Sensorium

von Heino Bosselmann -- Die Testverfahren, mit denen die Politik die Schule unterwirft, versuchen Intellekt und Sprachvermögen zu messen.

Dafür wären, heißt es, „Kom­pe­ten­zen“ zu ent­wi­ckeln, idea­ler­wei­se „Metho­den­kom­pe­ten­zen“, die der gegen­wär­ti­gen Bil­dungs­for­schung weit über Wis­sen gehen. Das Wis­sen-über ist längst out, da sich, heißt es, der Schü­ler mit der rich­ti­gen „Metho­den­kom­pe­tenz“ ja alles selb­stän­dig erschlie­ßen wer­de, nach­dem er erst – nächs­ter Lap­sus – das „Ler­nen gelernt“ habe.

Nur: Wie sieht es mit der Sen­sua­li­tät aus, die noch vor allem Begriff­li­chen, Ana­ly­ti­schen und Metho­di­schen not­wen­dig ent­wi­ckelt sein müß­te? Erkennt­nis näm­lich beginnt mit dem Sen­so­ri­um, also mit den Sin­nen und dem sinn­lich zu Fas­sen­den. Bevor der Mensch denkt, Zusam­men­hän­ge her­stellt und urteilt, wird er wachen Sin­nes wahrnehmen.

Die Welt und sei­ne eige­ne Posi­ti­on dar­in müß­ten auf­merk­sam erlebt wer­den, bevor der kom­ple­xe Vor­gang der Ver­ar­bei­tung die­ses bunt Empi­ri­schen beginnt. Wie also steht es mit der über Sin­nes­pfor­ten erfol­gen­den Auf­nah­me, die wie alles ande­re inten­siv prak­ti­ziert wer­den muß, auf daß sie sich neu­ro­lo­gisch fundiere?

Der Hirn­for­scher Man­fred Spit­zer ver­weist auf eine ful­mi­nan­te Chan­ce, ver­bun­den mit einer dra­ma­ti­schen Gefahr: Wer­den wir gesund gebo­ren, ist in uns immenser Reich­tum ange­legt. Wie die Pflan­zen eines Gar­tens war­ten Mil­li­ar­den Ner­ven­zel­len dar­auf, in Syn­ap­sen aus­zu­trei­ben, aus­zu­kn­op­sen und auf­ein­an­der zuzu­wach­sen, um über die­se fri­schen Trie­be Ver­äs­te­lun­gen, Ver­bin­dun­gen und Ver­schal­tun­gen her­zu­stel­len, wor­aus dann nicht nur die Hard­ware für unser Wis­sen und Spre­chen, son­dern die Grund­la­ge unse­rer Per­sön­lich­keit in Gestalt des Ich-Bewußt­seins entsteht.

Wenn sie denn ent­steht! Wird unser neu­ro­lo­gi­scher Appa­rat erprobt, bean­sprucht, trai­niert, so wächst er und formt sich hirn­phy­sio­lo­gisch zu einer weit aus­la­den­den Baum­kro­ne, der wir die Früch­te nicht nur unse­res Geis­tes, son­dern über­haupt ein rei­ches Spek­trum an Emp­fin­dun­gen ver­dan­ken. Spit­zer meint, die Ein­heit des Ler­nens sei die Syn­ap­se. Sie ver­bin­det und verschaltet.

Für die Aus­for­mung eines tie­fen see­li­schen Innen­raums bedür­fen wir viel­fäl­ti­gen „Inputs“. Sin­nes­or­ga­ne und Ner­ven­sys­tem brau­chen star­ke und ver­schie­de­ne Rei­ze und Anre­gun­gen, auf daß sich das neu­ro­na­le Netz so weit wie dicht knüpfe.

Wir sind, bekom­men wir genug zu sehen, zu hören, zu schme­cken, zu erle­ben, aller Mög­lich­kei­ten voll; unser inne­res Wachs­tum war­tet auf die Welt mit ihrer Man­nig­fal­tig­keit, um sie auf­zu­neh­men und zu „ver­da­ten“. So schaf­fen wir aus der äuße­ren Welt eine inwen­di­ge. Wie wun­der­voll, nicht wahr? – Mit Schel­ling: Im Men­schen hat die Natur ihre Augen auf­ge­schla­gen, sonst wüß­te sie nicht, daß sie ist.

Nur muß dazu das Ner­ven­sys­tem aktiv gefor­dert sein, argu­men­tiert Spit­zer, sonst ver­küm­mert es. Wie im Fal­le der Schiel­blind­heit, einer Erblin­dung des eigent­lich völ­lig intak­ten Auges, aus­ge­löst davon, daß bei einer ange­bo­re­nen Fehl­stel­lung kein Licht in die Pupil­le fällt. Wird dies nicht unmit­tel­bar nach der Geburt kor­ri­giert, erblin­det der Mensch trotz eines völ­lig intak­ten Auges, weil Seh­nerv und Seh­zen­trum nicht ange­regt werden.

Über­tra­gen heißt das: Wenn wir wenig oder kei­ne Anre­gun­gen emp­fan­gen, so schal­tet die Natur nicht benö­tig­ten Anla­gen als unbe­nö­tigt ab; es erfolgt ein „Syn­ap­sen­jä­ten“, und zwar irrever­si­bel. Sim­pel aus­ge­drückt: Bekommt unser Zen­tral­ner­ven­sys­tem, bekom­men ins­be­son­de­re die Ver­äs­te­lun­gen in unse­rem Cor­tex nichts zu tun, weil all­zu weni­ge oder zu gleich­för­mi­ge Rei­ze erfol­gen, fließt also kein Strom, so wer­den von Natur aus die knos­pen­den Syn­ap­sen gekappt, über die neu­ro­lo­gi­sche Ver­äs­te­lun­gen wie ein Dickicht wuchern soll­ten, und wir ste­hen dann im Hirn also wie ein Baum mit dür­ren, kah­len Ästen da.

Wir dege­ne­rie­ren unwei­ger­lich zu dumpf­dum­men Sim­peln, zu „Dead-Heads“, die zwar das Ein­fa­che ver­ste­hen, denen aber tie­fe Emp­fin­dun­gen eben­so fremd sind wie ihnen umfas­sen­de Erkennt­nis­se kaum mög­lich sein wer­den. Welch trau­ri­ge Prädestination!

Ob unse­re Per­sön­lich­keit also far­big auf­blät­tert und ob wir empa­thi­sche Emp­fin­der und fit­te Den­ker wer­den kön­nen, das hängt, so Spit­zer, maß­geb­lich von unse­rer frü­hen Ent­wick­lung ab. Zwei­mal eröff­nen sich unse­rer neu­ro­lo­gi­schen Basis umfas­sen­de Mög­lich­kei­ten im Sin­ne syn­ap­ti­scher Plas­ti­zi­tät, zum einen als jun­gem Kind, dann noch ein­mal in der Puber­tät der Jugend. Danach sind wir, nun ja, weit­ge­hend fer­tig­ge­stellt. Und gleich­sam festgestellt.

Es kommt also auf die Anre­gun­gen an. Ein Kind, das viel zu schau­en bekommt, das ange­spro­chen, dem vor­ge­le­sen, mit dem gesun­gen wird, das anfängt zu bas­teln, zu zeich­nen, zu for­men, eines, das im Gar­ten mit­ar­bei­tet, gar ein Instru­ment lernt und sich einer „reiz­vol­len Kind­heit“ erfreu­en darf, das sich aus­pro­biert und Erleb­nis­se hat, wird über aller­bes­te Vor­aus­set­zun­gen ver­fü­gen, sein Emp­fin­den, sein Gedächt­nis und über­haupt sei­ne Per­sön­lich­keit aus­bil­den zu kön­nen. Ande­re ver­ar­men sinn­lich und intel­lek­tu­ell, und zwar schon früh – und noch vor der Schul­zeit, die dann ver­spä­tet alles rich­ten soll.

Man prü­fe auf­merk­sam, was Kin­dern ange­tan wird, die abge­schot­tet mit Medi­en auf­wach­sen. Wie ein­ge­gleist sie sein wer­den, wenn die haupt­säch­li­chen Wahr­neh­mun­gen die immer glei­chen sind, aus­ge­hend vom zwei­di­men­sio­na­len Screen des Com­pu­ters oder Smart­phone-Dis­plays. Man sehe sich an, inwie­fern Her­an­wach­sen­de über­haupt auf­merk­sam sind und wie es um die Aus­dau­er die­ser der Welt zuge­wand­ten Wach­heit bestellt ist.

