weltende-Impressionen und Weltenende-Stimmungen. Dies erinnert durchaus an Befindlichkeiten vor hundert Jahren.
Der expressionistische Lyriker Georg Heym (1878–1912) schrieb am 15. September 1911 in sein Tagebuch:
Mein Gott – ich ersticke noch mit meinem brachliegenden Enthusiasmus in dieser banalen Zeit. Denn ich bedarf gewaltiger äußerer Emotionen, um glücklich zu sein. Ich sehe mich in meinen wachen Fantasien immer als einen Danton oder einen Mann auf der Barrikade, ohne meine Jacobinermütze kann ich mich eigentlich gar nicht denken. Ich hoffte jetzt wenigstens auf einen Krieg. Auch das ist nichts.
Mein Gott, wäre ich in der französischen Revolution geboren, ich hätte wenigstens gewußt, wo ich mit Anstand hätte mein Leben lassen können. (…) Alle diese Leute können sich in diese Zeit eingewöhnen, sie alle, Leute des Innern, können sich schließlich in jeder Zeit zurechtfinden, ich aber, der Mann der Dinge, ich, ein zerrissenes Meer, ich immer im Sturm, ich der Spiegel des Außen, ebenso wild und chaotisch wie die Welt, ich leider so geschaffen, daß ich ein ungeheures, begeistertes Publikum brauche, um glückselig zu sein, krank genug, um mir nie selbst genug zu sein, ich wäre mit einem Male gesund, ein Gott, erlöst, wenn ich irgendwo eine Sturmglocke hörte, wenn ich die Menschen herumrennen sähe mit angstzerfetzten Gesichtern, wenn das Volk aufgestanden wäre, und eine Straße hell wäre von Pieken, Säbeln, begeisterten Gesichtern …
„Ich wäre mit einem Male gesund …“ – Klar , das ist beinahe schon Dichtung, und Georg Heym war zweifelsohne ein großer Dichter; aber eine ähnliche Stimmung – freilich ins politisch Triviale gewendet – dürfte die von der wohlmeinenden Schule und dem faden Hedonismus der Elterngeneration gelangweilte und an der eigenen Leidenschaftslosigkeit wie der Unfähigkeit zu Erlebnis und Bewährung krankende Jugend erfassen, zumal es für sie bislang nur eine einzige Richtung gab – die möglichst intensive Teilnahme am Konsumismus.
Darüber hinaus blieb nur die rezeptive Trägheit des beidohrig abgestöpselten Medienjunkies. Held konnte mancher allenfalls im Virtuellen als „Gamer“ sein, im Realen fehlte es an Kraft, Ausdauer und Selbstüberwindung.
Endlich aber tut sich etwas. Die ominös-sinistre Greta erscheint als Heilsbringerin und formuliert das Ziel ganz im Sinne eines quasireligiösen Erlösungsversprechens, und zwar an die Adresse der Kinder und Jugendlichen, die einzig noch reinen Herzens und ohne (Umwelt-)Sünde sind.
Was uns Beobachtern geradezu unheimlich erscheint und düster nach Kinderkreuzzeug aussieht, empfinden die bislang weitgehend untrainierten und klarer Ziele entbehrenden Heranwachsenden als vitalisierend und romantisch. Erlebten sie sich bisher passiv als Objekte einer sie festsetzenden und festhaltenden Erziehung, finden sie neuerdings zu einer kollektiven Inspiration und Kraft, die ihrerseits sogleich linksgrün instrumentalisiert wird, mit dem Vorteil, daß „ethisch“ kaum Einwände zugelassen werden, sondern die erwachsene Politik das tut, was die Elterngeneration schon immer tat, nämlich „Bravo!“ rufen und „Weiter so!“, wenn die Kleinen endlich mal den Computer runterfahren und sogar ihr Kinderzimmer verlassen, um sich „zu engagieren“. All die schulisch inszenierten Kampagnen haben das nicht zu erreichen vermocht.