Die Poli­tik ruft dar­auf­hin sogleich: Früh­kind­li­che Bil­dung! – Liegt die nicht in der Ver­ant­wor­tung der Erwach­se­nen­welt, Kin­dern ein­drucks­vol­le Erleb­nis­se zu ver­schaf­fen, anstatt die her­me­tisch und dau­er­über­wacht auf­zu­zie­hen? Drau­ßen spie­len, dort Aben­teu­er erle­ben, Geschich­ten erzählt bekom­men, sich in Ruhe unter­hal­ten, Tie­re pfle­gen, ein Beet beackern, viel sehen, bau­en und wer­keln, sin­gen, musi­zie­ren, Gedich­te lernen.

All dies Bewähr­te hät­te unse­ren Eltern und Groß­el­tern nicht als früh­kind­li­che Bil­dung gegol­ten, son­dern als Kind­heit, wie sie nun mal ist, mit all ihren Genüs­sen und Gefahren.

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Kommentare (28)

Andreas Vonderach

17. Juli 2019 11:41

"Wenn wir wenig oder keine Anregungen empfangen, so schaltet die Natur nicht benötigten Anlagen als unbenötigt ab; es erfolgt ein „Synapsenjäten“, und zwar irreversibel."

Das ist eine reine Milieutheorie. Wie verträgt sich das mit der hohen Heritabilität der Intelligenz, wie sie durch Zwillingsuntersuchungen belegt ist?

Caroline Sommerfeld

17. Juli 2019 13:21

Es gibt ein für Ihre Fragestellung meiner Ansicht nach sehr erhellendes Buch: Rudolf Lassahn, "Pädagogische Anthropologie", 1984 bei UTB erschienen.
Lassahn geht den großen technischen Denkbildern hinter den pädagogischen Paradigmenwechseln nach. Von der Räderuhr über die Balkenwaage (Rousseaus Pädagogik ist z.B. eine, in der es ständig um den Ausgleich der Kräfte geht) bis zum Weltbild der Thermodynamik (selbstregulative Systeme, das "autonome" Kind und seine "Umwelt"). Das daraus entstandene Weltbild des Computers deutet Lassahn nur noch an.
Die neue Hirnforscher-Pädagogik (die ich ihn meinem "Wir erziehen" so genannt habe) geht auf eine seltsame Weise vom plastischen Gehirn als Datenverarbeiter aus, von der Fütterung mit Informationsmassen und deren selektiver Verarbeitung, der Faszination vor dem "System kindliches Gehirn", dem wir als Erwachsene nur Hirnnahrung "anbieten" und es fasziniert beobachten (pädagogisch: "begleiten") dürfen.
Was mich an diesem Denkbild abstößt, und eben auch an Manfred Spitzers Neuropädagogik, ist die Hirnfutter-Instrumentalisierung der Lebenswelt: Baumklettern? Au ja, dann feuern die Synapsen!
Natürlich muß ein Hirnforscher menschliches Erleben und Handeln in seinen Termini beschreiben, gerade für die Therapie neuronaler Erkrankungen ist diese Herangehensweise unerläßlich. Aber das Bild vom Kinde, das dadurch entsteht, ist ein vollkommen anderes als das, was der Erlebnis-, Landschul- und Jugendbewegungs-Pädagogik ursprünglich vorschwebte: der Mensch der seine Entelechie entfaltet, Wirklichkeit nicht im Gehirn konstruiert, sondern in der Sinnenwelt leiblich erfährt. Welche pädagogische Anthropologie liegt uns am nächsten? Mit Spitzer kann man "digitale Demenz" kritisieren, man handelt sich allerdings anthropologisch gesehen das Kind als kleinen Computer ein.

Niekisch

17. Juli 2019 17:16

"schaffen wir aus der äußeren Welt eine inwendige."

Ein bekannter Wissenschaftler, dessen Name mir gerade nicht erinnerlich ist, hat eine schöne Metapher benutzt, indem er das Hineintreten des Menschen in die Welt mit dem analogen Entstehen eines Fotos verglich: das Ungeborene ist ein Negativ, das mit Belichtung zum Bild wird. Es erscheint im Wesentlichen, was schon vorhanden ist. Wir können auch sagen: Werde, der Du bist. Wer Kinder hat, weiß das.

Franz Bettinger

17. Juli 2019 19:42

@Redaktion: Gerade wurde mir im Sommerfeld-Beitrag die Badeschluss-Tür vor der Nase zugeschlagen. Vielleicht darf ich Zeitschnur doch noch antworten, dort oder hier. Wenn nicht, auch okay.

@Zeitschnur. Sie schreiben, mit der Pille etc. und der negativen Demographie (im Kopf) habe "man resigniert vor dem Leviathan und predige den Suizid aller Vitalität, die sich gegen die Selbstvergewisserung durch Kinder aufbäumt". Aufbäumt?! Selbtsvergewisserung? Verehrte Frau, das halte ich für eine sehr einseitige Betrachtung. Meine Lebensgeister haben keineswegs Suizid begangen, als ich mich einst bewusst und gewollt gegen die Zeugung eigenen Nachwuchses entschied. Im Gegenteil, sie haben sich immer mehr entfaltet, so dass ich auf ein geglücktes Leben zurückblicke. Ab wie vielen Milliarden Menschen in Afrika würden Sie denn die Reißleine ziehen? Und ginge das dann noch? Und mit welchen Folgen? Und wie würde der Halte-Befehl (die Maßnahmen) aussehen? "Et hätt noch immer jot jejange" Echt? Die Welt zu voll, voll, voll! Merken Sie das denn nicht? Grade in Deutschland! Und das schon vor dem unseligen Öffnen der Schleusentore Ende 2015. Wenn ich eine, eine einzige Entwicklung in der Welt der letzten 40 Jahre für segensreich halte, dann ist es der Geburtenrückgang, der überall stattfand, außer leider in Afrika.

Franz Bettinger

17. Juli 2019 19:57

Und was, wenn der Computer ausfällt?
Wir werden enden wie die Kühe mit einem Marker im Ohr, oder einem Chip unter der Haut. Ich glaube, all das ist von der langen Hand der Ruchlosen geplant: Den Menschen verdummen, unselbständig machen, ihn abschneiden von allem Wissen und aller Bildung, um ihn zu kontrollieren, zu versklaven und ihn endgültig und total zu beherrschen im Sinne der Novus Ordo Seclorum, bzw. der NWO, der New World Order. Nein, ich halte das nicht mehr für eine vage Theorie. Zu viel ist geschehen.

zeitschnur

17. Juli 2019 21:00

Ich bin ein bisschen skeptisch bei allen Erklärungsversuchen, denen irgendwie eine "tabula rasa"-Theorie zugrunde liegt.

Diese Skepsis brach bei mir fast schockartig aus, als uns unser Sohn mit 7 Monaten, auf dem Wickeltisch liegend und bislang völlig sprachlos, einen vollständigen deutschen Satz entgegenhielt. Er sagte zu mir vor den Ohren meines Gatten: "Nee, Mama, lass mal n Papa wicklen". (Ich hatte zuvor den Gatten aus diesem Amt zu verdrängen versucht...).
Die Folge war, dass wir, die völlig konsternierten Eltern, erst mal sprachlos waren, aber ohne Zweifel erlebt hatten, was ich beschreibe. Noch heute, so viele Jahre später, erfasst mich diese Sprachlosigkeit, diese Verblüffung und Entzauberung meiner damaligen Vorstellungen: Nein, das Kind hatte vorher nicht schon gesprochen, nein, nicht mal "Mama", und nein, es sprach auch danach für mindestens 5-6 Monate nicht mehr, fing aber dann mit gut einem Jahr allmählich an und steigerte sich bald. Und nein, ich habe das davor und danach bei keinem anderen Kind mehr erlebt, so etwas. Und noch mal nein: das war nicht undeutlich gesagt oder erinnerte auch nicht vielleicht bloß an den besagten Satz, sondern es war klar und deutlich dieser Satz. Das Baby hatte sich dazu sogar noch vorher den Schnuller aus dem Mund genommen...
Aber DASS ich es erlebt habe, war für mich eine Schlüsselszene: ich begriff, dass die Sache mit dem Sprechen und Spracherwerb völlig anders sein muss, als man es uns sagt.

Allgemeiner formuliert: da ist keine tabula rasa, das Kind bringt vielleicht eher eine globale und vollständige Struktur mit, die sich dann in seinem Geschlecht, bei seiner speziellen Mutter, seinem speziellen Vater, in seiner speziellen Sprache und Kultur erst ausdifferenziert.
Die Selbsterfahrung kann dann nur über die geschlechtliche, familiäre (auch mit einem bestimmten vorhandenen, psychophysischen Erbe) und kulturelle Differenz geschehen. Der Gedanke ist wichtig auch im Hinblick auf das postmoderne Weltbürger- und Gendergelaber. Ist meine Beobachtung nämlich richtig, kann ein Mensch nur zu einer maximalen Selbsterfahrung und Entfaltung kommen, wenn er sich da differenziert, woher er stammt. Ein Aufgehen in einem bunten "unum" wird ihn entmenschen und die Lernfähigkeit zum Erlöschen bringen. Und nicht nur das: es wird eine völlig gestörte Persönlichkeit hervorbringen. das würde auch erklären, warum selbst die liebsten Adoptiveltern mit ihren angenommenen Kindern häufig spezifische Probleme bekommen.

Anders kann man sich auch die frühe Erfahrung nicht erklären, dass ein Kind ohne jede Ansprache stirbt, auch dann, wenn es genährt und bekleidet wird. Es kann sich ohne Ausdifferenzierung in der konkreten Erfahrung mit anderen Menschen, die ihm psychophysisch nahe stehen, und Umgebungen, die es irgendwie ansprechen und herausfordern, nicht entwickeln. Erst aus der Differenzierung kann es wieder ein globales Verständnis entwickeln. Ohne sie dagegen niemals!

Dass dem allen aber ein Entwicklungsstadienmodell zugrunde liegen muss, also ein natürliche Zeitplan, der bestimmte "Fenster" bietet für den Erwerb bestimmter Ansprache und bestimmter Verarbeitung der Erfahrung, sollte man annehmen.

Ich weiß nicht, ob es dabei um Synapsenverschaltung geht... Wer weiß, ob diese Modellerklärung wirklich angemessen beschreibt, was in einem Gehirn vor sich geht, und ob es überhaupt nur das Gehirn ist, das hier dabei ist...

Ich glaube aber auch aus Erfahrung, dass ein heranwachsender Mensch, sofern man ihn nicht lähmt, ständig brüskiert oder hindert, zielgenau und rechtzeitig die Erfahrung förmlich "anzieht" wie ein Magnet, die ihn das, was er braucht, auch finden und verarbeiten lässt. Als Mutter/Vater oder Lehrer wächst man in der Tat auch mit dem Kind und wird auf eine geheimnisvolle Weise vom Kind genauso geleitet, wie man es umgekehrt zu seinem Besten führen möchte, wenn auch in verschiedenen Rollen. Das Autoritätsmodell, das ich auch bei Spitzer herauslugen sehe, ist wahrscheinlich einer der größten Irrtümer und Lerntöter der Menschheit.

Im weitesten Sinne geht es um die Differenz von "Abrichtung" und "Bildung". "Abrichtung" ist allerdings konzeptionell ein Vorgang, der mit Belohnung und Strafe arbeitet und die bewusste Verkümmerung anderer Möglichkeiten als der, zu der abgerichtet wird, intendiert.
An die im Artikel referierte Irreversibilität glaube ich allerdings nicht.

RMH

17. Juli 2019 21:26

„Wir sind beim Thema; den Menschen in die rechte Position zum Universum bringen – das ist wichtiger, als daß sich sein Wissen vermehrt. Die Bildungsprogramme, wie eben jetzt die Pläne zur Universitätsreform, eröffnen Ausblicke auf eine Scheinwelt, in der die Automaten, die Langeweile und die Selbstmorde zunehmen werden – um das vorauszusagen, braucht man kein Prophet zu sein. Das ist der Stil von intelligenten und selbstzufriedenen Güterbahnhofsdirektoren, die Wissen wie Stückgut hin- und herschieben. Immerhin gibt es noch solche, die mit dem vorgekauten Futter und mit der Welt der Gleise und Stellwerke nicht auskommen. Die Geister scheiden sich.“ (Ernst Jünger, Annäherungen, Seiten 420, 421, Stuttgart 1970)

Vor ca. 50 Jahren schrieb dies ein bereits über 70 Jahre alter Ernst Jünger - nach wie vor aktuell … "den Menschen in die rechte Position zum Universum bringen … "

Laurenz

18. Juli 2019 04:50

Die Aussage, mit dem Ende der Pubertät seien wir fertig kreiert, läßt sich so nicht halten. Auf der rein biologischen Ebene sind wir erst mit 25 fertig und in der Lage eigene Meinungen zu bilden, bis dahin kopieren wir nur Meinungen. Und ab 25 geht es dann auch Tag für Tag körperlich abwärts, bei dem einen schneller, bei dem anderen langsamer.
In der Erziehungsfrage ist der Artikel recht logisch. Nur im kindlichen Spiel werden die Talente gefördert, die uns als Erwachsene ausmachen, man nehme zB Legosteine und die Ingenieurs-Kunst. Umso länger wir Kind bleiben dürfen, umso mehr werden unsere Talente gefördert. Die linke Früh-Sexualisierung soll genau diesen Prozeß der Talentbildung stören. Denn wer poppt, dessen Kindheit ist vorbei.

Zitat- Mit Schelling: Im Menschen hat die Natur ihre Augen aufgeschlagen, sonst wüßte sie nicht, daß sie ist. Zitatende ....
auf der spirituellen Ebene sind wir, nach Carlos Castaneda, die Nervenzellen, mit denen das Universum sich seiner selbst bewußt wird. Und bei unserem Tode frißt das Universum (der große Adler, siehe den Bundesadler oder Aar) unsere Seelen um sich das individuell erworbene Bewußtsein einzuverleiben. Da der gigantische Adler von sich aus nach rechts schaut, beschreibt es Castaneda als äußert schwierig, an seiner linke Seite vorbei zu kommen, um nicht gefressen zu werden. In der Wikinger-Literatur wird das Morden mit "dem Adler zu fressen geben" beschrieben.

Es ist äußerst schwierig die Bewußtheit von Tieren oder Pflanzen zu beurteilen, wenn man sich die Bücher und Vids von Peter Wohlleben anschaut, kommen sehr wohl Zweifel über unser Naturbild auf. Die Arroganz des Menschen, sich als Krone der Schöpfung einzustufen, ist durch nichts beweisbar. Mit unserem 4-Beiner-Rückgrat und dem Wurmfortsatz sind wir doch nur minimalst projektiert und wohl eher eine Fehlkonstruktion.
Im heidnischen Weltbild sind wir nichts weiter als ein weiteres Testmodell der göttlichen Absicht, und werden nur auf unsere Überlebensfähigkeit hin getestet. Versagen wir, dann heißt es, der nächste (Versuch) bitte.

Wenn das stimmen würde, was im Artikel steht, dürften wir noch nicht einmal die Schrift benutzen. Denn diese sorgt dafür, daß wir nicht mehr auswendig lernen. Wenn wir also die Schrift als erweiterten Speicher zum Nachschlagen hinnehmen, ist die Computer- und Netzwelt nichts als die logische Konsequenz der Schrift, um die externen Speicher funktionaler zu gestalten.

Viel gefährlicher als die Schrift ist die Einführung und Nutzung des Geldes seit etwa 700 bis 1.100 vor 0. Seitdem degenerieren wir. Waren in den Jäger- und Sammlerkulturen, wie auch noch in der frühen Phase der Seßhaftigkeit (nur in der nördlichen Hemisphäre) körperliche und geistige Befähigungen gleich gewichtet, so nahm das einerseits mit der Seßhaftigkeit ab, weil die seßhafte Ernährung schlecht war/ist, und urbane Gegebenheiten Krankheiten fördern, so fiel der körperliche Aspekt mit der Einführung des Geldes, als neues Synonym für Beute, Jagd- und Kriegserfolg, ganz weg, was im wesentlichen an der Akzeptanz der Geschlechtspartner und der diesbezüglichen Wahrnehmung der Frauen liegt. Mit Geld ist auch ein dicker, lahmer Krüppel sexy. Auch die Einführung der Brille ist ein gutes Beispiel, sie sorgt dafür, daß die dominant Kurzsichtigen nicht mehr frühzeitig sterben und sich häufiger fortpflanzen können, siehe Gustav Adolf von Schweden.
Wollten wir also den idealen Menschen erschaffen, so müßten wir alle zivilisatorischen Werte wegschmeißen, ein unverklemmtes Verhältnis zu unserem Tode und dem anderer finden, was sich auch noch in der Anonymität der Neuzeit hinter der arg dünnen zivilisatorischen Firniß erhalten hat. Aber solch ein Unterfangen würde hier auf SiN auf großen Widerstand stoßen. Einerseits weil hier die Egos zu groß sind, um an einer Infektion frühzeitig verenden zu wollen, andererseits weil man doch, im eigenen Selbstmitleid triefend, zu gerne am Glauben an den guten Sankt Martin und dem Nikolaus festhalten möchte.

Der ideale Mensch hat weder Gewissen noch Schuldgefühle, sondern kennt nur Verantwortlichkeit für das eigene Tun.

Gast

18. Juli 2019 09:25

A. Vonderach

Das ist eine reine Milieutheorie. Wie verträgt sich das mit der hohen Heritabilität der Intelligenz, wie sie durch Zwillingsuntersuchungen belegt ist?