Die Erwachsenenwelt sieht sich schuldig gesprochen. Aber das paßt ihr! Denn sie fühlte sich halbbewußt in ihren Verbrauchergewohnheiten und in der symptomatischen Doppelmoral namentlich der linken Hedonisten ohnehin unausgesprochen schon immer so. Alle Moral nämlich geht von Selbstbeschränkung, Maßhalten und Demut aus. Dies durchzuhalten, dazu ist die „Wachstumsgesellschaft“ systembedingt nicht in der Lage und der einzelne Besserverdiener nicht willens. Namentlich die am Prenzlauer Berg praktizierte Lebensweise bedarf globaler Extremausbeutung von Menschen und Rohstoffen.
Jetzt akzeptieren die grünwählenden Eltern den über sie verhängten naiven Schuldspruch der Nachfolgegenration sogleich und können ihm nichts entgegenhalten. Das Kind des Andersenschen Märchens hat gesprochen: Der Kaiser ist nackt! – Aber das war er immer. Klar lebten die europäischen Nachkriegsgenerationen maßlos und zu Lasten der Umwelt. Und ohne Schuld kommt auch weiterhin niemand durch! Auch die heranwachsenden Infantilrevoluzzer nicht , maßen es sich – aus der Gnade einer neuerlich späten Geburt – jedoch an, die gesamte Gesellschaft schuldig zu sprechen, zumal sie mit ihrer risikolosen, allerdings riskanten Revolte zunächst den Beweis weder antreten müssen noch können, später umweltbewußter zu handeln.
Um es mal satirisch zu schärfen: Eben noch fest verschnallt auf dem Rücksitz des elterlichen SUV auf dem Weg zum nächsten Indoor-Event, legasthenisch und aufmerksamkeitsdefizitär und durch Internierung in Elternhaus und Ganztagsschule hyperkinetisch nervös, häufig adipös, allergiegeplagt, lactoseintolerant und glutenunverträglich, überhaupt überreizt und idiosynkratisch, zudem antriebslos und daher auf Animation angewiesen, erkennen die Heranwachsenden plötzlich eine Richtung für sich, für die sie endlich nicht mehr auf die ansonsten erforderlichen Förderpläne und Nachteilsausgleiche der Inklusionspädagogik angewiesen sind: Nichts Geringeres als Weltrettung! So werden Zwerge in Wochenfrist zu Drachentötern.
Und keine Anregungen wirkt so intensiv und viral wie die aus Angst hergeleiteten: Gegen den Klimatod! Die Erwachsenen haben die Welt vergiftet; wir Jungen aber werden beides heilen, Welt und Mensch. Das ist nichts weniger eine totalitäre Zielstellung, die die Massen ergreift. Und daher kommt ein Großteil der unerwarteten Kraft, mit der nicht mal die Kleinbürger Habeck und Baerbock rechneten, die nun Mühe haben, ihr politisches Erfolgsglück zu fassen und die Jungschar für sich zu mobilisieren.
Kraft erzeugt Gegenkraft, Bewegung erzeugt Gegenbewegung und Reaktion. Wie wird sie aussehen? Hat sie überhaupt Ressourcen? Eines aber ist sicher: Dynamik. Aber wo Dynamik wächst, da wächst gleichzeitig die Gefahr. Und das Risiko jedes Einzelnen, der sich positioniert. Gegenwärtig reicht es schon aus, kritische Akzente gegen die linksgrünen Selbstläufer zu formulieren, um diffamiert zu werden.
Geschichtlich betrachtet kam die radikale Linke, wo sie Hegemonie und Macht gewann, immer in albtraumhaften Unterdrückungsgesellschaften an. Ebenso schuldig wurde die radikale Rechte. Der konservative Reaktionär warnte, wurde aber kaum je gehört.
Fritz
Der Vergleich mit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg hinkt, finde ich. Ich kann bei den heutigen Klima-Demonstrierern keine heroische Tendenz erblicken, schon gar keine Todesbereitschaft. Die beschweren sich ja schon, wenn die Polizei sie festsetzt und sie nichts zu trinken bekommen.