Was soll sich da widersprechen? Wenn Sie Zwillinge mit den exakt gleichen Intelligenzgaben - durch Vererbung erhalten - und diese dann derart getrennt aufwachsen ließen, daß der eine Zwilling in eine 'Kaspar Hauser-Existenz' gezwungen würde, der andere Zwilling dagegen in einem anregungsreichen Milieu (also so wie im Artikel als mehr oder weniger ideal beschrieben) ... und beide dann im Alter von 20 Jahren (beispielsweise) wieder zusammenbrächten, um ihren Entwicklungsstand (bezogen aufeinander) zu vergleichen ... - dann sollte das Ergebnis doch klar sein, oder?

Das Problem der Milieuthesenvertreter besteht doch wohl eher darin, daß sie Vererbbarkeit und Vererbung von ANLAGEN (!) schlicht leugnen, den .... JEDEN Menschen daher als bei Geburt unbeschriebenes Blatt verstehen, in den dann nur mit einem Nürnberger Trichter eine hinreichende Menge Kulturmarxismus hineingegossen werden muß - und flugs ist er nach 20 Jahren fertig ... der Neue Mensch!

Was leider sogar in zweierlei Hinsicht in vielen Fällen durchaus zutrifft: Der so 'geschaffene Neue Mensch' ist dann eben nach 20 Jahren - jedenfalls aus der Position, die von Spitzer etwa im Artikel als erstrebenswert angesehen wird, betrachtet - f-e-r-t-i-g (und zwar 'fix und fertig'...) - und er stellt darüber hinaus dann tatsächlich einen 'Neuen Menschen' dar.

Allerdings natürlich - wiederum aus der Perspektive gesehen, die der Artikel als erstrebenswert ansieht - eher so wie Saruman im 2. Teil des HdR sie formuliert als er dem ersten Uruqai seine sozusagen 'erste Bildungslektion' angedeihen läßt, indem er ihn fragt "Weißt du wie die Orks entstanden sind? ... Einst waren sie Elben (normale Menschen) ... doch wurden sie vom Dunklen Herrscher entführt ... gefoltert ... und verstümmelt ... - eine schreckliche Lebensform, die jetzt - er blickt den Uruqai direkt an - ... vollendet ist!

Atz

18. Juli 2019 09:47

"Liegt die nicht in der Verantwortung der Erwachsenenwelt, Kindern eindrucksvolle Erlebnisse zu verschaffen, anstatt die hermetisch und dauerüberwacht aufzuziehen? "

Hervorragend. Gesunde Kinder brauchen Räume zum Spielen, keine Sprachregelungen und Dauerbetreuung.

Manfred Spitzer verwechsele ich immer mit Manfred Spieker. Beide finde ich eher zweifelhat seriös.

t.gygax

18. Juli 2019 17:43

Zu diesem Thema sehr anregend: ein Vortrag von Prof. Dr. Ralph Bonelli ( Siegmund Freud Universität Wien) zum Thema "Vom Temperament über den Charakter zur Persönlichkeit".
Der Bonelli ist eine interessante Figur, katholisch und gleichzeitig weltoffen, mit Bezügen zur Tiefenpsychologie ( leider...) aber als Neurologe eben auch mit der "exakten" Wissenschaft vertraut.
Und hat Wiener Charme, Humor und Witz. Macht Spass , dem zuzuhören- guter Redner.Bei youtube leicht zu finden.

zeitschnur

18. Juli 2019 19:22

@ Franz Bettinger

Bei allem Respekt möchte ich entgegnen - Sie schreiben, dass Sie bewusst keine Kinder haben wollten. Ich aber wollte bewusst Kinder. Und eines kann ich Ihnen mit ganzer Gewissheit bezeugen: der Blick auf solche Fragen wird im Normalfall anders, sobald man in ein Leben mit eigenen Kindern geführt wurde.
Sie stellen sich das alles sehr, sehr mechanistisch vor. Aber das ist es nicht. Ich verstehe Sie aber auch, weil ich als Kinderlose die Welt auch so oder so ähnlich ansah.
In mir ist tatsächlich ein Grundvertrauen, dass die Menschen, die geschaffen werden, auch gewollt sind - von dem, der alles Leben bedeutet. Dies aber nicht in einer platten und hybrishaften Milchmädchen-Hochrechnung der Bevölkerungspolitker. Es war von Anfang an ein Lieblingsthema der Linken, der Faschisten und teilweise sogar der Liberalen, weniger aber der Konservativen und Rechten, Bevölkerung zu designen.
Aber weil sie gewollt sind, ist die Schuld des Menschen um so größer, der sie nicht will oder instrumentalisiert oder missbraucht.
Lassen wir es aber im gegenseitigen Respekt vor der so anderen Lebenslage so stehen.

Solution

18. Juli 2019 19:36

Ich stimme Vonderach zu: Auch für mich ist das zu viel Milieutheorie.

Habe zufällig gerade mit Gewinn das Buch "Born Together Reared Apart" ("The Landmark Minnesota Twin Study") von Nacy L. Segal fertig gelesen, da ich auch ein Zwilling bin.

Nach "Aufzucht" von drei Kindern bin ich mir zudem auf Grund meiner eigenen Erfahrungen sicher, daß die vererbten Anlagen insgesamt wichtiger sind als alle "Anregungen".

Thomas Martini

18. Juli 2019 21:26

Das mag mal wieder sehr weit hergeholt sein, aber es wundert mich halt, daß hier niemal der Name Montaigne fällt, wenn es um Erziehung geht.

Scheint so, als habe Herr Bosselmann selbst keinen Bezug zu ihm. Folgende Frage wäre sonst überflüssig:

"Liegt die nicht in der Verantwortung der Erwachsenenwelt, Kindern eindrucksvolle Erlebnisse zu verschaffen, anstatt die hermetisch und dauerüberwacht aufzuziehen?"

Für Michel de Montaigne war das oberste Gebot die Beobachtung des Kindes, um seine natürlichen Talente zu entdecken und zum Erblühen zu bringen. Seine eigene Kindheit verbrachte Montaigne in Abgeschiedenheit. Beim Aufwachen sollen ihn himmlische Melodien geweckt haben, habe ich mal irgendwo gelesen. Kurz gesagt: Er wurde als Kind kaum mit häßlichen Reizen konfrontiert. Seiner persönlichen Entwicklung hat das nicht geschadet.

Erziehungserfolg erkannte Montaigne in der aus seiner Sicht richtigen Lebensführung des Schülers, weniger in Gedächtnisleistungen. Ferner enthält eine ideale Erziehung nach Montaigne auch körperliche Anstrengung, Bewegungsdrang und Reiselust, sowie die Bereitschaft, stets nach Möglichkeiten Ausschau zu halten, seinen Horizont zu erweitern.

"Es wird ja doch nicht einmal bloß eine Seele und ein andermal bloß ein Körper erzogen, sondern ein Mensch; den darf man nicht aufspalten."

Dieser Einsicht kann man sich kaum versperren. Dagegen rebelliert höchstens das, was man hierzulande "innerer Schweinehund" nennt.

Einen Erzieher wie Montaigne, oder dessen Lehrer Horstanus, muß man unter den "pädagogischen Fachkräften" unserer Tage erstmal finden. Das steht fest.

Sandstein

19. Juli 2019 14:37

@ Laurenz

..ich kanns einfach nicht lassen, werde aber versuchen in Wort und Form halbwegs neutral zu bleiben.

Zunächst müssen Sie differenzieren zwischen den Geschlechtern. Frauen (oder besser junge Frauen) sind zwischen dem 16-17 Lebensjahr, spätestens mit 18 fertig entwickelt, da tut sich körperlich nichts mehr außer die Schwerkraft wirkt.
Bei jungen Männern (bin selber 29, Sie fragten mal nach meinem Alter) sieht das anders aus, ich bin auch noch bis 22 gewachsen. Lassen wir also einfach mal die 25 so stehen. Persönlichkeitsentwicklung läuft aber nicht simultan zur körperlichen ab, und tatäschlich wird Ihnen jeder Soziologe bestätigen, dass Dinge wie Weltbild und Selbstbild mit spätestens 20 ausgeprägt sind.
Anders gesagt: viel Spaß bei dem Versuch, einem über 20-Jährigen Syrer, der nicht hier aufgewachsen ist, ein deutsches Frauenbild beizubringen. Es wird und muss scheitern.

Zu den anderen Punkten habe ich keine klare Meinung. Rabenvögel, Delphine, bei all diesen Tieren macht man "Intelligenz" aus, und ich weigere mich, Tiere nur als Instinktwesen zu sehen.

Aber der Mensch ist die Krone der Schöpfung*, nach Gottes Ebenbild und die Erde sein Untertan. Ich glaube, Sie haben genau hiermit ein Problem, das dürfte aber eher an Ihrem Zugang zu Krone und Untertan liegen. Ja, Monarchen haben schon immer auch ihren Untertanen Steuern und Frondienste abgeknöpft, andererseits hatte jeder Herrscher auch eine Verantwortung, und zwar unmittelbar.

In jeder Demokratie sieht das anders aus, hier gilt die Verantwortung zumeist dem eigenen Lebensweg und der Partei, hat man dann mal sowas wie einen Idealisten, der sich bei allen parteiinternen Intrigen behaupten konnte, ist das ein Glückstreffer und Ausnahme zugleich!

Und ich bezweifle stark, dass der "ideale" Mensch kein Gewissen hat. Sie kommen philosphisch nicht aus dem Pott, wenn Sie Verantwortung setzen, aber das Gewissen dabei auslassen. Das eine erwächst aus dem anderen.
Ich empfehle dringend Kants "Religion innerhalb der Grenzen bloßer Vernunft".

Sie als "Gottloser" (nicht böse gemeint, mir tuts eher Leid) dürften mit der Lektüre viel anfangen können. Kant selbst nicht gläubig, hat dann doch anerkennen müssen, dass es Gott geben muss, eben mit Blick auf das Gewissen, oder besser die Moral, die JEDER in sich spürt.

Laurenz, ich kann wirklich nicht verstehen, wie man sich so am Christentum abarbeiten kann. Spricht eigentlich sogar für Sie. Ein katholischer Priester in Polen hat mir einmal erklärt, dass je stärker die Zweifel ausgeprägt sind, umso stärker kämpft die Seele im Innern mit ihrem Teufel.
Ein gutes Zeichen wie ich finde!
Vllt werden Sie ja doch noch ein deutscher Christ. ;)
Gruß!

*der Mensch ist unangefochten Spitzenprädator der Erde. Und zwar der gesamten. Mag Ihnen jetzt spanisch vorkommen, weil sicher jeder Löwe aus einem Menschen Hackfleisch macht. Sind es schon drei Menschen, mit purpurroten Mänteln, verziehen sich selbst Alphalöwen vom frischen Riss. Der Mensch ist nicht wegen seiner Krallen, Zähne oder Ausdauer Spitzenprädator, in jeder Disziplin gibt es Tiere, die es weitaus besser können.
Und nochmal, als Krone trägt man auch Verantwortung für die Schöpfung Gottes. Wie wir mit Masttieren umgehen zeigt, dass wir dieser Verantwortung nicht gerecht werden.

Ruewald

19. Juli 2019 16:14

@zeitschnur
Ihre eindrückliche Schilderung weist auf Ihre offensichtlich sehr glückliche Hand in der Erziehung hin, und zusammen mit Ihren Einsichten und Überlegungen ergibt sich eine überzeugende Widerlegung der Tabula-rasa- und Milieutheorie.
Offensichtlich ist das individuelle Gehirn bereits "vorverdrahtet", und diese Vorverdrahtung bestimmt die Begrenzung und den Spielraum und die Komplexität der durch Umweltreize und –erfahrungen möglichen synaptischen Verbindungen und des sich über Hierarchiestufen entwickelnden Verzweigungsbaums und –netzes.

@AndreasVonderach hat richtig auf die (wohl weit über 50%ige) IQ-Erblichkeit hingewiesen (seine Bücher Sozialbiologie und Völkerpsychologie u.a. sind sehr emfehlenswert).
Wegen des durchschnittlichen IQ von 70 der Schwarzafrikaner (gegenüber 100 ±5 bei Abendländern und Ostasiaten) wäre es extrem unwahrscheinlich, daß z.B. aus einem schwarzafrikanischen Kind durch höchstmögliche Erziehungs- und mathematische Stimulationsreiz-Bemühungen ein mathematisches Genie gemacht werden könnte. Nicht von ungefähr fehlen unter den Fields-Medaillen- bzw. naturwissenschaftlichen Nobelpreis-Laureaten Schwarzafrikaner. (Daß Schwarze, insbesondere Afroamerikaner (mit IQ 85), auf anderen Gebieten, die aber im IQ unzureichend erfaßt werden, zu hervorragenden Leistungen fähig sind, soll nicht unerwähnt bleiben: z.B. ganz herausragende Jazz-Instrumentalisten und –Komponisten, die sich sogar in spirituelle Regionen gewagt haben, wie etwa John & Alice Coltrane, Wayne Shorter, Yusef Lateef, u.a.).

Offenbar gibt es aber auch anatomisch-strukturelle Rassenunterschiede: die geringere Neokortex-Faltungsdichte bei Schwarzafrikanern. Ich habe bisher keine Hinweise (außer Vermutungen) gefunden, daß damit der niedrigere IQ erklärt werden kann. Weiß jemand im Forum mehr darüber?

Sehr aufschlußreich ist der folgende Erfahrungsbericht:
https://transformier.wordpress.com/2016/07/15/moral-und-abstraktes-denken-wie-afrikaner-sich-von-westlern-unterscheiden-moegen/
Dabei hat es sich gezeigt, daß in afrikanischen Sprachen die Möglichkeit fehlt bzw. sehr schwach ausgeprägt ist, präzise Aussagen zu machen, abstrakte Begriffe zu bilden, konditionale – auf die Zukunft bezogene – Sätze zu bilden. Damit hängt z.B. die Unfähigkeit zu abstrakter Moral (wie wir sie kennen) anstelle von rein konventioneller zusammen, und die Verständnislosigkeit gegenüber vorsorglichem Handeln (z.B. technische Wartung: "warum soll ich die Maschine checken und Teile auswechseln? sie läuft doch noch!")

Ruewald

19. Juli 2019 16:27

@Thomas Martini
Danke für Ihren Hinweis auf den großen Michel Montaigne. Von ihm habe ich mir als Leitspruch eingeprägt:
"philosopher c'est apprendre à mourir"

Ruewald

19. Juli 2019 17:08

@Sandstein, @laurenz
In einem anderen Strang hatte ich bereits über den "Abschied vom Abschied vom Christentum" (F.J. Wetz), zutreffender wäre wohl: (individuelle) Überwindung der Überwindung, geschrieben.

1. Auf der ersten Stufe des Abschieds (der Überwindung) kämpft man noch verbissen gegen den Gegner und gegen sich selbst, d.h. gegen die unerkannten Reste des zu Überwindenden in sich selbst; auf dieser Stufe sehe ich (mit Verlaub) @Laurenz, und z.B. den militanten Atheisten Richard Dawkins (dem offenbar nicht bewußt ist, wieviel Christentum in dem von ihm propagierten "atheistischen Humanismus" noch steckt).

2. Auf der zweiten Stufe des Abschieds (der Überwindung) hat man den eigenen Abschiedsk(r)ampf als solchen durchschaut und steht dem früheren "Todfeind" mit Gelassenheit gegenüber; kann ihm unter Umständen auch noch manch Zustimmenswertes abgewinnen. Man steht sozusagen darüber.
Das bedeutet aber keineswegs, daß man "reumütig" in den Schoß des vormals Bekämpften zurückkehrt. @Sandstein mag eine solche Hoffnung bzgl. @Laurenz hegen.

Ich sehe mich als Gegenbeispiel und kann gut damit leben. Die Weisen des Altertums (Epikur, die Stoiker) oder auch der Renaissance (Montaigne) und Aufklärung (Schopenhauer) u.v.a. können wir uns z.B. als überzeitliche Zeitgenossen gegenwärtig und lebensnützlich machen.

Laurenz

20. Juli 2019 01:16

@Sandstein ... Sie sind eben schon viel zu sehr von unseren nach-68'er Medien beeinflußt. Sie reduzieren Männer und Frauen rein auf Ihre Geschlechtsmerkmale und deren körperliche Entwicklung. Als ob das alles wäre und unsere Altvorderen grundsätzlich blöd gewesen wären, ob es nun das Schulsystem betrifft oder bezüglich der Einschätzung, wann jemand erwachsen ist. Gehen Sie doch einfach mal ins Netz und schauen nach der Hirnforschung. Dann brauchen wir hier dann nämlich nicht mehr über dieses Thema debattieren.

Zitat- Zu den anderen Punkten habe ich keine klare Meinung. Rabenvögel, Delphine, bei all diesen Tieren macht man "Intelligenz" aus, und ich weigere mich, Tiere nur als Instinktwesen zu sehen. -Zitatende
Sie tun so, als hätte ich mich gegenteilig ausgesprochen. Das habe ich beileibe nicht getan. Und ich kann Ihnen nur empfehlen, sich wirklich mal eine Doku mit Peter Wohlleben, vor allem bezüglich der Bäume anzuschauen (geht schneller als lesen). Bäume erkennen und sorgen explizit (für) ihre eigenen Kinder und sind nur unfreiwillig ein Sozialamt.

Zitat- Aber der Mensch ist die Krone der Schöpfung*, nach Gottes Ebenbild und die Erde sein Untertan. -Zitatende

Werter Sandstein, Sie projizieren Sich auf andere und machen damit Ihr Problem zu dem anderer.
Besagtes Zitat wurde von Menschen geschrieben und nicht von Gott, entgegen der irren Behauptung der Wahhabiten. Sie, wie viele hier auf SiN, haben, auch auf der einfachsten philosophischen Ebene, bis heute das Christentum nicht verstanden. Ihr Gott ist nur ein schönes Bild, eine grazile Statue, ein mal stimmiger und auch manchmal verstimmter Vers, den Menschen in ihrer Phantasie sich von Gott machen, ein vollkommen machtloses Wunsch-Gebilde, ein Spiegelbild des menschlichen Gedankens, keinesfalls mehr. Da hilft auch kein Leibnitz weiter.
Denn, wenn wir die Schöpfung anschauen, dann ist sie weiblich, meist wunderschön und gnadenlos unbarmherzig. Sich selbst als Mensch davon auszunehmen, ist widernatürlich, krank, degeneriert, Verantwortung wegschiebend, eben die politische Absicht der christlichen Lehre. Und warum sollte die göttliche Allmacht nicht genau das Abbild dessen sein, was Sie geschaffen hat?
Schönheit und gnadenlose Unbarmherzigkeit in Personal-Union? Wieso sollte Sie Sich nach irgendwelchem vorlautem Sternenstaub richten?

Warum suchen Sie immer dieselbe Sozialisierung mit der Sie selbst geprägt sind. Hier wurde doch alles an Magie platt gemacht. Wie sollen Sie da jemals aus Ihrem Sünder- und Büßersumpf heraus kommen? Schauen Sie doch mal nach dem Shintoismus, oder wenn Sie es lieber moderner mögen, lesen Sie Castaneda, Hellinger oder Tolle. Und wenn wir auf die hier meist ignorierte Historie der Christen eingehen, kann es mit dem Teufel nur besser werden, als es bisher war, zumindest wenn es nach Goethe geht.
Und was meine Person angeht, so haben weiter nicht verstanden. Ich habe rein gar nichts gegen die Christen, solange sie still im Kloster rekapitulieren oder beim Schäfer schauen, wie Schaf sein geht.
Aber die Christen sorgen dafür, daß man sich mit Ihnen auseinandersetzen muß. Gugeln Sie mal Mission. Man ist weltweit immer noch damit beschäftigt, andere Kulturen zu zerstören, deren Weltbild in den Orkus zu jagen.
Das geschieht maßgeblich mit unseren/meinen Steuergeldern. Wieso sind die sozialen Dienste nicht säkularisiert und haben dazu auch noch eigenes Recht? Wieso sind Kirchen Körperschaften des öffentlichen Rechts anstatt im Vereinsregister eingetragen zu sein, wo sie hingehören? Wieso läuten immer noch Glocken in einer privilegierten Dezibel-Zahl? Wenn die Polizei aus Staatsraison keine Massenmörder festnimmt, wieso haben Christen nicht einen allerletzten Rest Anstand, so jemanden nicht auch noch zu einem Kirchentag einzuladen und das auch noch schamlos in den Medien zu bewerben? Wie blind und taub muß man sein, um den Ekel nicht zu verstehen, der normale Menschen beim Anblick solch christlich bejubelter Schwerverbrecher erfaßt? Und falls Sie doch mal Ihre Augen und Ohren aufkriegen, können Sie gleich mal nachschauen, wie der Altersschnitt auf einem Kirchentag ist. Kindesmißbrauch.
Sandstein, Ihr katholischer Würdenträger aus dem heutigen Polen hat einfach nur die Petrus-Nummer gefahren. "Du wirst keine Fischer mehr, sondern Menschen fangen". Ein Mensch fängt Menschen, grauenhaft. Ich zumindest will nicht gefangen sein, ich will so frei wie möglich sein. Wenn Sie, Sandstein, Ihr Leben in Gefangenschaft verbringen und damit ihre eigene Verantwortung aufgeben wollen, so ist das doch allein Ihre Entscheidung.

zeitschnur

20. Juli 2019 10:07

@ Ruewald

Wieviel "glückliche Hand" man wohl bei einer so eher mechanistisch verstandenen „Erziehung“ grundsätzlich haben kann? Bevor man jemanden "erzieht", hat man ja keinen "Bauplan" oder keine "Gebrauchsanweisung" mitbekommen. Aber gewiss wird das auch noch kommen: der Framing-Erziehungs-Kurs für Eltern, denen man ansonsten das Kind nimmt… Dieses Unwesen bildet sich ja der Tendenz nach bereits in der deutschen Schulpflicht ab.

Ich meinte nicht, dass hier "das Gehirn" des Neugeborenen bereits "vorverdrahtet" sei.
Ich sprach von einer allgemeinen, aber spezifischen "Struktur", die bereits vorhanden sei, aber als allgemeine nicht zu sich kommen kann, sondern nur in der Differenzierung. Nichtsdestoweniger ist der Mensch im letzten Ende auf dieses Allgemeine hin angelegt. Er erreicht es aber nur über die Differenzierung.

Meine Ansicht zum IQ habe ich bereits neulich dargelegt. Sie fragen, ob irgendeine anatomische Spezialität, die Weiße haben, Schwarze aber nicht, womöglich mit dem niedrigeren IQ der Schwarzen zusammenhänge... Der IQ ist ein reines Konstrukt, der exakt das misst, was man im Rahmen einer bestimmten weißen Kultur (die den IQ erfunden hat) messen will. Wer an den IQ glaubt, betreibt eine unkritische und undifferenzierte Nabelschau vorwiegend angeblich "natur"wissenschaftlicher Weltsicht. Damit habe ich natürlich nicht behauptet, dass es keine empirischen Begabungsdifferenzen gibt, nur bezweifle ich deren mechanistische Deutung, die noch dazu im IQ-Konstrukt eine "Grenze" vermutet. Selbst westliche Gehirnforschung gibt unumwunden zu, dass sie in den Anfangsgründen steckt, dass sie nicht klären kann, ob nur das Gehirn Sitz kognitiver Potenziale ist und dass niemand wirklich wissen kann, welche Kapazitäten ein Gehirn hat. Die Aufgaben, die ein IQ-Test dem Probanden stellt, sind typische Aufgaben westlicher Schulbildung. Daher schneiden dabei stets diejenigen am besten ab, die in solchen Aufgabentypen "geübt" sind - also Schüler/Studenten und natürlich überhaupt westlich Gebildete. Alle anderen, auch ältere Weiße, schneiden bereits schlechter ab. Was der IQ wirklich erfasst, dürfte damit klar sein. Dass all die Betreiber solcher neurophysiologischen Konstrukte all ihre Kritiker in gewohnter Manier lächerlich machen, sollte niemanden wundern. Die Argumente werden dadurch nicht besser. Sie nennen einen Durchschnitts-IQ für schwarze USA-Bürger von 85 und fragen sich nicht, warum er so viel höher ist als der der schwarzafrikanischen angeblichen IQs?! Warum fragen Sie sich nicht, warum die Gedächtnisleistungen deutscher Jugendlicher immer schlechter werden?! Sinkt etwa der IQ - als objektive Intelligenz verstanden?!

Auch habe ich keineswegs jeder Milieutheorie abgesagt, sondern der Vorstellung, der Mensch komme gewissermaßen als tabula rasa zur Welt und werde nun "befüllt" und markiert.
Kein vernünftiger, einigermaßen erfahrener Mensch kann doch bestreiten, dass Milieus und deren bewusste oder unbewusste Erziehung (das ist kein so großer Unterschied!) sehr wohl entscheidende Weichen für die Entwicklung der Potenziale stellen. Was man als Eltern oder Lehrer erlebt, dieses "Er/sie könnte, wenn er/sie nur wollte (oder manchmal auch dürfte)", würde sich mit ganzer Sicherheit schon in einem IQ-Test abbilden, zeigt aber auch noch den sehr wichtigen Aspekt der Eigendisposition zu den Eigenpotenzialen auf. Es gibt auch das (zeitweise) Sich-Verfehlen, das weder an den Begabungen noch am Milieu liegt

Es gibt die Vorstruktur, es gibt die Notwendigkeit der heimischen Prägungen, weil sie es sind, die optimal die individuelle Differenzierungsaufgabe erfüllen helfen - nicht mehr, nicht weniger. Ich habe beim eigenen Kind eine größere Empathiefähigkeit in dessen innere Veranlagung, weil ich meine Familie kenne und die, in die ich eingeheiratet habe, wenigstens ansatzweise. Bei einem fremden Kind fällt dies schwerer. Man ist als Erzieher Katalysator. Wird dies verfehlt, hat das schwerwiegende Folgen für das Kind. Es wird deswegen zwar nicht "dümmer", hat es aber schwerer, das, was in ihm steckt, zu finden, zu wagen, "es einfach zu machen", weil niemand ohne den Zuspruch von außen auskommt.

Und gerade letzterer Punkt kann auch als Widerstreit in derselben Persönlichkeit gegen die eigenen Potenziale wirksam sein. Die schwerste aller Todsünden ist eben nicht der Verstoß gegen das 6. Gebot, wie es der durchschnittliche fromme Moralist gerne sieht, sondern ganz zu Recht die "acedia", die Trägheit, die Bequemlichkeit, die Faulheit, im letzten Ende die Selbstverneinung — und das ist auch die Tragödie unserer derzeitigen kulturellen Entwicklung: Hedonismus, Narzissmus, gespeist aus der acedia.
Im Gleichnis von den Talenten, das Jesus erzählte, bekommen drei Knechte zwar unterschiedliche Talente, aber zwei davon verdoppeln sie in einer bestimmten Zeit, einer dagegen vergräbt es und ist zu faul und zu bitter, es zu entfalten. Er wird vom wiederkehrenden Herrn verurteilt. Nun sollte aber jeder hier klar denken: Die Möglichkeit, ein Vermögen zu verdoppeln, bedeutet immer, dass es unendlich wirksam sein kann. Es ist unwesentlich, ob einer als Ausgangstalente zwei oder fünf bekommen hat! Nur der, der behauptet, ihm sei darin eine Grenze gesetzt worden (also der IQ-Gläubige) wird letztendlich das Talent vergraben. Durch die unselige IQ-Ideologie träufelt man den Menschen ein, es gäbe eine Grenze, die ein Sterblicher von außen für sie bestimmen könnte, innerhalb derer sie dann auch brav bleiben werden, die acedia wird dann das Ihre noch dazu beitragen.

zeitschnur

20. Juli 2019 10:41

"Werden wir gesund geboren, ist in uns immenser Reichtum angelegt."

Das ist der Satz Spitzers, dem ich zustimmen kann ohne Vorbehalt.
Und hier setzt meine Skepsis ein:

"Spitzer meint, die Einheit des Lernens sei die Synapse. Sie verbindet und verschaltet."

Das ist mir zu mechanistisch - wir wissen nicht wirklich, was in einem Menschen geschieht, der Dinge erlebt und verarbeitet und "lernt". Edith Stein wies einmal darauf hin, dass man nur eine Oberfläche sieht, die meist sogar verspiegelt ist. Man sieht sich selbst in der Oberfläche des anderen, und nichts ist schlimmer als diese unreflektierte Egomanie der Verwechslung der eigenen Krämpfe mit dem anderen! Wie tief es runter geht und was dort ist und wie man es entwickelt oder irgendwie "nutzt", weiß niemand, nicht einmal der Betroffene selbst. Das ist die tiefe Erfahrung der Mystiker, sich hier ganz und gar dem Göttlichen zu überlassen, unbekannterweise... mit enormen und positiven Folgen für die Entwicklung der Persönlichkeit... ja: solche Menschen versetzen Berge!
Wichtig finde ich allerdings auch den Gedanken im Artikel, dass der tiefe Empfindungsreichtum eine geistige Funktion ist.

Häufig werden im öffentlichen Diskurs "Gefühle" als eine grundsätzlich andere Kategorie angesehen als der "Verstand". Im Artikel wird angedeutet, dass unsere Empfindungen und Emotionen Resultate geistiger Prozesse sind. Es gibt keine vom Geist unabhängigen "Gefühle"! Das festzustellen ist wichtig und wäre auch eine Hilfe aus dem narzisstisch-wehleidigen Selbstverständnis vieler postmoderner Menschen einen Ausweg zu finden.

Ruewald

20. Juli 2019 13:01

Wenn ich "der Mensch: die Krone der Schöpfung" höre, dann kommt mir immer die Erinnerung an das Zitat von Gottfried Benn:
"Die Krone der Schöpfung: das Schwein der Mensch",
was den riesigen Abgrund des Menschseins, genauer: der Extreme menschlicher Individuen und Verhaltenweisen, zum Ausdruck bringt (womit dem Schwein eigentlich Unrecht getan wird).

Ruewald

20. Juli 2019 15:05

@zeitschnur
Gegenseitige Verständigung erfordert mehrere Iterationen der Klärung. Wenn ich Ihr Beispiel als Gegenbeweis gegen die Mileutheorie betrachtete, dann meinte ich natürlich nur die reine (!) Milieutheorie, die eine tabula rasa voraussetzt. Daß das Milieu eine unverzichtbare Rolle spielt, ist doch unbestritten. Sie wittern immer zuviel "mechanistisches" Denken. "Verdrahtung" war mehr im übertragenen Sinn gemeint; Sie können auch Strukturen, Vorprägungen, Neigungsstrukturen, Propensitäten, o. dgl. sagen. Unsere Sprache zwingt uns immer wieder zu "handgreiflichen" Umschreibungen.

Der IQ darf natürlich nicht als starr limitierende Größe angesehen werden. Die Erblichkeit ist ja nicht 100 %, sondern da ist noch ein gewisser Spielraum für Milieu und Erziehung. Über Alfred Adler heißt es: "Die Freudsche Psychoanalyse ist eine Psychologie des Besitzes und mündet schließlich in den Determinismus. Die Adlersche Psychologie ist andererseits eine Psychologie des Anwendung: Du bist selber, der darüber entscheidet. Es kommt nicht darauf an, womit man geboren wird, sondern welchen Gebrauch man von diesen Anlagen macht."

Zum Determinismus: das Paradigma des strikten Determinismus ist schon längst durch einen "schwachen Determinismus" abgelöst, Folge der Entdeckung der Stochastik, d.h. Vorrang zufälliger Abweichungen und der Variationsbreite bei großen Kollektiven. Nichtsdestoweniger bestehen gesetzmäßige Zusammenhänge, die durch Gesetze der mathematischen Statistik beschrieben werden können, allerdings nicht mehr mit exakten Werten, sondern Wahrscheinlichkeiten (in der Psychologie könnte man von Propensitäten sprechen).

Und nun ein Beispiel, das Sie wohl als "Milchmädchenrechung" abtun möchten, das aber nichtsdestoweniger empirisch verifizierbar ist: Nehmen Sie eine afrikanische Bevölkerung mit mittlerem IQ von 70, Sigma = Standardabweichung (Maß der Variationsbreite) = 15. Für einen IQ von 100 braucht es eine Abweichung um 2*Sigma = 30 vom Mittelwert 70. Der IQ verhält sich statistisch wie eine Gaußsche Glockenkurve = Normalverteilung. Daraus ergibt sich, daß nur etwa 2,5 % der Bevölkerung einen IQ von >= 100 erreicht. Bei einer Bevölkerung mit mittlerem IQ = 100 (Weiße) erreichen das aber 50%. Suchen wir jedoch nach noch IQ-Intelligenteren (IQ = 115, 130, ...) dann wird das Verhältnis noch viel ungünstiger. Nimmt man den IQ als ein Eignungsmaß für eine hochindustrialisierte Zivilisation westlichen Typs, dann muß man für Schwarzafrika "schwarz" sehen. Eine Andeutung dieser Art hatte der Nobelpreisträger James Watson gemacht, was ihm quasi den Kopf gekostet hat.

zeitschnur

20. Juli 2019 19:03

@ Ruewald

Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Tatsächlich bewegen wir uns wohl argumentativ aufeinander zu: Natürlich wird die schwarzafrikanische Bevölkerung eine andere Normalverteilung aufweisen, weil sie eben nun mal nicht mehrheitlich in einem westlich geprägten oder mit ihm gut kompatiblen kulturellen System geprägt wird. Das habe ich ja eigentlich auch so gesagt. Die interessante Frage wäre hier, wie Messungen in einer solchen Bevölkerung wären, wenn man sie einige Generationen lang unter vollständig westlichen Bedingungen weiter ausrichtet und bildet.
Der IQ wird sich mit Sicherheit heben - eben so wie in den USA.

Gestatten Sie mir noch eine etwas düstere Bemerkung: wenn ich sehe, was die "hochindustrialisierte Zivilisation westlichen Typs" hervorgebracht hat, packt mich gelegentlich ein gewisses Grauen. Nicht wegen der hilfreichen Waschmaschine oder so - Sie verstehen sicher, was ich meine - , sondern wegen all der Entartungen, die zB der Digitalisierung innewohnen, die eine perfekte Versklavung der Menschheit herstellen kann.
"Intelligenz", die nur nach funktionalen Leistungen jenseits jeder Ethik und Verantwortung gemessen wird, ist keine.
Was immer der IQ misst, es reicht niemals aus, um ein echtes zivilisiertes Konstrukt von Begabung und Kompetenz zu beschreiben.

Und das ist es auch, was ich mit "mechanistisch" meine. Ich weiß nicht, was ich weniger gern habe: eine hochintelligenten (jedenfalls nach IQ-Berechnung), zynischen Logenkriminellen in Weiß oder einen für viele kognitive Tätigkeiten westlichen Typs nicht unbedingt brauchbaren Menschen in Schwarz.

Grundsätzlich aber halte ich nichts von dieser Migration, weil sie die Afrikaner betrügt, ausbeutet, täuscht und schwer schädigt und ihre Unbedarftheit und - in gewissem Sinne - Arglosigkeit ausnutzt. Dem korrespondiert ein völlig gestörter, meinetwegen mit einem besseren IQ versehener Massen-Weißer, der offenbar trotzdem zu bescheuert ist, zu verstehen, dass diese Migrationssperenzchen alleine schon aus mathematischen Gründen den Zenit längst mehr als überschritten haben.
Ich weiß wirklich nicht, wenn ich mein Volk so ansehe, wo die ganzen IQs, die es mehr haben soll als die, die es herlockt, eigentlich abgeblieben sind. Sagen Sie es mir, wenn Sie irgendwo so ein Intelligenzreservoir deutschen Typs finde, damit ich dort suchen kann… Man weiß ja manchmal wirklich nicht mehr, ob man sich auf einem Narrenschiff bewegt.

Ruewald

20. Juli 2019 22:56

Werte @zeitschnur, Sie sprechen mir aus der (verwundeten) Seele, wenn Sie von einem "Narrenschiff", auf dem wir uns bewegen, schreiben, oder von "Massen-Weißen mit einem besseren IQ, die trotzdem zu bescheuert sind ...".

Sie weisen damit auf das Paradox hin, daß gerade unter Akademikern viele so "bescheuert" sind, daß sie "Grün" wählen. Dies ist auch ein Beweis dafür, daß das, was wir intuitiv unter Intelligenz verstehen, offensichtlich vom IQ nicht richtig erfaßt wird; deshalb schreibe ich auch immer "IQ-Intelligenz". Für Voraussagen über schulischen Erfolg, Eignung für bestimmte Berufe, sinnvolle Fördermaßnahmen, etc. mag er geeignet sein.

Ich kenne frühere Kollegen, z.T. promovierte Physiker, die in ihrer narzißtischen Gutmenschlichkeit die Immigrationsproblematik nicht kapiert haben; man muß ihnen erst etwa Sieferles "Das Migrationsproblem – die Unvereinbarkeit von Sozialstaat und Masseneinwanderung" unter die Nase halten – oder ihnen klar machen, daß Integration letztlich eine Entwurzelung und Entwürdigung darstellt.

Und selbst unter solchen math.-naturwissenschaftlich promovierten Akademikern gibt es welche, die an das propagierte Klimaparadigma ( anthropogene CO2-verursachte Klimakatastrophe) glauben, auf ihrem Fachgebiet hervorragende Leute, die komplizierteste technische Probleme beackern. Der hohe IQ scheint offensichtlich bevorzugt analytische Fähigkeiten zu bemessen, nicht aber solche, die "über den Tellerrand hinausgehen". Damit meine ich die Fähigkeit, über sein Fachgebiet hinausgehend, größere und übergeordnete Zusammenhänge und Verbindungen zu anderen Gebieten zu erkennen – d.h. holistisches Denken.

Intelligenz ist zu komplex, um sie mit einem einzigen Parameter wie den IQ vollständig erfassen zu können, ebenso wie man ein so komplexes Geschehen wie Wetter und Klima auf einen einzigen Parameter, wie die CO2-Konzentration, reduzieren kann (ein wesentlicher Unterschied besteht aber darin, daß die IQ-Forschung und –Methodik wissenschaftlich fundiert ist, die "Klima-Theorie" aber nicht).
Ich bin gerade bei einer Ausarbeitung zum Klimaparadigma, womit ich meinen "bescheuerten" promovierten früheren Kollegen fundiert nachweisen werde, daß es sich um eine "Theorie" handelt, die keineswegs wissenschaftstheoretischen Kriterien genügt, mit welchen psychologischen Strategien der allgemeine Konsens durchgesetzt wird, und die politischen Hintergründe, etc. Ich hoffe, daß ihre IQ-Intelligenz dazu ausreicht.

Nebenbemerkung: die Zwangsbemühungen mit "busing", "affimative action", etc. in den USA führten nur zu bescheidenen und nicht einmal immer dauerhaften Erfolgen zur Hebung des IQ. Der "gap" zwischen dem mittleren IQ von 85 der Farbigen und dem von 100 bei den Weißen scheint nicht überwindbar zu sein. Das weist eben auf die starke IQ-Heritabilität hin. Ebenso wie 85 gerade der arithmetische Mittelwert zwischen 70 (IQ Schwarzafrika) und 100 (IW Weiße) ist. Zur Erinnerung, es handelt sich um statistische Mittelwerte mit einer breiten Variation (Standardabweichung ca. 15 IQ-Einheiten).

zeitschnur

21. Juli 2019 11:37

@ Ruewald

Ja, diese Paradoxie, von der Sie sprechen, verdiente eine eigene genauere Betrachtung. Gibt es schon irgendwo eine? Im Volksmund nennt man den in diesem Sinne ausgeprägten Typus den des "Fachidioten". Viel Glück für Ihre "Ausarbeitung hinsichtlich des Klimathemas - wo kann man sie lesen?

Zu Ihrem letzten Abschnitt: Ich schrieb , dass man Generationen dazu bräuchte, wollte man das wirklich realistisch erfassen. Und man müsste die Schwarzen unter genau dieselben Bedingungen bringen wie die Weißen. Erst dann könnte man wirklich eine Heritabilität nachweisen, wenn der Wert dann wirklich und auf Jahrzehnte und Jahrhunderte niedriger bliebe. Und genau das wird man niemals erreichen.

Man fischt also hier im Trüben, denn wir wissen alle, dass Schwarze in den USA unter mehrheitlich anderen Bedingungen leben, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie bewusst oder unbewusst eben doch an anderen Traditionen oder Traditionssplittern festhalten. Mit reiner Genetik kann man das nicht erklären, aber mit einer Kombination von physischem und geistigem Erbe, deren Korrelationen und Verknüpfungen aber mE nicht erforscht sind.

Und der letzte Punkt ist für mich auch insofern interessant, wenn man das mal andersherum ansieht, als ich mich frage, was es an unserer Tradition ist, das so viele Deutsche so unbeirrbar und stur an einem bestimmten kollektiven Wahnsinn festhalten lässt, der sich konvulsivisch seit Jahrhunderten immer wieder Ausbruch verschafft (zB der deutsch-eskalierte Hexenwahn des 16. und 17. Jh wurde in dt. Landen irrsinniger vertreten als anderswo).

Ich denke übrigens, dass sich im musikalischen Erbe die spezifische und komplexe Intelligenz eines Volkes ausdrückt. Ricarda Huch schrieb in ihrem Buch über den Untergang des HRR, unsere Kultur habe sich in der klassischen Musik des 16.-19. Jh einen "Schwanengesang" und eine Art "Zusammenfassung" all dessen, was gut war, geschaffen.
Alleine die so ganz andere Schwerpunktsetzung der afrikanischen Musiktraditionen gibt uns vielleicht eine Intuition darüber, worin deren Größe im Unterschied zu der unseren liegt, dies aber sei wertfrei gesagt, weil ein objektiver Bewertungsmaßstab nicht existiert, obwohl die jeweilige Größe erkennbar zu sein scheint.

Ratwolf

21. Juli 2019 13:00

"Draußen spielen, dort Abenteuer erleben, Geschichten erzählt bekommen, sich in Ruhe unterhalten, Tiere pflegen, ein Beet beackern, viel sehen, bauen und werkeln, singen, musizieren, Gedichte lernen"

Kann ich bestätigen. Es ist eine praktikable Sicht. Es gibt aber auch einen erblichen Faktor. Wenn man ihn sucht.

Ruewald

21. Juli 2019 21:57

@zeitschnur
Da ich keine Beziehungen zu Zeitschriften habe, wird meine Ausarbeitung "Analyse, Kritik und politische Hintergründe des Klima-Paradigmas" wohl nur auf einen kleinen Bekanntenkreis beschränkt bleiben. Bei SiN besteht nach meinem Eindruck wenig Interesse an Themen, die etwas "off-road" liegen. Und da im Foristenkreis hier die informierten Klimaskeptiker wohl überwiegen, dürfte auch hier wenig Interesse bestehen.
Ich habe einen Entwurf mit Zusammenfassung und ausführlicher Bibliographie fertig, aber es wird mich noch einige Zeit kosten, die über 50 Referenzen in den Text einzuarbeiten.

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